Wandel verstehen Rechte schützen Zukunft gestalten Internationale Menschenrechtsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Impressum Herausgeber: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Bereich Internationale Politik Karl-Marx-Straße 2 D-14482 Potsdam Redaktion: Moritz Kleine-Brockhoff, Ruben Dieckhoff, Olaf Kellerhoff Gesamtherstellung: COMDOK GmbH Kontakt: [email protected] Fotonachweis ©The Universal Logo for Human Rights Titel: „Stop Torture”/Sokwanele, Zimbabwe Alle übrigen Fotos: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ISBN 978-3-9816609-1-3 Wandel verstehen Rechte schützen Zukunft gestalten Internationale Menschenrechtsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Inhalt Vorwort Dr. Wolfgang Gerhardt, Ulrich Niemann Gerhart Baum 4 5 Europäische Institutionen und Nordamerika Immer noch nicht perfekt, aber besser als vor 50 Jahren Prof. Thomas Buergenthal über seine Erfahrungen im Kampf um Menschenrechte 6 Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien Die Chancen einen Prozess zu gewinnen, gehen gegen Null, wenn die Judikative nicht unabhängig ist! Interview mit Intiqam Aliyev, Menschenrechtsverteidiger aus Aserbaidschan Eiszeit statt Dialog Wiktor Tymoschtschuk arbeitet in der Ukraine für eine bürgernahe Verwaltung 8 10 Mittelmeerländer Rechtsstaatlichkeit statt Gewalt In Marokko organisieren Jamal Chahdi und sein „Centre des Droits des Gens“ Menschenrechtsbildung für Gefängnispersonal, Richter, Anwälte, Lehrer und Kinder 12 Afrika 2 Menschen eine Stimme geben Interview mit Alice Mogwe, Direktorin für DITSHWANELO, dem Menschenrechtszentrum Botswanas 14 Einsatz für ein Simbabwe, in dem ich meine Meinung frei kundtun kann Lucia Masuka-Zanhi, Direktorin der Legal Resources Foundation Masvingo, hat eine Vision für ihr Heimatland 16 Lateinamerika Stärkste Kritikerin und verlässliche Partnerin Die Mexikanerin Laura Elena Herrejón will, dass Bürger sich in ihren Nachbarschaften organisieren und ihre Eigentumsrechte wahrnehmen 18 Südasien Im Einsatz für Menschenrechte und gute Regierungsführung Maja Daruwala ist die Direktorin der renommierten Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI), Delhi 20 Aufstieg militanter Extremisten verschlechtert Minderheitenrechte Interview mit I. A. Rehman über die Situation von Minderheiten in Pakistan 22 Südost- und Ostasien ASEAN Menschenrechtssystem muss reaktionsfähig und effektiv sein In Südostasien drängt die Arbeitsgruppe Regierungen, Menschenrechte zu achten. Generalsekretär Ray Paolo Santiago spricht über Erfolge und Herausforderungen 24 Islamisches Familienrecht spiegelt nicht Realität heutiger Ehen wider In Malaysia setzt sich Ratna Osman für die Rechte islamischer Frauen ein 26 Partner 28 3 Vorwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, Menschenrechte und Liberalismus sind nicht voneinander zu trennen: Die universellen Rechte des Bürgers sind das Fundament der liberalen Philosophie, die ein Maximum an Freiheit einfordert. Dabei gibt es kaum einen Politikbereich ohne menschen- und bürgerrechtliche Aspekte. Dr. Wolfgang Gerhardt Ulrich Niemann Die Geschichte der Menschenrechte ist vor allem eine Geschichte des Einsatzes für ihre Durchsetzung und Anerkennung. Mehr als 60 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen sind Menschenrechte zwar in vielen Ländern Teil der Rechtsordnung und moralisches Postulat, werden in der Realität aber noch viel zu oft verletzt und missachtet. Überall in der Welt gab und gibt es ungezählte mutige Menschen, die sich für Menschenrechte einsetzen und die dafür Unterstützung brauchen. Vor diesem Hintergrund nehmen Menschen- und auch Bürgerrechte bei der Arbeit der Stiftung wichtige Stellungen ein. Seit dem Beginn ihrer Auslandstätigkeit im Jahr 1963 engagiert sich die Stiftung zusammen mit ihren Partnern für Menschen- und Bürgerrechte – mittlerweile in mehr als 70 Ländern weltweit. Grundlage unserer Arbeit ist die Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen, in der das Individuum im Mittelpunkt steht und Rechte formuliert sind, die jedem einzelnen Menschen zustehen. Die Durchsetzung dieser Rechte bedeutet für Liberale, dass jeder Mensch sich frei entfalten kann. Wo Menschenrechte missachtet und Zugänge zu sozialer und institutioneller Infrastruktur Teilen der Bevölkerung verwehrt bleiben, kann der Aufbau eines funktionierenden Gemeinwesens nicht gelingen. Daher ist und bleibt die Förderung von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten die zentrale Aufgabe der Stiftung. Allen unseren Aktivitäten ist gemein, dass sie nur Nachhaltigkeit entfalten können, wenn sie beharrlich und kontinuierlich durchgeführt werden. Mit dieser Informationsbroschüre möchten wir Ihnen Personen und Organisationen exemplarisch vorstellen, die sich – unter teils sehr schwierigen Bedingungen – für die Menschenrechte in ihrem Land und darüber hinaus auf regionaler und internationaler Ebene einsetzen. Für diesen Einsatz braucht es Mut, Einsatzbereitschaft und einen langen Atem. Bisweilen ist er auch gefährlich, teils sogar lebensgefährlich. Wir meinen, dass sie Unterstützung verdienen und arbeiten als Stiftung deshalb partnerschaftlich mit ihnen in der Regel bereits seit vielen Jahren zusammen. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir beeindruckende Persönlichkeiten kennenlernen dürfen, die ihren ganzen Einsatz den jedem Menschen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Hautfarbe – zustehenden Menschenrechten gewidmet haben. Die Stiftung wird sie auch in den kommenden Jahren mit vollem Einsatz unterstützen. Denn auch dort, wo Rechte in Verfassungen einmal verankert und durch den Staat akzeptiert wurden, muss ihr Bestand gesichert und ihre Durchsetzung gewährleistet werden. Gemeinsam mit unseren Partnern setzen wir uns auch in der Zukunft dafür ein, dass mehr Menschen ein freies Leben in Rechtssicherheit führen können. Wir freuen uns über Ihr Interesse an unserer Menschenrechtsarbeit und wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Herzlich, Dr. Wolfgang Gerhardt Vorsitzender des Vorstandes 4 Ulrich Niemann Bereichsleiter Internationale Politik Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Freundinnen und Freunde der Stiftung, die beiden historischen Situationen auf deutschem Boden – die Nazidiktatur und das Unrechtssystem der DDR – haben mich nie losgelassen. Bei meinen vielen Reisen durch die Welt, habe ich gesehen, dass die Unterdrückungsmechanismen und die Ohnmacht der Betroffenen überall exakt die gleichen waren. Das Ziel ist immer, die politischen Gegner mundtot zu machen, zu verfolgen, zu inhaftieren, zu foltern, und im äußersten Fall zu töten. Es ist eben nicht das Recht an sich, sondern das Recht des Stärkeren, nackte Willkür, mit denen sich die Diktaturen über Wasser zu halten versuchen. Gerhart Baum Der zentrale Gedanke der unantastbaren Menschenwürde hat sich entwickelt aus der Antike über die europäische Aufklärung. Alle Weltkulturen beruhen auf dem Schutz des Menschen und seiner Würde. Die Menschenrechte sind keine westliche Erfindung. Das unterstreicht die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Im Laufe der Jahrzehnte ist ganz konsequent Schutzobjekt das Individuum, der einzelne Mensch geworden, der auch einen Schutzanspruch gegenüber dem eigenen Staat hat. Vom Staatenrecht zum Recht der Weltbürger! Das internationale Instrumentarium im Kampf für die Menschenrechte ist im Laufe der Jahrzehnte stark verbessert worden. Der größte Erfolg der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz im Jahr 1993 war, die Menschenrechte als universelle, unteilbare Menschenrechte zu bekräftigen und die unverzichtbare Rolle der Nichtregierungsorganisationen anzuerkennen und zu schützen. Menschenrechtspolitik ist ohne die mutigen Menschenrechtsverteidiger überall auf der Welt nicht zu realisieren. Mit einer besonderen Resolution der Generalversammlung der UN, die auch