Fluchtgrund Klimawandel

No. 60 | Sommer 2016
FABRIK
RUND
BRIEF
Kinderkultur
FABRIK-Flüchtlingshilfe
Fluchtgrund Klimawandel
Kunst kommt von Kennen
Eigenproduktion „Besetzt!“ – von
der Idee bis zur Premiere
Abend für eine offene Gesellschaft
Flüchtlingsheim St. Christoph
Aktuelle Aktivitäten
Eine Veranstaltungsreihe
über den Zusammenhang
von Ökologie und Migration
Impressum
Herausgeber
FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.
Habsburgerstraße 9
79104 Freiburg
Tel. +49 (0)761.50365-30
eMail: [email protected]
Internet: www.fabrik-freiburg.de
Redaktion
Regina Leonhart, Ute Lingg, Karola Mohr,
Hans Schmid, Martin Wiedemann
© Fotos & Illustrationen
AMICA (S. 30), BAGAGE (10,11), barnsteiner-film (1,2),
Thomas Bethmann (5), Ingo E. Fischer (24),
Felix Groteloh (8,9,22,23,36), Feras Haddad (10,11,12),
Ute Lingg (32,33), Karola Mohr (25,28), Pudels Kern (5),
Dieter Pfeiffer (32), Juli Richter (18,19), Ingo Schneider (26),
Susanne Schleyer (34), Uli Zaiser (6), übrige: FABRIKArchiv
Satz & Layout
Regina Leonhart, Hans Schmid
Druck
schwarz auf weiss
Papier
100% Recycling
Titelbild: Der Boden und das Grundwasser auf der Insel Tuvalu sind durch das Meerwasser
versalzen, die Palmen entwurzeln und fallen um — Filmstill aus dem Dokumentarfilm
„Thule Tuvalu“ von Matthias von Gunten, Schweiz 2014, © barnsteiner-film.
Rückseite: Szenenbild aus dem Kindertheaterstück „Besetzt!“
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Auflage
2.500 Exemplare
Erscheinungsweise
halbjährlich (in der Regel Juli & Dezember)
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Inhalt
auf den ersten Blick hat das Titelbild unseres Rundbriefs so gar nichts
mit uns und der FABRIK zu tun. Aber weit gefehlt! Die zerstörte Natur
auf der Südseeinsel Tuvalu ist eine der augenfälligsten Auswirkungen des
globalen Klimawandels, so wie es auch die scheinbaren, immer häufiger
auftretenden „Naturkatastrophen“ vor unserer Haustüre sind. Neben
Krieg, Gewalt und rücksichtsloser Ausbeutung der natürlichen Ressourcen
ist es der Klimawandel, der dafür sorgt, dass weltweit inzwischen 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind, Menschen, die gezwungen sind,
ihre Heimat aufzugeben, weil sie nur noch in der Fremde ein sicheres
Über­leben finden.
Uns die vielfältigen Aspekte und das Ausmaß des Klimawandels
­bewusst zu machen, ist das Ziel der Veranstaltungsreihe „Fluchtgrund
­Klimawandel“, die wir zusammen mit der Katholischen Akademie
­Freiburg und dem Förderverein für umweltfreundliche Stromverteilung
und Energieversorgung Schönau im Herbst diesen Jahres ausrichten
­werden. Mehr zu diesem Thema und Hinweise zum Programm mit
­Vorträgen, Filmen, Theater und Aktionen findet sich auf den Seiten 14
bis 16.
Natürlich berichten wir wieder über die aktuellen Aktivitäten und
­Ereignisse in der FABRIK, dem Vorderhaus und der Flüchtlingshilfe.
Unter anderem blicken wir zurück auf einen großen Abend des politischen
Kabaretts, der dem eindrucksvollen Engagement so vieler den Flüchtlingen helfender Menschen gewidmet war.
Und es gilt dieses Mal auch, Glückwünsche auszusprechen: an das
überaus aktive und erfolgreiche Mietshäusersyndikat, welches völlig zu
Recht mit dem diesjährigen Berndt-Koberstein-Preis ausgezeichnet wurde,
und an unsere Vorderhaus-Gaststätte, aus deren Mitte heraus, gerade
mal 800 m weit von der FABRIK entfernt, ein neues Restaurant mit dem
­Namen „hier & jetzt am Turmcafé“ entwachsen ist.
Das erste Halbjahr war ganz offensichtlich arbeitsreich, da darf der Juli
wie üblich ein eher ruhiger Monat werden. Aber schon im August kommt
auf uns Arbeit und auf Euch Vergnügen zu: unter sternen gibt es wieder
bewährte Lesungen in der Spechtpassage. Mitte September starten wir
dann mit den Veranstaltungen im Vorderhaus-Saal und mit dem ersten
Vortrag zum Thema „Fluchtgrund Klimawandel“.
Bis dahin grüßt
die Rundbrief-Redaktion
03 | Editorial
04 | Nachrichten
Jahresergebnis 2015 | Wärmedämmung im Hinterhaus | Koordination Flüchtlingshilfe | Jahreshauptversammlung | Wochenmarkt | Friedlicher
Drache | Under-Cover | FABRIK 2020 |
08 | Plädoyer für eine offene Gesellschaft
Ein besonderer Abend des politischen Kabaretts
von Dietrich Roeschmann
10 | FABRIK-Flüchtlingshilfe
Ein Überblick von Jeanette Bihlmaier
13 | Welche Zukunft hat das ArTik?
Eine Podiumsdiskussion im Vorderhaus
von Anja Bochtler
14 | Während wir reden, geht die Welt unter
Ein Kommentar zum Klimawandel
von Andrea Jeska
15 | Fluchtgrund Klimawandel
Veranstaltungsreihe zu den Folgen des ­Wachstums
17 | Der Traum ist aus
Ein Kommentar von Torsten Glaser, friga
18 | hier & jetzt am Turmcafé
Eine nahe liegende Gastro-Empfehlung
20 | Und jetzt nochmal!
Steffi Bürger arbeitet als Theaterpädagogin im
Kindertheater des Vorderhauses von Marion Klötzer
22 | Ein Kinderstück entsteht
Als Regieassistentin bei „Besetzt!“ von Jule Glimsche
24 | Vorderhaus-Förderkreis außer Haus
Ein Abend im Zeichen von DADA und Orientexpress
26 | Mietshäusersyndikat
Auszeichnung mit dem Berndt-Koberstein-Preis
28 | SolidarEnergie 2016
Würdigung für Petra Gack, Mike Schweizer
und elf regionale Initiativen
30 | Skandalöse Sicherheit
Missbrauchsvorwürfe gegen Blauhelmsoldaten
von Gabriele Michel, AMICA
32 | Meine schlimmste Lesung
Kolumne von Jakob Hein
34 | Hinter den Kulissen
Die Haustechniker des Vorderhauses im Gespräch
35 | Adressen & Kontakte
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Nachrichten
Der „FABRIK-Jahresbericht 2015“ ist in gedruckter Form über das Hausbüro oder per
Download von der FABRIK-Webseite erhältlich
Im Sommer wird unter diesem Dach kräftig geschwitzt
Erfreuliches Jahresergebnis
Unerträgliche Sommerhitze
Der FABRIK-Verein hat 2015 gut gewirtschaftet
Das Jahr 2014 hatte der FABRIK e.V. mit einem Minus von 30.000 €
abgeschlossen. Das war geplant gewesen, denn immerhin wurden
vor zwei Jahren das Dach des Hauptgebäudes saniert und eine neue
Solaranlage installiert – Kosten, die im Jahr 2015 wieder erwirtschaftet werden sollten. Und dies gelang sogar über die Maßen. Nicht nur,
dass das Vorjahres-­Minus ausgeglichen wurde, darüber hinaus konnten in ähn­licher Höhe Rücklagen für die anstehende Sanierung und
­Wärmedämmung des Hinterhaus-Daches gebildet werden.
Dass das Jahr 2015 finanziell so erfolgreich verlief, lag zum einen
Teil an Einsparungen, die in verschiedensten Ausgabenbereichen
möglich waren, sei es durch eigene Anstrengungen, sei es aufgrund
äußerer Faktoren (das Jahr war warm, die Heizkosten waren gering
und die Zinsen anhaltend niedrig). Zum anderen Teil verzeichneten
unsere „Zweckbetriebe“ Kultur und Keramik Umsätze wie noch nie.
Fast 400.000 € Eintrittserlöse bei gut 33.000 BesucherInnen waren
Langzeitrekord (auch bedingt durch eine ganze Reihe von Kulturveranstaltungen in größeren Sälen in der Stadt) und die Kurse der
Keramikwerkstatt kletterten auf 5.400 Kursbesuche und 48.000 €
Teilnahmegebühren.
Dank des guten Ergebnisses konnten 2015 die Schulden der
FABRIK um rund 90.000 € auf nunmehr noch 900.000 € abgebaut
werden.
Noch mehr Zahlen, aber vor allem auch eine prägnante Darstellung der Vereinsaktivitäten finden Interessierte zusammengestellt im
schon Tradition gewordenen „FABRIK-Jahresbericht 2015“.
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Eine ordentliche Wärmedämmung soll im
­Hinterhaus die Arbeitsbedingungen verbessern
Seit Jahren stöhnen in den heißen Sommermonaten die
Kursteilnehmerinnen der Pädagogischen Ideenwerkstatt
BAGAGE über die Hitze in den Seminarräumen des Hinterhauses, und auch die MitarbeiterInnen von BAGAGE wissen
ein Lied davon zu singen. Bis zu 40 °C kann es werden, trotz
nächtlichem Lüften und Tageslicht abhaltenden Jalousien.
Hitze und fehlende Frischluft machen müde und mindern
die Konzentration, sowohl im Seminar- wie im Bürobetrieb.
