Warum Worte nicht nur Worte sind.

Warum Worte nicht nur Worte sind und erfolgreiche Kommunikation kein Zufall sein muss
Text basiert auf einem Impulsvortrag anlässlich der Arbeitstagung der Jugendsekretär/-innen der Deutschen Sportjugend am 7. 09. 2016 in Frankfurt a.M.
Peter Michael Bak, Hochschule Fresenius, Köln
Ich will heute über Kommunikation, besonders gelungene und
Sie: Eben.
nicht gelungene Kommunikation sprechen. Vor allem geht es mir
Er: Wie eben?
darum, Sie dafür zu sensibilisieren, dass Kommunikation aus
Sie: Wenn Du mich noch wirklich lieben würdest, dann hättest Du
mancher Hinsicht viel komplizierter ist, als man auf den ersten
es anders gesagt. Wenn ich das schon höre. Begrüßung!
Blick denkt, es gar nicht so selten beinahe einem Wunder gleicht,
Er: Ach Schatz, jetzt übertreib doch nicht gleich!
dass wir überhaupt miteinander kommunizieren können und
Sie: Red nicht so, als ob ich nicht ganz dicht im Kopf wäre! Ich
erfolgreiche Kommunikation tatsächlich häufig Zufall ist. Es gibt
kann das arrogante Gehabe von Dir nicht leiden!
aber für gelungene Kommunikation auch Randbedingungen, die
Er: Also, jetzt komm mir nicht so…
wir selber herstellen können, damit Kommunikation absichtsvoll
Sie: Siehst Du, wie Du mit mir umgehst?
und planbar mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen
Er steht wortlos auf. Sie auch. Beide würdigen sich keines
kann. Auch das wird Thema meines Vortrages sein. Eins vorweg;
Blickes. Den ganzen Tag sind sie schlecht gelaunt.
von erfolgreicher Kommunikation spreche ich, wenn es dem
Sender einer Botschaft gelingt, dass seine Botschaft beim
Empfänger so ankommt,wie es beabsichtigt war. Aber betrachten
Wir kennen das alle. Wie aus dem Nichts entsteht ein Streit oder
wir zunächst eine Alltagssituation, die Sie vielleicht so oder ganz
schlechte Laune. Ein Wort reicht und der Tag ist gelaufen. Und
ähnlich selber schon einmal erlebt haben. Stellen wir uns dazu
das erleben wir nicht nur in der Partnerschaft, sondern auch bei
ein Paar vor. Sie wissen es selbst. Schon das erste Wort, dass
der Arbeit, beim Einkaufen oder allgemein eben in allen sozialen
wir morgens an unseren Partner richten, kann eine ganze Kette
Situationen. Jede Aktion und jede Reaktion kann der Anfang
von Reaktionen auslösen, an dessen Ende ein handfester Krach
eines langen Hin und Hers werden, bei dem sich die Beteiligten
steht, von dem wir später gar nicht so genau sagen können,
darüber streiten, wer nun was, wie gemeint hat und wie gesagt
worum es eigentlich ging. Also, betrachten wir diese kleine
hat und wie es eigentlich hätte sein sollen etc. Das Beispiel macht
Szene:
schon klar, dass Worte, wie im Titel meines Vortrags bereits
gesagt, eben nicht nur „einfach nur Worte“ sind. Es hängt eben
Noch im Bett
davon ab, wie wir die Worte meinen bzw. wie wir die Worte
Er: Morgen!
verstehen. Worte sind daher eher Bedeutungscontainer, wobei
Sie: Ist was?
sich die Frage stellt, wie diese Bedeutungen überhaupt zustande
Er: Warum, was soll sein?
kommen. Um das zu klären, möchte ich zu Beginn ein bisschen
Sie: Normalerweise sagst Du „Guten Morgen mein Schatz“ und
grundsätzlicher werden. Ich werde in meinem Vortrag versuchen,
gibst mir einen Kuss.
zunächst zu erklären, wie wir überhaupt den Dingen um uns
Er gibt ihr einen Kuss.
herum Bedeutung verleihen und wie wir die Bedeutung der Dinge
Sie: Ich fände es schöner, wenn Du mir spontan einen Kuss
ständig
gegeben hättest.
Bedeutung der Dinge legt für uns den
Er: Na, das ging ja jetzt nicht mehr.