auf deutsche Initiative hin entstand, ist ihre Tätigkeit seit 1998 besonders geschützt. Sechs Jahre lang habe ich unser Land in der Menschenrechtskommission der UN vertreten, drei Jahre lang war ich im Auftrag der UN Menschenrechtsbeauftragter für den Sudan. Ich habe mich immer als Verbündeter derjenigen verstanden, die für die Freiheit kämpften. Einige werden Ihnen in der vorliegenden Broschüre vorgestellt. Sie alle eint ihr Mut, ihr Einsatzwille und ihr Glauben an Veränderung, den die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit seit über 50 Jahren weltweit unterstützt. Menschenrechtspolitik ist immer Einmischung. Ich habe bei vielen Gelegenheiten jungen Menschen gesagt, dass es sich lohnt, für die Menschenrechte zu kämpfen. Wie oft habe ich erlebt, dass die Idealisten die besseren Realisten waren, weil sie die auf Freiheit drängenden Kräfte eben nicht unterschätzt hatten. Es ist viel erreicht worden im Laufe der Jahrzehnte. Es lohnt sich für eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik zu kämpfen, gerade für uns Deutsche, die viele bittere Jahre der Unterdrückung erfahren haben. Herzlich, Gerhart Baum Bundesminister a.D. 5 Europäische Institutionen und Nordamerika Immer noch nicht perfekt, aber besser als vor 50 Jahren Prof. Thomas Buergenthal über seine Erfahrungen im Kampf um Menschenrechte Herr Buergenthal, was sind Ihre Erfahrungen aus Ihrer Arbeit in internationalen Menschenrechtsinstitutionen? Man muss sich bewusst machen, dass man nicht alle Menschenrechtsverletzungen auf der Welt verhindern kann. Das wird nicht geschehen, zumindest nicht in absehbarer Zeit, nicht zu meinen Lebzeiten. Hier kann man das Beispiel des interamerikanischen Systems heranziehen. Als ich im Jahr 1979 an den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof gewählt wurde, gab es überall in der Region Diktaturen. Nun unterzeichneten die meisten Länder die Interamerikanische Menschenrechtskonvention, aber nicht in der Annahme, sich an diese halten zu müssen. Unter dem Druck anderer, auch europäischer Länder, bildete sich aber das Bewusstsein heraus, dass sowohl der Gerichtshof, als auch die Konvention wichtige und mächtige Körperschaften sind, die das Handeln von Staaten lenken und überwachen können. Und dies passierte in einer Reihe von Institutionen, sogar in der damaligen Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. Es hat sich eine Art Menschenrechtsideologie in der Welt herausgebildet. Es ist Staaten nicht länger möglich, auszurufen, dass sie Menschenrechte offen verletzen können. Thomas Buergenthal wurde 1934 in der heutigen Slowakei geboren. Er verbrachte mehrere Jahre in verschiedenen deutschen Lagern, u.a. im Konzentrationslager Auschwitz. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderte er in die USA aus. Buergenthal zählt heute zu den weltweit führenden Menschenrechtsexperten. Als Richter arbeitete er am Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Darüber hinaus war er Mitglied des UN-Menschenrechtsrats. Derzeit arbeitet er als Professor für vergleichende Rechtswissenschaft an der George Washington Universität in Washington, DC. Seit Anfang der 1980er Jahre kooperiert Buergenthal mit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. 6 Foto by nc-nd United Nations Photo Was hat sich während Ihrer Karriere in der Menschenrechtsarbeit geändert? Was sich hauptsächlich geändert hat, ist, dass wir im Gegensatz zu früher eine ganze Reihe internationaler Institutionen haben, welche sich mit Menschenrechtsfragen befassen. Die Existenz dieser Institutionen hat viel zur Verbesserung der internationalen Menschenrechtssituation in der Welt beigetragen. Sie hat noch nicht den Stand erreicht, den wir uns erhoffen, jedoch hat sich die jetzige Situation im Vergleich zur Situation von vor 40 bzw. 50 Jahren enorm verbessert. Sie sagten einmal in einem Interview, dass wir nicht genug Gerichte haben, die internationales Recht interpretieren, anwenden und durchsetzen und, dass wir pro Region oder Unterregion ein solches Gericht benötigen. Was würden Sie Kritikern entgegnen, die das für gefährlich halten, da sie eine Fragmentierung des internationalen Rechts sowie eine Bedrohung der Universalität befürchten? Ich halte dies für absoluten Unfug. In Wahrheit ist es so, dass man bei Betrachtung der verschiedenen Regionalgerichte und Tribunale feststellt, dass sie überhaupt nicht zu einer Fragmentierung des internationalen Rechts führen. Was vielmehr passiert, ist, dass dies ein internationales Recht für alle schafft. Was waren die Höhepunkte Ihrer Erfahrungen mit diesen Menschenrechtsorganisationen? Können Sie Fälle nennen, in denen Sie Ihrer Meinung nach am meisten bewirken konnten? Der Fall der Verschleppungen von Personen aus politischen Gründen in Honduras, der fast immer in diesem Zusammenhang zitiert wird, hat teilweise während meiner Präsidentschaft des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs stattgefunden. Dies war wirklich das erste Mal, dass sich ein internationales Gericht den Verschleppungen angenommen hat. Und wir konnten zeigen, wie man auf internationaler Ebene mit solchen Fällen der Verschleppung umgeht. Es waren drei Fälle und in gewisser Weise haben diese auch die Probleme Argentiniens offengelegt. Argentinien hat die Rechtsprechung des Gerichts nicht akzeptiert. Aber die Wirkung der Entscheidung, unserer Entscheidung, hatte auch eine bedeutende Auswirkung auf die Politik Argentiniens. Es wurde deutlich, dass wenn ein Regionalgericht sich mit gewissen Themen befasst, sich dies auf eine gesamte Region auswirkt, und natürlich hatte es beträchtliche Auswirkungen in Honduras selbst. Claus Gramckow, Washington, DC. 7 Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien Die Chancen einen Prozess zu gewinnen, gehen gegen Null, wenn die Judikative nicht unabhängig ist! Interview mit Intiqam Aliyev, Menschenrechtsverteidiger aus Aserbaidschan Herr Aliyev, wie fühlt man sich, Menschenrechtsverteidiger in Aserbaidschan zu sein? Ich bin seit 20 Jahren Anwalt und habe in dieser Zeit hunderte von Fällen bearbeitet. Jeder von ihnen drehte sich um grundlegende Menschenrechte: Versammlungsfreiheit, freie Wahlen, Recht auf Eigentum, Meinungsfreiheit, etc. Allerdings gibt es keinen Fall, den ich in Aserbaidschan gewonnen habe. Der Grund hierfür ist nicht mangelnde Kompetenz. Vielmehr gehen in einem Land, in dem die Judikative nicht unabhängig ist, die Chancen eines Anwalts einen Fall zu gewinnen gegen null. Was denken Sie, lohnt sich eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)? Der EGMR bleibt als einzige Möglichkeit, Gerechtigkeit wiederherzustellen, vor allem im Hinblick auf politische Fälle. Ich würde aber nicht behaupten, dass seine Entscheidungen einen großen Einfluss auf das politische System oder Justizwesen Aserbaidschans haben. Intiqam Aliyev hat einen Abschluss der Baku State University und begann seine Karriere als Anwalt und Menschenrechtsaktivist im Jahr 1990. Ein Jahr später gründete er die Kanzlei Advokat Servis. Seit 1999 ist er Vorsitzender der Legal Education Society, einer NRO die sich auf Menschenrechtsschutz konzentriert. In Anerkennung seiner Beiträge zum Schutz der Menschenrechte und der demokratischer Freiheiten in seinem Heimatland, wurde Herrn Aliyev die Homo Homini Auszeichnung 2012 durch die Tschechische NRO People in Need verliehen. Aserbaidschan ist eine Präsidialrepublik, in der laut Human Rights Watch die Arbeitsatmosphäre für politische Aktivisten und unabhängige Journalisten in den vergangenen Jahren immer feindseliger wurde. 