Abhilfe verspricht nun, nach langen Recherchen über
den Zustand der noch vorhandenen alten Dämmung (der
auch Jahre lang einige Marder zugesetzt haben) und den
technischen Möglichkeiten (bis hin zu einer zentralen Lüftungsanlage mit optionaler Klimatisierung), die geplante
Sanierung des Daches. Die alte und defekte Dämmung
zwischen den Sparren wird durch neues Material ersetzt,
eine zusätzliche Dämmschicht wird darüber gelegt, und der
Dachbelag wird erneuert. Natürlich muss für diese Arbeiten
zuvor die Solaranlage abgebaut und anschließend wieder
aufgebaut werden.
Durchgeführt werden die Arbeiten, so der Plan, im
­Dezember und Januar, und kosten sollen sie, so der Plan,
rund 90.000 €.
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Nachrichten
Wechsel in der Koordinationsstelle: auf Jeanette Bihlmaier folgt Leonora Lorena
Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ in der
Selbstverwaltung der FABRIK *
Danke Jeanette! Hallo Leo, willkommen!
Jahreshauptversammlung
Der Stab beim Organisieren und Koordinieren der diversen
Flüchtlingshilfe-Aktivitäten wird weitergegeben
Die Zeit als „Flüchtlingshilfekoordinatorin der FABRIK“ geht für Jeanette
Bihlmaier nach acht Monaten im Juli 2016 zu Ende. Seit Mai arbeitet sie fest­
angestellt in ihrem Beruf, beide Jobs lassen sich zeitlich nicht mehr vereinbaren.
Über die Zeit bei der FABRIK sagt Jeanette, dass ihr nach ihrem abgeschlossenen Studium nichts Besseres hätte passieren können. „Es ist sehr schade, dass
ich die FABRIK wieder verlassen muss. Als Flüchtlingshilfekoordinatorin konnte
ich nicht nur einiges erreichen, sondern habe auch viel gelernt, Erfahrungen
gesammelt und Freundschaften geschlossen. Jetzt freue ich mich aber auch auf
das, was kommt. Durch meinen neuen Job kann ich meine beruflichen Ziele im
Umweltschutz verwirklichen.“
Ihre Nachfolgerin Leonora Pires da Silveira e Lorena, kurz: „Leo“ genannt,
wuchs in Mosambik, Schottland und Portugal auf. Leo ist studierte Umwelt­
ingeneurin und hat in Freiburg den Master of Environmental Governance ab­
geschlossen. Danach arbeitete sie unter anderem für die Uni Freiburg, das ICLEI
Institut und schließlich zwei Jahre für die UN in Rom. Anschließend kehrte sie
nach Freiburg zurück, um sich verstärkt eigenen Projekten zu widmen.
Im letzten Herbst gründete sie zusammen mit Anderen den Verein
­„zusammen leben“. Gemeinsam werden dort Formate entwickelt, in denen sich
Geflüchtete und Stadtbevölkerung unbürokratisch und direkt begegnen können.
So entstand die Webseite zusammenessen.de, über die man direkt neue Mitbürger zu unterschiedlichen Aktivitäten einladen kann. Im Juni fand in der FABRIK
das erste von 6 Pop-Up-Dinnern statt, bei dem 50 Menschen aus verschiedenen
Ländern gemeinsam kochten, aßen und Fußball schauten. Darüber hinaus arbeitet sie im Orga-Team des AgriKulturFestival mit. „Ich freue mich sehr, für und mit
der FABRIK und St. Christoph zu arbeiten, Ideen zu entwickeln und umzusetzen.
Die FABRIK ist ein toller Ort, an dem viele spannende Organisationen und Initiativen synergetisch zusammen arbeiten. Ich möchte hier auch neue Partner und
Ideen mit ins Boot bringen.“
➔
Der alte Vorstand ist der neue
­Vorstand
Auf der alljährlichen Hauptversammlung des
FABRIK-Vereins, welche dieses Mal schon am
13. Juni 2016 stattfand, trug der amtierende
­Vorstand des Vereins seinen Rechenschaftsbericht
für das Amtsjahr 2015/2016 vor, wurde mit großem Dank entlastet, stellte sich geschlossen, weil
weiterhin mit Freude seinem Ehrenamt nachgehend, zur Wiederwahl. Er wurde denn auch ohne
Gegenstimmen in seinem Amt bestätigt.
Damit wachen Regina Leonhart, Lena Oser,
Ulrike Tauss, Ally Dolle, Andreas Förderer,
­Sebastian Hintzen, Dieter Pfeiffer und Peter Rist
ein weiteres Jahr über den Kurs und die Aktivitäten der FABRIK.
Die weiteren Themen dieser Mitgliederversammlung – wie FABRIK 2020, Flüchtlingshilfe,
Sommerfest – finden verstreut an anderer Stelle
Eingang in diesen Rundbrief.
➔
* Mehr dazu im Film „Die FABRIK in 3
­Minuten“ auf ­unserer Webseite
www.fabrik-freiburg.de
Bürozeiten: Mo + Do 13-16 Uhr, Tel.: 0761-50365-53
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Nachrichten
Irmi Lapp war vom Anfang an beim Wochenmarkt der FABRIK dabei
Gertrud Schröder leitet den Friedlichen Drachen
Nachrichten vom Wochenmarkt
22 Jahre in der FABRIK
Personelle Wechsel und neue Angebote
Seit nahezu 10 Jahren gibt es ihn nun, den Wochenmarkt in der FABRIK. In dieser
Zeit hat sich das Bild des Marktes immer wieder verändert, doch viele Marktbeschicker der ersten Stunde sind noch heute vertreten.
Umso bedauerlicher ist es nun, dass sich vor kurzem Irmi Lapp, eine typische
Marktfrau und von Beginn an mit dabei, vom Wochenmarkt verabschiedet hat.
Relativ kurzfristig teilte sie uns mit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht
mehr am Markt teilnehmen kann. Eine schon vor Jahren festgestellte ArthroseErkrankung in den Handgelenken zwingt sie nun endgültig zur Aufgabe ihres
Obst- und Gemüsestandes.
Kunden und Kollegen werden Irmi Lapp und ihre freundliche Art vermissen.
Die FABRIK und die Marktbeschicker danken ihr herzlich und schenken ihr zum
Abschied ein Essen im Vorderhaus und einen Besuch einer Vorderhaus-Veranstaltung.
Als Nachfolger stellte sich Anfang Juni Ben Tiglis vor. Unter dem Namen Lukas Obst und Gemüse startete er vor acht Jahren sein Unternehmen mit dem Kauf
einer Gärtnerei in Ihringen. Heute ist er auf verschiedenen Wochenmärkten vertreten und beliefert außerdem mehrere Einzelhändler und Gastronomen mit seinem
Obst und Gemüse. Herzlich Willkommen, alles Gute und viel Erfolg wünschen wir
ihm!
Seit kurzem auf dem Markt sind Thomas Hellinger und Stephanie Rehmann
von der Firma Trivega mit ihren veganen Produkten. Mit diesem Angebot möchten
sie Menschen ansprechen, die sich vegan ernähren, und damit den Markt einem
anderen Publikum öffnen. Ihr Stand ist der erste und einzige mit veganen Lebensmitteln auf Freiburger Wochenmärkten. Auch diesen beiden viel Glück und Erfolg.
Ebenfalls erwähnenswert finden wir, dass vor etwa einem Jahr die Marktbeschicker damit begonnen haben vier Flüchtlingsfamilien in Horben jeden Samstag
mit Obst, Gemüse und Backwaren zu versorgen. Seit Anfang 2016 kommen auch
Flüchtlingsfamilien in St. Christoph in diesen Genuss.
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Der Friedliche Drache feiert mit
einer Veranstaltungsreihe
„Kraft der vier Tiere“ ist das Leitthema, unter
dem der Friedliche Drache – Schule für Kampfkunst und Meditation, geleitet von Gertrud
Schröder (Long Ping), dieses Jubiläum feiert.
Die vier Tiere – Bär, Kranich, Tiger und
Schlange – sind seit jeher Inspiration und
Symbol für grundsätzliche Lebensqualität. Sie
dienen als Metapher für die Themen Stabilität,
Aufrichtung, Präsenz und Beweglichkeit.
Vom 31. Juli bis 13. August bieten erfahrene
ReferentInnen im Dojo mehrere Workshops
und Kurse an. Im Vorderhaus wird es zudem
Aufführungen von TeilnehmerInnen der Sommerprojektwochen geben, unterstützt von
Lichteffekten und Live-Musik.
Darüber hinaus steht ein Obertonkonzert
des international bekannten Duos „AlienVoices“ auf dem Programm.
➔
Weitere Infos unter:
www.friedlicherdrache.de
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Nachrichten
Ein bißchen futuristisch: der Under-Cover-Kapuzen-Schirm
Unter diesem Motto und Logo organisiert die AG Soziales Miteinander ihre Aktionen
Under Cover
FABRIK und die Zukunft
Die Fahrradwerkstatt hilft mit,
Radfahrende vor Regen zu schützen
Regen gab es ja nun wirklich genug in diesem Frühjahr, und welcher passionierte Radfahrer kennt sie
nicht, den lästigen Tanz mit der Regenhose oder die
Beinah-Unfälle, wenn sich das Cape mit dem Lenker
verheddert. Kurz: Regen und Radfahren, da gibt es
keine richtig befriedigende Lösung. Oder doch?
Seit April fährt Ally Dolle von der Fahrradwerkstatt mit einem bizarren Konstrukt durch Freiburg:
dem Under-Cover-Kapuzen-Schirm. Der Schirm hat
eine Aussparung, durch die der Kopf gesteckt wird
und damit freie Rundumsicht ermöglicht. Verstaut
in einer Hülle und befestigt am Fahrradrahmen ist
er jederzeit verfügbar und einsatzbereit.
Erfunden hat den Schirm Thomas Schmidt und
zusammen mit der Fahrradwerkstatt entwickelt und
gebaut. In diesem Frühjahr wurde der Under-CoverSchirm erstmals auf der Spezialradmesse Spezi
präsentiert und wird nun in erster Serie im Frühjahr
2017 auf den Markt kommen.