Horizont der Wirklichkeit fest. Ich werde
Sie: Du Klugscheißer.
darüber
Er: Sei doch nicht gleich so patzig.
Kommunikation dann planbar erfolgreich sein
Sie: Ich bin nicht patzig.
kann,
Er: Doch.
Kommunikationssituation
Pause.
Kommunikationspartner
Er: Ich hab einfach nur „Morgen“ gesagt und Du fängst gleich an
Bedeutungen
mich anzuschnauzen.
möchte ich zeigen, dass Empathie dabei eine
Sie: Du hast nicht einfach nur „Morgen“ gesagt. Du weißt selber,
entscheidende Rolle spielt.
dass man es so und so sagen kann.
Er: Ach Schatz. Es war einfach eine Begrüßung!
auch
ändern.
hinaus
wenn
es
Mehr
noch,
darlegen,
uns
gelingt,
die
dass
in
der
mit
unserem
auszutauschen.
Schließlich
ähnliche
Abbildung 1
Fangen wir also mit dem Thema Bedeutung der Dinge an.
behandeln, ist es eben auch für uns wertvoll. Auch das kann man
Betrachten wir dieses Ding da (s. Abbildung 1). Was ist das
verallgemeinern. Wenn wir beispielsweise höflich behandelt
eigentlich? Eine Flasche? Ein Schlaginstrument? Ein Spielzeug?
werden, dann steigt auch unser empfundener Wert. Und wenn
Zunächst einmal: Dieses Ding da ist im Prinzip bedeutungslos.
nicht, dann sehen wir uns wie „wertloser Dreck“ behandelt.
Zumindest besitzt es keine Bedeutung aus sich heraus, die jedem
Wichtig
Menschen zu jeder Zeit keine andere Wahl lassen würde, als
Bedeutungszuschreibung im kommunikativen Zusammenhang
genau diese Bedeutung zu akzeptieren. Das kann man noch
sind immer soziale Prozesse. Es reicht nicht, dass ich allein
verallgemeinern: Nichts auf dieser Welt hat eine Bedeutung an
einem Ding eine Bedeutung zuschreibe, sondern dass ich dies
und für sich. Dieser Stuhl, dieser Tisch etc. sind völlig
zusammen mit meinem Kommunikationspartner mache. Wenn wir
bedeutungslos. Damit die Dinge um uns herum eine Bedeutung
beide dann dem Ding die gleiche Bedeutung geben, dann kann
bekommen können, muss es jemanden geben, der ihnen diese
damit und darüber kommuniziert werden. Etwa ein Ehering.
Bedeutung verleiht. Schauen Sie sich beispielsweise das hier an.
Dieser Ring besitzt die Bedeutung Ehering, wenn zwei Leute ihm
an
dieser
Stelle:
Die
Prozesse
der
diese Bedeutung geben. Ich kann dem Ring zwar auch allein
diese Bedeutung geben, kann aber dann nicht darüber und damit
kommunizieren, weil es kein anderer verstehen würde.
Wie kann man sich nun den Prozess der Bedeutungsgebung
vorstellen? Im Prinzip bekommt ein Ding eine bestimmte
Bedeutung, in dem es mit einem bereits bedeutungsvollen
anderen Ding zusammen auftritt. Bedeutungsbildung ist also ein
Prozess der Assoziationsbildung. Ganz allgemein kennen Sie das
vielleicht aus dem berühmten Experiment von Ivan Pavlov. Pavlov
hat vor über 100 Jahren beobachtet, dass Hunde beim Anblick
des Futters Speichelfluss zeigen. Ihnen läuft quasi das Wasser im
Abbildung 2
Das eine ist ein Hufeisen, hat aber auch die Bedeutung
„Glücksbringer“. Und diese Schere? In Apulien beispielsweise
bedeutet sie auch Schutz vor Gefahren. Um die Bedeutung der
Dinge verstehen zu können, muss ich dementsprechend Mitglied
Mund zusammen, ein für die Verdauung wichtiger Prozess, den
wir selber gut kennen. Dann fiel Pavlov zufällig auf, dass manche
Hunde schon Speichelfluss zeigten, wenn er in den Raum kam.
Diese
Beobachtung
veranlasste
ihn,
ein
wenig
zu
experimentieren. Pavlov ließ z. B. eine Glocke erklingen und
beobachtete, was passierte. Es passierte nichts. Keine Reaktion.