8 © www.obyektiv.tv Dennoch sind sie von großer Bedeutung, da sie der Zivilgesellschaft die Chance eröffnen, Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen zur Anhörung zu bringen und die Frage der Reform des Systems aufzuwerfen. Ich bin überzeugt, dass, sobald die EGMR Entscheidungen mit Bezug zu Aserbaidschan eine kritische Grenze überschritten haben, wir ihre Auswirkungen weitaus mehr spüren werden. Dies ärgert die Regierung. Deshalb greift sie insbesondere jene Anwälte an, die in diese Aktivitäten involviert sind. Erscheint Ihnen ihr Engagement nicht aussichtslos? Ich würde das Gegenteil sagen. Vieles von dem, was wir gemacht haben und weiterhin machen, mag aussichtslos erscheinen. Allerdings soll man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wir legen die Saat, und was man säht, das erntet man eines Tages auch. Jede Person, die angesichts solcher schwierigen politischen Verhältnisse nicht zurückweicht, verdient hohe Anerkennung für ihren Mut und Einsatz. In diesem Sinne, was sind ihre Erwartungen? Das Regime tut alles in seiner Macht stehende, um die bereits begrenzten politischen Aktivitäten weiter einzuschränken, und ihren Einfluss auf die Zivilgesellschaft auszuweiten. Sie haben die Kontrolle über die finanziellen Ressourcen übernommen, die Aktivitäten internationaler Institutionen eingedämmt, Sanktionen für die Teilnahme an Demonstrationen verhängt und das Visaverfahren erschwert. Ihr Arsenal an Werkzeugen um Menschen zu unterdrücken ist endlos. Sie schrecken noch nicht einmal davor zurück, internationale Organisationen, Diplomaten, Politiker und Regierungen zu bestechen. Mit diesen Maßnahmen versuchen sie, sich selber gegen jeden politischen Wandel zu schützen. Allerdings wollen Menschen im 21. Jahrhundert nicht in einer Gesellschaft leben, die von einer feudalen Ordnung beherrscht wird. Sie werden niemals müde, ihre Ziele zu erreichen. Denken Sie nicht bereits ans Aufhören? Von Zeit zu Zeit zu ermüden ist menschlich. Aber ich bin meiner Arbeit nicht müde. Dennoch träume ich gelegentlich davon, der Gesellschaft den Rücken zu kehren und mich irgendwo im Nirgendwo niederzulassen. Es ist allerdings lediglich ein Traum. Wir müssen dieses Land ändern. Das bedeutet, dass wir kein Recht haben, zu ermüden oder uns abzuwenden. Wir sind verpflichtet weiterzumachen. Wie kann man ruhig in einem Land leben, in dem Menschen wegen ihrer Meinungen ins Gefängnis kommen? Man kann nicht einfach aufhören, wenn man mit eigenen Augen sieht, wie das System offensichtlich Bildung, Kultur und moralische Überzeugungen zerstört. Wenn ich mich so verhalten würde, würde ich meine Selbstachtung verlieren und das wäre mein Ende. Natiq Cavadlı, Baku 9 Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien Eiszeit statt Dialog Wiktor Tymoschtschuk arbeitet in der Ukraine für eine bürgernahe Verwaltung Wiktor Tymoschtschuk - Jurist, Wissenschaftler und Verwaltungsfachmann aus der Ukraine – ist ein Verfechter von gutem Service. Dabei denkt er in erster Linie an Bürgerservice durch Verwaltungen. „Bürgerämter sind Orte, an denen Mensch und Staat zusammenkommen. Sie sind ein zentraler Treffpunkt. Und nach solchen Treffen beurteilten Bürger ihren Staat“, ist Wiktor überzeugt. Im Jahr 2000 reiste er von Kiew nach Den Haag und besuchte dort zum ersten Mal ein niederländisches Bürgerbüro. Wiktor war beeindruckt von der Anzahl der Angelegenheiten, die die Niederländer dort unter einem Dach erledigen können: Wohnsitzanmeldung, Beantragung des Passes, einer Geburtsurkunde und des Führerscheins. Das Konzept imponierte ihm so, dass er sich fortan mit kundenorientierter Arbeit von Verwaltungen in Europa, Kanada und den USA beschäftigte. Sein Wissen nutzt Wiktor zu Hause in Kiew bei seiner Arbeit am Zentrum für Politische und Rechtliche Reformen. Das ZPRR, ein Think Tank, setzt sich für Verwaltungsreform in der Ukraine ein. „Die Ukraine braucht dringend einheitliche Verwaltungsverfahren“, fordert Wiktor. Allerdings stehen Amtsinteressen, Korruption und widersprüchliche Gesetze der Vereinheitlichung von Verwaltungsverfahren im Weg. Gute Verwaltung wird durch zentralistische, überregulierte und schwerfällige Strukturen behindert. Außerdem höhlt die Staatsführung gegenwärtig die lokale Selbstverwaltung aus. Wiktor Tymoschtschuk ist stellvertretender Vorstandschef des 1996 von dem Parlamentarier Ihor Koliuschko gegründeten Zentrums für Politische und Rechtliche Reformen (ZPRR) in Kiew. 20 Mitarbeiter arbeiten in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung, Verfassungsrecht und Strafjustiz. In Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit finden seit 2010 Seminare und Trainings zur Schaffung von Bürgerämtern statt. Mittlerweile gibt es auf kommunaler Ebene zehn solcher Bürgerämter. Ihre Dienstleistungen sind noch nicht so umfangreich wie gewünscht, aber das Konzept sensibilisiert für serviceorientierten Verwaltungsstil. Die Ukraine ist offiziell eine Demokratie, aber das Parlament ist kein politisches Gegengewicht zur Präsidialexekutive. Rechtsstaatliche Grundlagen werden manipuliert, der Freiraum der Medien beschränkt. 10 Egal, ob es darum geht, Baugenehmigungen zu erteilen oder Rechte an Immobilien oder Unternehmen zu registrieren: viele Kompetenzen werden zentralstaatlichen Behörden übertragen. Und für andere Verwaltungsdienste wie Aufenthaltsgenehmigungen, Pässe und Führerscheine ist nach wie vor, so wie zu Sowjetzeiten, das Innenministerium zuständig. Es hält traditionsbedingt wenig von Bürgernähe. „Bei uns gibt es seit einigen Jahren Eiszeit anstatt eines Dialogs zwischen Zivilgesellschaft und zentralstaatlichen Behörden. Deswegen arbeiten wir mittlerweile überwiegend mit reformwilligen Bürgermeistern von Städten zusammen, die sich serviceorientierte Bürgerzentren in ihrer Verwaltung vorstellen können“, sagt Wiktor. Die Kooperation, die das ZPRR anbietet, ist vielfältig: Analysen, Gesetzentwürfe und Publikationen werden vorbereitet, Trainings konzipiert und durchgeführt, Medienauftritte unterstützt. Seit mehr als zehn Jahren engagieren sich Wiktor und das ZPRR für Verwaltungsreformen und versuchen, das Konzept der Bürgerzentren in der Ukraine zu verbreiten. Ende der 90er Jahre hatte Wiktor als Assistent des ukrainischen Abgeordneten Ihor Koliuschko im Parlamentsausschuss für Rechtspolitik gearbeitet. Das Tandem begleitet bis heute Gesetzgebung. Wiktor ist Co-Autor von Gesetzen zum öffentlichen Dienst und zu Verwaltungsdienstleistungen. Auch ein Verwaltungsverfahrensgesetz stammt größtenteils aus seiner Feder, leider wurde es nie verabschiedet. Sein Einsatz für gute Regierungsführung verlangt Wiktor viel Geduld ab. Richtig glücklich wäre er, wenn seine Kinder gern in der Ukraine blieben anstatt, wie manche andere Bürger, ihr Heimatland zu verlassen, auf der Suche nach einem besseren Leben in einem anderem Land, in dem staatliche Behörden an Recht und Gesetz gebunden sind. Alina Kurasch und Miriam Kosmehl, Kiew 11 Mittelmeerländer Rechtsstaatlichkeit statt Gewalt In Marokko organisieren Jamal Chahdi und sein „Centre des Droits des Gens“ Menschenrechtsbildung für Gefängnispersonal, Richter, Anwälte, Lehrer und Kinder Die Avenue Mohammed V. in Fes zeugt vom Reichtum der alten Königsstadt: Zwei Reihen hochgewachsener Palmen, in deren Mitte die Menschen flanieren, feine Cafés und Boutiquen. Am Ende der Allee fällt der Blick auf die berühmte Altstadt von Fes, die Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Doch die Stadt hat auch ihre Schattenseiten, und um diese kümmert sich Jamal Chahdi von der Menschenrechtsorganisation „Centre des Droits des Gens“ („Rechte der Leute“). Um sein Büro zu finden, muss man einen schmalen, dunklen Gang zwischen zwei Wohnhäusern bis zum Ende gehen, rechts im Erdgeschoss liegen die einfachen Räume der Menschenrechtsorganisation, die meisten fensterlos, einfache Bürotische, wenige Stühle. Der ehemalige Mathematiklehrer und Gewerkschaftler Chahdi, der die Organisation 1999 mitgegründet hat und leitet, empfängt in seinem Büro, dessen einziger Schmuck Zeugnisse von der Arbeit der Organisation sind: Fotos von Menschenrechts-Bildung von Lehrern, Plakate gegen die Todesstrafe und eine Landkarte von Marokko mit 207 Fähnchen, welche die Ableger der Organisation im Lande anzeigen. „Unser Ansatz war absolut neu“, erinnert sich der 55-jährige Chahdi an die Anfänge. Damals gab es mehrere Menschenrechtsorganisationen, die allerdings jeweils einer politischen Partei nahestanden und damit hoch politisiert waren. Jamal Chahdi und Mitstreiter gründeten 1999 das „Centre des Droits des Gens“ („Zentrum des Rechts der Leute“), die erste politisch neutrale Menschenrechtsorganisation Marokkos. Schwerpunkt ist Menschenrechts-Bildung für Lehrer und Schüler, Anwälte, Richter und Gefängnispersonal. Außerdem werden Gewaltopfer betreut. CDG, seit 2002 Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, hat 207 Zweigstellen, 48 Mitarbeiter und 2700 Freiwillige. Die Gründung ging einher mit Marokkos politischer Öffnung am Ende der Herrschaft von König Hassan II. Zuvor war es zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen gekommen. Heute ist Marokko eine exekutive Monarchie mit König Mohammed VI. als Staatsoberhaupt. Amnesty International sieht Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. 