➔
Aktuelle Infos unter:
www.under-cover.biz
Im Projekt „FABRIK 2020“ wird es jetzt konkret
Ende 2014 wurde mit dem „FABRIK 2020-Handbuch“ ein Zwischen-Resümee der bisherigen Arbeit zur Zukunftsgestaltung gezogen. Das Handbuch
dient seither als Arbeits- und Ideengrundlage für die Steuerungsgruppe. 2015
lag der Schwerpunkt bei den Arbeitsgruppen und in diesem Jahr geht es konkret um die Fragen: Was passiert in der FABRIK, wenn die Geschäftsführer,
langjährige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Rente oder Teilzeitrente gehen? Was passiert mit der FABRIK, wenn es den einen Betrieb oder die andere
Einrichtung nicht mehr gibt? Was passiert mit den Strukturen im Verein und
den Werten und Traditionen, die die FABRIK ausmachen? Spannende Fragen,
zu denen es im Herbst ein Plenum mit allen Einrichtungen geben wird.
Aber nicht nur die Steuerungsgruppe ist aktiv, auch die anderen AGs treffen sich regelmäßig.
Wie im letzten Rundbrief schon erwähnt, ist die AG Öffentlichkeit noch
mit dem gemeinsamen Logo für alle Betriebe und Einrichtungen beschäftigt,
um von außen als Teil der FABRIK erkennbar zu sein.
Die AG Transparenz und Integration wiederum möchte die vielen FABRIKEinrichtungen besser im öffentlichen Bereich von Vorderhaus und Vorderhof
präsentieren. Denn die FABRIK ist ja mehr als nur das Vorderhaus mit seiner
Kultur und der Gaststätte.
Die AG Synergien versucht, Wissen und Potenzial von einzelnen an alle zu
vermitteln. Dazu möchte sie das interne FABRIK-Forum wiederbeleben und
attraktiver machen.
Momentan gibt es auch eine temporäre AG. Diese plant unser gemeinsames Sommerfest, das im September stattfinden wird. Und die AG Soziales
Miteinander bemüht sich regelmäßig um gemeinsame Mittagessen, plant
Diavorträge, z.B. über Kuba, organisiert eine Fahrradputzete und vieles mehr.
Dafür wurde sogar ein eigenes Logo geschaffen.
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Politisches Kabarett
Plädoyer für eine offene Gesellschaft
Dietrich Roeschmann berichtet von einem grandiosen Abend des politischen Kabaretts
I
rgendwann ist einfach mal ein Dank fällig. Für Hilfe, die keiner
gefordert hat, sondern die einfach kam, ohne Bitten und Betteln.
Und für Dinge, die nicht selbstverständlich sind – obwohl wir wissen, dass sie es sein sollten, wenn wir die offene Gesellschaft nicht
als Utopie begreifen, sondern als die gelebte Idee von Solidarität.
Ende Januar lud deshalb das Vorderhaus gemeinsam mit dem Theater Freiburg zum Benefiz-Abend ins Große Haus, um den vielen
ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu danken, die sich seit
vergangenem Sommer für die mittlerweile rund 3800 Flüchtlinge in
der Stadt engagieren. Sie tun das über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg und ungeachtet vieler Beschränkungen durch Politik,
Bürokratie, ungeklärte Zuständigkeiten, die eigene Überforderung
oder den Spott der Besitzstandswahrer, die Engagement für andere
schon immer als Ego-Trip der Hilfsbereiten disqualifiziert haben.
Auch deshalb sollte der Abend mehr werden, als eine pflichtschuldige Geste des Dankes. Sämtliche Einnahmen der Veranstaltung, verkündete Martin Wiedemann zu Beginn auf der Bühne,
würden der solidarischen Arbeit in der Notunterkunft Waltershofener Straße und im Flüchtlingswohnheim St. Christoph zu Gute
kommen, für die das Theater Freiburg und die FABRIK-Flüchtlingshilfe Patenschaften übernommen haben.
Die Veranstaltung war schon Wochen zuvor ausverkauft. Kein
Wunder. Auf dem Programm standen neben den begnadeten Freiburger Jazzern von Sax‘n‘Hop zwei Giganten des politischen Kabaretts: Georg Schramm und Matthias Deutschmann. In der Regel
reicht einer von ihnen, um das Haus voll zu kriegen.
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Nun kann man sich fragen: Was hat politisches Kabarett mit
alltäglicher Unterstützungsarbeit wie Hausaufgabenhilfe für syrische Kinder, privaten Deutschkursen, der Begleitung zu Behörden
und Ärzten oder dem Teilen gemeinsamer Zeit zu tun? Oder anders
gefragt: Ist es eine gute Idee, den Dank an Bürgerinnen und Bürger,
die sich aus den unterschiedlichsten, keinesfalls immer politischen
Motiven für andere engagieren, mit einer grundsätzlichen, oft provokativen System- und Kapitalismuskritik zu verbinden, für die
Schramm und Deutschmann stehen?
Ja, das ist es – auch wenn sich an diesem Abend nicht alle
gleichermaßen wohlgefühlt haben dürften. Aber gerade das Nebeneinander von Einverständnis und Abwehr, das unter anderem
bei den vielen bösen Spitzen gegen Merkel und Kretschmann im
Saal spürbar wurde, machte diesen Abend zu einem Lehrstück
über die Frage, ob und wie politisches Kabarett angesichts einer
zunehmend als komplex empfundenen Wirklichkeit heute noch
Wirkung entfalten kann.
Oft geht politisches Kabarett von einer stillschweigenden Übereinkunft aus, ohne diese jedoch selbst einzufordern. Denn in der
Regel ist es das Publikum, das diese Übereinkunft sucht, indem es
das Ticket für Veranstaltungen löst, wo es zu hören bekommt, was
es hören möchte und auch herbe Provokationen den Konsens nicht
gefährden. Insofern unterscheidet sich das politische Kabarett nicht
grundlegend von der Mainstream-Unterhaltung im Wir-Modus.
Doch es kennt unterschiedliche Möglichkeiten, dieses Wir zu aktivieren.Wenn Georg Schramm mit analytischer Schärfe und dem oft
Politisches Kabarett
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
von ihm zitierten „Zorn“ Papst Gregors I. auf aktuelle Ereignisse und ihre medialen
Verzerrungen blickt, geht es ihm darum, sein widerständiges Potenzial hervorzukitzeln.
Matthias Deutschmann dagegen umkreist dieses Wir lieber in immer neuen sprachlichen und inhaltlichen Wendungen, nicht zuletzt um es in Schach zu halten – mit gutem
Grund. Denn wer sich Gedanken über das Zusammenleben in der offenen Gesellschaft
macht, darf nicht aus dem Blick verlieren, dass jedes Wir ein Ihr hervorbringt, jede
Mehrheitsgesellschaft ihre Minderheiten, jede Mitte ihre Peripherie.
Zusammen genommen bildeten diese beiden Haltungen einen idealen Boden für
eine satirische Tour de Force durch die Bedeutungshöfe aktueller Politik, in der kein
Platz für warme Worte blieb. Georg Schramm, der zum Auftakt in seiner Rolle als
Oberstleutnant Sanftleben die „herausragende Bedeutung der Flüchtlingshilfe für die
Stimmung an der Heimatfront“ beschwor, rechnete später die Überlebenschancen
libyscher Bootsflüchtlinge gegen ihr Risiko auf, im eigenen Land Opfer der Auswirkungen des „Krieges zwischen Arm und Reich“ zu werden, den der US-amerikanische
Finanzspekulant Warren Buffett – selbst einer der reichsten Männer der Welt – vor einiger Zeit als Hauptkonflikt der Gegenwart identifizierte. Für Schramm hat dieser Krieg
viele Gesichter: Von der Griechenlandkrise über TTIP bis zum Klimawandel. Dass er
längst auch bei uns zur Entsolidarisierung mit den Ärmsten und zur massiven sozialen
Segregation führt, zeigt sich nicht zuletzt an der Stigmatisierung von Wirtschaftsflüchtlingen und der Fiktion sicherer Herkunftsländer.
Matthias Deutschmann entwickelte seine Pointen dagegen nicht entlang der großen, analytischen Erzählung der Weltwirtschaftspolitik, sondern aus einem Puzzle von
Beobachtungen aus der jüngeren deutschen Geschichte heraus. In seinem furios durch
die Untiefen medialer Sprach- und Identitätskonstruktionen mäandernden Vortrag
schlug er am Ende den Bogen zwischen den Slogans „Wir sind sind das Volk!“ und
„Wir schaffen das!“ Man kann das perfide nennen – oder extrem hellsichtig. Denn
die Fragen, die sich daran anschließen, zielen im Kern auf das Selbstverständnis der
Gesellschaft: Wovon sprechen wir, wenn wir „Wir“ sagen? Wird es größer, je mehr
Flüchtlinge nach Deutschland kommen? Gehören auch sie dann zu diesem Wir, das
nur durch die Integration aller denkbar ist?
So unterschiedlich die Perspektiven waren, aus denen Schramm und Deutschmann
hier die aktuelle Flüchtlingspolitik und die Gründe für Flucht und Migration unter die
Lupe nahmen, so ideal ergänzten sich die beiden an diesem Abend. Gemessen an der
kalkulierten Ausgewogenheit vieler Flüchtlingsdebatten in den Medien, könnte man
fast versucht sein, ihre Positionen radikal zu nennen. Aber stimmt das eigentlich? Ist
es wirklich radikal zu wollen, dass die Reichtümer dieser Welt gerecht verteilt werden,
und sich dafür einzusetzen, dass jeder Mensch ein Leben in Würde führen kann? Ist
es radikal, die eigene Rolle bei der Entwicklung von Krisen zu hinterfragen, die den
Menschen eben dieses Leben verunmögllichen? Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil:
Es ist eine Selbstverständlichkeit. Genau das zu zeigen – „mit klarem Kopf und heißem
Herz“, wie Georg Schramm sagt – macht die Wirksamkeit des politischen Kabaretts
aus, das ungeachtet der Empfindlichkeiten seines Publikums nicht müde wird, die Voraussetzungen und Regeln des Zusammenlebens immer wieder neu zu diskutieren und
das gerade in seiner Unversöhnlichkeit einen pointierten Beitrag zur kulturellen und
politischen Debatte über die Zukunft der offenen Gesellschaft leistet.
