No. 60 | Sommer 2016 FABRIK RUND BRIEF Kinderkultur FABRIK-Flüchtlingshilfe Fluchtgrund Klimawandel Kunst kommt von Kennen Eigenproduktion „Besetzt!“ – von der Idee bis zur Premiere Abend für eine offene Gesellschaft Flüchtlingsheim St. Christoph Aktuelle Aktivitäten Eine Veranstaltungsreihe über den Zusammenhang von Ökologie und Migration Impressum Herausgeber FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. Habsburgerstraße 9 79104 Freiburg Tel. +49 (0)761.50365-30 eMail: [email protected] Internet: www.fabrik-freiburg.de Redaktion Regina Leonhart, Ute Lingg, Karola Mohr, Hans Schmid, Martin Wiedemann © Fotos & Illustrationen AMICA (S. 30), BAGAGE (10,11), barnsteiner-film (1,2), Thomas Bethmann (5), Ingo E. Fischer (24), Felix Groteloh (8,9,22,23,36), Feras Haddad (10,11,12), Ute Lingg (32,33), Karola Mohr (25,28), Pudels Kern (5), Dieter Pfeiffer (32), Juli Richter (18,19), Ingo Schneider (26), Susanne Schleyer (34), Uli Zaiser (6), übrige: FABRIKArchiv Satz & Layout Regina Leonhart, Hans Schmid Druck schwarz auf weiss Papier 100% Recycling Titelbild: Der Boden und das Grundwasser auf der Insel Tuvalu sind durch das Meerwasser versalzen, die Palmen entwurzeln und fallen um — Filmstill aus dem Dokumentarfilm „Thule Tuvalu“ von Matthias von Gunten, Schweiz 2014, © barnsteiner-film. Rückseite: Szenenbild aus dem Kindertheaterstück „Besetzt!“ 2 Auflage 2.500 Exemplare Erscheinungsweise halbjährlich (in der Regel Juli & Dezember) FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Liebe Leserinnen, liebe Leser, Inhalt auf den ersten Blick hat das Titelbild unseres Rundbriefs so gar nichts mit uns und der FABRIK zu tun. Aber weit gefehlt! Die zerstörte Natur auf der Südseeinsel Tuvalu ist eine der augenfälligsten Auswirkungen des globalen Klimawandels, so wie es auch die scheinbaren, immer häufiger auftretenden „Naturkatastrophen“ vor unserer Haustüre sind. Neben Krieg, Gewalt und rücksichtsloser Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist es der Klimawandel, der dafür sorgt, dass weltweit inzwischen 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind, Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat aufzugeben, weil sie nur noch in der Fremde ein sicheres Überleben finden. Uns die vielfältigen Aspekte und das Ausmaß des Klimawandels bewusst zu machen, ist das Ziel der Veranstaltungsreihe „Fluchtgrund Klimawandel“, die wir zusammen mit der Katholischen Akademie Freiburg und dem Förderverein für umweltfreundliche Stromverteilung und Energieversorgung Schönau im Herbst diesen Jahres ausrichten werden. Mehr zu diesem Thema und Hinweise zum Programm mit Vorträgen, Filmen, Theater und Aktionen findet sich auf den Seiten 14 bis 16. Natürlich berichten wir wieder über die aktuellen Aktivitäten und Ereignisse in der FABRIK, dem Vorderhaus und der Flüchtlingshilfe. Unter anderem blicken wir zurück auf einen großen Abend des politischen Kabaretts, der dem eindrucksvollen Engagement so vieler den Flüchtlingen helfender Menschen gewidmet war. Und es gilt dieses Mal auch, Glückwünsche auszusprechen: an das überaus aktive und erfolgreiche Mietshäusersyndikat, welches völlig zu Recht mit dem diesjährigen Berndt-Koberstein-Preis ausgezeichnet wurde, und an unsere Vorderhaus-Gaststätte, aus deren Mitte heraus, gerade mal 800 m weit von der FABRIK entfernt, ein neues Restaurant mit dem Namen „hier & jetzt am Turmcafé“ entwachsen ist. Das erste Halbjahr war ganz offensichtlich arbeitsreich, da darf der Juli wie üblich ein eher ruhiger Monat werden. Aber schon im August kommt auf uns Arbeit und auf Euch Vergnügen zu: unter sternen gibt es wieder bewährte Lesungen in der Spechtpassage. Mitte September starten wir dann mit den Veranstaltungen im Vorderhaus-Saal und mit dem ersten Vortrag zum Thema „Fluchtgrund Klimawandel“. Bis dahin grüßt die Rundbrief-Redaktion 03 | Editorial 04 | Nachrichten Jahresergebnis 2015 | Wärmedämmung im Hinterhaus | Koordination Flüchtlingshilfe | Jahreshauptversammlung | Wochenmarkt | Friedlicher Drache | Under-Cover | FABRIK 2020 | 08 | Plädoyer für eine offene Gesellschaft Ein besonderer Abend des politischen Kabaretts von Dietrich Roeschmann 10 | FABRIK-Flüchtlingshilfe Ein Überblick von Jeanette Bihlmaier 13 | Welche Zukunft hat das ArTik? Eine Podiumsdiskussion im Vorderhaus von Anja Bochtler 14 | Während wir reden, geht die Welt unter Ein Kommentar zum Klimawandel von Andrea Jeska 15 | Fluchtgrund Klimawandel Veranstaltungsreihe zu den Folgen des Wachstums 17 | Der Traum ist aus Ein Kommentar von Torsten Glaser, friga 18 | hier & jetzt am Turmcafé Eine nahe liegende Gastro-Empfehlung 20 | Und jetzt nochmal! Steffi Bürger arbeitet als Theaterpädagogin im Kindertheater des Vorderhauses von Marion Klötzer 22 | Ein Kinderstück entsteht Als Regieassistentin bei „Besetzt!“ von Jule Glimsche 24 | Vorderhaus-Förderkreis außer Haus Ein Abend im Zeichen von DADA und Orientexpress 26 | Mietshäusersyndikat Auszeichnung mit dem Berndt-Koberstein-Preis 28 | SolidarEnergie 2016 Würdigung für Petra Gack, Mike Schweizer und elf regionale Initiativen 30 | Skandalöse Sicherheit Missbrauchsvorwürfe gegen Blauhelmsoldaten von Gabriele Michel, AMICA 32 | Meine schlimmste Lesung Kolumne von Jakob Hein 34 | Hinter den Kulissen Die Haustechniker des Vorderhauses im Gespräch 35 | Adressen & Kontakte 3 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Nachrichten Der „FABRIK-Jahresbericht 2015“ ist in gedruckter Form über das Hausbüro oder per Download von der FABRIK-Webseite erhältlich Im Sommer wird unter diesem Dach kräftig geschwitzt Erfreuliches Jahresergebnis Unerträgliche Sommerhitze Der FABRIK-Verein hat 2015 gut gewirtschaftet Das Jahr 2014 hatte der FABRIK e.V. mit einem Minus von 30.000 € abgeschlossen. Das war geplant gewesen, denn immerhin wurden vor zwei Jahren das Dach des Hauptgebäudes saniert und eine neue Solaranlage installiert – Kosten, die im Jahr 2015 wieder erwirtschaftet werden sollten. Und dies gelang sogar über die Maßen. Nicht nur, dass das Vorjahres-Minus ausgeglichen wurde, darüber hinaus konnten in ähnlicher Höhe Rücklagen für die anstehende Sanierung und Wärmedämmung des Hinterhaus-Daches gebildet werden. Dass das Jahr 2015 finanziell so erfolgreich verlief, lag zum einen Teil an Einsparungen, die in verschiedensten Ausgabenbereichen möglich waren, sei es durch eigene Anstrengungen, sei es aufgrund äußerer Faktoren (das Jahr war warm, die Heizkosten waren gering und die Zinsen anhaltend niedrig). Zum anderen Teil verzeichneten unsere „Zweckbetriebe“ Kultur und Keramik Umsätze wie noch nie. Fast 400.000 € Eintrittserlöse bei gut 33.000 BesucherInnen waren Langzeitrekord (auch bedingt durch eine ganze Reihe von Kulturveranstaltungen in größeren Sälen in der Stadt) und die Kurse der Keramikwerkstatt kletterten auf 5.400 Kursbesuche und 48.000 € Teilnahmegebühren. Dank des guten Ergebnisses konnten 2015 die Schulden der FABRIK um rund 90.000 € auf nunmehr noch 900.000 € abgebaut werden. Noch mehr Zahlen, aber vor allem auch eine prägnante Darstellung der Vereinsaktivitäten finden Interessierte zusammengestellt im schon Tradition gewordenen „FABRIK-Jahresbericht 2015“. 4 Eine ordentliche Wärmedämmung soll im Hinterhaus die Arbeitsbedingungen verbessern Seit Jahren stöhnen in den heißen Sommermonaten die Kursteilnehmerinnen der Pädagogischen Ideenwerkstatt BAGAGE über die Hitze in den Seminarräumen des Hinterhauses, und auch die MitarbeiterInnen von BAGAGE wissen ein Lied davon zu singen. Bis zu 40 °C kann es werden, trotz nächtlichem Lüften und Tageslicht abhaltenden Jalousien. Hitze und fehlende Frischluft machen müde und mindern die Konzentration, sowohl im Seminar- wie im Bürobetrieb. Abhilfe verspricht nun, nach langen Recherchen über den Zustand der noch vorhandenen alten Dämmung (der auch Jahre lang einige Marder zugesetzt haben) und den technischen Möglichkeiten (bis hin zu einer zentralen Lüftungsanlage mit optionaler Klimatisierung), die geplante Sanierung des Daches. Die alte und defekte Dämmung zwischen den Sparren wird durch neues Material ersetzt, eine zusätzliche Dämmschicht wird darüber gelegt, und der Dachbelag wird erneuert. Natürlich muss für diese Arbeiten zuvor die Solaranlage abgebaut und anschließend wieder aufgebaut werden. Durchgeführt werden die Arbeiten, so der Plan, im Dezember und Januar, und kosten sollen sie, so der Plan, rund 90.000 €. FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Nachrichten Wechsel in der Koordinationsstelle: auf Jeanette Bihlmaier folgt Leonora Lorena Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ in der Selbstverwaltung der FABRIK * Danke Jeanette! Hallo Leo, willkommen! Jahreshauptversammlung Der Stab beim Organisieren und Koordinieren der diversen Flüchtlingshilfe-Aktivitäten wird weitergegeben Die Zeit als „Flüchtlingshilfekoordinatorin der FABRIK“ geht für Jeanette Bihlmaier nach acht Monaten im Juli 2016 zu Ende. Seit Mai arbeitet sie fest angestellt in ihrem Beruf, beide Jobs lassen sich zeitlich nicht mehr vereinbaren. Über die Zeit bei der FABRIK sagt Jeanette, dass ihr nach ihrem abgeschlossenen Studium nichts Besseres hätte passieren können. „Es ist sehr schade, dass ich die FABRIK wieder verlassen muss. Als Flüchtlingshilfekoordinatorin konnte ich nicht nur einiges erreichen, sondern habe auch viel gelernt, Erfahrungen gesammelt und Freundschaften geschlossen. Jetzt freue ich mich aber auch auf das, was kommt. Durch meinen neuen Job kann ich meine beruflichen Ziele im Umweltschutz verwirklichen.“ Ihre Nachfolgerin Leonora Pires da Silveira e Lorena, kurz: „Leo“ genannt, wuchs in Mosambik, Schottland und Portugal auf. Leo ist studierte Umwelt ingeneurin und hat in Freiburg den Master of Environmental Governance ab geschlossen. Danach arbeitete sie unter anderem für die Uni Freiburg, das ICLEI Institut und schließlich zwei Jahre für die UN in Rom. Anschließend kehrte sie nach Freiburg zurück, um sich verstärkt eigenen Projekten zu widmen. Im letzten Herbst gründete sie zusammen mit Anderen den Verein „zusammen leben“. Gemeinsam werden dort Formate entwickelt, in denen sich Geflüchtete und Stadtbevölkerung unbürokratisch und direkt begegnen können. So entstand die Webseite zusammenessen.de, über die man direkt neue Mitbürger zu unterschiedlichen Aktivitäten einladen kann. Im Juni fand in der FABRIK das erste von 6 Pop-Up-Dinnern statt, bei dem 50 Menschen aus verschiedenen Ländern gemeinsam kochten, aßen und Fußball schauten. Darüber hinaus arbeitet sie im Orga-Team des AgriKulturFestival mit. „Ich freue mich sehr, für und mit der FABRIK und St. Christoph zu arbeiten, Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Die FABRIK ist ein toller Ort, an dem viele spannende Organisationen und Initiativen synergetisch zusammen arbeiten. Ich möchte hier auch neue Partner und Ideen mit ins Boot bringen.“ ➔ Der alte Vorstand ist der neue Vorstand Auf der alljährlichen Hauptversammlung des FABRIK-Vereins, welche dieses Mal schon am 13. Juni 2016 stattfand, trug der amtierende Vorstand des Vereins seinen Rechenschaftsbericht für das Amtsjahr 2015/2016 vor, wurde mit großem Dank entlastet, stellte sich geschlossen, weil weiterhin mit Freude seinem Ehrenamt nachgehend, zur Wiederwahl. Er wurde denn auch ohne Gegenstimmen in seinem Amt bestätigt. Damit wachen Regina Leonhart, Lena Oser, Ulrike Tauss, Ally Dolle, Andreas Förderer, Sebastian Hintzen, Dieter Pfeiffer und Peter Rist ein weiteres Jahr über den Kurs und die Aktivitäten der FABRIK. Die weiteren Themen dieser Mitgliederversammlung – wie FABRIK 2020, Flüchtlingshilfe, Sommerfest – finden verstreut an anderer Stelle Eingang in diesen Rundbrief. ➔ * Mehr dazu im Film „Die FABRIK in 3 Minuten“ auf unserer Webseite www.fabrik-freiburg.de Bürozeiten: Mo + Do 13-16 Uhr, Tel.: 0761-50365-53 5 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Nachrichten Irmi Lapp war vom Anfang an beim Wochenmarkt der FABRIK dabei Gertrud Schröder leitet den Friedlichen Drachen Nachrichten vom Wochenmarkt 22 Jahre in der FABRIK Personelle Wechsel und neue Angebote Seit nahezu 10 Jahren gibt es ihn nun, den Wochenmarkt in der FABRIK. In dieser Zeit hat sich das Bild des Marktes immer wieder verändert, doch viele Marktbeschicker der ersten Stunde sind noch heute vertreten. Umso bedauerlicher ist es nun, dass sich vor kurzem Irmi Lapp, eine typische Marktfrau und von Beginn an mit dabei, vom Wochenmarkt verabschiedet hat. Relativ kurzfristig teilte sie uns mit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Markt teilnehmen kann. Eine schon vor Jahren festgestellte ArthroseErkrankung in den Handgelenken zwingt sie nun endgültig zur Aufgabe ihres Obst- und Gemüsestandes. Kunden und Kollegen werden Irmi Lapp und ihre freundliche Art vermissen. Die FABRIK und die Marktbeschicker danken ihr herzlich und schenken ihr zum Abschied ein Essen im Vorderhaus und einen Besuch einer Vorderhaus-Veranstaltung. Als Nachfolger stellte sich Anfang Juni Ben Tiglis vor. Unter dem Namen Lukas Obst und Gemüse startete er vor acht Jahren sein Unternehmen mit dem Kauf einer Gärtnerei in Ihringen. Heute ist er auf verschiedenen Wochenmärkten vertreten und beliefert außerdem mehrere Einzelhändler und Gastronomen mit seinem Obst und Gemüse. Herzlich Willkommen, alles Gute und viel Erfolg wünschen wir ihm! Seit kurzem auf dem Markt sind Thomas Hellinger und Stephanie Rehmann von der Firma Trivega mit ihren veganen Produkten. Mit diesem Angebot möchten sie Menschen ansprechen, die sich vegan ernähren, und damit den Markt einem anderen Publikum öffnen. Ihr Stand ist der erste und einzige mit veganen Lebensmitteln auf Freiburger Wochenmärkten. Auch diesen beiden viel Glück und Erfolg. Ebenfalls erwähnenswert finden wir, dass vor etwa einem Jahr die Marktbeschicker damit begonnen haben vier Flüchtlingsfamilien in Horben jeden Samstag mit Obst, Gemüse und Backwaren zu versorgen. Seit Anfang 2016 kommen auch Flüchtlingsfamilien in St. Christoph in diesen Genuss. 