Warum auch, die Glocke war völlig bedeutungslos für die Hunde.
Dann ließ er die Glocke immer dann erklingen, wenn er kurz
danach das Essen brachte. Nachdem er das einige Male so
gemacht hatte, konnte er beobachten, dass die Hunde bereits mit
dem Ertönen der Glocke anfingen, Speichelfluss zu zeigen. Mit
anderen Worten: Die Glocke hat nun für die Hunde eine
Bedeutung bekommen, nämlich, „Jetzt kommt das Futter!“. Auf
ganz ähnliche Weise erzeugen auch wir Bedeutung auf Basis
bereits bedeutungshaltiger Gedächtnisinhalte. Denken Sie dazu
nur einmal an das Konzept „Urlaub“. Eine einfache Definition ist,
Urlaub ist, wenn man nicht arbeiten muss, man sich nicht zu
Abbildung 3
der gleichen Deutungsgemeinschaft sein. Was damit gemeint ist,
lässt sich auch gut an unserem Geld festmachen. Geld, also
unsere Münzen und Scheine bekommen erst dann die Bedeutung
„Zahlungsmittel“ oder „wertvoll“, wenn wir so tun, als wäre es
wertvoll und es als Zahlungsmittel einsetzen. Wenn wir dem Ding
eben die Bedeutung „Geld“ geben und damit entsprechend
umgehen. Behandeln wir es anders, dann verliert das Geld diese
Bedeutung. Es ist dann einfach ein Stück Metall oder Papier. Für
einen Eingeborenen aus dem Amazonas-Urwald ist unser Geld
bedeutungslos. Da
wir
aber
Geld
wie
etwas Wertvolles
Hause aufhält und trotzdem bezahlt wird. Oder so ähnlich. Das
interessante an Urlaub ist, dass vermutlich jeder von uns eine
etwas andere Assoziationskette dazu hat. Für den einen besteht
Urlaub aus Sonne, Meer, Strand uns Nichtstun, für den anderen
vielleicht aus Bergen, Wandern und gutem Essen und für den
Dritten einfach nur Nichtstun. Warum das so ist lässt sich
wiederum ganz einfach mit dem Prinzip der Assoziationsbildung
erläutern. Das, was Urlaub für uns bedeutet, ergibt sich daraus,
was wir mit Urlaub assoziiert haben, vor allem aufgrund unserer
Erfahrungen. Denken wir dran, Worte sind Bedeutungscontainer!
Ein anderes Beispiel. Denken wir an eine beliebige Katze. Wie
wir gehen häufig davon aus, dass unsere eigenen Einstellungen,
sieht die so aus? Wenn wir nun miteinander über Katzen
unser eigenes Wissen und unsere eigenen Verhaltensweisen mit
sprechen, dann sprechen wir über das Konzept „Katze“, das viele
denen anderer Menschen übereinstimmen müssen und denken
Assoziationen aufweist. Je mehr sich unsere Assoziationen dabei
gar nicht daran, dass der andere die Dinge ganz anders sieht.
ähneln, desto besser ist das gemeinsame Verständnis von dieser
Das ist dann oft genug der Grund, warum wir den anderen dafür
Katze. Was aber, wenn wir uns z. B. mit einem Bauern aus
auch noch kritisieren, schlecht behandeln etc. Keine guten
Süditalien über eine Katze unterhalten. Seine Katze sieht
Voraussetzungen für gelungene Kommunikation. Wir bedenken
womöglich ganz anders aus. Wir sprechen zwar womöglich mit
gar nicht, dass sich jeder zu jedem Moment in einem ganz
den gleichen Worten über die Katze, meinen aber eigentlich
spezifischen und individuellen Zustand befindet. Dieser Zustand
unterschiedliche
ergibt sich aus unseren individuellen Erfahrungen, den aktuellen
Katzen
oder
allgemein
Dinge.
Ein
hundertprozentiges Verständnis kann so nicht zustande kommen.
Situationseinschätzungen,
Das ist nebenbei ein wichtiger Punkt beim Erlernen von Sprache.
verfügbaren
Wenn wir eine Person aus einem anderen Umfeld, Kontext, Kultur
Gedächtnisses. Diese wiederum hängen von den gerade
etc. verstehen wollen, reicht eine reine Übersetzung eigentlich
verarbeiteten Informationen ab, woran wir denken etc. Dabei
nicht aus. Wir müssen die gleichen Assoziationen besitzen, sprich
spielen zufällige Dinge eine Rolle ebenso wie die gegenwärtigen
über
Bedürfnisse, die wir haben oder die Ziele, die wir gerade in einer
gleiche
oder
ähnliche
Assoziationen
verfügen.