Dietrich Roeschmann
ist freier Journalist und lebt
in Freiburg
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016FABRIK-Flüchtlingshilfe
FABRIK-Flüchtlingshilfe
Ein Überblick der aktuellen Aktivitäten von Jeanette Bihlmaier
Im letzten Rundbrief berichteten wir
ausführlich über das Engagement der FABRIK für Flüchtlinge und die Patenschaft
für das Flüchtlingsheim St. Christoph.
Mittlerweile hat sich einiges getan.
Seit letzten November koordiniere
ich im Hausbüro die Flüchtlingshilfe in
jungen Menschen (meist Studierenden),
die Patenschaften für geflüchtete Kinder/
Jugendliche vermitteln sowie die Initiative
von „zusammen essen, denken & leben“.
Auch ein paar Einzelne sind dabei, die auf
die Flüchtlingshilfe in der FABRIK aufmerksam wurden und sich ehrenamtlich
schenkte Fahrräder mit professioneller
Unterstützung für den Eigengebrauch
instandsetzen. Die reparaturbedürftigen
Fahrräder wurden auf unterschiedlichen
Wegen gespendet. Den größten Erfolg
hatte eine Plakat-Aktion auf dem Samstags-Markt der FABRIK. Nach dem Motto
der FABRIK. Von meinem Arbeitsplatz
aus spinne ich die Fäden zwischen der
FABRIK und anderen Flüchtlingshelfenden. Das sind zum einen die Betriebe und
Mitglieder der FABRIK und die Sozialarbeiter und Flüchtlinge aus St. Christoph.
Zum anderen gibt es einen „Freundeskreis Asyl“ von St. Christoph, die vom
Droste-Hülshoff-Gymnasium gegründete
DIFF (Droste Initiative für Flüchtlinge)
aus engagierten Eltern, LehrerInnen und
SchülerInnen, die Initiative „Schlüsselmensch e.V“, ein Zusammenschluss aus
engagieren wollen.
Gemeinsam wurden bis heute einige
Projekte erfolgreich umgesetzt – manche
sind bereits abgeschlossen, manche laufen
noch aktuell – und weitere befinden sich
in der Planungs- bzw. Umsetzungsphase.
Das erste Projekt initiierte die Fahrradwerkstatt mit: „Fahrräder selbst reparieren unter fachkundiger Anleitung“. Es
ist wegen der andauernden Nachfrage ein
Dauerbrenner geworden. Jeden Mittwochvormittag steht die Fahrradwerkstatt
der FABRIK Flüchtlingen offen, die ge-
„Ein Fahrrad ist kein Fahrrad, wenn niemand damit fährt“ wurde auf den Bedarf
an Fahrrädern aufmerksam gemacht. Auf
demselben Weg konnten ebenso alte Stühle
akquiriert werden, die unter der Anleitung
von BAGAGE für das neue Begegnungscafé hergerichtet und künstlerisch gestaltet
wurden.
Seit einigen Wochen können Flüchtlinge übrig gebliebenes Obst, Gemüse und
Backwaren vom Samstags-Markt auf dem
FABRIK-Gelände kostenlos abholen und
an BewohnerInnen des Flüchtlingsheims
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
FABRIK-Flüchtlingshilfe
verteilen. Obwohl das ein oder andere
„deutsche Wintergemüse“ anfänglich auf
Skepsis stieß, werden die Lebensmittelspenden mit Dankbarkeit angenommen.
Im März wurde endlich das lang geplante und lang ersehnte „Begegnungscafé“ in St. Christoph eröffnet. Ungezwungen und in angenehmer Atmosphäre
können Freiburger und Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft zusammen kommen, es gibt Kaffee, Tee und Kuchen,
dabei entstehen angeregte Gespräche und
Freundschaften. Das Café ist jeden zweiten Freitag ab 15 Uhr geöffnet. Jede/r ist
herzlich willkommen.
Bei der Eröffnungsfeier des Begegnungscafés wurde ein weiteres Projekt
umgesetzt. Die Schreiner aus der Freien
Holzwerkstatt in der FABRIK bauten gemeinsam mit den Kindern aus St. Christoph verschiedene Holzspielsachen. Als
Vorlage dienten bewährte Spielgeräte des
Eine weitere gute Gelegenheit zum
Kennenlernen bot auch die Aktion der
Initiative „zusammen essen, denken & leben“ Anfang Juni in der FABRIK. Etwa 40
bis 50 Menschen waren beim Schnippeln,
Kochen und Essen dabei und gemeinsam schauten alle das EM-Fußballspiel
Deutschland-Ukraine.
In Planung sind momentan ein „Kinder-Töpfer-Projekt“ der Keramikwerkstatt sowie das schon weit fortgeschrittene
Gartenprojekt „Begegnungsoase“. Auf St.
Christoph soll ein Garten entstehen, der
BewohnerInnen von St. Christoph nicht
nur den Anbau von Kräutern, Obst und
Gemüse in Hochbeeten ermöglicht, sondern auch als „Gemeinschaftsraum im
Grünen“ dienen soll.
Das einzige Projekt, welches nicht in
direktem Zusammenhang mit St. Christoph steht, ist der Spielplatzbau für das
Flüchtlingsheim in Hochdorf durch BA-
Spielmobils Freiburg, welches ebenso vor
Ort war und während der Aktion zusätzlich
für Spaß und Unterhaltung sorgte.
Auch ein Highlight an diesem Tag war
sicherlich die Fotoaktion von BAGAGE.
Fotografiert wurden die BewohnerInnen
von St. Christoph, die Besucher und verschiedene Gruppen, die sich an diesem
besonderen Tag gefunden hatten. Die entstandenen Fotos wurden bei den folgenden
Café-Nachmittagen in große Bilderrahmen
geklebt und erinnern im Café-Raum nun
dauerhaft an die schöne Eröffnungsfeier.
GAGE. Holz-Sitzhocker als Teilelemente
des geplanten Spielplatzes wurden bereits
im Juni durch Ehrenamtliche aus Hochdorf und Mitarbeiter von BAGAGE vorbereitet. Dabei wurden 130 Baumscheiben
aus Robinienholz gesägt und geschliffen.
Die eigentliche Aktion „Platz nehmen“ findet am 5. August in Hochdorf statt.
Wo viele Menschen aufeinandertreffen,
gibt es auch Probleme – unterschiedliche
Kulturen und Ethnien begegnen sich. Immer wieder hapert es an der mangelnden
Kommunikation und Organisation sowie
Bei der Eröffnung des „Begegnungscafés“ konnten
die Kinder Spielgeräte ausprobieren und nachbauen, und wer wollte, konnte sich fotografisch
an der Wand verewigen lassen.
BAGAGE sorgt nicht nur für Mal- und andere Mitmachaktionen auf St. Christoph, sondern bereitet
auch, wie hier mit der Produktion von Sitzhockern,
die Spielplatzgestaltung im Flüchtlingsheim Hochdorf vor.
Die Mädchen-Tanzgruppe war nur eine von zahl­
reichenden Attraktionen beim Sommerfest.
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016FABRIK-Flüchtlingshilfe
an nicht eingehaltenen Absprachen und Zeitvorgaben. Deshalb kamen auch zwei
Projekte, die „Bewegungsgruppe für Frauen“ sowie das „Hallenfußball-Projekt“,
letztendlich nicht zustande.
Ein Höhepunkt in der Flüchtlingsarbeit war sicherlich das Sommerfest am
9. Juli, anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von St. Christoph. Dabei stand die
FABRIK mit Rat und Tat zur Seite. So wurden unter anderem die Getränke und
Bierbänke, der Saftladen und eine Bühne für die „Show-Acts“ von der FABRIK
organisiert. Die Motorädler sorgten – wie sonst auch bei FABRIK-Festen üblich – für den Grillstand, während andere FabriklerInnen an den verschiedenen
Essens- und Getränkeständen tätig waren. BAGAGE lud mit ihrer bereits erwähnten Aktion ein weiteres Mal zur kreativen Gestaltung von Stühlen für den
Café-Raum ein, es gab eine Zirkus-Jonglage zum Mitmachen und das Spielmobil
beglückte wieder die Kinder.
Die Bewohnerinnen und Bewohner von St. Christoph selbst boten den
Festgästen nicht nur leckere arabische Spezialitäten, sondern sorgten auch für
ein buntes Programm: eine Mädchengruppe führte Tänze vor, Rapper traten auf,
eine syrische Band und Terricafò, eine afrikanische Trommelgruppe, spielten,
eine Bauchtänzerin begeisterte und DJs begleiteten durch den Abend. Diese Attraktionen und die vielen Menschen verwandelten St. Christoph in einen bunten
Festplatz – bis in die späten Abendstunden wurde geredet, gelacht und getanzt.
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Gemeinsame Arbeit und gemeinsames Vergnügen — die verschiedenen Helferkreise und die
­BewohnerInnen fanden beim Sommerfest auf St. Christoph bestens zusammen.
Die Flüchtlingsarbeit ist ein stetiger Lernprozess – sowohl auf der Seite
der Ehrenamtlichen, als auch auf der Flüchtlingsseite. Man muss lernen, sich
aufeinander einzustellen und die Eigenheiten des Gegenübers zu akzeptieren.
Aber wie sagte Marion Klötzer im letzten Rundbrief so schön: „Große
Aufgaben brauchen viele Menschen, die Ideen haben und anpacken … Hier
wird angepackt!“
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Koordinationsstelle
der ­FABRIK-Flüchtlingshilfe
¬ Leonora „Leo“ Lorena
Tel. 0761/ 50365-53
Bürozeiten: Mo+Do 13-16 h
[email protected]
Begegnungscafé auf St. Christoph
Hermann-Mitsch-Straße 13
vierzehntägig freitags 15-18 h
15.07. / 29.07. / ...
