die millstätter handschriften. ein werkstattbericht - Alpen

Ausstellungsreihe | Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Initiale „S“ aus PA30,f64r
EXPONAT 9 / WINTER 2016
DIE HANDSCHRIFTEN DES BENEDIKTINERSTIFTES MILLSTATT
EXPONAT 9 / WINTER 2016
Ausstellungsreihe | Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
DIE MILLSTÄTTER HANDSCHRIFTEN. EIN WERKSTATTBERICHT
Die Exponate:
PA 109
Theologisch-didaktische Sammelhandschrift. Papier/Pergament,
216 Bll., mittelbairisch, 9.-15. Jh.
PE 38
Breviarium cum Calendario, Pergament, 239 Bll., Millstatt, 12. Jh.
PA 78
Lateinisch-deutsche Grammatik und Vokabelsammlung.
Papier (Bl. I Pergament), 337 Bll., Millstatt, 1437/38 bzw. 1443
PA 16
Vocabularius ex quo, Papier, 381 Bll., böhmisch, 15 Jh.
PA 29
Moraltheologisch-katechetische Sammelhandschrift, Papier,
329 Bll., 15 Jh.
PA 30
Compendium theologiae veritatis - Vocabularius ex quo.
Papier, 252 Bll., bairisch, 15. Jh.
Das Benediktinerstift Millstatt war im Mittelalter
die bedeutendste Kulturstätte in Oberkärnten.
Es wurde vor 1088 gegründet und stand von den
Anfängen bis zu seiner Übernahme durch die
St. Georgs-Ordensritter (1469) unter starkem
Einfluss der Diözese Salzburg. Sein Bücherbestand zu dieser Zeit wird auf 250-300 Bände
geschätzt.
Initiale „E“ aus PA 16,f3r
Zur Geschichte der Benediktiner-Bibliothek
Millstatt
Während der Herrschaft der Jesuiten in Millstatt (1598-1773) wurden mehrfach
größere Korpora an die Ordens-Residenz in Graz übergeben. Nach der Auflassung
des Jesuitenklosters Millstatt gingen die verbliebenen Bestände an die 1775
gegründete Studienbibliothek Klagenfurt, die erste öffentliche Bibliothek in
Kärnten und Vorgängerin der heutigen Universitätsbibliothek, und bildeten
zusammen mit der Bibliothek des Klagenfurter Jesuitenkollegiums deren
Grundstock. Nicht zuletzt auf Grund ungenauer Verzeichnisse ist der Verbleib
zahlreicher Millstätter Bände bis heute ungeklärt.
Von den heute noch nachweisbaren Millstätter Handschriften ließen sich jedenfalls
durch sorgfältige kodikologische Untersuchungen nur noch 90 Bände der
benediktinischen Phase sicher zuordnen. Für 18 weitere Handschriften sind die
Provenienzverhältnisse noch nicht hinreichend geklärt. Weitere Zuordnungen sind
nicht ausgeschlossen.
Das überlieferte Korpus zeigt, bei aller Fragmentarizität der Überlieferung, die
typischen Charakteristika benediktinischen Geisteslebens. Neben den für den
klösterlichen Tagesablauf erforderlichen liturgischen Büchern (Psalterien,
Breviare, Lektionare, Heiligenlegenden und ein Missale) finden sich größere
Bestände, die der in der Benediktinerregel vorgeschriebenen wissenschaftlichen
Privatlektüre dienten. Hier finden sich sowohl Texte aus dem Bereich des Triviums
(Grammatiken, Glossare, Poetiken, logische Schriften u.a.) als auch theologische
(Kirchenväter), katechetische und exegetische Literatur.
Das geplante Projekt dient der provenienziellen Sicherung und
modernen kodikologischen Erschließung des benediktinischen Korpus. Viele teils prominente Texte können erst auf
der Grundlage heutiger Datenbanken und Findemittel identifiziert bzw. sogar Autoren zugewiesen werden. Die erhobenen
Daten zu den Handschriften aller heutigen Standorte werden
dann zusammen mit den Handschriften-Digitalisaten
(http://opac.uni-klu.ac.at) in einer interaktiven Datenbank zu
einer virtuellen Bibliothek des Benediktinerklosters Millstatt
zusammengeführt und mit anderen Datenbanken großer
Handschriftenzentren verlinkt.
So werden diese Bestände erstmals geschlossen sichtbar
gemacht und einer eingehenden Erforschung der frühen
Wissenschaftsgeschichte Millstatts zur Verfügung gestellt.
Sabine Seelbach und Christa Herzog
im Winter 2016