6 Der Friedliche Drache feiert mit einer Veranstaltungsreihe „Kraft der vier Tiere“ ist das Leitthema, unter dem der Friedliche Drache – Schule für Kampfkunst und Meditation, geleitet von Gertrud Schröder (Long Ping), dieses Jubiläum feiert. Die vier Tiere – Bär, Kranich, Tiger und Schlange – sind seit jeher Inspiration und Symbol für grundsätzliche Lebensqualität. Sie dienen als Metapher für die Themen Stabilität, Aufrichtung, Präsenz und Beweglichkeit. Vom 31. Juli bis 13. August bieten erfahrene ReferentInnen im Dojo mehrere Workshops und Kurse an. Im Vorderhaus wird es zudem Aufführungen von TeilnehmerInnen der Sommerprojektwochen geben, unterstützt von Lichteffekten und Live-Musik. Darüber hinaus steht ein Obertonkonzert des international bekannten Duos „AlienVoices“ auf dem Programm. ➔ Weitere Infos unter: www.friedlicherdrache.de FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Nachrichten Ein bißchen futuristisch: der Under-Cover-Kapuzen-Schirm Unter diesem Motto und Logo organisiert die AG Soziales Miteinander ihre Aktionen Under Cover FABRIK und die Zukunft Die Fahrradwerkstatt hilft mit, Radfahrende vor Regen zu schützen Regen gab es ja nun wirklich genug in diesem Frühjahr, und welcher passionierte Radfahrer kennt sie nicht, den lästigen Tanz mit der Regenhose oder die Beinah-Unfälle, wenn sich das Cape mit dem Lenker verheddert. Kurz: Regen und Radfahren, da gibt es keine richtig befriedigende Lösung. Oder doch? Seit April fährt Ally Dolle von der Fahrradwerkstatt mit einem bizarren Konstrukt durch Freiburg: dem Under-Cover-Kapuzen-Schirm. Der Schirm hat eine Aussparung, durch die der Kopf gesteckt wird und damit freie Rundumsicht ermöglicht. Verstaut in einer Hülle und befestigt am Fahrradrahmen ist er jederzeit verfügbar und einsatzbereit. Erfunden hat den Schirm Thomas Schmidt und zusammen mit der Fahrradwerkstatt entwickelt und gebaut. In diesem Frühjahr wurde der Under-CoverSchirm erstmals auf der Spezialradmesse Spezi präsentiert und wird nun in erster Serie im Frühjahr 2017 auf den Markt kommen. ➔ Aktuelle Infos unter: www.under-cover.biz Im Projekt „FABRIK 2020“ wird es jetzt konkret Ende 2014 wurde mit dem „FABRIK 2020-Handbuch“ ein Zwischen-Resümee der bisherigen Arbeit zur Zukunftsgestaltung gezogen. Das Handbuch dient seither als Arbeits- und Ideengrundlage für die Steuerungsgruppe. 2015 lag der Schwerpunkt bei den Arbeitsgruppen und in diesem Jahr geht es konkret um die Fragen: Was passiert in der FABRIK, wenn die Geschäftsführer, langjährige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Rente oder Teilzeitrente gehen? Was passiert mit der FABRIK, wenn es den einen Betrieb oder die andere Einrichtung nicht mehr gibt? Was passiert mit den Strukturen im Verein und den Werten und Traditionen, die die FABRIK ausmachen? Spannende Fragen, zu denen es im Herbst ein Plenum mit allen Einrichtungen geben wird. Aber nicht nur die Steuerungsgruppe ist aktiv, auch die anderen AGs treffen sich regelmäßig. Wie im letzten Rundbrief schon erwähnt, ist die AG Öffentlichkeit noch mit dem gemeinsamen Logo für alle Betriebe und Einrichtungen beschäftigt, um von außen als Teil der FABRIK erkennbar zu sein. Die AG Transparenz und Integration wiederum möchte die vielen FABRIKEinrichtungen besser im öffentlichen Bereich von Vorderhaus und Vorderhof präsentieren. Denn die FABRIK ist ja mehr als nur das Vorderhaus mit seiner Kultur und der Gaststätte. Die AG Synergien versucht, Wissen und Potenzial von einzelnen an alle zu vermitteln. Dazu möchte sie das interne FABRIK-Forum wiederbeleben und attraktiver machen. Momentan gibt es auch eine temporäre AG. Diese plant unser gemeinsames Sommerfest, das im September stattfinden wird. Und die AG Soziales Miteinander bemüht sich regelmäßig um gemeinsame Mittagessen, plant Diavorträge, z.B. über Kuba, organisiert eine Fahrradputzete und vieles mehr. Dafür wurde sogar ein eigenes Logo geschaffen. 7 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Politisches Kabarett Plädoyer für eine offene Gesellschaft Dietrich Roeschmann berichtet von einem grandiosen Abend des politischen Kabaretts I rgendwann ist einfach mal ein Dank fällig. Für Hilfe, die keiner gefordert hat, sondern die einfach kam, ohne Bitten und Betteln. Und für Dinge, die nicht selbstverständlich sind – obwohl wir wissen, dass sie es sein sollten, wenn wir die offene Gesellschaft nicht als Utopie begreifen, sondern als die gelebte Idee von Solidarität. Ende Januar lud deshalb das Vorderhaus gemeinsam mit dem Theater Freiburg zum Benefiz-Abend ins Große Haus, um den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu danken, die sich seit vergangenem Sommer für die mittlerweile rund 3800 Flüchtlinge in der Stadt engagieren. Sie tun das über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg und ungeachtet vieler Beschränkungen durch Politik, Bürokratie, ungeklärte Zuständigkeiten, die eigene Überforderung oder den Spott der Besitzstandswahrer, die Engagement für andere schon immer als Ego-Trip der Hilfsbereiten disqualifiziert haben. Auch deshalb sollte der Abend mehr werden, als eine pflichtschuldige Geste des Dankes. Sämtliche Einnahmen der Veranstaltung, verkündete Martin Wiedemann zu Beginn auf der Bühne, würden der solidarischen Arbeit in der Notunterkunft Waltershofener Straße und im Flüchtlingswohnheim St. Christoph zu Gute kommen, für die das Theater Freiburg und die FABRIK-Flüchtlingshilfe Patenschaften übernommen haben. Die Veranstaltung war schon Wochen zuvor ausverkauft. Kein Wunder. Auf dem Programm standen neben den begnadeten Freiburger Jazzern von Sax‘n‘Hop zwei Giganten des politischen Kabaretts: Georg Schramm und Matthias Deutschmann. In der Regel reicht einer von ihnen, um das Haus voll zu kriegen. 8 Nun kann man sich fragen: Was hat politisches Kabarett mit alltäglicher Unterstützungsarbeit wie Hausaufgabenhilfe für syrische Kinder, privaten Deutschkursen, der Begleitung zu Behörden und Ärzten oder dem Teilen gemeinsamer Zeit zu tun? Oder anders gefragt: Ist es eine gute Idee, den Dank an Bürgerinnen und Bürger, die sich aus den unterschiedlichsten, keinesfalls immer politischen Motiven für andere engagieren, mit einer grundsätzlichen, oft provokativen System- und Kapitalismuskritik zu verbinden, für die Schramm und Deutschmann stehen? Ja, das ist es – auch wenn sich an diesem Abend nicht alle gleichermaßen wohlgefühlt haben dürften. Aber gerade das Nebeneinander von Einverständnis und Abwehr, das unter anderem bei den vielen bösen Spitzen gegen Merkel und Kretschmann im Saal spürbar wurde, machte diesen Abend zu einem Lehrstück über die Frage, ob und wie politisches Kabarett angesichts einer zunehmend als komplex empfundenen Wirklichkeit heute noch Wirkung entfalten kann. Oft geht politisches Kabarett von einer stillschweigenden Übereinkunft aus, ohne diese jedoch selbst einzufordern. Denn in der Regel ist es das Publikum, das diese Übereinkunft sucht, indem es das Ticket für Veranstaltungen löst, wo es zu hören bekommt, was es hören möchte und auch herbe Provokationen den Konsens nicht gefährden. Insofern unterscheidet sich das politische Kabarett nicht grundlegend von der Mainstream-Unterhaltung im Wir-Modus. Doch es kennt unterschiedliche Möglichkeiten, dieses Wir zu aktivieren.Wenn Georg Schramm mit analytischer Schärfe und dem oft Politisches Kabarett FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 von ihm zitierten „Zorn“ Papst Gregors I. auf aktuelle Ereignisse und ihre medialen Verzerrungen blickt, geht es ihm darum, sein widerständiges Potenzial hervorzukitzeln. Matthias Deutschmann dagegen umkreist dieses Wir lieber in immer neuen sprachlichen und inhaltlichen Wendungen, nicht zuletzt um es in Schach zu halten – mit gutem Grund. Denn wer sich Gedanken über das Zusammenleben in der offenen Gesellschaft macht, darf nicht aus dem Blick verlieren, dass jedes Wir ein Ihr hervorbringt, jede Mehrheitsgesellschaft ihre Minderheiten, jede Mitte ihre Peripherie. Zusammen genommen bildeten diese beiden Haltungen einen idealen Boden für eine satirische Tour de Force durch die Bedeutungshöfe aktueller Politik, in der kein Platz für warme Worte blieb. Georg Schramm, der zum Auftakt in seiner Rolle als Oberstleutnant Sanftleben die „herausragende Bedeutung der Flüchtlingshilfe für die Stimmung an der Heimatfront“ beschwor, rechnete später die Überlebenschancen libyscher Bootsflüchtlinge gegen ihr Risiko auf, im eigenen Land Opfer der Auswirkungen des „Krieges zwischen Arm und Reich“ zu werden, den der US-amerikanische Finanzspekulant Warren Buffett – selbst einer der reichsten Männer der Welt – vor einiger Zeit als Hauptkonflikt der Gegenwart identifizierte. Für Schramm hat dieser Krieg viele Gesichter: Von der Griechenlandkrise über TTIP bis zum Klimawandel. Dass er längst auch bei uns zur Entsolidarisierung mit den Ärmsten und zur massiven sozialen Segregation führt, zeigt sich nicht zuletzt an der Stigmatisierung von Wirtschaftsflüchtlingen und der Fiktion sicherer Herkunftsländer. Matthias Deutschmann entwickelte seine Pointen dagegen nicht entlang der großen, analytischen Erzählung der Weltwirtschaftspolitik, sondern aus einem Puzzle von Beobachtungen aus der jüngeren deutschen Geschichte heraus. In seinem furios durch die Untiefen medialer Sprach- und Identitätskonstruktionen mäandernden Vortrag schlug er am Ende den Bogen zwischen den Slogans „Wir sind sind das Volk!“ und „Wir schaffen das!“ Man kann das perfide nennen – oder extrem hellsichtig. Denn die Fragen, die sich daran anschließen, zielen im Kern auf das Selbstverständnis der Gesellschaft: Wovon sprechen wir, wenn wir „Wir“ sagen? Wird es größer, je mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen? Gehören auch sie dann zu diesem Wir, das nur durch die Integration aller denkbar ist? So unterschiedlich die Perspektiven waren, aus denen Schramm und Deutschmann hier die aktuelle Flüchtlingspolitik und die Gründe für Flucht und Migration unter die Lupe nahmen, so ideal ergänzten sich die beiden an diesem Abend. Gemessen an der kalkulierten Ausgewogenheit vieler Flüchtlingsdebatten in den Medien, könnte man fast versucht sein, ihre Positionen radikal zu nennen. Aber stimmt das eigentlich? Ist es wirklich radikal zu wollen, dass die Reichtümer dieser Welt gerecht verteilt werden, und sich dafür einzusetzen, dass jeder Mensch ein Leben in Würde führen kann? Ist es radikal, die eigene Rolle bei der Entwicklung von Krisen zu hinterfragen, die den Menschen eben dieses Leben verunmögllichen? Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil: Es ist eine Selbstverständlichkeit. Genau das zu zeigen – „mit klarem Kopf und heißem Herz“, wie Georg Schramm sagt – macht die Wirksamkeit des politischen Kabaretts aus, das ungeachtet der Empfindlichkeiten seines Publikums nicht müde wird, die Voraussetzungen und Regeln des Zusammenlebens immer wieder neu zu diskutieren und das gerade in seiner Unversöhnlichkeit einen pointierten Beitrag zur kulturellen und politischen Debatte über die Zukunft der offenen Gesellschaft leistet. Dietrich Roeschmann ist freier Journalist und lebt in Freiburg 9 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016FABRIK-Flüchtlingshilfe FABRIK-Flüchtlingshilfe Ein Überblick der aktuellen Aktivitäten von Jeanette Bihlmaier Im letzten Rundbrief berichteten wir ausführlich über das Engagement der FABRIK für Flüchtlinge und die Patenschaft für das Flüchtlingsheim St. Christoph. Mittlerweile hat sich einiges getan. Seit letzten November koordiniere ich im Hausbüro die Flüchtlingshilfe in jungen Menschen (meist Studierenden), die Patenschaften für geflüchtete Kinder/ Jugendliche vermitteln sowie die Initiative von „zusammen essen, denken & leben“. Auch ein paar Einzelne sind dabei, die auf die Flüchtlingshilfe in der FABRIK aufmerksam wurden und sich ehrenamtlich schenkte Fahrräder mit professioneller Unterstützung für den Eigengebrauch instandsetzen. Die reparaturbedürftigen Fahrräder wurden auf unterschiedlichen Wegen gespendet. Den größten Erfolg hatte eine Plakat-Aktion auf dem Samstags-Markt der FABRIK. Nach dem Motto der FABRIK. Von meinem Arbeitsplatz aus spinne ich die Fäden zwischen der FABRIK und anderen Flüchtlingshelfenden. Das sind zum einen die Betriebe und Mitglieder der FABRIK und die Sozialarbeiter und Flüchtlinge aus St. Christoph. Zum anderen gibt es einen „Freundeskreis Asyl“ von St. Christoph, die vom Droste-Hülshoff-Gymnasium gegründete DIFF (Droste Initiative für Flüchtlinge) aus engagierten Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen, die Initiative „Schlüsselmensch e.V“, ein Zusammenschluss aus engagieren wollen. Gemeinsam wurden bis heute einige Projekte erfolgreich umgesetzt – manche sind bereits abgeschlossen, manche laufen noch aktuell – und weitere befinden sich in der Planungs- bzw. Umsetzungsphase. Das erste Projekt initiierte die Fahrradwerkstatt mit: „Fahrräder selbst reparieren unter fachkundiger Anleitung“. Es ist wegen der andauernden Nachfrage ein Dauerbrenner geworden. Jeden Mittwochvormittag steht die Fahrradwerkstatt der FABRIK Flüchtlingen offen, die ge- „Ein Fahrrad ist kein Fahrrad, wenn niemand damit fährt“ wurde auf den Bedarf an Fahrrädern aufmerksam gemacht. Auf demselben Weg konnten ebenso alte Stühle akquiriert werden, die unter der Anleitung von BAGAGE für das neue Begegnungscafé hergerichtet und künstlerisch gestaltet wurden. Seit einigen Wochen können Flüchtlinge übrig gebliebenes Obst, Gemüse und Backwaren vom Samstags-Markt auf dem FABRIK-Gelände kostenlos abholen und an BewohnerInnen des Flüchtlingsheims 10 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 FABRIK-Flüchtlingshilfe verteilen. Obwohl das ein oder andere „deutsche Wintergemüse“ anfänglich auf Skepsis stieß, werden die Lebensmittelspenden mit Dankbarkeit angenommen. Im März wurde endlich das lang geplante und lang ersehnte „Begegnungscafé“ in St. Christoph eröffnet. Ungezwungen und in angenehmer Atmosphäre können Freiburger und Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft zusammen kommen, es gibt Kaffee, Tee und Kuchen, dabei entstehen angeregte Gespräche und Freundschaften. Das Café ist jeden zweiten Freitag ab 15 Uhr geöffnet. Jede/r ist herzlich willkommen. Bei der Eröffnungsfeier des Begegnungscafés wurde ein weiteres Projekt umgesetzt. Die Schreiner aus der Freien Holzwerkstatt in der FABRIK bauten gemeinsam mit den Kindern aus St. Christoph verschiedene Holzspielsachen. Als Vorlage dienten bewährte Spielgeräte des Eine weitere gute Gelegenheit zum Kennenlernen bot auch die Aktion der Initiative „zusammen essen, denken & leben“ Anfang Juni in der FABRIK. Etwa 40 bis 50 Menschen waren beim Schnippeln, Kochen und Essen dabei und gemeinsam schauten alle das EM-Fußballspiel Deutschland-Ukraine. In Planung sind momentan ein „Kinder-Töpfer-Projekt“ der Keramikwerkstatt sowie das schon weit fortgeschrittene Gartenprojekt „Begegnungsoase“. Auf St. Christoph soll ein Garten entstehen, der BewohnerInnen von St. Christoph nicht nur den Anbau von Kräutern, Obst und Gemüse in Hochbeeten ermöglicht, sondern auch als „Gemeinschaftsraum im Grünen“ dienen soll. Das einzige Projekt, welches nicht in direktem Zusammenhang mit St. Christoph steht, ist der Spielplatzbau für das Flüchtlingsheim in Hochdorf durch BA- Spielmobils Freiburg, welches ebenso vor Ort war und während der Aktion zusätzlich für Spaß und Unterhaltung sorgte. Auch ein Highlight an diesem Tag war sicherlich die Fotoaktion von BAGAGE. Fotografiert wurden die BewohnerInnen von St. Christoph, die Besucher und verschiedene Gruppen, die sich an diesem besonderen Tag gefunden hatten. Die entstandenen Fotos wurden bei den folgenden Café-Nachmittagen in große Bilderrahmen geklebt und erinnern im Café-Raum nun dauerhaft an die schöne Eröffnungsfeier. GAGE. Holz-Sitzhocker als Teilelemente des geplanten Spielplatzes wurden bereits im Juni durch Ehrenamtliche aus Hochdorf und Mitarbeiter von BAGAGE vorbereitet. Dabei wurden 130 Baumscheiben aus Robinienholz gesägt und geschliffen. Die eigentliche Aktion „Platz nehmen“ findet am 5. August in Hochdorf statt. Wo viele Menschen aufeinandertreffen, gibt es auch Probleme – unterschiedliche Kulturen und Ethnien begegnen sich. Immer wieder hapert es an der mangelnden Kommunikation und Organisation sowie Bei der Eröffnung des „Begegnungscafés“ konnten die Kinder Spielgeräte ausprobieren und nachbauen, und wer wollte, konnte sich fotografisch an der Wand verewigen lassen. BAGAGE sorgt nicht nur für Mal- und andere Mitmachaktionen auf St. Christoph, sondern bereitet auch, wie hier mit der Produktion von Sitzhockern, die Spielplatzgestaltung im Flüchtlingsheim Hochdorf vor. Die Mädchen-Tanzgruppe war nur eine von zahl reichenden Attraktionen beim Sommerfest. 