[email protected]
Fahrräder für St. Christoph
Die Fahrradwerkstatt repariert
zusammen mit Flüchtlingen
­gespendete Fahrräder
¬ Ally Dolle
[email protected]
BAGAGE organisiert verschiedene
kreative Mitmach-Aktionen auf
St. Christoph
BAGAGE plant und baut den
Spielplatz im Flüchtlingsheim
Hochdorf, Leinenweberstraße 1a
dort: Aktionstag am 5. Aug. 10-17 h
¬ Dagmar Schulz-Stadelmann
[email protected]
Begegnungsoase
Gardening-Projekt im Außen­
bereich von St. Christoph
¬ Jenny Lay-Kumar
jennys-gartenblog.de
Kochen, Essen, Treffen ...
Gemeinsames Kochen und Essen
in der FABRIK, auch in Zusammen­
arbeit mit der Initiative „zusammen essen, denken und leben“
¬ Leo Lorena
zusammenessen.de
[email protected]
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
ArTik
Wieviel Jugend
braucht die Stadt?
Anja Bochtler hat im Vorderhaus
eine Podiumsdiskussion über die Zukunft
des ArTiks verfolgt
W
ie geht es weiter mit dem Jugendkulturzentrum ArTik? Eigentlich sollte der Gemeinderat am 21. Juni über dessen Zukunft
entscheiden. Dann aber vertagte der Oberbürgermeister Dieter
Salomon das Thema auf Ende Juli, wenn die Finanzlöcher im städtischen Haushalt auf der Tagesordnung stehen. Bei einer Podiumsdiskussion im „Vorderhaus“ Mitte Juni wurden die Fronten deutlich: Die
meisten Fraktionen können sich das
ArTik im ehemaligen ADAC-Gebäude
am Karlsplatz vorstellen, nicht aber
die Grünen und die CDU.
Besonders oft rechtfertigen
muss sich während der Diskussion
Anke Dallmann, Stadträtin der Freien
Wähler. Und das, obwohl sie immer
wieder betont: „Wir sind fürs ArTik.
Da tummelt sich ein wahnsinnig engagierter Haufen“. Trotzdem hatten
die Freien Wähler überraschend
vorgeschlagen, erst in der zweiten
Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause zu entscheiden. Und
so lange noch zu prüfen, ob es günstigere Möglichkeiten gibt als
die seit langem im Raum stehende Karlsplatz-Variante, bei der die
Mindestkosten für den nötigen Umbau auf mehr als 700.000 Euro
geschätzt werden. Anfangs war die Stadtverwaltung von 400.000
Euro ausgegangen.
Die höhere Summe sei für eine Zwischenlösung zu teuer, argumentieren CDU und Grüne. Sie sind für einen Neubau und hatten als
Standort ein Gelände des Bauunternehmers Peter Unmüßig hinter
der Blauen Brücke vorgeschlagen, als dieser noch gar nichts davon
wusste. Ein Neubau sei „kostenmäßig sinnvoll“, weil das ehemalige
ADAC-Gebäude höchstens noch fünf bis zehn Jahre genutzt werden
könne, argumentiert Theodor Lammich von der Jungen Union, der
Vertreter der CDU. Der Karlsplatz solle überplant und das ADACGebäude bis dahin günstiger als fürs ArTik genutzt werden, bestärkt
ihn Thilo Buchholz, Ex-Stadtrat und Vertreter der Grünen. Er appelliert an die ArTik-Leute: „Öffnet euch, denkt mal drüber nach!“
Das kommt schlecht an: „Wir hätten mit solchen Visionen gern vor
Jahren begonnen“, entgegnet Moritz Schulz vom ArTik. Denn seit
etlichen Jahren sei klar, dass das ArTik nicht unterm Siegesdenkmal
bleiben konnte. Doch erst knapp vor der Abstimmung seien plötzlich
Alternativen zur Karlsplatz-Variante aufgetaucht, die bis dahin nie
zur Diskussion gestanden hätten: „Das erstaunt.“
Für die SPD-Stadträtin Julia Söhne ist klar: „Das ist Hinhaltetaktik.“ Wenn es jetzt eine Pause
gebe, sei das ArTik-Projekt kaputt,
weil es keine Pause überbrücken
könne. Thilo Buchholz wehrt sich:
„Alle wollen das ArTik. Es gibt
keine Hinhaltetaktik.“
Was soll überhaupt aus dem
ArTik werden? ArTik-Vertreter
Konstantin Rethmann beschreibt
die Pläne: „Uns geht’s um Weiterentwicklung.“ Im ArTik solle eine
Anlauf- und Begegnungsstelle
entstehen, mit Ateliers, Tonstudios, Projekträumen und anderen kreativen Möglichkeiten. Und mit
neuen Kooperationspartnern wie dem E-Werk und dem Vorderhaus.
Ein Ort für Ideen, der aber keinen perfekten Neubau brauche. Eine
solche Insel sei am Karlsplatz dringend nötig, sagt Irene Vogel,
Stadträtin und Vertreterin der Unabhängigen Listen: Dort drohe
eine „Shoppingkaserne“, wenn die Stadtverwaltung bald ausziehe.
Dann sei die gesamte Innenstadt kommerzialisiert, überall fehlten
kreative Freiräume ohne Konsumzwänge. Ähnlich sieht das Sergio
Schmidt, Stadtrat und Vertreter der Fraktionsgemeinschaft von
Jungem Freiburg, der Partei und der Grünen Alternative (JPG), der
eine zunehmende Gentrifizierung kritisiert: „Ich glaube, es gibt eine
Vorstellung, wie die Innenstadt aussehen soll, und danach wird gestaltet. Aber das geschieht nicht für uns,
nicht für alle Menschen in Freiburg!“
Anja Bochtler
ist freie Journalistin
und lebt in Freiburg.
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Fluchtgrund Klimawandel
F
ast täglich liest man heute über eine Art biblische Plage mit dem
Namen Klimakatastrophe. Selbst Wikipedia kennt das Wort und
definiert es als die Folge von unkontrollierter globaler Erwärmung. Die
Klimakatastrophe, sie ist Schuld an Dürren, dem Vorwandern der Wüsten, an Überschwemmungen, Starkregenfällen, Stürmen, dem Schmelzen des Polareises. Sie ist, diesen Eindruck gewinnt man, ein Ding, auf
das wir keinen Einfluss haben.
Nennen wir das Kind doch beim korrekten Namen. Der muss
lauten: wir erleben gerade eine Menschenkatastrophe. Mit zweierlei
Bedeutung: 1. eine von Menschen gemachte Katastrophe, 2. eine Katastrophe für die Menschen (und die Tiere). Denn hier gilt: Was die einen
verursacht haben, müssen die anderen ausbaden.
Nun gehört es normalerweise zum guten Benehmen, dass man
auslöffelt, was man eingebrockt hat und sein Handeln korrigiert. Nicht
so, wenn es um den Klimawandel geht. Weiterhin und irgendwie seltsam
unbeeindruckt von allen Fakten und Warnungen sorgen wir dafür, dass
die globale Erwärmung fortschreitet und in Folge unsere Mitmenschen,
deren Kinder und Kindeskinder ihre Existenz verlieren, ganze Völker
ihre Heimat, Wurzeln und Traditionen aufgeben müssen.
Wir nämlich
können es uns
leisten, unbeeindruckt zu sein. Wir,
die westlichen Länder als Verursacher
der Klimakatavon Andrea Jeska
strophe, haben die
finanziellen Mittel
und das Know-how, die technischen Möglichkeiten und die Experten,
uns vor dem, was durch den Klimawandel auf uns zukommt, zu schützen. Sicherlich, auch bei uns werden Ufer überschwemmt, es schmelzen Gletscher, mancherorts wird
das Trinkwasser weniger, Stürme machen Europa zu schaffen.
Während wir reden,
geht die Welt unter
Ein Kommentar
Andrea Jeska
ist Journalistin
und schreibt seit ­Jahren
über die Folgen des
­Klimawandels.
Im Rahmen der
Veranstaltungsreihe
„Fluchtgrund
Klima­wandel“
hält sie am
7. Dezember
im Vorderhaus
einen Vortrag
unter dem Titel
„Rette sich, wer kann!“.
Aber wir werden all das überleben – ohne Hungersnot, Vertreibung, Flucht. Wir werden mit unserem Geld Dämme bauen gegen das Meer und Entwässerungssysteme gegen Starkregen, wir werden
wissen, wie man genügend anbaut, auch wenn der Boden austrocknet und wenn das alles nichts hilft,
dann wandern wir auf den Mars aus. Wir, wohlgemerkt. Nicht jene, die bis dahin gar nichts mehr
haben, als Klimaflüchtlinge in Lagern leben oder verzweifelt an die geschlossenen Pforten von Europa
klopfen. Nicht jene, deren Inseln untergehen, deren Böden austrocknen, versalzen.
Wir, die wir unseren Lebensstandard durch jene Industrien geschaffen haben, die die Natur zerstörten und das Klima ausser Rand und Band brachten, leisten es uns weiterhin, nicht zu handeln,
sondern endlos darüber zu diskutieren, wie wir handeln können, ohne Einbussen für unsere Wirtschaft, unsere Bequemlichkeit, unseren Luxus. Und noch während wir reden, wird ein Teil der Welt
untergehen, wird das Klima ein Fluchtgrund für womöglich Abermillionen sein.
Sind wir für diese gerüstet? Klar. Wir haben doch just gelernt, wie man unüberwindliche Zäune
baut.
Quelle: http://webspecial.derbund.ch/longform/klimaflucht/fluechtlingsstatus
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Fluchtgrund Klimawandel
Flucht vor den Folgen
des Wachstums
„Fluchtgrund Klimawandel“: Der FuSS e.V.,
die FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.
und die Katholische Akademie Freiburg
laden zur gemeinsamen Veranstaltungsreihe
Man muss in einem heißen Sommer oder dem über die Ufer springenden Bach,
der als reißender Strom kürzlich das idyllische Braunsbach in Baden-Württemberg verwüstete, nicht gleich die Vorzeichen des Weltuntergangs sehen, um zu
erkennen, dass der Klimawandel längst auch bei uns spürbare Folgen zeitigt.