12 „Sie haben ausschließlich Menschenrechtsverletzungen durch den Staat angeprangert. Aber niemand hat sich darum gekümmert, den Leuten - Lehrern, Kindern oder Gefängnispersonal Menschenrechte und deren Wahrung zu vermitteln.“ Und so gründete Chahdi zusammen mit neun Mitstreitern das politisch neutrale „Centre des Droits des Gens“ in Fes. Sein Credo: „Wir bekämpfen jede Form von Extremismus und Gewalt und setzen uns für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ein.“ Mit einer „Auto-Karawane“ sind die Aktivisten anfangs über die Dörfer des Landes gezogen und haben in Schulen die Kinder, aber auch Lehrer und Eltern darüber aufgeklärt, was Menschen- und Kinderrechte in Schule und Familie bedeuten. Die politische Unabhängigkeit der Organisation hat es ermöglicht, dass sie mit Zustimmung des Justizministeriums auch in Gefängnissen arbeiten darf. Dort werden Gefangene über ihre Rechte informiert. Vor allem aber gibt es Menschenrechtsfortbildungen für Gefängnispersonal, auch für die Gefängnisdirektoren. „Es reicht nicht, die Gesetze zu ändern, man muss auch die Mentalitäten ändern“, erklärt Chahdi den Ansatz. Die Behörden vertrauen der Organisation, weil sie zwar Missstände im Gespräch anprangert, aber nicht heimlich im Gefängnis filmt oder ihre Kritik sofort in die Medien trägt. Allerdings hat die Flucht eines Dutzend Islamisten aus dem Gefängnis von Kenitra 2009 zu einem Gesinnungswechsel auf Seiten des Staates geführt: Das Sicherheitsdenken dominiert erneut, die Organisation musste ihre Arbeit im Gefängnis reduzieren. „Wir arbeiten weiter“, erklärt Chahdi, „aber jetzt meist nur noch durch Fortbildung von Gefängnisdirektoren.“ Mehrere von ihnen sind mittlerweile Mitglieder der Organisation und arbeiten als Trainer, um Kollegen zu schulen. Dieser inklusive und parteipolitisch neutrale Ansatz in einem Land, das jahrzehntelang durch tiefe politische Gräben geteilt war, ist eines der Erfolgsgeheimnisse von „Droits des Gens“. Andrea Nüsse, Rabat 13 Afrika Menschen eine Stimme geben Interview mit Alice Mogwe, Direktorin für DITSHWANELO, dem Menschenrechtszentrum Botswanas Welches sind die wichtigsten Herausforderungen an die Menschenrechte in Botswana? Einige Herausforderungen, denen man in Botswana begegnet, sind die Todesstrafe, die Rechte der Indigenen und LGBTI Rechte. Wie fördert DITSHWANELO die LGBTI Rechte? 1998 initiierten wir die Schaffung von LeGaBiBo (Lesbians, Gays and Bisexuals of Botswana), einer informellen Gruppe von Lesben, Schwulen und Bisexuellen und stellten ihnen Räumlichkeiten zur Verfügung. DITSHWANELO organisiert jährliche Filmfestivals, an denen wir regelmäßig Filme zur LGBTI Thematik zeigen. Wir setzen uns für die Entkriminalisierung der gleichgeschlechtlichen Beziehungen ein, indem wir Studenten, Forscher, die Öffentlichkeit und die Medien mit Informationen versorgen, machen Präsentationen und stellen Ressourcen für Institutionen bereit, die sich für diese Thematik interessieren. Überdies waren wir in den Fall von Utjiwa Kanane und Graham Norrie involviert, die 1994 verhaftet und wegen widernatürlichen Handlungen und unanständigen Verhaltens zwischen Männern angeklagt wurden. DITSHWANELO zog vor den Obersten Gerichtshof, um die Bestimmungen des hiesigen Strafgesetzbuches anzufechten. Alice Mogwe ist seit 1993 Geschäftsführerin bei DITSHWANELO, dem Menschenrechtszentrum Botswanas. Ihre Fachgebiete sind Menschenrechte, Rechte von Einheimischen, Todesstrafe, Streitschlichtung, interkulturelles Engagement und regionale Solidarität. Seit 1994 kooperiert die Organisation im Rahmen der Partnerschaft mit SALAN (Southern African Legal Assistance Network) mit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. In der Republik Botswana sind Frauen im Allgemeinen und Minderheiten aufgrund körperlicher Einschränkungen oder ihrer sexuellen Orientierung noch häufig Diskriminierungen ausgesetzt. 14 Foto by nc-nd Christa Lohman 1998 veranstalteten wir eine Konferenz, die sich auf das Recht zur sexuellen Orientierung konzentrierte. Die Hauptredner waren Rechtsanwälte, LGBTI Aktivisten und der damalige stellvertretende Generalstaatsanwalt von Botswana. Hier wurde u.a. die Entkriminalisierung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen thematisiert. Wir halten weiterhin Konferenzen ab, um einen Dialog über LGBTI Rechte in Botswana zu ermöglichen. Auf Anregung von DITSHWANELO wurden LeGaBibo und RIA (Rainbow Identity Association – eine weitere Organisation, die sich mit LGBTI Rechten befasst) Teilnehmer der Universal Periodic Review (UPR) NGO Arbeitsgruppe für Botswanas UPR Sitzung. Wir setzen uns darüber hinaus für die LGBTI Rechte ein, indem wir dafür lobbyieren, dass sowohl die Menschenrechtsstrategie als auch der Nationale Aktionsplan für Menschenrechte, zu deren Einhaltung sich die Regierung verpflichtet hat, Menschenrechtsbildung auch im Bereich der LGBTI beinhaltet. Welche Erfolge konnten Sie bislang verzeichnen? DITSHWANELO erhielt bisher sechs regionale und internationale Auszeichnungen für die Menschenrechtsarbeit. 2012 bekamen wir eine Auszeichnung der französischen Commission Nationale Consultative des Droits de l’Homme (CNCDH) für ein Projekt, das auf ein Ende der Armut durch wirtschaftliche und soziale Rechte sowie nachhaltige Entwicklung der heimischen Basarwa/San Bevölkerung abzielte. Anfang 1999 sollten zwei Männer hingerichtet werden. Wir konnten uns einschalteten und eine Aussetzung der Exekution erwirken. Die Aussetzung wurde im Oktober 1999 erreicht, als ein Richter bestätigte, dass die Angeklagten keine faire Verhandlung erhalten hatten. Die beiden Männer waren nicht länger im Todestrakt, warteten aber auf eine Neuverhandlung. Im Jahr 2005 wurden sie freigesprochen und schließlich freigelassen. Welche Schwierigkeiten haben Sie bei der täglichen Arbeit als Förderer und Verteidiger der Menschenrechte? Die größte Schwierigkeit als NGO in Botswana ist die mangelhafte Finanzierung. Das macht effektives Arbeiten schwierig. Dazu fehlt es an Abstimmung der zivilgesellschaftlichen Akteure, um gemeinsam für nachhaltige Entwicklung zu arbeiten. Was motiviert Sie an Ihrer Arbeit am meisten? Die Möglichkeit zu haben, anderen Leuten zu helfen, dass ihre Stimmen gehört und ihre Rechte geschützt werden. Katja Egger, Johannesburg 15 Afrika Einsatz für ein Simbabwe, in dem ich meine Meinung frei kundtun kann Lucia Masuka-Zanhi, Direktorin der Legal Resources Foundation Masvingo, hat eine Vision für ihr Heimatland Wenn man Lucia Masuka-Zanhi trifft, wird man von Hoffnung für die Zukunft Simbabwes erfüllt. Es besteht kein Zweifel, dass sie eine gradlinige Anwältin ist, überzeugt davon, dass alles möglich ist, solange man nur daran glaubt. Herausfordernd ist der Kontext, in dem sie und ihre Mitarbeiterinnen arbeiten: Den Armen den Zugang zu Gerichten zu ermöglichen sowie die Rechtskenntnis der Bürger zu erweitern. Auf dem Papier ist Simbabwe eine Demokratie, aber