11 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016FABRIK-Flüchtlingshilfe an nicht eingehaltenen Absprachen und Zeitvorgaben. Deshalb kamen auch zwei Projekte, die „Bewegungsgruppe für Frauen“ sowie das „Hallenfußball-Projekt“, letztendlich nicht zustande. Ein Höhepunkt in der Flüchtlingsarbeit war sicherlich das Sommerfest am 9. Juli, anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von St. Christoph. Dabei stand die FABRIK mit Rat und Tat zur Seite. So wurden unter anderem die Getränke und Bierbänke, der Saftladen und eine Bühne für die „Show-Acts“ von der FABRIK organisiert. Die Motorädler sorgten – wie sonst auch bei FABRIK-Festen üblich – für den Grillstand, während andere FabriklerInnen an den verschiedenen Essens- und Getränkeständen tätig waren. BAGAGE lud mit ihrer bereits erwähnten Aktion ein weiteres Mal zur kreativen Gestaltung von Stühlen für den Café-Raum ein, es gab eine Zirkus-Jonglage zum Mitmachen und das Spielmobil beglückte wieder die Kinder. Die Bewohnerinnen und Bewohner von St. Christoph selbst boten den Festgästen nicht nur leckere arabische Spezialitäten, sondern sorgten auch für ein buntes Programm: eine Mädchengruppe führte Tänze vor, Rapper traten auf, eine syrische Band und Terricafò, eine afrikanische Trommelgruppe, spielten, eine Bauchtänzerin begeisterte und DJs begleiteten durch den Abend. Diese Attraktionen und die vielen Menschen verwandelten St. Christoph in einen bunten Festplatz – bis in die späten Abendstunden wurde geredet, gelacht und getanzt. ➔ ➔ ➔ ➔ ➔ ➔ Gemeinsame Arbeit und gemeinsames Vergnügen — die verschiedenen Helferkreise und die BewohnerInnen fanden beim Sommerfest auf St. Christoph bestens zusammen. Die Flüchtlingsarbeit ist ein stetiger Lernprozess – sowohl auf der Seite der Ehrenamtlichen, als auch auf der Flüchtlingsseite. Man muss lernen, sich aufeinander einzustellen und die Eigenheiten des Gegenübers zu akzeptieren. Aber wie sagte Marion Klötzer im letzten Rundbrief so schön: „Große Aufgaben brauchen viele Menschen, die Ideen haben und anpacken … Hier wird angepackt!“ 12 Koordinationsstelle der FABRIK-Flüchtlingshilfe ¬ Leonora „Leo“ Lorena Tel. 0761/ 50365-53 Bürozeiten: Mo+Do 13-16 h [email protected] Begegnungscafé auf St. Christoph Hermann-Mitsch-Straße 13 vierzehntägig freitags 15-18 h 15.07. / 29.07. / ... [email protected] Fahrräder für St. Christoph Die Fahrradwerkstatt repariert zusammen mit Flüchtlingen gespendete Fahrräder ¬ Ally Dolle [email protected] BAGAGE organisiert verschiedene kreative Mitmach-Aktionen auf St. Christoph BAGAGE plant und baut den Spielplatz im Flüchtlingsheim Hochdorf, Leinenweberstraße 1a dort: Aktionstag am 5. Aug. 10-17 h ¬ Dagmar Schulz-Stadelmann [email protected] Begegnungsoase Gardening-Projekt im Außen bereich von St. Christoph ¬ Jenny Lay-Kumar jennys-gartenblog.de Kochen, Essen, Treffen ... Gemeinsames Kochen und Essen in der FABRIK, auch in Zusammen arbeit mit der Initiative „zusammen essen, denken und leben“ ¬ Leo Lorena zusammenessen.de [email protected] FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 ArTik Wieviel Jugend braucht die Stadt? Anja Bochtler hat im Vorderhaus eine Podiumsdiskussion über die Zukunft des ArTiks verfolgt W ie geht es weiter mit dem Jugendkulturzentrum ArTik? Eigentlich sollte der Gemeinderat am 21. Juni über dessen Zukunft entscheiden. Dann aber vertagte der Oberbürgermeister Dieter Salomon das Thema auf Ende Juli, wenn die Finanzlöcher im städtischen Haushalt auf der Tagesordnung stehen. Bei einer Podiumsdiskussion im „Vorderhaus“ Mitte Juni wurden die Fronten deutlich: Die meisten Fraktionen können sich das ArTik im ehemaligen ADAC-Gebäude am Karlsplatz vorstellen, nicht aber die Grünen und die CDU. Besonders oft rechtfertigen muss sich während der Diskussion Anke Dallmann, Stadträtin der Freien Wähler. Und das, obwohl sie immer wieder betont: „Wir sind fürs ArTik. Da tummelt sich ein wahnsinnig engagierter Haufen“. Trotzdem hatten die Freien Wähler überraschend vorgeschlagen, erst in der zweiten Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause zu entscheiden. Und so lange noch zu prüfen, ob es günstigere Möglichkeiten gibt als die seit langem im Raum stehende Karlsplatz-Variante, bei der die Mindestkosten für den nötigen Umbau auf mehr als 700.000 Euro geschätzt werden. Anfangs war die Stadtverwaltung von 400.000 Euro ausgegangen. Die höhere Summe sei für eine Zwischenlösung zu teuer, argumentieren CDU und Grüne. Sie sind für einen Neubau und hatten als Standort ein Gelände des Bauunternehmers Peter Unmüßig hinter der Blauen Brücke vorgeschlagen, als dieser noch gar nichts davon wusste. Ein Neubau sei „kostenmäßig sinnvoll“, weil das ehemalige ADAC-Gebäude höchstens noch fünf bis zehn Jahre genutzt werden könne, argumentiert Theodor Lammich von der Jungen Union, der Vertreter der CDU. Der Karlsplatz solle überplant und das ADACGebäude bis dahin günstiger als fürs ArTik genutzt werden, bestärkt ihn Thilo Buchholz, Ex-Stadtrat und Vertreter der Grünen. Er appelliert an die ArTik-Leute: „Öffnet euch, denkt mal drüber nach!“ Das kommt schlecht an: „Wir hätten mit solchen Visionen gern vor Jahren begonnen“, entgegnet Moritz Schulz vom ArTik. Denn seit etlichen Jahren sei klar, dass das ArTik nicht unterm Siegesdenkmal bleiben konnte. Doch erst knapp vor der Abstimmung seien plötzlich Alternativen zur Karlsplatz-Variante aufgetaucht, die bis dahin nie zur Diskussion gestanden hätten: „Das erstaunt.“ Für die SPD-Stadträtin Julia Söhne ist klar: „Das ist Hinhaltetaktik.“ Wenn es jetzt eine Pause gebe, sei das ArTik-Projekt kaputt, weil es keine Pause überbrücken könne. Thilo Buchholz wehrt sich: „Alle wollen das ArTik. Es gibt keine Hinhaltetaktik.“ Was soll überhaupt aus dem ArTik werden? ArTik-Vertreter Konstantin Rethmann beschreibt die Pläne: „Uns geht’s um Weiterentwicklung.“ Im ArTik solle eine Anlauf- und Begegnungsstelle entstehen, mit Ateliers, Tonstudios, Projekträumen und anderen kreativen Möglichkeiten. Und mit neuen Kooperationspartnern wie dem E-Werk und dem Vorderhaus. Ein Ort für Ideen, der aber keinen perfekten Neubau brauche. Eine solche Insel sei am Karlsplatz dringend nötig, sagt Irene Vogel, Stadträtin und Vertreterin der Unabhängigen Listen: Dort drohe eine „Shoppingkaserne“, wenn die Stadtverwaltung bald ausziehe. Dann sei die gesamte Innenstadt kommerzialisiert, überall fehlten kreative Freiräume ohne Konsumzwänge. Ähnlich sieht das Sergio Schmidt, Stadtrat und Vertreter der Fraktionsgemeinschaft von Jungem Freiburg, der Partei und der Grünen Alternative (JPG), der eine zunehmende Gentrifizierung kritisiert: „Ich glaube, es gibt eine Vorstellung, wie die Innenstadt aussehen soll, und danach wird gestaltet. Aber das geschieht nicht für uns, nicht für alle Menschen in Freiburg!“ Anja Bochtler ist freie Journalistin und lebt in Freiburg. 13 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Fluchtgrund Klimawandel F ast täglich liest man heute über eine Art biblische Plage mit dem Namen Klimakatastrophe. Selbst Wikipedia kennt das Wort und definiert es als die Folge von unkontrollierter globaler Erwärmung. Die Klimakatastrophe, sie ist Schuld an Dürren, dem Vorwandern der Wüsten, an Überschwemmungen, Starkregenfällen, Stürmen, dem Schmelzen des Polareises. Sie ist, diesen Eindruck gewinnt man, ein Ding, auf das wir keinen Einfluss haben. Nennen wir das Kind doch beim korrekten Namen. Der muss lauten: wir erleben gerade eine Menschenkatastrophe. Mit zweierlei Bedeutung: 1. eine von Menschen gemachte Katastrophe, 2. eine Katastrophe für die Menschen (und die Tiere). Denn hier gilt: Was die einen verursacht haben, müssen die anderen ausbaden. Nun gehört es normalerweise zum guten Benehmen, dass man auslöffelt, was man eingebrockt hat und sein Handeln korrigiert. Nicht so, wenn es um den Klimawandel geht. Weiterhin und irgendwie seltsam unbeeindruckt von allen Fakten und Warnungen sorgen wir dafür, dass die globale Erwärmung fortschreitet und in Folge unsere Mitmenschen, deren Kinder und Kindeskinder ihre Existenz verlieren, ganze Völker ihre Heimat, Wurzeln und Traditionen aufgeben müssen. Wir nämlich können es uns leisten, unbeeindruckt zu sein. Wir, die westlichen Länder als Verursacher der Klimakatavon Andrea Jeska strophe, haben die finanziellen Mittel und das Know-how, die technischen Möglichkeiten und die Experten, uns vor dem, was durch den Klimawandel auf uns zukommt, zu schützen. Sicherlich, auch bei uns werden Ufer überschwemmt, es schmelzen Gletscher, mancherorts wird das Trinkwasser weniger, Stürme machen Europa zu schaffen. Während wir reden, geht die Welt unter Ein Kommentar Andrea Jeska ist Journalistin und schreibt seit Jahren über die Folgen des Klimawandels. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fluchtgrund Klimawandel“ hält sie am 7. Dezember im Vorderhaus einen Vortrag unter dem Titel „Rette sich, wer kann!“. Aber wir werden all das überleben – ohne Hungersnot, Vertreibung, Flucht. Wir werden mit unserem Geld Dämme bauen gegen das Meer und Entwässerungssysteme gegen Starkregen, wir werden wissen, wie man genügend anbaut, auch wenn der Boden austrocknet und wenn das alles nichts hilft, dann wandern wir auf den Mars aus. Wir, wohlgemerkt. Nicht jene, die bis dahin gar nichts mehr haben, als Klimaflüchtlinge in Lagern leben oder verzweifelt an die geschlossenen Pforten von Europa klopfen. Nicht jene, deren Inseln untergehen, deren Böden austrocknen, versalzen. Wir, die wir unseren Lebensstandard durch jene Industrien geschaffen haben, die die Natur zerstörten und das Klima ausser Rand und Band brachten, leisten es uns weiterhin, nicht zu handeln, sondern endlos darüber zu diskutieren, wie wir handeln können, ohne Einbussen für unsere Wirtschaft, unsere Bequemlichkeit, unseren Luxus. Und noch während wir reden, wird ein Teil der Welt untergehen, wird das Klima ein Fluchtgrund für womöglich Abermillionen sein. Sind wir für diese gerüstet? Klar. Wir haben doch just gelernt, wie man unüberwindliche Zäune baut. Quelle: http://webspecial.derbund.ch/longform/klimaflucht/fluechtlingsstatus 14 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Fluchtgrund Klimawandel Flucht vor den Folgen des Wachstums „Fluchtgrund Klimawandel“: Der FuSS e.V., die FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. und die Katholische Akademie Freiburg laden zur gemeinsamen Veranstaltungsreihe Man muss in einem heißen Sommer oder dem über die Ufer springenden Bach, der als reißender Strom kürzlich das idyllische Braunsbach in Baden-Württemberg verwüstete, nicht gleich die Vorzeichen des Weltuntergangs sehen, um zu erkennen, dass der Klimawandel längst auch bei uns spürbare Folgen zeitigt. Was wir dabei gerne verdrängen, ist, dass wir selbst es sind, die durch globalen Handel, die Verbrennung fossiler Ressourcen, durch Verkehr, Industrie und Landwirtschaft die schleichende Erderwärmung mit begünstigen, die derart extreme Wetterereignisse mit bewirkt. Fakt ist: Regionales Handeln kann globale Folgen haben. Und auch dies ist klar: Es gibt eine Beziehung zwischen unserem Lebensstil und den Folgen, die Millionen von Menschen in anderen Teilen dieser Welt die Existenzgrundlage entziehen. Nach Schätzungen der UNO sind gegenwärtig rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Terror, Krieg und Vertreibung – und immer öfter auch vor Dürren oder Überschwemmungen. Wenn in der gegenwärtigen Diskussion über die Beseitigung von Fluchtursachen gesprochen wird, müssen wir auch darüber reden, was wir selbst durch unser längst als selbstverständlich empfundenes Streben nach einem besseren, komfortableren zu diesen Ursachen beitragen. Um diese Zusammenhänge in den Blick zu nehmen, laden der Förderverein für umweltfreundliche Stromverteilung und Energieerzeugung Schönau, kurz: FuSS e.V., die FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. und die Katholische Akademie Freiburg in den kommenden Monaten gemeinsam zu der Veranstaltungsreihe „Fluchtgrund Klimawandel“ ein. In Vorträgen, Filmen, Theater und Gesprächen will die Reihe unterschiedliche Aspekte des Zusammenhangs von Ökologie und Migration zur Diskussion stellen und den Blick für die vielfältigen, oft katastrophalen Konsequenzen des ungebremsten, globalen Wachstums für die Umwelt, Gesellschaft und die Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern schärfen. ➔ Veranstaltungsprogramm: nächste Seite 15 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Fluchtgrund Klimawandel FLUCHTGRUND KLIMAWANDEL - Programm 16.9.2016, 19.00 Uhr Vortrag Prof. Dr. Walter Kälin (Universität Bern) Katholische Akademie Freiburg, Wintererstr. 