Der
Wortcontainer muss sich ähneln.
-bewertungen
bedeutungsgebenden
und
den
Inhalten
gerade
unseres
Situation verfolgen. Wenn wir beispielsweise hungrig sind, dann
denken wir verstärkt an leckeres Essen und dann fallen uns beim
Halten wir bis hierhin fest:
Stadtbummel vor allem auch Geschäfte auf, in denen man etwas
Kein Ding besitzt an und für sich Bedeutung. Wir verleihen den
zu essen kaufen kann. Und wenn wir merken, dass das Benzin
Dingen erst die Bedeutung aufgrund unserer Erfahrungen,
langsam knapp wird, werden uns viel mehr Tankstellen auffallen,
unseres Wissens und unserer sozialen Prozessen. Wir verhalten
als wenn wir gerade getankt haben. Wir sind eben vor allem für
uns den Dingen gegenüber gemäß dieser Bedeutung, was
solche Reize sensibel sind, die für das aktuelle Ziel, welches wir
impliziert, dass die Bedeutung der Dinge auch veränderbar ist.
verfolgen, relevant sind. Die anderen Dinge lassen wir dagegen
außer Acht. Das kann so weit gehen, dass wir sie schlicht und
Auf den zweiten Punkt möchte ich noch kurz eingehen. Wenn wir
einfach gar nicht bewusst erleben. So kenne ich beispielsweise
Bedeutung verleihen aufgrund unserer Erfahrungen und unseres
die Situation, dass ich beim Schreiben teilweise die Umgebung
Wissens, dann muss das noch eingeschränkt werden. Genauer
völlig ausschließe und ich gar nicht mitkriege, dass mich jemand
müssten wir sagen, wir verleihen Bedeutung aufgrund unseres
angesprochen hat. Sehr zum Leidwesen meiner Frau und meiner
gerade verfügbaren Wissens, denn nicht zu jedem Zeitpunkt, in
Kinder. Es ist nicht zu weit getrieben, wenn wir in solchen Fällen
jeder Situation sind uns alle Wissensvorräte zugänglich. Meistens
davon sprechen, dass man sich gerade in einer anderen Welt
sind die Gedächtnisinhalte verfügbar, die gerade jetzt, in der
befindet, denn das, was für uns die Welt ist, das, was für uns die
gegenwärtigen Situation hilfreich und nützlich sind oder die aus
Wirklichkeit ist, kann ja nur das sein, woran wir gerade denken
anderen Gründen gerade aktiviert wurden. Deshalb passiert es
können, was wir gerade erfahren können und das wiederum
auch, dass wir den Dingen, die um uns herum sind, nicht immer
hängt von den gerade verfügbaren Gedächtnisinhalten ab. Ihr
die gleiche Bedeutung verleihen, sondern von Situation zu
linker kleiner Zeh beispielsweise war gerade vermutlich nicht
Situation
Ein
Bestandteil Ihrer erlebten Wirklichkeit. Erst jetzt vielleicht,
„Morgen“ wie in der Anfangsszene kann uns dann freundlich oder
unterschiedliche
nachdem ich von dem Zeh gesprochen habe, mag der ein oder
unfreundlich erscheinen oder wir geben diesem Ausspruch gar
andere von Ihnen kurz an ihn gedacht und festgestellt haben,
keine besondere Bedeutung, weil wir gedanklich und emotional
dass der Zeh tatsächlich da ist. Vorher war er nicht da. Erst, wenn
gerade ganz woanders sind. Und spätestens jetzt wird Ihnen
wir unsere Aufmerksamkeit auf ihn richten, tritt er in unsere
hoffentlich
klar,
etwas
grundlegenden
Erlebnsiwirklichkeit ein. Da, wo keine Aufmerksamkeit ist, entsteht
um
dem
Wesen
der
auch keine Wirklichkeit. Wie sehr unsere Wahrnehmung der
Missverständnissen auf die Spur zu kommen. Missverständnisse
Wirklichkeit von den zur Verfügung stehenden Informationen
entstehen nämlich dann, wenn der Sender einer Botschaft und
abhängt lässt sich auch gut an folgender Studie erläutern. Die
der Empfänger der Botschaft der Botschaft unterschiedliche
Sozialpsychologen Hajo Adam und Adam D. Galinsky baten ihre
Bedeutungen zuschreiben. Und das passiert immer dann, wenn
Versuchsteilnehmer, einen weißen Kittel anzuziehen. Der einen
beide
Gruppe stellten sie den Kittel als Laborkittel vor, einer anderen
Seiten
wir
zuschreiben.