Was wir dabei gerne verdrängen, ist, dass wir selbst es sind, die durch globalen
Handel, die Verbrennung fossiler Ressourcen, durch Verkehr, Industrie und Landwirtschaft die schleichende Erderwärmung mit begünstigen, die derart extreme
Wetterereignisse mit bewirkt.
Fakt ist: Regionales Handeln kann globale Folgen haben. Und auch dies ist klar: Es gibt eine Beziehung
zwischen unserem Lebensstil und den Folgen, die Millionen von Menschen in anderen Teilen dieser Welt die
Existenzgrundlage entziehen. Nach Schätzungen der UNO sind gegenwärtig rund 60 ­Millionen Menschen auf
der Flucht vor Terror, Krieg und ­Vertreibung – und immer öfter auch vor Dürren oder Überschwemmungen.
Wenn in ­der gegenwärtigen Diskussion über die Beseitigung von Fluchtursachen gesprochen wird, müssen
wir auch darüber reden, was wir selbst durch unser längst als selbstverständlich empfundenes Streben nach
einem besseren, komfortableren zu diesen Ursachen beitragen.
Um diese Zusammenhänge in den Blick zu nehmen, laden der Förderverein für umweltfreundliche
Stromverteilung und Energieerzeugung Schönau, kurz: FuSS e.V., die FABRIK für Handwerk, Kultur und
Ökologie e.V. und die Katholische Akademie Freiburg in den kommenden Monaten gemeinsam zu der Veranstaltungsreihe „Fluchtgrund Klimawandel“ ein. In Vorträgen, Filmen, Theater und Gesprächen will die Reihe
unterschiedliche Aspekte des Zusammenhangs von Ökologie und Migration zur Diskussion stellen und den
Blick für die vielfältigen, oft katastrophalen Konsequenzen des ungebremsten, globalen Wachstums für die
Umwelt, Gesellschaft und die Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern
schärfen.
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Veranstaltungsprogramm: nächste Seite
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Fluchtgrund Klimawandel
FLUCHTGRUND KLIMAWANDEL - Programm
16.9.2016, 19.00 Uhr
Vortrag
Prof. Dr. Walter Kälin (Universität Bern)
Katholische Akademie Freiburg,
Wintererstr. 1
Prof. Dr. Walter Kälin, emeritierter Ordinarius für Staats- und Völkerrecht an der Universität Bern, wird in seinem Vortrag auf die Tatsache eingehen, dass das g­ eltende
Recht Menschen, die wegen Katastrophen und schleichenden Umwelt­veränderungen
fliehen, nicht als Flüchtlinge anerkennt. Kälin stellt die Frage, ob sie trotzdem Schutz
verdienen – und wie dieser gewährt werden kann.
9.10.2016, 19.00 Uhr
Vortrag Alexander Carius (adelphi BERLIN)
Katholische Akademie Freiburg
Wintererstr. 1
Die Flüchtlingssituation seit Herbst 2015 gab einen Vorgeschmack auf die Phänomene wachsender globaler Mobilität in Entwicklungs- und Schwellenländern und
die damit verbundenen globalen Herausforderungen. Die Folgen des Klimawandels
werden Flucht und Migrationsbewegungen innerhalb und zwischen Staaten verstärken. Alexander Carius, umwelt- und entwicklungspolitischer Berater zahlreicher
Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, wird in seinem Vortrag auf die
drängenden Fragen eingehen, die sich aus dem Zusammenhang von Klimawandel
und Flucht ergeben. Wohin flüchten diese Menschen? Wer gewährt ihnen Schutz?
Und was unterscheidet Flucht von Migration?
3.11.2016, 19.30 Uhr
6.11.2016, 17.30 Uhr
Film
Thule Tuvalu (CH 2014)
Dokumentarfilm
von Matthias von Gunten
Kommunales Kino Freiburg, Urachstr. 40
Thule liegt im Norden Grönlands, der größten Insel der Welt. Der Inselstaat Tuvalu
dagegen ist einer der kleinsten Staaten der Welt und liegt im Pazifischen Ozean – am
anderen Ende der Welt. Doch trotz dieser Gegensätze und der riesigen Entfernung
sind die beiden Orte durch ein gemeinsames Schicksal eng miteinander verbunden:
Während in Thule das Eis immer mehr zurückgeht und zu Meerwasser wird, steigt
in Tuvalu der Meeresspiegel immer weiter an. Der Film des Schweizer Dokumentarfilmers Matthias von Gunten handelt von den Menschen in Thule und Tuvalu, deren
Leben sich für immer verändert.
11. bis 13.11.2016
Filme
3. Greenmotions Filmfestival
Kommunales Kino Freiburg, Urachstr. 40
Das Greenmotions Filmfestival versteht sich als cine­astische Plattform für eine lebenswerte und gerechte Welt. 2014 aus dem Master Renewable Energy Management
an der Universität Freiburg heraus entstanden, geht es jetzt in sein drittes Jahr. Im
Fokus des Programms stehen Dokumentarfilme, die sich mit Fragen der Nachhaltigkeit beschäftigen und Anregungen zum Umdenken und Handeln geben wollen.
Einen Schwerpunkt bildet in diesem Jahr der Zusammenhang von Klimawandel
und Migration.
Festivalprogramm unter www.greenmotions-filmfestival.de
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17.11.2016, 19.30 Uhr
20.11.2016, 17.30 Uhr
Film
Roadside Radiation (D 2016)
Dokumentarfilm von Elisabeth Fast,
Moritz Schulz und Michael Sladek
Kommunales Kino Freiburg, Urachstr. 40
Vor 30 Jahren explodierte der Reaktor IV des Kernkraftwerks Tschernobyl. Über
Nacht verloren die Menschen damals ihre Heimat, die evakuierte Zone um den Ort
der Katastrophe wurde zum Symbol für Niedergang und Zerstörung. Doch die Zone
ist nicht verlassen: Täglich hasten Arbeiter hinein, Jugendliche streifen durch die
surreale Landschaft und einstige Bewohner sind in ihre alten Häuser zurückgekehrt.
Elisabeth Fast, Moritz Schulz und Michael Sladek haben diese in Tschernobyl besucht.
Ihr Dokumentarfilm zeichnet das Porträt der Menschen, die sich ihren Ort wieder zu
eigen machen und die trotz der Gefahren sagen: Wir sind hier zuhause.
20.11.2016, 11.00 Uhr
Theater
Besetzt!
für Kinder ab 5 Jahren
Vorderhaus, Habsburgerstr. 9, Freiburg
Jetzt reicht es wirklich! Die Tiere wollen nicht länger unter den Folgen des Klimawandels leiden. Und so besetzen die listige Siebenschläferdame Selma und ihr Eisbärkumpel Elvis kurzerhand ein Kraftwerk, kappen das Stromnetz und legen damit
die gesamte Stadt lahm ... Fantasievoll inszeniert und mit rasanten Rollenwechseln
bietet dieses Theaterstück einem jungem Publikum jede Menge Denkfutter zum
Thema Strom, Umweltschutz und den Folgen des eigenen Handelns.
7.12.2016, 20.00 Uhr
Vortrag
Andrea Jeska: Rette sich, wer kann!
Vorderhaus, Habsburgerstr. 9, Freiburg
Die Lübecker Journalistin ­Andrea Jeska hat sich im Auftrag des Zürcher „TagesAnzeigers” auf Spurensuche in Regionen begeben, in denen der Klimawandel schon
heute gesellschaftliche Erosionen und dramatische Veränderungen der Lebensbedingungen nach sich zieht. In ihrem Vortrag wird sie von ihren Recherchen berichten,
die sie u.a. nach Thailand, Kenia und ­Äthiopien führten, aber auch nach Rotterdam,
das vom Ansteigen des Meeresspiegels ebenso bedroht ist wie Lagos oder Bangkok.
Jeska schreibt u.a. für Die Zeit, FAZ, FR und GEO, für ihre Reportagen wurde sie
vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Goldenen Columbus, dem Medienpreis für
Ethik, Hansel-Mieth-Preis, Theodor-Wolff-Preis und dem Zürcher Journalistenpreis.
11.12.2016
Vortrag (19.00 Uhr)
Essen (20.00 Uhr)
Gespräche
Our Food Future: Ein Ausblick auf unser Essen in 100 Jahren
Vorderhaus, Saal und Gaststätte,
Habsburgerstr. 9, Freiburg
Die Liebe geht durch den Magen. Das war schon immer so. Doch der Klimawandel
leider auch. Durch ihn dürften sich die Bedingungen der Nahrungsmittelproduktion
künftig grundlegend verändern Was also werden wir im Jahr 2116 auf unseren Tellern
haben? Um diese Frage zu beantworten, schaut das AgriKulturTeam Freiburg schon
heute mit kritischem Blick in die Töpfe und serviert zum Vortrag über die Folgen des
Klimawandels für die Welternährung ein aus schlüssigen Prognosen abgeleitetes
Menü der Zukunft.
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
friga
Seit Ende 2014 kommen immer mehr Menschen
aller, wirklich aller Berufsgruppen und beinahe
aller Karrierestufen in die Beratung zur friga.
Was sie eint, ist ihr Alter: 58 bis 64 Jahre,
was sie umtreibt, ist die Angst vor dem Rentenalter,
bzw. das Erschrecken über ihre zu erwartende Rentenhöhe.
Zur Zeit erreicht ein Bürger nach 35 bis 40 Arbeitsjahren
eine Rente von ca. 870 bis 1.030 Euro.
Der Traum ist aus
Reichtumspyramide in Deutschland im Jahr 2015,
Quelle: Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.