1 Prof. Dr. Walter Kälin, emeritierter Ordinarius für Staats- und Völkerrecht an der Universität Bern, wird in seinem Vortrag auf die Tatsache eingehen, dass das g eltende Recht Menschen, die wegen Katastrophen und schleichenden Umweltveränderungen fliehen, nicht als Flüchtlinge anerkennt. Kälin stellt die Frage, ob sie trotzdem Schutz verdienen – und wie dieser gewährt werden kann. 9.10.2016, 19.00 Uhr Vortrag Alexander Carius (adelphi BERLIN) Katholische Akademie Freiburg Wintererstr. 1 Die Flüchtlingssituation seit Herbst 2015 gab einen Vorgeschmack auf die Phänomene wachsender globaler Mobilität in Entwicklungs- und Schwellenländern und die damit verbundenen globalen Herausforderungen. Die Folgen des Klimawandels werden Flucht und Migrationsbewegungen innerhalb und zwischen Staaten verstärken. Alexander Carius, umwelt- und entwicklungspolitischer Berater zahlreicher Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, wird in seinem Vortrag auf die drängenden Fragen eingehen, die sich aus dem Zusammenhang von Klimawandel und Flucht ergeben. Wohin flüchten diese Menschen? Wer gewährt ihnen Schutz? Und was unterscheidet Flucht von Migration? 3.11.2016, 19.30 Uhr 6.11.2016, 17.30 Uhr Film Thule Tuvalu (CH 2014) Dokumentarfilm von Matthias von Gunten Kommunales Kino Freiburg, Urachstr. 40 Thule liegt im Norden Grönlands, der größten Insel der Welt. Der Inselstaat Tuvalu dagegen ist einer der kleinsten Staaten der Welt und liegt im Pazifischen Ozean – am anderen Ende der Welt. Doch trotz dieser Gegensätze und der riesigen Entfernung sind die beiden Orte durch ein gemeinsames Schicksal eng miteinander verbunden: Während in Thule das Eis immer mehr zurückgeht und zu Meerwasser wird, steigt in Tuvalu der Meeresspiegel immer weiter an. Der Film des Schweizer Dokumentarfilmers Matthias von Gunten handelt von den Menschen in Thule und Tuvalu, deren Leben sich für immer verändert. 11. bis 13.11.2016 Filme 3. Greenmotions Filmfestival Kommunales Kino Freiburg, Urachstr. 40 Das Greenmotions Filmfestival versteht sich als cineastische Plattform für eine lebenswerte und gerechte Welt. 2014 aus dem Master Renewable Energy Management an der Universität Freiburg heraus entstanden, geht es jetzt in sein drittes Jahr. Im Fokus des Programms stehen Dokumentarfilme, die sich mit Fragen der Nachhaltigkeit beschäftigen und Anregungen zum Umdenken und Handeln geben wollen. Einen Schwerpunkt bildet in diesem Jahr der Zusammenhang von Klimawandel und Migration. Festivalprogramm unter www.greenmotions-filmfestival.de 16 17.11.2016, 19.30 Uhr 20.11.2016, 17.30 Uhr Film Roadside Radiation (D 2016) Dokumentarfilm von Elisabeth Fast, Moritz Schulz und Michael Sladek Kommunales Kino Freiburg, Urachstr. 40 Vor 30 Jahren explodierte der Reaktor IV des Kernkraftwerks Tschernobyl. Über Nacht verloren die Menschen damals ihre Heimat, die evakuierte Zone um den Ort der Katastrophe wurde zum Symbol für Niedergang und Zerstörung. Doch die Zone ist nicht verlassen: Täglich hasten Arbeiter hinein, Jugendliche streifen durch die surreale Landschaft und einstige Bewohner sind in ihre alten Häuser zurückgekehrt. Elisabeth Fast, Moritz Schulz und Michael Sladek haben diese in Tschernobyl besucht. Ihr Dokumentarfilm zeichnet das Porträt der Menschen, die sich ihren Ort wieder zu eigen machen und die trotz der Gefahren sagen: Wir sind hier zuhause. 20.11.2016, 11.00 Uhr Theater Besetzt! für Kinder ab 5 Jahren Vorderhaus, Habsburgerstr. 9, Freiburg Jetzt reicht es wirklich! Die Tiere wollen nicht länger unter den Folgen des Klimawandels leiden. Und so besetzen die listige Siebenschläferdame Selma und ihr Eisbärkumpel Elvis kurzerhand ein Kraftwerk, kappen das Stromnetz und legen damit die gesamte Stadt lahm ... Fantasievoll inszeniert und mit rasanten Rollenwechseln bietet dieses Theaterstück einem jungem Publikum jede Menge Denkfutter zum Thema Strom, Umweltschutz und den Folgen des eigenen Handelns. 7.12.2016, 20.00 Uhr Vortrag Andrea Jeska: Rette sich, wer kann! Vorderhaus, Habsburgerstr. 9, Freiburg Die Lübecker Journalistin Andrea Jeska hat sich im Auftrag des Zürcher „TagesAnzeigers” auf Spurensuche in Regionen begeben, in denen der Klimawandel schon heute gesellschaftliche Erosionen und dramatische Veränderungen der Lebensbedingungen nach sich zieht. In ihrem Vortrag wird sie von ihren Recherchen berichten, die sie u.a. nach Thailand, Kenia und Äthiopien führten, aber auch nach Rotterdam, das vom Ansteigen des Meeresspiegels ebenso bedroht ist wie Lagos oder Bangkok. Jeska schreibt u.a. für Die Zeit, FAZ, FR und GEO, für ihre Reportagen wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Goldenen Columbus, dem Medienpreis für Ethik, Hansel-Mieth-Preis, Theodor-Wolff-Preis und dem Zürcher Journalistenpreis. 11.12.2016 Vortrag (19.00 Uhr) Essen (20.00 Uhr) Gespräche Our Food Future: Ein Ausblick auf unser Essen in 100 Jahren Vorderhaus, Saal und Gaststätte, Habsburgerstr. 9, Freiburg Die Liebe geht durch den Magen. Das war schon immer so. Doch der Klimawandel leider auch. Durch ihn dürften sich die Bedingungen der Nahrungsmittelproduktion künftig grundlegend verändern Was also werden wir im Jahr 2116 auf unseren Tellern haben? Um diese Frage zu beantworten, schaut das AgriKulturTeam Freiburg schon heute mit kritischem Blick in die Töpfe und serviert zum Vortrag über die Folgen des Klimawandels für die Welternährung ein aus schlüssigen Prognosen abgeleitetes Menü der Zukunft. FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 friga Seit Ende 2014 kommen immer mehr Menschen aller, wirklich aller Berufsgruppen und beinahe aller Karrierestufen in die Beratung zur friga. Was sie eint, ist ihr Alter: 58 bis 64 Jahre, was sie umtreibt, ist die Angst vor dem Rentenalter, bzw. das Erschrecken über ihre zu erwartende Rentenhöhe. Zur Zeit erreicht ein Bürger nach 35 bis 40 Arbeitsjahren eine Rente von ca. 870 bis 1.030 Euro. Der Traum ist aus Reichtumspyramide in Deutschland im Jahr 2015, Quelle: Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. Torsten Glaser von der friga-sozialberatung über die Illusion eines ausreichenden Alterseinkommens So kann es sein, wenn langgehegte Wünsche in Erfüllung gehen. Seit Gaius über Levitikus, Karl Marx bis Silvio Gesell gibt es den Traum von einer Welt ohne Zinsen. Nun ist der Zins beinahe aus der Welt und viele fühlen sich wie in einem Alptraum. Millionen von Deutschen droht die Altersarmut, die Klein- und Mittelschichtsparer fürchten um ihr Vermögen, die Riesterrente/Lebensversicherung rechnet sich nicht mehr (welch Überraschung!). Die Bundesregierung ist verärgert über den angeblichen Verursacher dieser Geldschwemme: Mario Draghi, den Präsidenten der EZB. Er wolle nur die soliden deutschen Sparer enteignen und es den Südeuropäern zuschustern. Wenn es nur so einfach wäre. Der Zinsschwund ist kein deutsches, sondern ein globales Phänomen. Selbst in der soliden Schweiz nähert sich der Anlagezins der Null an. Dies ist immer dann so, wenn ein hohes Angebot auf eine niedrige Nachfrage trifft, dann sinkt der Preis - hier der des Kapitals - also der Zins. Warum das so ist, kann zurzeit im Detail nicht geklärt werden. Vielleicht hängt es mit der Vermögenskonzentration zusammen, mit den Nachwirkungen der Finanz – und Börsenkrisen. Oder auch, dass wegen Wolfgang Schäuble mehr gespart wird, und dass dadurch der Zins, aber auch die Inflation als niedrig gefühlt werden, außer mann/frau gehört zu den unteren 24% der Einkommensbezieher. Es ist die schmerzliche Erkenntnis, einer großen Illusion erlegen zu sein. Dem demographischen Altern und dem Lebensstandard sollte mit Hilfe der Finanzwirtschaft ein Schnippchen geschlagen werden. Was an staatlichen Leistungen fehlt, sollte mit Zins und Zinseszins ausgeglichen werden. Hier frisst nun die neoliberale Entwicklung ihre Kinder. Die Privatisierung der Altersvorsorge hat zur Enthemmung der Finanzmärkte beigetragen. Diese produziert einen Überschuss an „digitalem“ Kapital, welches von der normalen Wirtschaft nicht mehr absorbiert werden kann und somit die (Zins–) Erträge schmälert. Die Rente mit 63 wird solange fehlerhaft mit großen Abschlägen behaftet sein, solange für Härtefälle kein ausreichendes Grundeinkommen bereit steht. Das Geld dafür ist da, weil das Zinstief auch eine positive Seite aufweist. Der Staat muss weniger für Zinszahlungen aufwenden, er hat größere Spielräume und in Deutschland lässt sich auch nach dem BREXIT noch in Aktien- und Immobilienmärkten Geld verdienen. Das nützt denen wenig, die kein Ansparkapital besitzen (Ältere, Alleinerziehende, Großfamilien und Personen mit körperlichen oder anderen Einschränkungen). Doch die Besserverdienenden generieren zurzeit ein überproportionales Vermögen, das der Staat zur Finanzierung seiner Auslagen heranziehen könnte. Hier eine kleine, feine, aber subjektive Auswahl an Möglichkeiten, denn es reicht eben nicht, die Champagner- und Kaviarsteuer drastisch zu erhöhen und dies dann als Belastung für Vermögende darzustellen: man kann und muss die Einkünfte aus Kapitalvermögen und Beteiligungen, auch die im Ausland, mit dem persönlichen Steuersatz besteuern, die Vermögensteuer wieder einführen, die Erbschaftsfreibeträge für Immobilien und Betriebevermögen absenken, die Flucht aus dem solidarischen Rentensystem verhindern und den Spitzensteuersatz erhöhen. 17 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 hier & jetzt hier & jetzt am Turmcafé Das neu eröffnete Restaurant in der Zähringerstraße ist ein Kind der Vorderhaus-Gaststätte Seit vielen Jahren sind wir von der FABRIK mit unserer Vorderhaus-Gaststätte rundum glücklich und zufrieden. Nicht nur, weil uns das gute und abwechslungsreiche Essen schmeckt, sondern auch, weil wir die Atmosphäre genießen und hier gerne zusammenkommen. Ein vielfältiger, spannender Mittagstisch und eine außer gewöhnliche Abendkarte zeugen von der Lust der Köche am Zubereiten und Experimentieren, regionale Erzeugnisse haben Vorrang, die Spätzle und Pasta sind hausgemacht, und das alles zu günstigen Preisen. Die Inneneinrichtung spricht an und vereint Funktionalität und Wohnlichkeit, die großen, hohen Tische fördern Kommunikation und Familiarität. Die ausgesprochen gute Stimmung im Team um Geschäftsführer Christian Miess und Chefkoch Dirk Scherer vermittelt sich den Gästen und sorgt ebenfalls dafür, dass man hier gerne isst und genießt. Und es sind nicht nur FABRIKler, die hier essen, 18 auch viele aus der Nachbarschaft zählen zu den Stammkunden und machen das Vorderhaus auch zur Quartierskneipe. Kurz gesagt – die Vorderhaus-Gaststätte ist eine runde Sache. Darum wundert es auch nicht, dass aus diesem Team heraus drei Leute Neues wagen. Christian Miess, Andreas Hansen aus dem Service und Koch Felix Johner haben am 11. Juni 2016 das „hier & jetzt am Turmcafé“, Restaurant mit Biergarten, in Zähringen eröffnet. Bekannt war die Gaststätte zuletzt als „Kräuterküche“. Gut zu erreichen liegt das „hier & jetzt“ zwischen den Straßenbahnhaltestellen Hornusstraße und Tullastraße inmitten eines großen Wohnquartiers. Markenzeichen der Location ist das Türmchen, ein gläserner, 1951 als Tankstelle gebauter und heute denk- FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 hier & jetzt malgeschützter Pavillon, der nun als Ausstellungsraum, Lounge oder für Stehempfänge genutzt werden soll. Das Restaurant selbst mit seinen rund 80 Sitzplätzen zeigt sich hell und offen mit großen Fenstern, verglasten Eingangstüren und einem Durchblick vom Gastraum in die Küche. Die Einrichtung ist modern und rustikal zugleich: massive, individuell gefertigte Holztische harmonieren mit handverputzten Wänden. Ein besonderes Augenmerk wurde von Anfang an auf die Neugestaltung des großen Außenbereichs gelegt: Hier ist mit ebenfalls 80 Sitzplätzen ein luftiger Biergarten entstanden. Die innovative Gestaltung aus der Feder von BAGAGE ist geprägt von natürlichen Materialien, modernen Formen und einer reichen Pflanzenpracht: entlang der gesamten Gebäudeseite errichtete das Team von bagageArt eine große Holzdeck-Konstruktion auf mehreren Ebenen. Hier kann man sitzen, zusammen schwatzen und in der Abendsonne seine Getränke genießen. Dabei ist man umrahmt von Grün, denn das Holzdeck ist flankiert von einer grünen Wand: diese vertikale Grünfläche strahlt auf 10 m Länge und 4 m Höhe üppige waldige Atmosphäre aus. Eine große Glaswand schirmt gleichzeitig den Biergarten von der Straße ab, so dass man in dieser „Stadt-Oase“ entspannt und in Ruhe essen und trinken kann. Als Quartierstreff konzipiert richtet sich das „hier und jetzt“ mit seinem kulinarischen Angebot vornehmlich an die unmittelbare Nachbarschaft. Der Mittagstisch ist ähnlich abwechslungsreich und interessant wie im Vorderhaus, die Abendkarte verbindet in bewährter Form Experimentelles mit Traditionellem, wobei die Raffinesse nicht zu kurz kommt. Einen besonderen Schwerpunkt wird auf die hausgemachten Pasta gelegt, welche in verschiedensten Variationen auf der Speisekarte stehen. Als weitere Spezialität unbedingt zu erwähnen ist die große Auswahl an regionalen und überregionalen Biersorten. Als Gast im „hier & jetzt“ spürt man schnell die Freude des Teams am Kochen und am guten Service und hat damit die beste Voraussetzung für die Freude beim Genießen. Wir wünschen dem neuen Team des „hier & jetzt“ stets volle Tische und zufriedene Gäste. Gleichermaßen beeindruckend sind der denkmalgeschützte Pavillon und die riesige begrünte Wand. Felix Johner, Christian Miess und Andreas Hansen haben als Betreiber des „hier & jetzt am Turmcafé“ ausreichend Grund zum Strahlen. ➔ Zähringer Straße 44, 79104 Freiburg Öffnungszeiten: Montag - Freitag: 12:00 - 14:30 und ab 17:00 Uhr Samstag ab 17:00 Uhr Sonntag Ruhetag (vorläufig) 19 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Kunst kommt von Kennen S DI NEDRE RHFAABURIK VUOL TR UR K 2016 Ein Bildungs- und Kultur-Paket für Kindergärten und Grundschulen September n Oktober n November n Dezember Mittwoch 26.10. 2016 / 10 Uhr MAROTTE FIGURENTHEATER »Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat« nach dem bekannten Kinderbuch von Wolf Erlbruch ab 3 Jahren Mittwoch 16.11. 2016 / 10 Uhr BESETZT! Ein spannendes Theaterstück mit Musik eine Produktion des Vorderhaus – Kultur in der FABRIK ab 6 Jahren Dienstag 29.11. und Mittwoch 30.11. 