diese
Überlegungen
warum
Bedeutungen
benötigen,
generell
Bedeutungskonstruktionen
verfügen
über
oder
unterschiedliche
in
der
Situation
Gruppe als Malerkittel. Anschließend sollten die Personen einen
unterschiedliche Bedeutungen zugänglich sind. Das ist viel
Leistungstest bearbeiten. Es zeigte sich nun, dass die Teilnehmer
häufiger der Fall, als wir gemeinhin annehmen. Noch schlimmer,
mit Laborkittel in dem Test sehr viel besser abschnitten als die mit
dem Malerkittel. Offenbar hatte die Bedeutung des Kittels und
Was also ist zu tun? Im Prinzip liegt die Lösung auf der Hand.
nicht der Kittel als solches das Verhalten der Teilnehmer in
Einfach gesagt müssen wir nur dafür sorgen, dass die beteiligten
stereotypkonformer Art und Weise verändert. Kleider machen
Personen innerhalb des Kommunikationsprozesses ähnliche
eben Leute!
Bedeutungen verleihen können, also die gleichen Wissensvorräte
Halten wir fest: wir nutzen unser vorhandenes und aktiviertes
aktivieren, die gleichen Bedürfnisse, Erwartungen haben und die
Wissen, unsere Erwartungen sowie die uns zugänglichen
gleichen Ziele verfolgen. Sie müssen in die gleiche Wirklichkeit
Informationen, um den Dingen um uns herum spezifische
eintauchen, sich in der gleichen Welt befinden. Dies ist im übrigen
Bedeutung zu verleihen und Wirklichkeit zu konstruieren.
die eigentliche Funktion von Ritualen. Dadurch, dass viele
Bedeutungen, die im übrigen sofort erlebbare Konsequenzen
Menschen die gleichen Handlungen ausführen, fokussieren sie
haben können. Und daher sind Worte, als Bedeutungscontainer
auf die gleichen Inhalte, und kommen so zu ganz ähnlichen
eben nie einfach nur Worte, sondern wirksame Instrumente zur
Erfahrungen, weil sie allesamt den Dingen eine ähnliche
Wirklichkeitskonstruktion. Wenn wir dann im Streit davon
Bedeutung zuschreiben. Denken wir an den Kirchbesuch an
sprechen, dass der andere „immer“ dies oder jenes tut, oder „nie“
Weihnachten. Da versammeln sich viele Menschen, die gerade
dies und jenes lässt, dann sind „nie“ und „immer“ nie nur einfach
mit ganz individuellen Gedanken ankommen. Ziel etwa des
nur Worte, sondern Feststellungen, die dadurch, dass sie
einführenden Gebetsritual ist es dann, alle Anwesenden aus ihren
getroffen werden, Realität erzeugen, die wirkt. Und zwar heftig.
individuellen
Genauso übrigens, wie aus dem Ding mit den vier Holzstücken
gemeinsame Erlebniswelt einzuführen. Ich habe an anderer Stelle
da ein Hocker wird, wenn ich ihn denn Hocker nenne oder Tisch,
einmal davon gesprochen, dass man sich in eine „gemeinsame
wenn ich denn Tisch zu ihm sage. Mit allen Konsequenzen. Eine
Wirklichkeit einschwingen“ muss. Generell kann man sagen, dass
kleine Anmerkung noch dazu. Denken Sie einmal daran, was
Menschen
beispielsweise mit diagnostischen Begriffen alles ausgelöst
gemeinsame Erfahrungen sie teilen und je stärker sie diese
werden kann. Wenn uns der Arzt sagt, das ist nur eine „leichte
gerade gemeinsam aktivieren. Am besten gelingt uns das, wenn
Erkältung“, dann wirkt das ganz anders, als wenn er von „Grippe“
wir
spricht. Von schwerwiegenderen Diagnosen wie „Depression“
bezeichnen wir allgemein unsere Fähigkeit und Bereitschaft, die
oder „Krebs“ etc. ganz zu schweigen. Und das gleiche gilt auch
Gedanken, Emotionen, Motive einer anderen Person zu erkennen
für unsere Alltagskommunikation oder, wie beim Training im
und
Verein, einem für Sie sehr passenden Kontext. Ein von
Voraussetzung für gelingende Kommunikation. Wenn es mir
Kameraden als „Looser“ bezeichnetes Kind ist dann tatsächlich
gelingt, mich in mein Gegenüber hinein zu versetzen, dann werde
einer und wird sich dann auch entsprechend fühlen und
ich ein Stück weit wie er und dann werde ich ihn mit größerer
verhalten.