der Mangel an Meinungs- und Versammlungsfreiheit und die anhaltende Präsenz repressiver Gesetze strafen dies Lügen. Insbesondere Organisationen der Zivilgesellschaft waren und bleiben das Ziel von harten Maßnahmen. Trotz dieser unsicheren Situation wird Masuka-Zanhi von der Notwendigkeit angetrieben, für eine Nation zu arbeiten, die ihre grundlegenden Menschenrechte kennt. Das Leuchten ihrer Augen, wenn sie von Treffen mit Nutznießern der Rechtsaufklärung in abgelegenen ländlichen Regionen spricht, die solche Informationen nutzen, um ihre Leben zu verbessern, spricht Bände. Die Legal Ressource Foundation (LRF) ist eine unabhängige Stiftung, die 1984 gegründet wurde, um den Bürgern Simbabwes den Zugang zu Rechts- und Informationsdienstleistungen zu gewährleisten. Die LRF bietet rechtliche und politische Aus- und Weiterbildungen an und setzt sich für eine verbesserte Beteiligung der Bürger in der öffentlichen Verwaltung ein. LRF ist Mitglied des Southern African Legal Assistance Network (SALAN), mit dem die Stiftung seit 1994 zusammenarbeitet. Menschenrechtsorganisationen kritisieren Simbabwe seit Jahren, weil unter der Herrschaft von Präsident Mugabe eine Demokratie nur auf dem Papier existiert und grundlegende Menschenrechte nicht gewährleistet werden. 16 Foto by Misko Für die Legal Resources Foundation sieht Lucia eine lebendige Zukunft – eine, in der sie sich Menschenrechtsfällen annimmt, ganz gleich, ob es sich bei dem Menschenrechtsverletzer um die Regierung oder einen privaten Akteur handelt. „Für uns als Organisation ist es wichtig, uns die zentralen Menschenrechtsfragen vorzunehmen, in vorderster Reihe zu stehen und gehört und gesehen zu werden, wenn Menschenrechtsverletzungen stattfinden.“ Lucia merkt an, dass die Organisation im Zusammenhang mit der Ermöglichung von Zugang zu Gerichten auch andere Menschenrechte – beispielsweise die Rechte von Kindern, das Recht auf körperliche Integrität und Eigentumsrechte stärkt. Die Vermittlung von Rechtskenntnis durch die Organisation ist umfassend, erklärt sie, und deckt alle Rechte einer Person ab. Ein Gebiet, auf das sich die Legal Resources Foundation noch nicht konzentriert, an welchem Masuka-Zanhi aber besonderes Interesse zeigt, ist die Sicherstellung wahrer Meinungsfreiheit für die Bürger. In der Tat wirken sich die momentanen Restriktionen der Meinungsfreiheit und des Informationszuganges negativ auf alle anderen fundamentalen Rechte aus. Als Vorstandsmitglied einer NGO, die mit freien Radiosendern arbeitet, ist ihr die Dringlichkeit bewusst, zu gewährleisten, dass Zeitungen frei von Angst vor Schließung herausgegeben werden, und dass kommerzielle und freie Radiosender ihre Nischenmärkte ausfüllen. Die Leidenschaft, mit der Lucia ihr zukünftiges Simbabwe beschreibt, lässt einen daran glauben, dass, dank Menschen wie ihr Simbabwe zu einem Land werden kann, in dem Menschenrechte nicht nur auf dem Papier existieren, sondern respektiert, gefördert und gelebt werden. In Lucias Vision ein Ort, „an dem ich meine Meinung frei kundtun kann, an dem ich einem freien Radiosender meiner Wahl lauschen kann, an dem ich ohne Angst vor einem Polizeieinsatz ein Plakat an einer Straßenecke hochhalten, an dem ich die Regierung zur Verantwortung ziehen kann.“ Mit einer Prise Realismus, sagt sie abschließend, dass das zukünftige Simbabwe, in dem alle mit Würde und Respekt behandelt werden nicht nur den Einsatz der Regierung, sondern auch den von nationalen und internationalen Akteuren und der Zivilgesellschaft erfordert. „Es ist unbedingt erforderlich, dass Akteure darauf bestehen, dass vor landesweiten Wahlen ein sicheres Klima geschaffen wird; und, dass die Zivilgesellschaft dynamisch und kreativ handelt, ihre Kräfte bündelt und mit einer Stimme spricht“, betont sie. Odette Geldenhuys, Harare 17 Lateinamerika Stärkste Kritikerin und verlässliche Partnerin Die Mexikanerin Laura Elena Herrejón will, dass Bürger sich in ihren Nachbarschaften organisieren und ihre Eigentumsrechte wahrnehmen Laura Elena Herrejón, Gründerin der Bürgerinitiative „Movimiento Pro-Vecino“ („Bewegung für den Nachbarn“) in Mexiko-Stadt, sorgte sich um ihre drei Kinder: Wegen mangelnder Sicherheit konnten die Kleinen nicht auf der Straße spielen, der Spielplatz in der Nähe ihres Hauses verwahrloste, und niemand unternahm etwas. Laura Elena wollte nicht auf staatliche Behörden warten. Sie wusste, dass die Situation nur mit Eigenengagement zu ändern war. Und so begann sie vor 18 Jahren, sich für ihre Familie, ihre Wohngegend und ihr Land einzusetzen. Erst brachte Laura Elena die Familien der Nachbarschaft zusammen, dann gründete sie „Movimiento Pro-Vecino“. Die Bürgerinitiative hilft Stadtviertel-Bewohnern und Gemeinden, sich zu organisieren. Ein Schwerpunkt der Arbeit sind Bildungskampagnen zu Eigentumsrechten, denn viele Mexikaner haben ihr Eigentum noch nicht registriert. Sie besitzen somit keine juristische Sicherheit, die sie vor willkürlichem Regierungshandeln schützt. Laura Elena hatte keinen leichten Start. Zwar existiert ein Gesetz zur Bürgerbeteiligung, auf dessen Basis sie arbeitete. Doch das Gesetz gibt Behörden und Parteien mehr Gewicht als Bürgern. Mit „Movimiento Pro-Vecino“ sollte sich das ändern. Die Initiative stellt Bürger-Bedürfnisse vor politische Allüren. Laura Elena Herrejón aus Mexiko-Stadt gründete vor 15 Jahren die Organisation Movimiento Pro-Vecino. Ihr Ziel ist, dass Mexikos Bürger sich organisieren und ihre Eigentumsrechte wahrnehmen. Laura Elena spricht auch in anderen Ländern Zentral- und Südamerikas über Qualifizierung verantwortungsvoller Bürger. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Movimiento Pro-Vecino arbeiten seit 2007 zusammen. Mexiko ist eine demokratische Präsidial-Republik. Menschenrechtsprobleme ergeben sich aus der durch organisiertes Verbrechen bedrohten Sicherheitslage sowie durch mangelnde Rechtsstaatlichkeit. Im Drogenkrieg kommt es zu Morden, Entführungen und Vergewaltigungen. Überfälle auf Journalisten bedrohen die Meinungsfreiheit. 18 Anfangs gab es viele Hindernisse: Bürokratie, Korruption und mangelndes Interesse von Seiten der Bevölkerung an der Eigentumsregistrierung. Gegner glaubten, Laura Elena werde nach sechs Monaten aufgeben. Doch dann unterstützten mehr und mehr Menschen ihr Projekt in der Hoffnung, zusammen mit Pro-Vecino ihre Lebensqualität zu verbessern. So entwickelte sich ein Gegengewicht zu staatlichen Behörden. Schließlich wurde Pro-Vecino als ernstzunehmende und verantwortungsbewusste Organisation wahrgenommen. In drei Jahren brachte es Laura Elena von der Vertreterin ihrer Nachbarschaft zur Vorsitzenden ihres Bezirkes und zur juristischen Beraterin für Bürger in ganz Mexiko-Stadt. Behörden, die Laura Elena zuvor misstrauisch beäugelt hatten, kooperieren heute mit ihr. Nun ist sie stärkste Kritikerin und verlässliche Partnerin zugleich. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten kam die Wende, als ein Radiosender anlässlich des einjährigen Jubiläums von Pro-Vecino anbot, eine Sendung über Laura Elenas Kampagne für mehr Umweltschutz zu gestalten. Dank des großen Erfolges dieser Sendung wurde ihr ein täglicher, einstündiger Sendeplatz eingeräumt, den sie dazu nutzte, über die Probleme der Stadt und über mögliche Lösungen zu sprechen. Damit erregte sie die Aufmerksamkeit eines großen TV-Senders, der ihr ein Fernsehprogramm einrichtete. Heute ist Laura Elena mit drei Nachrichtensendungen im Radio präsent, schreibt eine Kolumne in der Zeitung „El Universal“ und moderiert eine politische Fernsehsendung. Laura Elena betont, dass ihre Familie ein wichtiger Faktor war und ist, um ihr Engagement fortzuführen. Die Familie unterstützte sie auch bei risikoreichen Aktionen: 2004 und 2008 organisierte sie zwei große Märsche in der Hauptstadt, bei denen Demonstranten beklagten, dass der Staat immer noch nicht für Sicherheit im Land sorgt. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt Laura Elena, „aber ich bin überzeugt davon, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“ Ihren Kindern hat sie ihre Lebensphilosophie mit auf den Weg gegeben: „Lasst nicht andere für euch handeln, wenn ihr es selbst tun könnt.“ Susanne Göggel, Mexiko-Stadt 19 Südasien Im Einsatz für Menschenrechte und gute Regierungsführung Seit 20 Jahren ist Maja Daruwala die Direktorin der renommierten Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI), Delhi CHRI setzt sich in Indien für die Verbesserung von Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung ein. Auf Majas Einfluss hin, hat sich CHRI auf die Themen Recht auf Information sowie auf Polizei- und Gefängnisreformen spezialisiert. Als Maja zu CHRI wechselte, war die Organisation seit drei Jahren in Neu Delhi und litt noch unter Startschwierigkeiten. Alles was sie vorfand, waren ein engagierter Mitarbeiter, eine studentische Hilfskraft, ein Newsletter und ein kaputter Computer; die Projektmittel waren minimal und das Gehalt der Direktorin gering. Was also hat sie zu diesem Schritt bewogen? Es war der tiefe Wunsch mit ihrem juristischen Wissen etwas für Indien zu tun. Maja hatte sich relativ spät im Leben für ein Jurastudium entschieden. Die Herausforderung neben dem Studium auch ihre traditionelle Frauenrolle als Hausfrau und Mutter auszufüllen, ließ Fragen an der herkömmlichen Rollenverteilung und der männlichen Dominanz in indischen Familien aufkommen. Maja begann neben ihren Juraunterlagen Bücher zu Feminismus zu lesen. Im Recht fand sie eine Lösung für die Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen. Maja Daruwala ist die Direktorin der Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI) in Neu Delhi. CHRI ist eine überparteiliche, internationale NGO, die für die Durchsetzung der Menschenrechte in den Ländern des Commonwealth arbeitet. Gegründet im Jahr 1987 und seit 1995 in Zusammenarbeit mit der Stiftung, konzentriert sich CHRI in ihrer Arbeit auf die Themen Informationsfreiheit sowie Polizei- und Gefängnisreformen. Indien ist eine föderale parlamentarische Republik, in der Machtmissbrauch durch Sicherheitskräfte, Korruption und mangelnde Transparenz immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen führen. 20 Human Rights Defenders in the Commonwealth SILENCING THE DEFENDERS: Human Rights Defenders in the Commonwealth CHRI CHRI Commonwealth Human Rights Initiative working for the practical realisation of human rights in the countries of the Commonwealth Commonwealth Human Rights Initiative working for the practical realisation of human rights in the countries of the Commonwealth Ihr wurde klar, wie mächtig Gesetze sein können; diese Macht können Gesetze aber nur entfalten, wenn sie bekannt sind. Seine Rechte zu kennen, heißt nicht wehrlos ausgeliefert zu sein, sich selbst helfen zu können. Diese Erkenntniss beflügelt Maja bis heute bei ihrem Einsatz für mehr Rechtsbewusstsein und Rechtstaatlichkeit. Indien hat eine veraltete Polizeigesetzgebung, die zu großen Teilen noch aus der Kolonialzeit stammt und als Reaktion auf den ersten großen indischen Aufstand gegen die Kolonialherrschaft erlassen wurde. Dementsprechend weitreichend sind die Machtbefugnisse der Polizisten. Oft sind sie es, die die grundlegenden Rechte der Menschen verletzen, anstatt sie zu schützen. Folter und Missbrauch in Polizeigewahrsam, schludrige Untersuchungen und Korruption sind keine Seltenheit. Systematische Reformen und ein stärkeres Menschenrechtsbewusstsein der Polizei sowie der Bevölkerung sind längst überfällig. Der Zugang zu Informationen ist eine wichtige Voraussetzung für die Einforderung von Bürger- und Menschenrechten. Mangelnde Transparenz und Auskunftspflicht führen zu massivem Missbrauch öffentlicher Gelder. Den Schaden tragen die Bürger: Straßen werden nicht gebaut, Krankenhäuser nicht Instand gesetzt, Schulen nicht ausgestattet. Die Armen leiden besonders, da für sie gedachte Sozialausgaben nie bei ihnen ankommen. Solange die Menschen darüber im Dunkeln gelassen werden, welche Gesetze sie schützen, welche Programme für sie bestimmt sind und auf welche Dienstleistungen sie einen Anspruch haben, können sie ihre Rechte darauf nicht einfordern. Das Recht auf Information ist somit elementar, damit eine aktive Bürgergesellschaft Missstände bekämpfen kann. CHRIs Lobbyarbeit für neue Gesetze, Menschenrechtskurse für Polizisten, Aufklärungskampagnen für die breite Bevölkerung – all das braucht Zeit. Es ist für alle Beteiligten ein großer Erfolg, wenn ein Gesetz für die Menschenrechte nach langer Überzeugungsarbeit verabschiedet wird, wie beispielsweise der Right to Information Act 2005. Auch motiviert es, wenn Menschen informiert und bestärkt aus Veranstaltungen gehen. Die mühselige Arbeit geht danach jedoch weiter, denn neue Rechte müssen umgesetzt, neues Wissen angewandt werden. Oft heißt es: zwei Schritte vor, einen zurück. Hier ist Durchhaltevermögen gefragt – etwas, das Maja und CHRI schon oft bewiesen haben. Maria Schneider, Neu Delhi 21 Südasien Aufstieg militanter Extremisten verschlechtert Minderheitenrechte Interview mit I.A. Rehman über die Situation von Minderheiten in Pakistan Gibt es einen Platz für Minderheitenrechte in einem Land wie Pakistan? Pakistan kommt mehr und mehr unter Druck von religiösen Hardlinern. Der Platz für Minderheitenrechte wird sich auch in der nächsten Dekade verkleinern. Inwieweit sind Minderheiten in der pakistanischen Gesellschaft akzeptiert? Es gab ein hohes Maß an Akzeptanz bis zu Zia ul-Haq (1977–1988). Seine Islamisierung beeinflusste jedoch die Gesellschaft und sie wurde immer intoleranter. Der Aufstieg militanter Extremisten hat die Situation weiter verschlechtert. Sie haben sich einem rigiden, harschen Wahhabi Islam verschrieben und sind entschlossen, ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen. Sie töten nicht nur Nichtmuslime, sondern auch Schiiten. Wie reagiert die Regierung generell auf Gewaltausbrüche gegen Minderheiten? Die übliche Reaktion ist Gewaltanwendung. Den Opfern wird meist Hilfe angeboten, um ihre Häuser und Geschäfte wieder aufzubauen, aber nichts gegen die Gesetzesbrecher unternommen. Ziemlich oft sehen sich Minderheiten gezwungen, mit ihren Unterdrückern wieder Frieden zu schließen. I.A. Rehman ist der Generalsekretär des Human Rights Commission of Pakistan (HRCP), die im Jahr 1987 als unabhängige NRO gegründet wurde. Seitdem hat die Kommission sich zu einer einflussreichen landesweiten Menschenrechtsorganisation entwickelt. Die HRCP übernimmt eine führende Rolle bei der Durchsetzung der Menschenrechte in und für eine demokratische Entwicklung in Pakistan. Sie wird seit Mitte der 1990er Jahre dabei von der Stiftung unterstützt. Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik, die mit zunehmender Gewalt gegen ethnische und religiöse Minderheiten konfrontiert ist und in der Frauen oft ungleich behandelt werden. 