Torsten Glaser von der friga-sozialberatung über die Illusion eines ausreichenden
Alterseinkommens
So kann es sein, wenn langgehegte
Wünsche in Erfüllung gehen. Seit Gaius
über Levitikus, Karl Marx bis Silvio
­Gesell gibt es den Traum von einer Welt
ohne Zinsen. Nun ist der Zins beinahe aus
der Welt und viele fühlen sich wie in einem Alptraum. Millionen von Deutschen
droht die Altersarmut, die Klein- und Mittelschichtsparer fürchten um ihr Vermögen, die Riesterrente/Lebensversicherung
rechnet sich nicht mehr (welch Überraschung!).
Die Bundesregierung ist verärgert
über den angeblichen Verursacher dieser
Geldschwemme: Mario Draghi, den Präsidenten der EZB. Er wolle nur die soliden
deutschen Sparer enteignen und es den
Südeuropäern zuschustern.
Wenn es nur so einfach wäre. Der
Zinsschwund ist kein deutsches, sondern
ein globales Phänomen. Selbst in der soliden Schweiz nähert sich der Anlagezins der
Null an. Dies ist immer dann so, wenn ein
hohes Angebot auf eine niedrige Nachfrage
trifft, dann sinkt der Preis - hier der des
Kapitals - also der Zins.
Warum das so ist, kann zurzeit im Detail nicht geklärt werden. Vielleicht hängt
es mit der Vermögenskonzentration zusammen, mit den Nachwirkungen der Finanz
– und Börsenkrisen. Oder auch, dass wegen Wolfgang Schäuble mehr gespart wird,
und dass dadurch der Zins, aber auch die
Inflation als niedrig gefühlt werden, außer
mann/frau gehört zu den unteren 24% der
Einkommensbezieher.
Es ist die schmerzliche Erkenntnis, einer großen Illusion erlegen zu sein. Dem
demographischen Altern und dem Lebensstandard sollte mit Hilfe der Finanzwirtschaft ein Schnippchen geschlagen werden.
Was an staatlichen Leistungen fehlt, sollte
mit Zins und Zinseszins ausgeglichen werden. Hier frisst nun die neoliberale Entwicklung ihre Kinder. Die Privatisierung
der Altersvorsorge hat zur Enthemmung
der Finanzmärkte beigetragen. Diese produziert einen Überschuss an „digitalem“
Kapital, welches von der normalen Wirtschaft nicht mehr absorbiert werden kann
und somit die (Zins–) Erträge schmälert.
Die Rente mit 63 wird solange fehlerhaft
mit großen Abschlägen behaftet sein, solange für Härtefälle kein ausreichendes
Grundeinkommen bereit steht. Das Geld
dafür ist da, weil das Zinstief auch eine
positive Seite aufweist. Der Staat muss weniger für Zinszahlungen aufwenden, er hat
größere Spielräume und in Deutschland
lässt sich auch nach dem BREXIT noch
in Aktien- und Immobilienmärkten Geld
verdienen.
Das nützt denen wenig, die kein Ansparkapital besitzen (Ältere, Alleinerziehende, Großfamilien und Personen mit
körperlichen oder anderen Einschränkungen). Doch die Besserverdienenden
generieren zurzeit ein überproportionales
Vermögen, das der Staat zur Finanzierung
seiner Auslagen heranziehen könnte.
Hier eine kleine, feine, aber subjektive
Auswahl an Möglichkeiten, denn es reicht
eben nicht, die Champagner- und Kaviarsteuer drastisch zu erhöhen und dies dann
als Belastung für Vermögende darzustellen: man kann und muss die Einkünfte aus
Kapitalvermögen und Beteiligungen, auch
die im Ausland, mit dem persönlichen
Steuersatz besteuern, die Vermögensteuer
wieder einführen, die Erbschaftsfreibeträge
für Immobilien und Betriebevermögen
absenken, die Flucht aus dem solidarischen Rentensystem verhindern und den
Spitzen­steuersatz erhöhen.
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
hier & jetzt
hier & jetzt am Turmcafé
Das neu eröffnete Restaurant in der Zähringerstraße ist
ein Kind der Vorderhaus-­Gaststätte
Seit vielen Jahren sind wir von der FABRIK mit unserer Vorderhaus-Gaststätte rundum glücklich und zufrieden. Nicht nur, weil
uns das gute und abwechslungsreiche Essen schmeckt, sondern
auch, weil wir die Atmosphäre genießen und hier gerne zusammenkommen. Ein vielfältiger, spannender Mittagstisch und eine außer­
gewöhnliche Abendkarte zeugen von der Lust der Köche am Zubereiten und Experimentieren, regionale Erzeugnisse haben Vorrang,
die Spätzle und Pasta sind hausgemacht, und das alles zu günstigen
Preisen. Die Inneneinrichtung spricht an und vereint Funktionalität
und Wohnlichkeit, die großen, hohen Tische fördern Kommunikation
und Familiarität. Die ausgesprochen gute Stimmung im Team um
Geschäftsführer Christian Miess und Chefkoch Dirk Scherer vermittelt sich den Gästen und sorgt ebenfalls dafür, dass man hier gerne
isst und genießt. Und es sind nicht nur FABRIKler, die hier essen,
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auch viele aus der Nachbarschaft zählen zu den Stammkunden und
machen das Vorderhaus auch zur Quartierskneipe. Kurz gesagt – die
Vorderhaus-Gaststätte ist eine runde Sache.
Darum wundert es auch nicht, dass aus diesem Team heraus
drei Leute Neues wagen. Christian Miess, Andreas Hansen aus dem
Service und Koch Felix Johner haben am 11. Juni 2016 das „hier &
jetzt am Turmcafé“, Restaurant mit Biergarten, in Zähringen eröffnet. Bekannt war die Gaststätte zuletzt als „Kräuterküche“.
Gut zu erreichen liegt das „hier & jetzt“ zwischen den Straßenbahnhaltestellen Hornusstraße und Tullastraße inmitten eines
großen Wohnquartiers. Markenzeichen der Location ist das Türmchen, ein gläserner, 1951 als Tankstelle gebauter und heute denk-
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
hier & jetzt
malgeschützter Pavillon, der nun als Ausstellungsraum, Lounge
oder für Stehempfänge genutzt werden soll. Das Restaurant selbst
mit seinen rund 80 Sitzplätzen zeigt sich hell und offen mit großen Fenstern, verglasten Eingangstüren und einem Durchblick vom
Gastraum in die Küche. Die Einrichtung ist modern und rustikal
zugleich: massive, individuell gefertigte Holztische harmonieren mit
handverputzten Wänden.
Ein besonderes Augenmerk wurde von Anfang an auf die Neugestaltung des großen Außenbereichs gelegt: Hier ist mit ebenfalls
80 Sitzplätzen ein luftiger Biergarten entstanden. Die innovative
Gestaltung aus der Feder von BAGAGE ist geprägt von natürlichen
Materialien, modernen Formen und einer reichen Pflanzenpracht:
entlang der gesamten Gebäudeseite errichtete das Team von bagageArt eine große Holzdeck-Konstruktion auf mehreren Ebenen.
Hier kann man sitzen, zusammen schwatzen und in der Abendsonne
seine Getränke genießen. Dabei ist man umrahmt von Grün, denn
das Holzdeck ist flankiert von einer grünen Wand: diese vertikale
Grünfläche strahlt auf 10 m Länge und 4 m Höhe üppige waldige
Atmosphäre aus. Eine große Glaswand schirmt gleichzeitig den
Biergarten von der Straße ab, so dass man in dieser „Stadt-Oase“
entspannt und in Ruhe essen und trinken kann.
Als Quartierstreff konzipiert richtet sich das „hier und jetzt“
mit seinem kulinarischen Angebot vornehmlich an die unmittelbare
Nachbarschaft. Der Mittagstisch ist ähnlich abwechslungsreich und
interessant wie im Vorderhaus, die Abendkarte verbindet in bewährter Form Experimentelles mit Traditionellem, wobei die Raffinesse
nicht zu kurz kommt. Einen besonderen Schwerpunkt wird auf die
hausgemachten Pasta gelegt, welche in verschiedensten Variationen auf der Speisekarte stehen. Als weitere Spezialität unbedingt zu
erwähnen ist die große Auswahl an regionalen und überregionalen
Biersorten.
Als Gast im „hier & jetzt“ spürt man schnell die Freude des
Teams am ­Kochen und am guten Service und hat damit die beste
Voraussetzung für die Freude beim Genießen.
Wir wünschen dem neuen Team des „hier & jetzt“ stets volle
Tische und zufriedene Gäste.
Gleichermaßen beeindruckend sind der denkmalgeschützte Pavillon
und die riesige begrünte Wand.
Felix Johner, Christian Miess und Andreas Hansen haben als Betreiber des „hier & jetzt am Turmcafé“ ausreichend Grund zum Strahlen.
➔
Zähringer Straße 44, 79104 Freiburg
Öffnungszeiten:
Montag - Freitag: 12:00 - 14:30 und ab 17:00 Uhr
Samstag ab 17:00 Uhr
Sonntag Ruhetag (vorläufig)
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Kunst kommt von Kennen
S
DI NEDRE RHFAABURIK
VUOL TR
UR
K
2016
Ein Bildungs- und Kultur-Paket für Kindergärten und Grundschulen
September
n
Oktober
n
November
n
Dezember
Mittwoch 26.10. 2016 / 10 Uhr
MAROTTE FIGURENTHEATER
»Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat«
nach dem bekannten Kinderbuch von Wolf Erlbruch ab 3 Jahren
Mittwoch 16.11. 2016 / 10 Uhr
BESETZT!
Ein spannendes Theaterstück mit Musik
eine Produktion des Vorderhaus – Kultur in der FABRIK ab 6 Jahren
Dienstag 29.11. und Mittwoch 30.11. 2016 / jeweils 10 Uhr
COMPANIA T
»Engel Max – Vom Engel, der immer zu spät kam«
nach der gleichnamigen Erzählung von Andrea Schwarz ab 4 Jahren
Mittwoch 14.12. 2016 / 10 Uhr
THEATER BUDENZAUBER
»Ox und Esel«
von Norbert Ebel ab 6 Jahren
„Und jetzt nochmal!“
Steffi Bürger bietet im Rahmen von „Kunst kommt von Kennen“ die theaterpädagogische
Vor- und Nachbereitung an. Marion Klötzer hat sie dabei beobachtet.