2016 / jeweils 10 Uhr COMPANIA T »Engel Max – Vom Engel, der immer zu spät kam« nach der gleichnamigen Erzählung von Andrea Schwarz ab 4 Jahren Mittwoch 14.12. 2016 / 10 Uhr THEATER BUDENZAUBER »Ox und Esel« von Norbert Ebel ab 6 Jahren „Und jetzt nochmal!“ Steffi Bürger bietet im Rahmen von „Kunst kommt von Kennen“ die theaterpädagogische Vor- und Nachbereitung an. Marion Klötzer hat sie dabei beobachtet. W as ist denn Theater?“ fragt Steffi Bürger nach der Begrüßung an diesem Morgen ihr junges Publikum, bevor es überhaupt etwas auf der Bühne zu sehen gibt. - Hmmm, keine einfache Frage, ist es doch für viele der hier anwesenden Kindergartenkinder der erste Theaterbesuch. Wie da den Unterschied zu Film und Fernsehen beschreiben? „Das ist echt!“ tönt es energisch aus der ersten Reihe. „Kasperle“ kräht ein anderer dazwischen. „Nein, mit echten Menschen!“ korrigiert die Dritte. „Stimmt“, nimmt Bürger den Faden auf, „echte Menschen werden euch gleich eine Geschichte erzählen. Aber nicht vorlesen, sondern spielen. Deswegen haben sie Kostüme und schlüpfen in unterschiedliche Rollen. Und weil das jetzt und hier passiert, kriegen sie auch mit, was ihr macht – ob ihr lacht, Spaß habt oder euch laut mit eurem Nachbarn unterhaltet. Und wenn´s euch gefällt, spielen sie nochmal so gut ...“ ➔ „Kunst kommt von Kennen“ Eintritt pro Kind: 4 € Bildungs- und Kulturpaket: 10 € Kontakt: Ute Lingg Kulturbüro in der Fabrik [email protected] Tel. 0761/50365-47 20 „Kunst kommt von Kennen“, so das Motto des Kulturpakets, das Ute Lingg vom Kulturbüro geschnürt hat: Auf vielfache Anfragen gibt es seit Oktober letzten Jahres an zwei Vormittagen im Monat für Kindertageseinrichtungen und Grundschulen spezielle Vorstellungen mit theaterpädagogischer Vor- und Nachbereitung sowie zusätzlichen Begleitangeboten. „Kultur und Bildung Hand in Hand“ - so das Motto. Mit im Boot sind die Keramikwerkstatt der FABRIK, die Schule für Kampfkunst und Meditation „Der Friedliche Drache“ und die theaterpädagogische Ideenwerkstatt BAGAGE e.V. Genau auf das jeweilige Stück und seine Thematik zugeschnitten können Kinder hier ihre gemeinsamen Bühnenerlebnisse ganz Kunst kommt von Kennen FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 unterschiedlich verarbeiten: Über die Geschichte reden, den eigenen Fantasien in Ton eine Gestalt geben oder dem Gesehenen noch einmal in Bewegungen und Spielen nachspüren. komplexe Inszenierung, dagegen erwarteten die Kinder bei „Hörbe mit dem großen Hut“ vom Theater Fiesemadände eine 1:1 Buch-Adaption und wussten immer schon, was als nächstes passieren sollte. Die 1971 geborene Regisseurin Steffi Bürger ist für die theaterpädagogische Vor- und Nachbereitung zuständig. Eine spezielle Ausbildung hat die dreifache Mutter dafür nicht, aber jede Menge Profi-Erfahrungen: Nach Regieassistenzen an namhaften Stadt- und Staatstheatern Baden-Württembergs arbeitet sie seit 2002 als freie Regisseurin, gibt Theaterkurse für Kinder und gründete 2009 das Theater Budenzauber. Neun Stücke hat ihr Ensemble mittlerweile im Repertoire, gespielt wird in und um Freiburg direkt in Kindergärten und Grundschulen. Bürger ist davon überzeugt, dass gerade das Theater mit seiner Nähe und seiner Einmaligkeit einen wichtigen Kontrast zu den reproduzierbaren Beiträgen der elektronischen Unterhaltungsmedien bietet. „Je früher Kinder an Theater herangeführt werden, desto leichter können sie einen kreativen Umgang mit ihrem Alltag lernen, was gerade bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien nicht selbstverständlich ist. Theater schafft eine zweite Wirklichkeit, lässt Leichtigkeit erleben, kann aber auch ein Spiegel des eigenen Lebens sein und zum Nachdenken anregen. Kulturelle und ästhetische Bildung sollte deshalb fest im Lebenslauf aller Kinder verankert sein.“, so ihr Statement. Sinnvoll findet Steffi Bürger auch die Nachbereitung: „Es prägt die Kinder, direkt nach dem Stück gemeinsam über das Gesehene zu sprechen und dabei den Bezug zu ihren eigenen Erfahrungen herzustellen: das Stück wird intensiver erlebt und erinnert, Abstraktes wird greifbar.“ Besonders spannend ist es da, die Schauspieler noch einmal hautnah vor der Bühne zu sehen: „Ihr seid ja nur drei!“ wundern sich die Zuschauer des Märchenstücks „Dalila und die Wunderlampe“ vom Theater Budenzauber, haben sie doch während der Vorstellung viele kontrastreiche Charaktere und rasende Rollenwechsel erlebt. Ganz anders die Reaktionen nach dem Stück „Wo die Wilden Kerle wohnen“: So gefesselt waren die Kinder von den Figuren, dass sie am Ende Schauspieler und Puppenspieler Carsten Dittrich „Wer bist du denn?“ fragen, obwohl er die ganze Zeit auf der Bühne war. Ihre Arbeit bei „Kunst kommt von Kennen“ sieht sie durchweg positiv: „Theater ist nun mal was anderes als Kino. Es ist live, lebt von der Interaktion. Nach der Einführung herrscht im Zuschauerraum jedes Mal eine ganz andere Atmosphäre. Theaterregeln sind eine wichtige Sache, noch wichtiger ist, es den Kindern die Scheu zu nehmen und positive Erfahrungen zu ermöglichen“. Der Spagat zwischen einem Zuviel und Zuwenig an Vorab-Informationen ist nicht leicht: So erkannte die Kindergartengruppe die Bilder des Malers Paul Klee dank guter Vorbereitung im Stück „Klumpwisch“ vom Theater marotte sofort wieder und konnte tief einsteigen in diese Rund 60 % der Gruppen nehmen die theaterpädagogischen Nachbereitungen in Anspruch, der Rest muss zügig zurück in die Einrichtung oder die jüngeren Zuschauer haben schlichtweg kein Sitzfleisch mehr. „Das Schönste, was mir passiert ist, war als die Kinder am Ende der Nachbereitung sagten „Und jetzt nochmal!“, erzählt Bürger. - Kreativität fördern, Fantasie anregen, zum Nachmachen motivieren – all das kann ein Theaterbesuch bewirken. Kunst kommt eben von Kennen… Marion Klötzer ist freischaffende Journalistin und Autorin. Sie lebt in Freiburg. 21 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Besetzt! Neuland Eigenproduktion Von der Idee zur Premiere – ein Kinderstück entsteht „Besetzt!“, das erste vom Vorderhaus produzierte Kindertheaterstück zum Thema Energiesparen, hatte am 27. Februar 2016 Premiere. Den Inhalt und das Produktionsteam hatten wir schon im letzten Rundbrief vorgestellt, hier nun berichtet Jule Glimsche, die als Kulturpraktikantin die Regieassistenz übernehmen durfte, von ihren Erfahrungen bei der Erarbeitung des Stücks. Das multifunktionale Bühnenbild verwandelt sich im Nu in eine Küche, ein Kraftwerk, ein Labor oder hier in eine Gartenhütte. Während Siebenschläferdame Selma völlig fertig ist vom Kraftwerk besetzen, erklärt die Klimaforscherin Frau Sonnenstein Vater Florian den Klimawandel. 22 W as bedeutet es eigentlich genau, die Regieassistentin zu sein, was würde mich erwarten, welche Aufgaben und Herausforderungen würden auf mich zukommen? Wie im Film? Kaffee kochen, kopieren und Stullen schmieren? Wie ist das Team? Wie würden wir zusammen arbeiten? Wie würde sich der Prozess der Entstehung eines Kindertheaterstücks gestalten? Alles Fragen, auf die ich im Dezember 2015, als ich diesen Auftrag annahm, noch keine Antworten hatte. Doch nach dem ersten Treffen mit allen Beteiligten hatten sich einige meiner Bedenken bereits in Luft aufgelöst. Die Arbeit im Team würde funktionieren. Bei der ersten Leseprobe des Skripts wurde schnell deutlich, wo die Hauptprobleme des sprachlich ausgefeilten Texts liegen würden. Die unglaublich witzigen, aber auch langen und kniffligen Komposita bescherten den beiden Schauspielern mehr als einmal einen Knoten in der Zunge. Doch im Laufe des ersten Probenblocks wurden schnell Fortschritte erzielt und wir kamen zügig durch die verschiedenen Szenen. Bereits am Ende der ersten Woche hatten wir das Stück komplett durchgeprobt und konnten einen Durchlauf starten. Was mir am Job der Regieassistentin so gut gefallen hat war, dass man das Stück rundum begleiten kann. Man ist eigentlich für alles zuständig, was vor, hinter und um die Bühne herum nötig ist. So gibt es zum Beispiel während des gesamten Stücks immer wieder Toneinspielungen, die im Studio des SWR aufgenommen wurden. Sascha Bendiks, Musiker, lieh uns seine wunderbare Stimme für den bösen „Chef“, der via Walkie Talkie die Handlung immer wieder voran treibt. Die Arbeit im Tonstudio war absolutes Neuland für mich und als Sascha hinter der Glaswand der Aufnahmekabine verschwand und in das Mikro mit verrauchter, grimmiger und hämischer Stimme sprach und lachte, wurde mir wieder einmal bewusst, dass ich mit echten Profis arbeitete. Auch während der Proben im Vorder haussaal hat uns Sascha immer wieder begleitet, indem er mit Peter Haug und Veronika Sautter-Bendiks die Songs des Stücks erarbeitet und einstudiert hat. Im Laufe des Probenprozesses wurden natürlich unzählige Änderungen an Text und Choreografie vorgenommen, Szenen wurden gekürzt oder gestrichen, Bühnenwege verändert oder ganze Abläufe über den Haufen geschmissen. Da war es von großem Vorteil, dass Anja zugleich Autorin und Regisseurin des Stücks war. Wie es mich überhaupt sehr beeindruckt hat, dass man nur aufgrund einer Idee oder eines Themas, in diesem Fall „Energie“, ein so komplexes und vielseitiges Stück entwickeln kann. Im Vorderhaus begann Mitte Januar wieder der normale Spielbetrieb, das grenzenlos-festival und die FigurenTheaterTage kamen und gingen und wir probten derweil in der Friedrichstraße, im Haus der Kultur liste Freiburg. Auf den ersten Blick ließ diese Räumlichkeit jedes Künstlerherz höher schlagen. Überall Kunst, Teile alter Bühnenbilder und herum liegende Requisiten. Die erzeugten einen ganz eigenen bohemienhaften Charme und durch den rohbauähnlichen Zustand des Ganzen entstand eine Atmosphäre, die zum kreativen Schaffen geradezu einlud. Allerdings nur auf den ersten Blick. Während der ersten Tage zeigte sich, dass dieser Raum zum Proben absolut ungeeignet war. FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Besetzt! Der Strom ging oder auch nicht, eine Heizung war so gut wie nicht vorhanden, und mit Licht und Ton arbeiten hat schon mal überhaupt nicht funktioniert. Aufgrund der fehlenden Isolierung des Hauses waren die Außengeräusche immer präsent, die Temperaturen wurden immer unangenehmer, es regnete ununterbrochen und das schlug zusätzlich allen aufs Gemüt. Wir improvisierten so gut wie wir konnten und schlingerten doch unaufhaltsam auf eine echte Krise zu. Ausgelöst wurde sie dann, als ein penetranter Hausbewohner, der zuerst wegen eines blöd geparkten Autos immer wieder störte und schlussendlich sein Fahrrad hinter der Bühne parkte und seelenruhig von Dannen zog. Die Stimmung kippte nun endgültig. Auch wenn man weiß, dass jede Produktion an einem solchen Tiefpunkt anlangt, ist es doch schwierig in der Praxis damit umzugehen und adäquat zu reagieren, angesichts der Tränen und der Genervtheit aller Beteiligten. Veronika, frischgebackene Mutter, war zudem völlig übermüdet. Peter Haug hatte ordentlich Zeitdruck, da er noch in anderen Produktionen involviert war. Kurzum: Katastrophenstimmung. Doch Karola Mohr und Ute Lingg vom Vorderhaus-Kulturteam sorgten für die Rettung. Die Saalbelegung im Vorderhaussaal wurde so umorganisiert, dass wir dort weiter proben konnten. An diesem Punkt wurde mir auch klar, dass jede Produktion auch Organisationskünstler haben muss, die absolut verlässlich funktionieren und eingreifen, wenn die Produktion zu kippen droht. Also zogen wir mit dem Bühnenbild und allem anderen wieder in die FABRIK. Endlich konnten wir entspannt und produktiv proben. Unsere zweite Probeneinheit Anfang Februar fand wiederum in der Kulturliste statt. Diesmal allerdings im Untergeschoss. Immer noch keine idealen Bedingungen, aber immerhin ein abgeschlossener Raum mit angenehmer Raumtemperatur. Sogar ein paar Scheinwerfer waren vorhanden. Es würde also gehen. So langsam fanden auch die dringend benötigten Requisiten und Kostüme nach und nach ihren Weg auf unsere Probenbühne. Ein Kinderrucksack, der zu klein wurde. Ein Kochtopf, von Oma aussortiert. Die Kostüme und Accessoires der verschiedenen Tierfiguren bastelten wir selbst. Aus einfachen Mitteln entstanden wunderbare Fische, Schildkröten, Orang Utans und noch viele mehr. Endlich Premiere. Georg Hallmann, unser Lichttechniker und ich saßen hinter dem Mischpult und steuerten Licht und Ton. Ich bekam das Stück also aus verschiedenen Perspektiven mit, was mir natürlich einen anderen, spezielleren Blick auf das Geschehen verlieh. Es klappte aber alles wie am Schnürchen und der Premierendruck fiel beim letzten Song dann auch von allen ab. Danach gab es zur Belohnung eine kleine Feier, mit gutem Sekt und leckeren Schokokuchen. Das originellste Premierengeschenk bekam unsere Regisseurin: einen großen Regenschirm, da sie Freiburg in vier Wochen Probenzeit, ganz untypisch, an nur zwei Tagen regenfrei erlebt hat. Um die Eingangsfragen nun aber abschließend zu beantworten: Regieassistentin sein hat für mich nicht bedeutet, nur Botengänge zu tätigen, zu kopieren, Barista zu sein oder als Babysitter zu fungieren. Man muss darüber hinaus auch kostüm- und maskenbildnerische Begabung sowie seelsorgerische Fähigkeiten mitbringen. Außerdem muss man äußerst flexibel reagieren können und sehr zuverlässig sein. Ein Job für echte Allrounder eben. Elvis Eisbär, Polar-Rockstar und Tierrettungsbeauftragter singt seinen großen Hit, und Lina, die Tochter von Florian hat wieder mal eine super Idee. Glückliches Ensemble nach der Premiere: v.l.: Veronika Sautter-Bendiks, Schauspiel, Anja Schöne, Drehbuch und Regie, Sönke Ober, Bühnenbild, Peter Haug-Lamersdorf, Schauspiel, Sascha Bendiks, Musik und „Chef“-Stimme, Jule Glimsche, Regieassistenz und Autorin dieses Artikels 23 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Vorderhaus-Förderkreis Der Förderkreis für das Vorderhaus geht auf Entdeckungsreise! Beim Förderkreis-Abend 2015 ging die Reise noch zeltwärts in den Hinterhof der FABRIK. Diesmal lag das Reiseziel weiter entfernt und war deutlich größer als das letztjährige Zelt. Das Haus- und Kulturbüro kam im letzten Sommer in den Genuss einer Führung durch die Lokhalle und das ehemalige Bahnbetriebswerk auf dem GüterbahnhofGelände, ein beeindruckendes Erlebnis für alle, die dabei waren. Unter der Regie der beiden Eigentümer und Projektentwickler Lars Bargmann und Frank Böttinger wird dem 5.000 qm großen Ziegelsteingebäude aus den 1900er Jahren gerade