22 Foto by Olaf Kellerhoff Gibt es auch Diskriminierung im Erziehungswesen? Ja, viel sogar! Angehörige von Minderheiten werden nicht aufgrund von Leistung zu höherer Bildung zugelassen. Reservierte Plätze für Minderheiten sind letztlich kontraproduktiv. Außerdem behandeln sie die verschiedenen Lehrpläne nicht als Bürger mit gleichen Rechten geschweige denn fair. Kinder von Minderheiten sind verpflichtet, islamische Text zu lernen, aber nicht die ihrer eigenen Religion. Zudem bildet die Darstellung von Minderheiten in Schulbüchern Vorurteile gegen sie heraus. Gibt es Aussichten auf Verbesserung in dieser Hinsicht? Versuche, das Bildungswesen zu verbessern, um Bedenken von Minderheiten Rechnung zu tragen, wurden bisweilen unternommen, trafen jedoch ausnahmslos auf Widerstand seitens des islamischen Klerus. Nur wenn die derzeitige Welle der Religiosität sich verbraucht hat, gibt es Chancen einer Verbesserung. Die Unfähigkeit, Minderheiten bei Zwangskonvertierung zu schützen, liegt auf der Hand. Warum gibt es keine Schritte dagegen? Zwangskonvertierungen werden vom islamischen Klerus gedeckt. Politiker haben Angst davor, den Klerus zu verstimmen, da dieser in der Vergangenheit die meisten Bewegungen gegen Regierungen organisiert und angeführt hat. Selbst die Justiz fürchtet sich, Opfern von Zwangskonvertierungen Schutz zu gewähren, um nicht das Wohlwollen des Klerus zu verlieren. Meinen Sie, dass die Lage besser wäre, wenn Pakistan ein säkularer Staat wäre? Ja, da bin ich mir sicher. Aber wie Pakistan zu einem säkularen Staat machen? Das ist die 1-Million-Dollar-Frage! Inwieweit stört das Blasphemiegesetz die soziale und religiöse Harmonie? Die Publicity bringt muslimische Massen dazu zu glauben, dass alle Angehörigen von Minderheiten wenig Respekt vor dem Islam haben und dass sie absichtlich und böswillig Blasphemie begehen. Selbst wenn sich dann die Anklage als gegenstandslos erweist, ist der Schaden schon geschehen. Die Propaganda des Klerus, dass jeder Muslim das Recht und die Pflicht hat, Blasphemiker zu töten, führt zu mutwilligen Tötungen und mehr Intoleranz. Gibt es irgendwelche Bemühungen, das Blasphemiegesetz zu reformieren? Inzwischen ist der Missbrauch Allgemeingut, aber dennoch werden keine Versuche unternommen, diesen zu stoppen. Bemühungen diverser Regierungen wurden aus Angst vor Reaktionen von Konservativen aufgegeben. Glauben Sie, dass Pakistan seine Minderheitenrechte verbessern wird? Nein, derzeit nicht. Die Situation könnte sogar in den nächsten zehn Jahren noch schwieriger werden, bevor sich eine Besserung ergibt. Olaf Kellerhoff, Islamabad 23 Südost- und Ostasien ASEAN-Menschenrechtssystem muss reaktionsfähig und effektiv sein In Südostasien drängt eine Arbeitsgruppe Regierungen, Menschenrechte zu achten. Generalsekretär Ray Paolo Santiago spricht über Erfolge und Herausforderungen Herr Santiago, Ihr Land, die Philippinen, setzt sich innerhalb von ASEAN für Menschenrechte ein. Aber gibt es nicht bei Ihnen auch noch Probleme? Die Philippinen sind bekannt als ein menschenrechtsfreundliches Land und haben fast alle wichtigen internationalen Menschenrechtsabkommen ratifiziert. Wir haben eine gute Gesetzgebung. Allerdings gibt es Kritik daran, dass diese guten Gesetze mangelhaft umgesetzt werden. Abhängig von der politischen Führung bleiben einige Herausforderungen, wie zum Beispiel außergesetzliche Tötungen. Manche führen Probleme auf mangelnden politischen Willen zurück. Die Regierung verweist auf beschränkte Ressourcen. Schutz der Menschenrechte kann nicht zurückgestellt werden, nur weil angeblich keine Mittel vorhanden sind. Was sind die Herausforderungen und dringlichsten Anliegen der Arbeitsgruppe für einen ASEAN-Menschenrechtsmechanismus? Wir wollen das sich entwickelnde ASEAN-Menschenrechtssystem reaktionsfähig und effektiv ausgestalten. Ich sehe vier Herausforderungen: Die Erste ist, dass die meisten ASEANMitgliedsstaaten sich noch entwickelnde oder junge Demokratien sind. Ray Paolo Santiago aus den Philippinen ist der Generalsekretär der Arbeitsgruppe für einen ASEAN Menschenrechtsmechanismus. Die Arbeitsgruppe gibt Empfehlungen für die Regierungen des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN). Der Staatenbund hat eine ASEAN-Menschenrechtskommission (AICHR) geschaffen und eine ASEAN-Menschenrechtserklärung (AHRD) verabschiedet. Die Arbeitsgruppe fordert von den Regierungen, das Mandat der AICHR auszuweiten: Zudem arbeitet die Arbeitsgruppe darauf hin, dass die ASEAN-Regierungen in Zukunft einen ASEAN-Menschenrechtsgerichtshof schaffen. Die Arbeitsgruppe für einen ASEAN Menschenrechts-Mechanismus und die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sind seit 1996 Partner. 24 Foto by sa Timothy Tsui Obwohl Konzept und Bedeutung von Menschenrechten mittlerweile anerkannt werden, bringt ihre Durchsetzung Herausforderungen mit sich. Zweitens hat sich Anerkennung und Durchsetzung von Menschenrechten in den ASEAN-Ländern hauptsächlich durch persönliches Engagement verbessert. Es ist notwendig, die Mentalität der Regierungsbeamten zu verändern und Menschenrechtsschutz zu institutionalisieren. Drittens müssen Menschenrechte viele Politikbereiche berühren. Wir brauchen Synergien, auch innerhalb der verschiedenen ASEAN-Einrichtungen. Und schließlich besteht nach wie vor Ressourcenknappheit bei den Institutionen und bei den Menschenrechts-Organisationen der Zivilgesellschaft. Was sind die Errungenschaften der Tätigkeit der Arbeitsgruppe? Die Arbeitsgruppe hat Austausch und Konsistenz in die Menschenrechtsdebatte in Südostasien gebracht und dazu beigetragen, dass die ASEAN-Staaten sich kontinuierlich mit dem Thema befassen. Im Zuge des Aufbaus von ASEAN-Menschenrechtsinstitutionen haben wir unermüdlich auf die Anerkennung verschiedener Positionen des Menschenrechtsschutzes hingewirkt. Dies mag von manchen als ein langsamer Prozess angesehen werden, aber unser Vorgehen hat die Entwicklung von Menschenrechten innerhalb von ASEAN vorangebracht. Die seit 1996 bestehende Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe mit ASEAN hat uns eine offizielle Anerkennung als eine Organisation, die mit ASEAN assoziiert ist, gebracht. Unser Status ist in der ASEAN-Charta verbrieft. Die Einrichtung einer Menschenrechtskommission durch die ASEAN-Staaten, die Schaffung der Kommission zum Schutze der Rechte von Frauen und Kindern sowie die Verabschiedung der ASEAN-Menschenrechtserklärung 2013 sind die greifbarsten Erfolge. Unsere Arbeitsgruppe hat sie begleitet, ja forciert. Auch wenn wir Erfolge nicht für uns allein reklamieren, so spielte die Arbeitsgruppe doch eine wichtige Rolle. Was ist Ihre persönliche Motivation? Meine persönliche Motivation ist es, zu meinen Lebzeiten positive Veränderungen zu sehen, auch wenn sie in kleinen Schritten erfolgen. Wir sind in einer besseren Lage als andere Menschen, die mit schlimmen Situationen zurecht kommen müssen. Deshalb haben wir die Verantwortung, positive Veränderungen zu erreichen und Dinge richtig zu machen. Pett Jarupaiboon, Bangkok 25 Südost- und Ostasien Islamisches Familienrecht spiegelt nicht Realität heutiger Ehen wider In Malaysia setzt sich Ratna Osman für die Rechte islamischer Frauen ein Ratna Osman wuchs in Malaysia in einer moderat-muslimischen Familie auf. Sie besuchte eine Koranschule. Religion war wichtig, aber im Großen und Ganzen war Ratna ein modernes Großstadtmädchen. Mit 15 wurde sie von einer muslimischen Unterrichtsgruppe zu einem Training eingeladen. Der Prediger sprach darüber, wie ein gutes, islamisches Kind zu sein habe. Dazu gehöre es, den Eltern zu gehorchen und das Leben Gott zu widmen. Sie bekam zu hören, dass ihre Eltern in der Hölle für Ratnas Sünden bestraft würden, wenn sie den Lehren des Predigers nicht folge. „Ich habe geglaubt, was mir beigebracht wurde“, sagt Ratna heute, „ich glaubte, dass Frauen das schwächere Geschlecht seien, dass eine gute Ehefrau ihrem Ehemann gegenüber gehorsam zu sein habe, und dass Polygamie ein natürliches Recht der Männer sei.“ Damals wurde Ratna der Islam als dogmatische Religion vermittelt. Das warf für sie viele Fragen auf. Aber Ratna stellte keine Fragen - aus Angst, als schlechte Muslimin angesehen zu werden. Diese frühen Erfahrungen gaben Ratna ein fundiertes Verständnis konservativer Interpretationen des Islams. Vor einigen Jahren lernte sie dann die Arbeit von „Sisters in Islam“ (SIS) kennen, einer malaysischen NRO, die sich für die Rechte muslimischer Frauen einsetzt. Zunächst war Ratna skeptisch, weil die Positionen von SIS gewagt sind. Ratna Osman ist die Geschäftsführerin der NGO “Sisters in Islam” (SIS) in Kuala Lumpur, Malaysia. Die Gründer von SIS - Anwälte, Akademiker und Aktivisten - kamen Ende der 80er Jahre zusammen. SIS veröffentlichen Artikel, organisieren Workshops und öffentliche Foren. Auch wenn die Arbeit von SIS ausdrücklich den Schwerpunkt Frauenrechte hat, beschäftigt sich die NGO in diesem Kontext gleichzeitig mit den großen Themen Regierungsführung, Islamisierung sowie Herausforderungen von Wandel und Moderne. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und SIS sind seit 1992 Partner. Malaysia ist eine konstitutionelle Monarchie in der laut Human Rights Watch Versammlungs- und Meinungsfreiheit eingeschränkt sind. 26 „Bei SIS wurde Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung von muslimischen Männern und Frauen diskutiert. Das hat mich umgehauen“, erinnert sich Ratna. „Als mir schließlich eine Stelle angeboten wurde, sagte ich mir, dass SIS genau das ist, wonach ich gesucht hatte.“ Ratna hat an der internationalen Islamischen Universität in Islamabad Islam- und Scharia-Recht studiert. Bei SIS kann sie ihr erworbenes Wissen nun anwenden und Muslime in Malaysia für progressive Interpretationen der islamischen Lehren sensibilisieren. „Die größten Herausforderungen sind, die Mentalität der Menschen und die Gesetze zu ändern. Die Rolle des Mannes als Versorger und Beschützer im islamischen Familienrecht geht auf jahrhundertealte Vorstellungen und Gebräuche zurück. Dies spiegelt nicht die Realität heutiger Ehen wieder“, erklärt Ratna. Unter bestimmten Umständen erlaubt islamisches Familienrecht Männern, mehr als eine Frau zu heiraten. Oft werden dabei minderjährige Mädchen mit erwachsenen Männern verheiratet. „Das größte Übel ist die Armut“, sagt Ratna. Viele Eltern sind zu arm, um für ihre Töchter zu sorgen. Mit der Heirat geht die Verantwortung auf den Ehemann über. Malaysias Zivilrecht, das für Mitglieder anderer, also nicht-islamischer Religionen gilt, gibt beiden Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder. Im islamischen Recht hingegen, das für Malaysias Muslime gilt, haben Väter das Sorgerecht. Mütter können zwar vor Gericht gehen und Sorgerecht beantragen. Aber nur wenige Frauen wagen den Schritt, weil sie Angst haben, stigmatisiert zu werden. Außerdem sind die Erfolgsaussichten vor Gericht beschränkt. Kulturelle Erwägungen, Traditionen, familiärer Druck und mangelnde Sensibilisierung in Geschlechterfragen sind Faktoren, die an Malaysias Gerichten durchaus eine Rolle spielen. Mittlerweile fühlt sich Ratna bei SIS zu Hause und leitet die Organisation. SIS studiert und erforscht die Rolle von Männern und Frauen in islamischen Lehren. Ein Hauptziel ist, zu zeigen, dass der heilige Koran nicht zwischen den Geschlechtern unterscheidet. SIS und die Mitarbeiter werden oft kritisiert. Weil die Positionen von SIS so progressiv sind, wurde gegen die NGO auch mehrfach rechtlich vorgegangen. Einige konservative religiöse Gelehrte sind der Ansicht, dass über den Inhalt des Korans nicht debattiert werden dürfe. Manche verlangen sogar, dass SIS verboten wird. Doch Ratna und ihre Kollegen lassen sich nicht beirren. Sie analysieren, was im Koran steht und diskutieren mutig über Interpretationen. Sisters in Islam werden international anerkannt und respektiert, weil sie sich seit Jahrzehnten unermüdlich für Gerechtigkeit und die Gleichstellung muslimischer Frauen einsetzen. Juliane Schmucker, Kuala Lumpur 27 Partner Region / Land Partner Webseite Europäische Institutionen und Nordamerika Europäische Institutionen ALDE-Fraktionen im Ausschuss der Regionen und im Europäischen Parlament www.alde.eu Europäische Union Alliance of Liberals and Democrats for Europe (ALDE) Party www.aldeparty.eu/de Europa Europarat und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte hub.coe.int Weltweit Liberal International (LI) www.liberal-international.org Europa European Liberal Forum (ELF) www.liberalforum.eu Europa European Network of Political Foundations (ENoP) www.european-network-ofpolitical-foundations.eu Washington DC und Brüssel und Europa American Jewish Committee (AJC) AJC Transatlantic Institute in Brüssel www.ajc.org Washington DC und Brüssel National Democratic Institute (NDI) www.ndi.org Washington DC und Brüssel Freedom House www.freedomhouse.org Brüssel Humanity in Action (HiA) www.humanityinaction.org Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien Regional 28 American Jewish Committee www.ajc.org RusslandMemorial www.memorial.de Ukraine www.en.pravo.org.ua Centre for Political and Legal Reforms (ZPRR) RusslandGolos www.golos.org Kirgistan Central Asia Free Market Institute -CAFMI www.freemarket.kg Azerbaijan Human Rights Club www.humanrightsclub.org Azerbaijan Institute for Reporters’ Freedom and Safety - IRFS www.irfs.org Georgien Georgian Young Lawyers Association www.gyla.ge Armenien Helsinki Citizens’ Assembly Vanadzor Office www.hcav.am/en/ Region / Land Partner Webseite Ägypten Arabic Network for Human Rights Information (ANHRI) www.anhri.net/en Ägypten Egyptian Organization for Human Rights (EOHR) en.eohr.org Marokko Centre for the Rights of the People www.droitsdesgens.org Algerien WASSILA LADDH (Algerische Menschenrechtsliga) www.la-laddh.org Algerien Amnesty International Algeria www.amnestyalgerie.org Tunesien ATIDE (Association Tunisienne pour l’Integrité et la Democratie des Elections) www.atide.org Tunesien ATFD (Association Tunisienne des Femmes Démocrates) femmesdemocrates.org Jordanien National Center for Human Rights (NCHR) www.nchr.org.jo Libanon The Arab Center for the Development of the Rule of Law and Integrity (ACRLI) www.acrli.org Israel Citizens’ Accord Forum www.caf.org.il Palästina Ramallah Center for Human Rights Studies (RCHRS) www.rchrs.org Türkei Hrant Dink Stiftung www.hrantdink.org Türkei Prime Ministry’s Human Rights Presidency (HRP) Mittelmeerländer Afrika Regional Southern African Legal Assistance Network (SALAN) www.salan.org Regional Institut International des Droits de l‘Homme (IIDH) www.iidh.org Simbabwe Legal Resources Foundation (LRF) www.lrf.co.zw Cote d’Ivoire LIDHO - Ligue Ivorienne des Droits d l‘Homme www.lidho.org Cote d’Ivoire MIDH - Mouvement Ivorien des Droits de l‘Homme www.midhci.org Cote d’Ivoire RAIDH - Regroupement Ivorien des Acteurs des Droits de l‘Homme. www.raidh-ci.org Ghana Center for Democratic Development (CDD) www.cddghana.org Senegal Forum Civil www.forumcivil.net 29 Region / Land Partner Webseite Argentinien Libertad y Progreso www.libertadyprogresonline.org Argentinien Fundacion LED www.fundacionled.org Argentinien Fundacion Bases www.fundacionbases.org/cms Mexiko Caminos de la Libertad www.caminosdelalibertad.com Mexiko Movimiento Libertario de México www.libertarios.info Guatemala Centro de Investigaciones Económicos Nacionales (CIEN) www.cien.org.gt Honduras Asociación Nacionál de Industriales www.andi.hn Nicaragua Fundación Libertad www.fundacionlibertad.org.pa Costa Rica Asociación Nacional de Formento Economico (ANFE) www.anfe.cr Regional Commonwealth Human Rights Initiative www.humanrightsinitiative.org Indien Tibetan Parliamentary and Policy Research Centre (TPPRC) www.tpprc.org Pakistan Society for the Protection of Rights of the Child (SPARC) www.sparcpk.org Pakistan Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) www.hrcp-web.org/hrcpweb Pakistan Shehri - Citizens for a better Environment (CBE) www.shehri.org Pakistan Center for Peace and Development Initiative (CPDI) www.cpdi-pakistan.org Bangladesch Information Commission Bangladesh www.infocom.gov.bd/ic Lateinamerika Südasien 30 Region / Land Partner Webseite Südost- und Ostasien Regional The Working Group for an ASEAN Human Rights Mechanism www.aseanhrmech.org Thailand National Working Group on Human Rights Kambodscha National Working Group on Human Rights Kambodscha Cambodian Centre for Human Rights www.cchrcambodia.org Malaysia Sisters in Islam www.sistersinislam.org Myanmar Irrawaddy News Group www.irrawaddy.org Myanmar Myanmar Egress www.myanmaregress.org Myanmar Bayda Institute www.facebook.com/bayda. institute.burma Philippinen Ateneo Human Rights Center (AHRC) www.law.ateneo.edu Philippinen National Working Group on Human Rights 31
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