Wahrscheinlichkeit verstehen und selber auf eine Art und Wiese
sich
dem
zu
Erlebniswelten
herauszuholen
und
um so besser verstehen, um
anderen
verstehen.
empathisch
Empathie
begegnen.
ist
damit
Mit
eine
in
so
eine
mehr
Empathie
zentrale
kommunizieren, dass ich verstanden werde. Die Natur hat hier im
Fassen wir zusammen: wenn zwei Personen unterschiedliche
übrigen vorgebaut und uns mit entsprechenden Kompetenzen
Bedürfnisse haben oder unterschiedliche Ziele verfolgen oder
ausgestattet. So ahmen wir z. B. unsere Kommunikationspartner
andere Wissensstrukturen oder andere Erwartungen haben bzw.
unwillkürlich
unterschiedliche
dann
Phänomen führt dazu, dass wir uns ähnlich verhalten und daher
können wir wirklich sagen, dass sie sich in anderen Wirklichkeiten
die Chancen steigen, dass sich auch unsere Empfindungen
befinden. Der eine kommt gerade von der Arbeit, der anderen
angleichen. Je mehr es mir also gelingt, mich in der Welt des
denkt gerade an den nächsten Urlaub, der Dritte fiebert einem
anderen aufzuhalten, desto größer die Chancen auf einen
Fußballspiel entgegen. Dies wiederum führt dazu, dann sie den
Kommunikationserfolg. Und dann ist erfolgreiche Kommunikation
Dingen
Bedeutungen
keine Frage des Zufalls mehr, sondern tatsächlich steuerbar und
zuschreiben und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die
planbar. Für Missverständnisse bedeutet dann, dass diese für
beiden sich missverstehen. Streits und Missverständnisse sind
mich dann kein Anlass mehr für Streitereien oder schlechte Laune
dann genau genommen nichts anderes als ein Zeichen dafür,
sein müssen, sondern eher als dankenswerter Hinweis darauf
dass die Kommunikationspartner sich in unterschiedlichen Welten
gewertet werden sollten, dass ich die Situation mal wieder nur
aufhalten. Statt den üblichen offenen oder verdeckten Kampf
aus meiner Perspektive betrachtet habe und dem Reflex gefolgt
darüber zu starten, welche Wirklichkeitskonstruktion nun die
bin, die Deutungshoheit über die Welt für mich zu beanspruchen.
richtige ist, wäre es demnach viel sinnvoller, den anderen
Dabei besitzt jeder selbst die Deutungshoheit über seine eigene
verstehen zu können. Es geht nicht um die Frage nach der
Welt. Das zu erkennen, ist nicht nur wichtig für gelingende
Deutungshoheit, also wer nun Recht hat, denn Recht hat
Kommunikation,
irgendwie jeder, eben aus seiner Perspektive.
persönliche Reife und Wachstum. Und das sind doch schöne
um
Gedächtnisinhalte
sich
herum
verfügbar
unterschiedliche
haben,
nach. Dieses als Chamäleon-Effekt bekannte
sondern
unabdingbarer
Bestandteil
für
Aussichten und Ziele wie ich finde. Und damit vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.
Weiterführende Literatur:
Bak, P. M. (2015). Zu Gast in Deiner Wirklichkeit. Empathie als
Schlüssel erfolgreicher Kommunikation. Springer, Heidelberg.
Bilder: https://pixabay.com
Zum Autor
Dr. Peter Michael Bak ist Diplom-Psychologe und Professor für
Psychologie an der Hochschule Fresenius in Köln sowie Dozent
an nationalen und internationalen Hochschulen. Zudem ist er als
Buchautor, Speaker und Berater tätig.
Kontakt: [email protected]