ein neuer Geist eingehaucht. Baulich wie inhaltlich. Wir in der FABRIK sind ja bekanntlich stolz auf unser rund 120 Jahre altes Kleinod der Industrie-Architektur, wir pflegen den Bestand und entwickeln das Gelände behutsam weiter. Diese Haltung im Umgang mit alten, schützenswerten Gebäuden findet sich auch in der Lokhalle wieder. Und hier wie dort finden sich Kultur, Gewerbe, Büros und Gastronomie. Allerdings hat das Gebäude ungleich andere Ausmaße als die FABRIK. Grund genug für das Kulturteam die Mit24 glieder des Förderkreises zur Entdeckungsreise einzuladen. Die „kleine Halle“, die das Theater Pan.Optikum und die Lichtund Tonfirma CoCo Sound gemeinsam nutzen, bot sich geradezu an, um sich in anregender Atmosphäre zu treffen, zu reden, gemeinsam zu essen. Und natürlich auch, eine kleine Bühne für den obligatorischen kulturellen Beitrag aufzubauen. Auch bei diesem Teil des Abend wollte das Kulturteam seine Förderer mit auf Entdeckungsreise nehmen. Es wurde eine Fahrt, die ganz unterschiedlich erlebt wurde. Dem Geist und der Tradition von 100 Jahre DADA verpflichtet, spielten der Schauspieler Peter W. Hermanns und der Schlagzeuger Konrad Wiemann Auszüge aus dem Programm „Vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so“. Die Eigenwerbung des Vorderhaus „Für alle was und nicht immer was für Alle“ sollte sich bewahrheiten. Für manche war DADA gar nicht ihr Ding, andere waren begei- stert vom Zusammenspiel zwischen Lauten, Sprache und Schlagwerk. Aber es ist ja auch Aufgabe von Kunst, für Diskussionsstoff, für Auseinandersetzung zu sorgen. Dafür gab es dann beim gemeinsamen Essen und Zusammensitzen genug Gelegenheit. Und egal, wie man zu DADA steht, an der Qualität und dem künstlerischen Können der Beiden gab es keine Zweifel. In den großen Hallen des Gebäudes waren nach einigen einführenden Worten von Lars Bargmann dann fast alle, die gekommen waren, auf eigene Faust unterwegs. Und am Ende des Abend waren sich alle einig, dass sich die Entdeckungsreise in die Lokhalle gelohnt hat, auch wenn für manche die Anreise doch eher wie eine Expedition in unbekannte Gewässer war. Wo die Reise nächstes Jahr hingeht? Wir wissen es noch nicht genau, wahrscheinlich zurück in den Heimathafen, der Kompass wird justiert. Vorderhaus-Förderkreis FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Noch hat sich auf dem rechten Bild erst die Hälfte der Gäste in der Alten Lokhalle des Güterbahnhofs eingefunden. Die Förderinnen und Förderer des Vorderhaus weilten wahrlich an einem historischen Ort: in dieser Halle wurde über Jahre hinweg der legendäre Orient-Express gewartet. Das linke Bild zeigt die Halle in ihrer ganzen Größe und alten Schönheit. Wir sind dabei: Heidrun Abels, Künstleragentur • Katharina Arnheim, Journalistin & Safi Baborie, Dozent • Monika & Jörg Ashauer • Barbara Auer, Ergotherapeutin • Martina Bannwarth, Buchhändlerin • Lars Bargmann, Journalist und Projektentwickler • Uwe Barth, Vorstand Volksbank Freiburg • Thomas Bauer, Pressereferent • Katharina Baulig • Hartmut Becker, Rechtsanwalt • Daniela Beier & Dieter Stang, Juristen • Sascha Bendiks, Musiker • Dr. Helgard Berger, Vorstand VAG • Denise Bertz • Hanne Beyermann-Grubert, Goldschmiedemeisterin • Michael Biedert, Wirtschaftsprüfer • Michael Bögle, Werbekaufmann • Annette Bohland, Coach und Beraterin • Dr. Gerd Böhm, Frauenarzt und Psychotherapeut • Dr. Heinrich Breit, Steuerberater • Alexander Bühler, Bäckerei Bühler • Bürgerverein Herdern e.V. • Hella Crone & Dr. Bernd Crone • Brigitte Daams, Dipl. Psychologin • Dr. Thomas Dehlfing, Rechtsanwalt • Sybille Denker, Schauspielerin • Reinhild Dettmer-Finke & Volker Finke • DoKo Herdern • Doris & Hermann Dörflinger, Winzer • Philippe Dudek • Dr. Johannes Duttlinger, Arzt • Gaby Eggert, Psychotherapeutin, & Elmar Grieshaber • Johannes Ehmann, Altphilologe • Dr. Elsbeth Ehrenmann, Frauenärztin • Anne Engel, Krankenschwester & Bernd Engel, Bäcker und Konditor • Dr. Hans Engler, Arzt • Angelika Flesch & Klaus Flesch, Vorstand • Hanno Franke • Freie Holzwerkstatt GmbH • Freundeskreis Kappel • Kathi & Hans Dietrich Freyer • Birgit Friederich, Selbstständige & Peter Friederich, Diplom-Biologe • Christiane Friedrich, Ärztin • Ulrich Fuchs, Freier Autor und Texter • Peter Gaymann, Cartoonist • Katharina Giese • Walter Groetschel Elektroanlagen • Jörg Grotefendt, Dipl. Physiker • Arnold Gumpert, Bauingenieur • Bille Haag • Prof. Dr. Gunther Haag, Arzt • Niko Hamm, Dozent • Prof. Dr. Cornelia Helfferich • Waltraud Herb • Peter W. Hermanns, Schauspieler und Regisseur • Erik Herr, Dipl. Kaufmann und Steuerberater • Renate Heyberger, Geschäftsführerin & Hans-Albert Stechl, Rechtsanwalt • Elisabeth Hintzen, Buchhändlerin • Sebastian Hintzen, Drucker • Florina Hirt, Rechtsanwältin • Stefan Hörster, Arzt • Alexander Huber • Ursel & Wilfried Huber • Andreas Hubert, Steuerberater • Andrea Hucklenbroich, Kauffrau • Dr. Joachim Hudewentz, Dipl. Biologe • Ralf Hunn, Geschäftsführer • Horst Janzen, Veranstalter • Mike Jaschke • Jess Jochimsen, Kabarettist • Claudia John-Hudewentz • Viviane Kauß & Dr. Udo Kauß, Rechtsanwalt • Atai Keller, Stadtrat-Kulturberater • Fritz Keller, Schwarzer Adler Oberbergen • Jasmin Keller & Barbara Kenk • Wolf Keller, Rentner • Elke Kern, Werberin • Christoph Kieslich, Journalist • Sigrid & Günter Klammer, Pensionäre • Angela Klaßen & Dr. Wolfgang Klumb • Susanne Klebahn • Doris Kocher, Dipl. Pädagogin • Heide Kolarik, MTA & Bernd Kolarik, Lehrer • Karin König, Dipl. Psychologin • Monika Kopfmann • Adina und Georg Krakau, Pensionäre • Sybille Kreuzer & Jens Kreuzer, Musiker • Christoph Lang-Jakob, Rechtsanwalt • Christof Lehr, Verlagslektor • Irma Lehr • Jürgen Lodemann, Autor • Christian Manz • Ingrid Mathis, Grafik-Designerin • Klaus Meier, Kulturbureau • Dr. Jörg Meyer-Sieger, Orthopäde • Karin Minuth & Dr. Johannes Minuth, Freiburger Puppenbühne • Eva Müller, Frauenärztin • Rainer Neukirchen, Apotheker • Bernd Obrecht, Hauptinspektor • Dr. Franziska Pankow, FWTM-Abteilungsleiterin Tourismus • Elke Pfeuffer, MOMO Kindersachen • Maria Popitz • Andreas Rebers, Musiker& Kabarettist • Stefan Reimann, Gärtnermeister • Hagen Rether, Kabarettist • Olaf Reuter, Veranstaltungstechniker • Dieter Roeschmann, Journalist und Grafiker • Anke Rösner, Lehrerin • Imke Rötger, Lektorin & Swen Osterloh, Architekt • Dr. Dieter Salomon, Oberbürgermeister • Frank Sauer, Kabarettist • Stefanie Sauer, Erzieherin • Dr. Willi Sauerbrei, Biometriker • Wilhelm Sauermann, Geschäftsführer • Prof. Johann Georg Schaarschmidt, Regisseur • Bärbel Schäfer, Regierungspräsidentin & Alfred Schäfer, Unternehmensberater • Willy Scheuchenpflug, Geschäftsführer • Birgit Schmidtmann, Statistikerin • Frank Schneider, Project Manager • Georg Schramm, Kabarettist • schwarz auf weiss Litho und Druck GmbH • Christoph Senf, Bauingenieur • Ursula Sladek, Geschäftsführerin EWS i.R. & Michael Sladek, Arzt • Beatrix & Dirk Starke • Volkmar Staub, Kabarettist • Tilmann Sutter, Professor • Wilfried Telkämper • Jutta Tempelmann, Künstleragentur • Holger Thiemann, Veranstaltungsmanager • Helmut Thoma, Berufsschullehrer • Jutta & Volker Thomas • Sabine Tritschler, Frauenärztin & Thomas Tritschler, Physiotherapeut • Peter Uellner, Steuerberater • Ulrich Ulmer, Technischer Angestellter • Waltraud Vasold-Glaser • Maria Viethen, Rechtsanwältin • Dr. Volker Volquartz, Arzt • Sabine Volz • Heinrich Vomstein, Bankvorstand i. R. • Martin Wangler, Schauspieler • Susanne & Christian Weber, Lehrer • Margarete Weiser, Immobilienmaklerin & Jürgen Weiser, Rechtsanwalt • Adelheid Willfurth, Steuerberaterin • Gerhard Witzstrock, Unternehmer • Gudrun Wöbbeking, Sekretärin • Karl-Willi Wolber, Steuerberater • Petra Wolf-Schneider, Rentnerin • Michael Wulzinger, Redakteur Der Spiegel • Dr. Gabriele Würth & Dr. Werner Bahner-Würth, Ärzte • Teresa Zens & Dr. Johannes Zens, Dipl.-Theologe • Vera Zorn & Dr. Christian Zorn • Dr. Johannes Zuber, Dipl. Psychologe • Sabine Zuber, Psychotherapeutin • Dr. Martin Züfle, Arzt • Zumkeller GmbH Baumpflege und Gartengestaltung • und 16 andere 25 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Berndt-Koberstein-Preis Den Kapitalismus mit seinen eigenen Mitteln austricksen Das Mietshäusersyndikat wurde dieses Jahr mit dem Berndt-Koberstein-Preis ausgezeichnet Jährlich im Mai wird der „Berndt-Koberstein-Preis für Zusammenleben und Solidarität“ verliehen. In diesem Jahr ging der Preis an das in der GretherFabrik erdachte Projekt „Mietshäuser Syndikat“, die Laudatio lag bei Martin Wiedemann aus der FABRIK. Berndt Koberstein war Gewerkschafter, Kommunist und Internationalist. Der gelernte Maschinenschlosser leitete 1986 in Nicaragua ein Projekt, durch das die Gemeinde Wiwili mit frischem Trinkwasser versorgt werden sollte. Nach einigen Monaten geriet er in einen Hinterhalt der rechtsgerichteten „Contra“. Bei diesem Überfall wurden der knapp dreißigjährige Berndt Koberstein, zwei weitere Aufbauhelfer und drei Nicaraguaner ermordet. 26 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Berndt-Koberstein-Preis Hendrik Guzzoni, Stadtrat für die Linke Liste / Solidarische Stadt, hat einen mit 10.000 Euro dotierten „Preis für Zusammenleben und Solidarität“ gestiftet, der nach seinem engen Freund benannt ist und seit 2012 jährlich vergeben wird. ➔ Das 3HäuserProjekt ist ein Zusammenschluss von drei Projekten des Mietshäuser Syndikats. Im neuen Freiburger Baugebiet Gutleutmatten bauen LAMA, Luftschloss und schwereLos je ein Mietshaus, zusammen 45 Wohnungen von 40 bis knapp 180 qm, für unterschiedlichste Wohnbedürfnisse: Ein-Personenhaushalte, Familien, Klein- und Groß- Wohngemeinschaften. Die Häuser sind dem Immobilienmarkt entzogen und bieten so langfristig bezahlbaren Wohnraum. Alle Wohnungen werden barrierefrei gebaut, in jedem Haus entsteht eine Rollstuhlfahrer-Wohnung. Zudem ist in jedem der drei Projekte eine Wohnung für Menschen mit Fluchterfahrung reserviert. Im größten Haus, schwereLos, wird es zudem eine Kita, eine Wohnung für obdachlose Frauen und eine für Menschen mit Psychiatrieerfahrung geben. Nach zwei Jahren planen, diskutieren und Hürden überwinden sind die drei Projekte jetzt auf der Zielgeraden. LAMA und Luftschloss haben bereits alle Direktkredite zusammen und schon mit dem Bau begonnen. Auch schwereLos nähert sich der Ziellinie, benötigt aber noch weitere Kredite, um im Oktober das Grundstück zu kaufen und mit dem Bau zu beginnen. Der Preis ging in diesem Jahr an das Mietshäuser Syndikat, in dem bundesweit inzwischen in 111 Hausprojekten über 2000 Menschen organisiert sind, die ganz praktisch für das Recht auf bezahlbaren Wohnraum für alle kämpfen. In den einzelnen Häusern können Menschen günstig und eigenverantwortlich wohnen, ihre Einbindung im Syndikat verhindert, dass die Immobilien jemals verkauft werden können. Diese sind damit dem Markt und der Gewinnerzielung entzogen. „In einer Zeit, in der Wohnungsknappheit und galoppierende Mietpreissteigerungen das Grundrecht auf Wohnen immer stärker beeinträchtigen, ist das Wirken des Mietshäuser Syndikats wertvoller denn je. … Besondere Würdigung findet die Tatsache, dass das Konzept des Mietshäuser-Syndikats einen Großteil der Verantwortung und Entscheidungskompetenz in die Hand von Hausgemeinschaften legt. So entsteht verantwortliches und solidarisches MiteinanderWohnen.“, so die Jury in ihrer Begründung. Martin Wiedemann fühlte sich geehrt, von der Jury für die Laudatio angefragt worden zu sein und hielt eine, jedenfalls nach Meinung BZ, „kluge und empathische Rede“, deren Schluss wir dokumentieren. „Euer Gedanke hat sich durchgesetzt, Euer Beispiel macht Mut und motiviert. Ihr habt gezeigt, dass man den Kapitalismus mit seinen eigenen Mitteln, wenn schon nicht schlagen, so doch austricksen kann. Ihr habt gezeigt, dass die Vorstellung von einer moralischen Ökonomie kein leeres Geschwätz ist. Ihr habt gezeigt, dass eine Gruppe von Menschen sich etwas scheinbar Aussichtsloses vornehmen und sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzen kann. Beharrlich, kämpferisch, engagiert, sachkundig, solidarisch, mit Lust am Streit und mit Lust am Leben. Mich persönlich erinnert das an das Schönauer Gefühl, verkörpert von den Schönauer Stromrebellen. Und wie in Schönau ist das Mietshäuser-Syndikat mehr als ein Geschäftsmodell, mehr als ein Unternehmensverbund. Es steht für eine konsequent politische Haltung. Und mit allem drum und dran auch für ein Lebensgefühl, aus dem diese Haltung entspringt. Vielleicht spricht man ja irgendwann mal, wenn es um bezahlbaren Wohnraum und solidarisches Leben geht, vom Freiburger Gefühl, verkörpert von den Mietshäuser Rebellen. Von denen mir übrigens kollektiv verboten wurde, auch nur einen einzigen Namen zu nennen. Deshalb gratuliere ich ebenfalls kollektiv den 2.000 in den Projekten wohnenden und auch allen anderen, weltweit freischwebenden Rebellen von Herzen zum BerndtKoberstein-Preis für Solidarität und Zusammenleben 2016!“ 3HäuserProjekt Gemeinsam Wohnraum schaffen: sozial, bezahlbar, unverkäuflich! Infos zum Projekt und zu Direktkrediten unter: www.3haeuserprojekt.org ➔ Die FABRIK und ihre Direktkredite „1000 Menschen hinter uns sind uns lieber als eine Bank im Genick“ - unter diesem Motto erhielt die FABRIK in den letzten 38 Jahren viele kleine private Darlehen, um den Kauf der Immobilie und den schrittweisen Ausbau der Gebäude zu finanzieren. 3,5 Millionen Euro wurden im Laufe der Jahre investiert, 75 % davon sind inzwischen zurückbezahlt. Und die Schulden sollen — solange keine neuen Bauprojekte anstehen — weiter abgebaut werden. Daher freut es uns, wenn das eine oder andere Darlehen zurückgefordert wird, für den persön lichen Bedarf oder um beispielsweise ein Projekt des Mietshäusersydikats, etwa das oben vorgestellte LAMA, zu unterstützen. Nur zu, wir tilgen gerne! 27 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016SolidarEnergie Eines von vielen geförderten Projekten: Freiburger StraßenSchule e.V. Preis der SolidarEnergie 2016 Im April wurde zum sechsten Mal im Vorderhaus gemeinnütziges Engagement gewürdigt Immer wieder aufs Neue beeindruckend sind die jährliche Verleihung des Preises der SolidarEnergie und die gleichzeitige Vergabe von Förderungen an regionale Initiativen aus dem kulturellen und sozialen Bereich. 2016 standen dem Verein aus dem Ertrag von Sonnenenergie 16.160 Euro Fördermittel zur Verfügung, seit 2011 wurden damit insgesamt schon 90.490 Euro vergeben. Eine Zahl, auf die man stolz sein kann! Die Träger der SolidarEnergie, die Volksbank Freiburg, die EWS Schönau sowie die FABRIK sind Jahr für Jahr begeistert von der Vielfalt der Initiativen, die sich bewerben, von ihren Ideen und ihrem selbstlosen Wirken und Arbeiten. Den mit 3.000 Euro dotierten Preis der SolidarEnergie und den lebenslangen Nießbrauch an einem Rebstock im Kaiserstuhl erhalten in diesem Jahr die Frei burger Künstler Petra Gack und Mike Schweizer. Die Freiburger StraßenSchule ist eine Einrichtung für junge Menschen, die auf der Straße leben oder ihren Lebensmittelpunkt auf die Straße verlagert haben. Sie unterstützt Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende in dem Umfeld, in dem sie leben, und erkennt dabei vielfältige Lebensentwürfe an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind regelmäßig in Freiburgs Innenstadt unterwegs. Sie knüpfen Kontakte zu den verschiedenen Straßenszenen und sprechen Jugendliche und junge Erwachsene an, die ihren Lebensmittelpunkt sichtbar auf der Straße haben und/oder sich in Wohnungsnot befinden. Ziel ist es, zu den jungen Menschen einen guten Kontakt herzustellen und daraus verlässliche und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Sie ermutigen sie, an ihren Wünschen und Träumen einer selbst gestalteten Zukunft zu arbeiten. 28 SolidarEnergie Nach Meinung der Jury ist Petra Gack eine Schauspielerin und Sängerin, die nicht nur ein kleines privates Theater, das „Alte Klavierdepot“, leitet, sondern sich darüber hinaus in besonderer Weise für k ulturelle Bildung und Kulturvermittlung engagiert. Sie übersetzt klassische Stoffe in die heutige Zeit und gewinnt damit neue Zuschauerschichten. Mike Schweizer ist Musiker, gefragter Musiklehrer und zudem ein unermüdicher Netzwerkarbeiter. Seine spontane und leicht anarchische Spielweise, seine Fähigkeit, sensibel zuzuhören, Impulse aufzunehmen und musikalisch zu verarbeiten, machen ihn zu einem herausragenden Saxophonisten. Beider Kunst ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Instrumentalisierung des Lebens und für den achtsamen Umgang mit den geistigen und zivilgesellschaftlichen Ressourcen des Individuums. Neben der Vergabe des Preises der SolidarEnergie an Petra Gack und Mike Schweizer wurden in diesem Jahr elf Initiativen für ihr soziales und kulturelles Engagement mit Fördergeldern ausgezeichnet und mit großem Applaus bedacht: FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Eines von vielen geförderten Projekten: zusammen leben e.V. friga, Sozialberatung in der FABRIK Beistandsschulung „Keiner geht allein aufs Amt“ Initative Schlüsselmensch e.V. Schwimmkurse für Kinder mit Fluchterfahrung Die Agronauten aus Emmendingen Durchführung des „AgriKulturFestival 2016“ Nachbarschaftswerk e.V. Kleinkindgerechte Ausstattung der internationalen Frauenteestube Schwere(s)Los e.V. Kulturraum im Wiedersehn-Recyclingkaufhaus Freiburger StraßenSchule e.V. „Notkässle“ für ehrenamtliche Arbeit Sozialbetreuung Flüchtlinge Schönau / Caritasverband Lörrach e.V. „ReBe“ Reparatur- und Begegnungscafe KulturWunsch e.V. Büroerweiterung Initiative zur Erinnerung an die Badische Revolution Inszenierung Dortu-Gedenkfeier Greenmotions Filmfestival Durchführungshilfe zusammen leben e.V. Weltreise Pop-Up Dinner: Eine kulinarische Weltreise. Ein besonderes Dankeschön geht an Jess Jochimsen, der wie jedes Jahr souverän durch den Abend führte, an Gesine Bänfer und Ian Harrison für die musika lische Umrahmung, Reiner Marquard, 1. Vorsitzender des Vereins SolidarEnergie, für die Laudatio, Michael Bögle für die Gestaltung der Preisskulptur, sowie an die Weingüter Schwarzer Adler und Dörflinger, die Brauerei Fürstenberg und die Vorderhaus Gastronomie für die Bewirtung. Der Verein „zusammen leben e.V.“, der unter anderem mit gemeinsamen Essen Stadtgesellschaft und Flüchtlinge zusammenbringt, entwarf das Konzept „Weltreise Pop-Up D inners: eine kulinarische Weltreise in Freiburg“. Das Projekt bietet geflüchteten Menschen die Möglichkeit, durch eigene Einladungen den Freiburgern ihre Kulturen näher zu bringen. So wird ein Raum geschaffen, in dem kultureller Austausch und ein Erweitern des Horizonts zwanglos möglich ist. Die erste von insgesamt sechs Veranstaltungen fand Mitte Juni in der Küche und im Café der FABRIK statt. 29 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016AMICA Ein von Ehrenamtlichen gebauter Schaukasten „Trauma“ illustiert, dass Kriegshandlungen und insbesondere sexualisierte Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten häufig zu schwerwiegenden posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Das Thema sexualisierte Kriegsgewalt gegen Frauen begleitet „amica“ von Anfang an und nicht nur am jährlichen Internationalen Tag. Von einem besonders bestürzenden T atbestand berichtet Gabriele Michel. Skandalöse Sicherheit Missbrauchsvorwürfe gegen Blauhelmsoldaten S eit den neunziger Jahren gilt sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten im Sinne der Statuten des Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im Jahr 2000 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1325 zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“. Darin werden wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen gegen sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten gefordert. Allerdings geht sexualisierte Gewalt immer wieder auch von Männern aus, die als rettende Instanzen eingesetzt sind: von Blauhelmsoldaten. Die Resolution 1325 ist ein Meilenstein – wenn auch bislang eher als Rahmenwerk und Handwerks- 30 zeug. Eine wirkliche Verbesserung der Situation von Frauen in den neuartigen, oft durch eine Verknüpfung von Krieg und Verbrechen gekennzeichneten Krisenherden der Welt, verlangt entschiedenen politischen Willen – und einen langen Atem. Inzwischen wurde Angelina Jolie von der London School of Economics eine Gastprofessur im Masterprogramm „Frauen, Frieden und Sicherheit“ angeboten. Das wird dem neuen Studiengang zu Popularität verhelfen und das beharrliche Engagement Jolies — nicht zuletzt auf dem „Weltgipfel gegen sexuelle Gewalt in Konflikten“ 2014 in London — lässt hoffen, dass sie die Inhalte der Resolution 1325 mit Nachdruck vertreten wird. Internationaler Tag gegen sexualisierte Kriegsgewalt Die am 19. Juni 2008 in New York verabschiedete Resolution 1820 setzt sich, anknüpfend an 1325, in besonderer Weise für den Schutz vor sexualisierter Gewalt und ein Ende der Straflosigkeit ein. Am 19. Juni 2015 schließlich forderte die Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass künftig am 19. Juni alljährlich und weltweit der Notwendigkeit gedacht wird, sexualisierte Gewalt in kriegerischen Konflikten zu beenden – und dass die Opfer von sexualisierter Gewalt gewürdigt werden sollen. Die Aneinanderreihung der Beschlüsse, verabschiedet von machtvollen Gremien, könnte Anlass FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 AMICA zur Hoffnung sein. Aber sie ist es nicht wirklich. Zwar zeugt der Nachdruck dieser Stellungnahmen gegen sexualisierte Gewalt in kriegerischen Konflikten von einem wachsenden Bewusstsein dessen, was Frauen und Mädchen sowie Jungen und Männer im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda, im Kongo, in der Zentralafrikanischen Republik und in anderen Ländern erlitten haben und erleiden. Aber diese Beschlüsse sind vor allem Ausdruck wachsender Dringlichkeit. Menschenverachtende Grausamkeit gegen Frauen Denn kaum etwas ist besser geworden und gar nichts gut. Im Gegenteil. Mit der zunehmenden Brutalisierung – und Verstrickung – der Kriege weltweit mehren sich die Fälle sexualisierter Gewalt von menschenverachtender Grausamkeit gegen Frauen. Wir alle kennen die Berichte über Jesidinnen und Christinnen, die vom IS verkauft wurden, wir kennen die Schilderungen über das Schicksal der mehr als 200 Schülerinnen in Nigeria, die von Boko Haram entführt, verkauft und teilweise zwangsverheiratet wurden. Wir kennen solche Meldungen – aber oft reagieren wir wie gelähmt durch die Schreckensnachrichten, die inzwischen Tag für Tag zu uns gelangen, sind wie betäubt in einem Gefühl von Ohnmacht. Einer Ohnmacht, die umso bedrängender wird, je näher das Entsetzliche jetzt mit den schutzsuchenden Flüchtlingen zu uns kommt. Die einen sprechen von 20 %, andere sogar von 60 % traumatisierter Flüchtlinge. Wir können nur ahnen, wie viel Gräuel und zerstörte Leben solche Zahlen bedeuten. Mindestens 69 Missbrauchsfälle durch Blauhelme Umso bestürzender und empörender ist es, dass sexualisierte Gewalt in Ländern, in denen Krieg und Vertreibung herrschen, nicht nur von blindwütigen Fanatikern und Milizen verübt wird, sondern auch von Männern, die als rettende Instanzen eingesetzt sind und auftreten: Schon 2004/2005 gab es Meldungen über sexuelle Übergriffe und Verbrechen von Blauhelmsoldaten. Dann immer wieder; 2013 sechsundsechzig Fälle, 2014 zweiundfünfzig. Jetzt, in den letzten Monaten, zeigt sich, dass im Jahr 2015 in 10 der 16 von circa 125.000 Blauhelmsoldaten betreuten Missionen mindestens 69 Missbrauchsfälle gemeldet wurden: Vergewaltigungen, Sex gegen Geld, Nötigungen – in nachgewiesen 22 Fällen sind die Opfer Kinder. Blauhelme aus 21 Ländern werden mittlerweile in einem UN-Bericht des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Die Vorwürfe gegen deutsche, kanadische und slowakische Soldaten seien entkräftet worden, heißt es. Gegen beschuldigte französische Soldaten wird weiter ermittelt. Keiner der aus dem letzten Jahr gemeldeten Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Schutzbedürftige hatte bis jetzt juristische Folgen. Die Blauhelmsoldaten unterstehen der Gerichtsbarkeit der entsendenden Nationen. Das verhindert nicht nur konkret eine wirkungsvolle Strafverfolgung, sondern hat eine verheerende symbolische Wirkung: die sexualisierte Gewalt wird nicht als Verbrechen wahrgenommen – und den Frauen die Anerkennung als Opfer eines Verbrechens verwehrt. Gefährliche Verbindung: Not und Verrohung Dass und wie die Praxis der Straflosigkeit zu realen und potentiellen Opfer sexueller Gewalt führt belegt eindrucksvoll die Reportage „Gefährliche Helfer“ über den Blauhelmeinsatz in der Demokratischen Republik Kongo. Eingesetzt werden die UN-Einheiten, um die Bevölkerung – darunter zahllose Binnenflüchtlinge – gegen marodierende Rebellen zu schützen. Doch dabei, so das Ergebnis des am 6. März 2013 auf der ARD ausgestrahlten Dokumentarfilms, halten sich die Soldaten zurück. Stattdessen entdeckten die Journalisten durch beharrliches Hinsehen und Nachfragen ganz in der Nähe des Militärstützpunkts ein regelrechtes Bordell. Bedürftigkeit auf der einen Seite und eine unfassbare Verrohung auf der anderen führen dazu, dass die Schutzbedürftigen ihren Körper verkaufen, um ihre existentielle Not zu lindern. Ca. 300 Dollar kostet eine Prostituierte. Die Skrupellosigkeit, mit der hier Soldaten nicht nur von der materiellen Abhängigkeit der Bedürftigen profitieren, sondern auch von deren Arglosigkeit gegenüber den vermeintlichen Helfern, ist monströs. Not, Gewalt und Vorteilsnahme greifen auf erschreckende Weise ineinander. Dabei ist Sex gegen Geld in den UNStatuten strengstens verboten. Aber die Soldaten fühlen sich durch die ihnen gewährte Immunität offenbar sicher. Eine skandalöse Sicherheit. Künftig bessere Strafverfolgung Das soll sich jetzt ändern. Am 11. März dieses Jahres hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet, die künftige Strafverfolgung gegenüber angeklagten Blauhelmsoldaten vorschreibt. Außerdem sollen die entsendenden Nationen verpflichtet werden, bei Vergewaltigungs- und Vaterschaftsklagen DNA-Proben der Beschuldigten zur Verfügung zu stellen. Und es sollen, wie 2010 schon einmal geschehen, bei entsprechenden Vorwürfen ganze Kontingente abgezogen werden können. Ein wichtiger Schritt. Damit daraus eine Praxis wird, die Frauen und Mädchen, Jungen und Männer in Kriegsgebieten wirkungsvoll vor sexualisierter Gewalt schützt, sind wir alle gefragt. Gefragt, als Öffentlichkeit jeden erdenklichen politischen Druck auszuüben, um zu garantieren, dass sexualisierte Gewalt juristisch verfolgt und bestraft wird. Überall. Immer. Und ganz besonders dort, wo gut bezahlte Soldaten ihre Macht und ihren Status in menschenverachtender Weise ausnutzen, um Schutzbefohlene zu missbrauchen. Gabriele Michel ist Vorstandsvorsitzende von AMICA e.V. ➔ www.amica-ev.org Spendenkonto: IBAN: DE15 6809 0000 0002 1001 00 BIC: GENODE61FR1 31 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Vorderhaus-Techniker Die Mischung macht‘s ... … das finden die drei Haustechniker vom Vorderhaus. Georg Hallmann, Rainer Joos und Ralph Küker plaudern mit der Rundbriefredaktion über ihre Arbeit. Lieber Rainer, lieber Georg, lieber Ralf, erzählt doch mal, wie man als Quereinsteiger an einen Job als Veranstaltungstechniker kommt! Georg: In meinem Fall war das so, dass ich einige Kommilitonen in der Geologie an der Uni hatte, die bereits im E-Werk, das damals noch der AAK (Arbeitskreis Alternative Kultur) war, als Techniker gejobbt hatten. Über sie bin ich ebenfalls dazugestoßen. Nach drei Jahren als Aushilfe wurde mir dann eine feste Stelle angeboten, und ich habe nicht lange überlegt, mein Studium abgebrochen und bin so ins Berufsleben eingestiegen. Rainer: Ich hatte schon von frühester Kindheit an eine Affinität zur Technik. Mein Vater hat mir, als ich noch ganz klein war, einen tragbaren Kassettenrekorder mit Mikro zum Geburtstag geschenkt, und ich habe dann alles aufgenommen, was so den Tag über zu hören war. Es hat mich fasziniert, wie die Autos auf der ich einfach noch etwas machen, was mit Musik, Kunst, Kultur und Bühne zu tun hat, – mich selber aber nicht als ausführender Künstler oder Musiker mit einbezieht. Rainer: … Später habe ich dann den Sound für alle möglichen Musikbands bei uns auf dem Dorf gemacht und bin auch immer wieder für Schultheateraufführungen angefragt worden. Allerdings war das noch ein rein intuitives Arbeiten. Ich hatte noch keinen theoretischen Hintergrund für das, was ich da gemacht habe. Das kam erst später. Und trotzdem hast du erst mal was ganz anderes studiert? Rainer: Ja, Anthropologie. Einfach weil es mich schon immer interessiert hat. Aber die Veranstaltungstechnik war all die Jahre ein omnipräsentes Hobby. Wie seid ihr zum Vorderhaus gekommen? Georg: Über zwei andere Jobber bei euch in der Kultur. Harald und Trampy haben ja auch im E-Werk gejobbt. Und die erzählten mir, dass das Vorderhaus einen Techniker sucht. Ralph Küker ist von Haus aus Musiker Rainer: War bei mir ähnlich. Bernd, der mal in der Gaststätte gearbeitet hat, hat mir den Tipp gegeben, und ich habe mich dann mit Dieter von der Kultur getroffen und auch bald darauf angefangen. Aber erst nachdem mich Georg lichttechnisch fit gemacht hat natürlich. Ralph: Und ich bin wiederum über Rainer ins Vorderhaus gekommen. Der wusste, dass ich suche, und hat mir den Job vermittelt. Er hat mich auch eingearbeitet. Rainer Joos war schon als Kind mit dem Mikro unterwegs Straße dann auf unserer Stereoanlage geklungen haben. Ich hatte echt ein mordslanges Mikrokabel … Georg: Ach daher kommt deine Vorliebe für langes Gekabel … Ralph: Da ich in meinem eigentlichen Beruf als Musiker schon immer auch viel mit Veranstaltungstechnik zu tun habe, es ständig Berührungspunkte gibt und ich immer „auf der anderen Seite“ der Bühne stehe, ist das grundlegende Interesse an dem Bereich Veranstaltungstechnik schon immer vorhanden. Außerdem wollte 32 Was macht die Arbeit im Vorderhaus in euren Augen zu etwas Besonderem? Georg: Nicht nur das Essen (lacht). Nein, was ich total mag ist, dass man ganz nah an den Künstlern dran ist, beim Aufbau und natürlich vor allem auch nach der Vorstellung. Es sind ja doch auch zahlreiche „Stars“ hier im Programm zu finden. Man sitzt dann oft noch zusammen, unterhält sich und trinkt ein Bierchen oder zwei. Und auch zum Publikum hat man Kontakt, wenn man Einlass macht. Ein weiterer Punkt ist, dass die Arbeit technisch Vorderhaus-Techniker nicht so aufwändig ist, wie zum Beispiel im E-Werk, wo man doch oft die ganze Bühne umbauen muss. Rainer: Das geht mir genauso. Die Mischung aus allem macht es aus. Es ist menschlich ein sehr angenehmes Arbeiten hier und auch technisch macht es Spaß. Außerdem kommt mir sehr entgegen, dass es ein Teilzeitjob ist. Georg: Klasse finde ich, dass man hier zu 95 Prozent mit Vollprofis zusammen arbeitet. Laien sind viel anstrengender, weil man soviel erklären muss. Warum dies so nicht geht und so weiter … Georg Hallmann fand vom Geologiestudium über das E-Werk ins Vorderhaus Rainer: … und viele Fehler muss man ausbügeln … Georg: Stimmt. Einem Profi muss ich nicht dauernd sagen, dass er doch bitte näher ans Mikro gehen soll oder sich ins Licht stellen muss und nicht daneben. Und auch der Hintergrund passt. Die technische Vorbereitung ist sehr gut und auf einem hohen Niveau. Rainer: Stimmt. Ganz anders als bei mir in der Vergangenheit. Wir haben oft noch auf der Fahrt zum Gig das Equipment zusammen telefoniert. Habt ihr denn Lieblingsveranstaltungen oder Lieblingskünstler? Rainer: Für mich macht‘s mal wieder die Mischung aus allem aus. Ich finde das Programm überwiegend sehr gut und vielseitig. Ralph: Hab ich eigentlich nicht. Ich mag vor allem die Abwechslung im Programm! Georg: Zwei meiner persönlichen, sehr gegensätzlichen Highlights sind Kay Ray und Horst Evers. Kay Ray hat, technisch gesehen, ein sehr anspruchsvolles Bühnenprogramm. In der Realisierung lässt er mir dann aber freie Hand. Horst Evers dagegen ist ganz einfach, Licht an und Licht aus. Der braucht fast nichts und trotzdem ist die Show klasse. Was war denn euer persönlicher Super-GAU? Rainer: So einen Super-GAU hatte ich eigentlich noch nicht. Aber ich finde es schwierig, wenn der oder die Künstlerin bei der Besprechung des technischen Ablaufs ganz klare Stichworte, zum Beispiel für eine Toneinspielung oder einen Lichtwechsel, vorgibt und dann später während der Show improvisiert oder sich nicht FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 an den Text hält. Dann sitzt man da und versemmelt die Einsätze und alles läuft irgendwie ganz anders als abgesprochen. Das verunsichert mich immer noch. Ach, da fällt mir doch eine Panne ein: Beim Auftritt von Uli Boettcher hat er mir das Textbuch mit den Stichworten für Licht und Ton auf unser Tonpult gelegt. Das sah aus wie unser Brennerbuch, in das wir immer eintragen, wann welcher Scheinwerfer mit einem neuen Brenner ausgestattet wurde. Ich hab‘ gedacht, das Textbuch wäre das Brennerbuch und habe es weggeräumt. Während der Show hat mich dann Uli Boettcher irgendwann von der Bühne runter gefragt, ob ich denn das Textbuch hätte, weil ich die Lichteinsätze gefahren bin, wie ich halt gedacht hab. Na ja, das war nicht so angenehm … Georg: Ich hab mal das Licht für Jochen Malmsheimer eingerichtet, ist schon einige Jahre her, und volle Kanne Licht von hinten gegeben, es waren noch die alten Par 64, die um ein vielfaches mehr Hitze als Licht produzierten. Jochen begann mit der Show und sagte nach ein paar Minuten ich solle doch bitte dieses Licht von hinten wegnehmen, weil es ihm schier die Eier wegbrenne. Na ja, für das Publikum war das richtig lustig. Ralph: Da ich ja erst seit kurzem hier arbeite, hatte ich noch keinen Super-GAU. Aber in meiner Vorstellung wäre das Schlimmste, wenn man eine Vorstellung unterbrechen oder sogar absagen müsste, weil ein technisches Problem auftritt, was nicht mehr zu beheben wäre. Rainer: Der Umgang mit Pannen ist bei den Künstlern komplett verschieden. Die einen nehmen es mit Humor, andere sind nicht so souverän. Habt ihr denn Wünsche an uns? Verbesserungsvorschläge? Ralph: Bisher noch nicht. Ich fühle mich rundum wohl und habe keine Wünsche. Weiter so! Rainer: Ich habe relativ oft noch Leerlauf vor dem Aufbau, weil ich so früh hier sein soll. Vorbereiten kann ich oft nur wenig, weil ich den technischen Rider nicht habe. Georg: Na, da kann man ja ein bisschen aufräumen. Ich mache das ganz gern. Man muss ja oft auch die Veranstaltungen technisch nachbereiten, heißt: wieder zurückbauen und das Material wieder verstauen. Habt ihr sonst noch einen Bezug zur FABRIK? Rainer: Ich bin seit 2002, seit ich in Freiburg bin, im Friedlichen Drachen, dem Dojo von Gertrud Schröder, aktiv. Ich habe lange Zeit das Kindertraining gemacht und die erwachsenen Anfänger unterrichtet. Ralph: Ich wohne direkt um die Ecke und habe auch schon, lange bevor ich hier das Arbeiten angefangen habe, die eine oder andere Veranstaltung besucht. Manchmal komme ich auch zum Essen. Georg: Bei mir war die Fahrradwerkstatt vor vielen Jahren, ich glaube es war 1990, der erste Bezugspunkt zur FABRIK. Ganz aktuell kaufe ich hier immer samstags auf dem Wochenmarkt ein und trinke ab und zu ein Bierchen in der Gaststätte. 33 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Kolumne Meine schlimmste Lesung Jakob Hein wurde Opfer von Festzeltbewohnern M eine vorletzte schlimme Lesung war nicht halb so schlimm wie meine letzte schlimme Lesung. Meine letzte schlimme Lesung war meine schlimmste Lesung aller Zeiten und zwar nicht nur, weil man das kurz danach immer denkt, sondern ich bin überzeugt, dass ich das auch noch in fünf und zehn Jahren denken werde und darüber hinaus, in dem Rahmen, in dem ich dann noch zum Denken befähigt sein werde. Auf Wunsch der Gastgeber, die auch die Rechnung von dem allen hier bezahlen würden, sollte ich aus einem meiner Bücher vorlesen. Es war eines der Bücher, aus dem ich schon oft vorgelesen hatte. Ein Monolog, dessen beste Lesungen durchaus schon zu veritablen Aufführungen geworden waren, weil ich das Buch auf der Seite liegen und dem Publikum ins Gesicht blicken konnte. Ich begann mit ein paar einleitenden Worten, ein paar netten Komplimenten über das Wetter und den Tag, alles keine Kandidaten für den Innovationspreis. Das Problem bestand darin, dass meine Äußerungen überhaupt keinen Bezug zum Publikum fanden. Ich erzählte irgendetwas auf dem Tanzboden hinter dem Mikrofonständer und die anderen Leute am anderen Ende des Festzeltes erzählten irgendetwas anderes. Die Gastgeberin kam dann zu mir und bat mich, doch lauter zu sprechen, was ich sinnlos fand, dann aber doch tat und DJ Thommi oder wie der hieß drehte auch noch ein bisschen auf mit dem Ergebnis, dass die anderen Bewohner des Festzeltes nun auch lauter sprechen mussten. Ich schrie kurzzeitig sogar mal laut, um auf mich ➔ 34 Jakob Hein ist Psychiater und Schriftsteller. Im Rahmen der Lesereihe „unter sternen — vorlesen im August“ wird er am Samstag, den 27. August, aus seinem Roman „Kaltes Wasser“ vorlesen. aufmerksam zu machen, was das medizinische Personal immerhin dazu bewegte, seinen Kopf zu wenden, aber als sie sahen, dass ich nur so mein Bühnending auf meiner Seite des Zeltes machte, waren sie wieder beruhigt und setzten ihre Gespräche fort. Da diese Situation nicht lösbar war, begann ich kurzerhand mit der Lesung. Das hier sah nicht danach aus, als würde es besser werden und innerhalb weniger Minuten hatte ich sogar verstanden, dass es nicht noch schlechter werden konnte. Denn nach vier oder fünf Sätzen fiel mir auf, dass man dem Rest des Textes nicht folgen kann, wenn man weder der Einführung noch den ersten Sätzen zugehört hat. Hier vorn hätte Klaus Maria Brandauer mit der Stimme von Adolf Hitler den Text lesen können und dennoch wäre es dem Publikum nicht möglich gewesen, ihm zu folgen. Aber hier stand nicht Brandauer und die Modulationen, die ich meiner Stimme gab, waren vollkommen gleichgültig. Viel lieber wäre es mir gewesen, wenn irgendjemand anders hier für mich gestanden hätte und ich stattdessen zuhause hätte bleiben können. Noch nie konnte ich während einer Lesung so viel über andere Dinge nachdenken. Ich war sicher davon ausgegangen, dass die Veranstaltung oder besser gesagt mein Teil daran mindestens eine Stunde lang sein würde, darum hatte ich mir erst nach Ablauf dieser Zeit einen Rückzug herausgesucht. Aber schon nach zehn Minuten dachte ich darüber nach, ob es auch einen früheren Rückzug geben könnte. Allerdings würde ich keinesfalls auf das Honorar verzichten und in jedem Fall so lange lesen, dass sie mir das Versprochene zahlen müssten, den Gefallen würde ich ihnen keinesfalls tun. Zwischenzeitlich blickte ich immer wieder mal ins Publikum, während ich vorzulesen vorgab. Ich hätte inzwischen das neue Buch der Offenbarungen im Original von Gott vorlesen können, mir hörte absolut niemand mehr zu. Es tat auch niemand mehr so, als ob er zuhörte. FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016 Adressen FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. Habsburgerstraße 9 | 79104 Freiburg | Tel. 0761.50 365-30 | Fax 0761.50 365-55 | www.fabrik-freiburg.de Hausbüro 50 365-30 Vorderhaus-Kulturbüro 50 365-40 Veranstaltungsinfo 50 365-44 Keramik-Werkstatt der FABRIK 50 365-56 Offene Werkstatt Di 16-20, Fr 17-21 www.fabrik-freiburg.de www.vorderhaus.de AMICA 556 92 51 BAGAGE – Pädagogische Ideenwerkstatt 55 57 52 bagageArt 55 57 31 Mo-Fr 8.30-12, 13-17 Fahrradwerkstatt 5 27 29 Mo-Fr 10-13, 15-18.30 Reparatur in Selbsthilfe Mo-Fr 15-18.30, Sa 10-14 Die Radgeber & Tandemladen (Spechtpassage) 292 76 70 Freiburger Kinderhaus-Initiative 707 68 22 Freie Holzwerkstatt 5 45 31 Mo-Fr 8.30-12.30, 13.30-17 Friedlicher Drache Gertrud Schröder 47 14 85 friga – Sozialberatung 090010-37442 Di-Do 10-15 Kindertagesstätte FABRIK 55 35 95 Mo-Fr 7.30-16 Markt & Strategie Eckhard Tröger 557 46 01 Medien Service Siegfried Wernet 514 57-16 Motorradclub Kuhle Wampe Mi 20.30 Motorradclub Weingarten Fr 20 Naturschule Freiburg 2 44 08 Di, Mi, Fr 9-12 Do 13-16 Probe — Projektberatung in der FABRIK 27 28 39 schwarz auf weiss Druck & Litho 514 57-0 The Move — Neuer Tanz im Alten Saal 707 85 33 Vorderhaus Gaststätte 557 70 70 Mo-Sa ab 12, So ab 10 Wochenmarkt in der FABRIK 590 09 83 Sa 9-13 Zett [di’zain] Günther Zembsch 514 57-18 www.amica-ev.org www.bagage.de www.bagageArt.de www.fahrradwerkstatt-freiburg.de Bei den üblichen Open-Air-Lesungen findet sich ja immer ein kleines Grüppchen von Sympathie-Heuchlern. Die hören mal rein, essen eine Wurst, warten bis wieder ein paar kommen und gehen dann auch. Nicht hier. Die Leute unterhielten sich einfach so laut es ging. Ich dachte an die vielen Stunden von Kulturveranstaltungen, bei denen ich mein Interesse geheuchelt hatte. Warum zahlte man auf dieses Konto immer nur ein? Bekam man manchmal auch ein bisschen davon zurück? Ein etwa Siebzigjähriger stand am Kopfende einer der Bierbänke und erzählte dem Tisch eine Geschichte. Zwanzig Meter hinter ihm stand ein Vierzigjähriger und versuchte, dem Mikrofon eine andere Geschichte zu erzählen. Niemand. Es war beeindruckend. Zwischenzeitlich wurde ich langsam beim Lesen und genoss es, vollkommen allein mit mir und meinem Text zu sein. Ich versuchte, dieser Intimität nachzuspüren und diese Vorstellung in eine Art Vakuum zu geben. Ich dachte darüber nach, welche Art von Künstler sich wohl diesem Publikum stellen könnte. Sie hätten keiner Band zugehört und sicher keinem Wortkünstler. Sie wollten sich einfach nur laut unterhalten, sie hatten nicht einmal einen klitzekleinen Rest Höflichkeit in sich, der sie irgendwie dazu bewegt hätte, die Atmosphäre irgendwie angenehmer für mich zu machen, so dass ich und mein Text einfach allein blieben an diesem merk- www.fabrik-keramik.de www.radgeber-freiburg.de www.freiburger-kinderhausinitiative.de www.wir-machen-moebel.de www.friedlicherdrache.de www.friga-freiburg.de www.marktundstrategie.de www.freiburg.kuhle-wampe.de www.mcw-freiburg.de www.naturschule-freiburg.de www.sawdruck.de www.move-freiburg.de www.vorderhaus-restaurant.de würdigen Abend der schlimmsten Lesung meines Lebens. Ich war einfach nur wie ein amtlich Irrer in einem Anzug, der plötzlich in einem Restaurant aufsteht und aus irgendeinem Manuskript zu lesen beginnt. Ich hätte „Besame mucho“ spielen sollen. Der Irre machte Schluss und sagte „Dankeschön“. Irgendeiner bemerkte es sogar und bestimmt zehn der zweihundert Leute klatschten, erleichtert darüber, jetzt wieder ungestörter miteinander reden zu können. Ich ging zu Thommi, der zum Glück schon irgendeinen Diskohit am Start hatte und packte meine Sachen zusammen. Er hatte mir zugehört und war ganz mitleidsvoll. Als ich das Festzelt unauffällig verließ, rannte mir noch eine der Direktorinnen nach und überreichte mir eine Flasche in einer Tasche. Ein früherer Zug fuhr nicht, aber meiner war wenigstens pünktlich. Meine Lesung in Freiburg wird bestimmt viel, viel schöner. Sonst möchte ich bitte zwei Flaschen bekommen, eine für gleich mit Obstler und eine für später mit Schierling. 35
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