W
as ist denn Theater?“ fragt Steffi Bürger nach der Begrüßung an diesem Morgen ihr
junges Publikum, bevor es überhaupt etwas auf der Bühne zu sehen gibt. - Hmmm,
keine einfache Frage, ist es doch für viele der hier anwesenden Kindergartenkinder der erste
Theaterbesuch. Wie da den Unterschied zu Film und Fernsehen beschreiben? „Das ist echt!“
tönt es energisch aus der ersten Reihe. „Kasperle“ kräht ein anderer dazwischen. „Nein, mit
echten Menschen!“ korrigiert die Dritte. „Stimmt“, nimmt Bürger den Faden auf, „echte Menschen werden euch gleich eine Geschichte erzählen. Aber nicht vorlesen, sondern spielen.
Deswegen haben sie Kostüme und schlüpfen in unterschiedliche Rollen. Und weil das jetzt
und hier passiert, kriegen sie auch mit, was ihr macht – ob ihr lacht, Spaß habt oder euch laut
mit eurem Nachbarn unterhaltet. Und wenn´s euch gefällt, spielen sie nochmal so gut ...“
➔
„Kunst kommt von Kennen“
Eintritt pro Kind: 4 €
Bildungs- und Kulturpaket: 10 €
Kontakt: Ute Lingg
Kulturbüro in der Fabrik
[email protected]
Tel. 0761/50365-47
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„Kunst kommt von Kennen“, so das Motto des Kulturpakets, das Ute Lingg vom Kulturbüro geschnürt hat: Auf vielfache Anfragen gibt es seit Oktober letzten Jahres an zwei Vormittagen im Monat für Kindertageseinrichtungen und Grundschulen spezielle Vorstellungen
mit theaterpädagogischer Vor- und Nachbereitung sowie zusätzlichen Begleitangeboten.
„Kultur und Bildung Hand in Hand“ - so das Motto. Mit im Boot sind die Keramikwerkstatt
der FABRIK, die Schule für Kampfkunst und Meditation „Der Friedliche Drache“ und die
theaterpädagogische Ideenwerkstatt BAGAGE e.V. Genau auf das jeweilige Stück und seine
Thematik zugeschnitten können Kinder hier ihre gemeinsamen Bühnenerlebnisse ganz
Kunst kommt von Kennen
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
unterschiedlich verarbeiten: Über die Geschichte reden, den eigenen Fantasien in Ton eine Gestalt geben oder dem Gesehenen noch
einmal in Bewegungen und Spielen nachspüren.
komplexe Inszenierung, dagegen erwarteten die Kinder bei „Hörbe
mit dem großen Hut“ vom Theater Fiesemadände eine 1:1 Buch-Adaption und wussten immer schon, was als nächstes passieren sollte.
Die 1971 geborene Regisseurin Steffi Bürger ist für die theaterpädagogische Vor- und Nachbereitung zuständig. Eine spezielle
Ausbildung hat die dreifache
Mutter dafür nicht, aber jede
Menge Profi-Erfahrungen:
Nach Regieassistenzen an
namhaften Stadt- und Staatstheatern Baden-Württembergs
arbeitet sie seit 2002 als freie
Regisseurin, gibt Theaterkurse
für Kinder und gründete 2009
das Theater Budenzauber.
Neun Stücke hat ihr Ensemble
mittlerweile im Repertoire,
gespielt wird in und um Freiburg direkt in Kindergärten
und Grundschulen. Bürger ist
davon überzeugt, dass gerade
das Theater mit seiner Nähe
und seiner Einmaligkeit einen
wichtigen Kontrast zu den reproduzierbaren Beiträgen der
elektronischen Unterhaltungsmedien bietet. „Je früher Kinder an Theater herangeführt
werden, desto leichter können
sie einen kreativen Umgang
mit ihrem Alltag lernen, was
gerade bei Kindern aus sozial
benachteiligten Familien nicht
selbstverständlich ist. Theater
schafft eine zweite Wirklichkeit, lässt Leichtigkeit erleben,
kann aber auch ein Spiegel des
eigenen Lebens sein und zum
Nachdenken anregen. Kulturelle und ästhetische Bildung sollte deshalb fest im Lebenslauf aller
Kinder verankert sein.“, so ihr Statement.
Sinnvoll findet Steffi Bürger auch die Nachbereitung: „Es prägt
die Kinder, direkt nach dem Stück gemeinsam über das Gesehene zu
sprechen und dabei den Bezug
zu ihren eigenen Erfahrungen
herzustellen: das Stück wird
intensiver erlebt und erinnert,
Abstraktes wird greifbar.“ Besonders spannend ist es da,
die Schauspieler noch einmal
hautnah vor der Bühne zu sehen: „Ihr seid ja nur drei!“ wundern sich die Zuschauer des
Märchenstücks „Dalila und die
Wunderlampe“ vom Theater
Budenzauber, haben sie doch
während der Vorstellung viele
kontrastreiche Charaktere und
rasende Rollenwechsel erlebt.
Ganz anders die Reaktionen
nach dem Stück „Wo die Wilden Kerle wohnen“: So gefesselt waren die Kinder von
den Figuren, dass sie am Ende
Schauspieler und Puppenspieler Carsten Dittrich „Wer bist
du denn?“ fragen, obwohl er
die ganze Zeit auf der Bühne
war.
Ihre Arbeit bei „Kunst kommt von Kennen“ sieht sie durchweg
positiv: „Theater ist nun mal was anderes als Kino. Es ist live, lebt
von der Interaktion. Nach der Einführung herrscht im Zuschauerraum jedes Mal eine ganz andere Atmosphäre. Theaterregeln sind
eine wichtige Sache, noch wichtiger ist, es den Kindern die Scheu
zu nehmen und positive Erfahrungen zu ermöglichen“. Der Spagat
zwischen einem Zuviel und Zuwenig an Vorab-Informationen ist
nicht leicht: So erkannte die Kindergartengruppe die Bilder des Malers Paul Klee dank guter Vorbereitung im Stück „Klumpwisch“ vom
Theater marotte sofort wieder und konnte tief einsteigen in diese
Rund 60 % der Gruppen
nehmen die theaterpädagogischen Nachbereitungen in
Anspruch, der Rest muss zügig zurück in die Einrichtung
oder die jüngeren Zuschauer
haben schlichtweg kein Sitzfleisch mehr. „Das Schönste, was mir passiert ist, war als die Kinder
am Ende der Nachbereitung sagten „Und jetzt nochmal!“, erzählt
Bürger. - Kreativität fördern, Fantasie anregen, zum Nachmachen
motivieren – all das kann ein Theaterbesuch bewirken. Kunst kommt
eben von Kennen…
Marion Klötzer
ist freischaffende Journalistin
und Autorin.
Sie lebt in Freiburg.
21
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Besetzt!
Neuland
Eigenproduktion
Von der Idee zur Premiere – ein Kinderstück entsteht
„Besetzt!“, das erste
vom Vorderhaus produzierte
Kindertheaterstück
zum Thema Energiesparen,
hatte am 27. Februar 2016
Premiere.
Den Inhalt und das Produktionsteam
hatten wir schon im letzten
Rundbrief vorgestellt,
hier nun berichtet Jule Glimsche,
die als Kulturpraktikantin
die Regieassistenz übernehmen
durfte, von ihren Erfahrungen
bei der Erarbeitung des Stücks.
Das multifunktionale Bühnenbild verwandelt
sich im Nu in eine Küche, ein Kraftwerk, ein
Labor oder hier in eine Gartenhütte.
Während Siebenschläferdame Selma völlig
fertig ist vom Kraftwerk besetzen, erklärt
die Klimaforscherin Frau Sonnenstein Vater
Florian den Klimawandel.
22
W
as bedeutet es eigentlich genau, die
Regieassistentin zu sein, was würde
mich erwarten, welche Aufgaben und Herausforderungen würden auf mich zukommen? Wie im Film? Kaffee kochen, kopieren
und Stullen schmieren? Wie ist das Team?
Wie würden wir zusammen arbeiten? Wie
würde sich der Prozess der Entstehung eines Kindertheaterstücks gestalten? Alles
Fragen, auf die ich im Dezember 2015, als
ich diesen Auftrag annahm, noch keine Antworten hatte. Doch nach dem ersten Treffen
mit allen Beteiligten hatten sich einige meiner Bedenken bereits in Luft aufgelöst. Die
Arbeit im Team würde funktionieren.
Bei der ersten Leseprobe des Skripts
wurde schnell deutlich, wo die Hauptprobleme des sprachlich ausgefeilten Texts
liegen würden. Die unglaublich witzigen,
aber auch langen und kniffligen Komposita
bescherten den beiden Schauspielern mehr
als einmal einen Knoten in der Zunge.
Doch im Laufe des ersten Probenblocks
wurden schnell Fortschritte erzielt und wir
kamen zügig durch die verschiedenen Szenen. Bereits am Ende der ersten Woche hatten wir das Stück komplett durchgeprobt
und konnten einen Durchlauf starten.
Was mir am Job der Regieassistentin
so gut gefallen hat war, dass man das Stück
rundum begleiten kann. Man ist eigentlich
für alles zuständig, was vor, hinter und um
die Bühne herum nötig ist. So gibt es zum
Beispiel während des gesamten Stücks immer wieder Toneinspielungen, die im Studio des SWR aufgenommen wurden. Sascha
Bendiks, Musiker, lieh uns seine wunderbare
Stimme für den bösen „Chef“, der via Walkie Talkie die Handlung immer wieder voran
treibt. Die Arbeit im Tonstudio war absolutes
Neuland für mich und als Sascha hinter der
Glaswand der Aufnahmekabine verschwand
und in das Mikro mit verrauchter, grimmiger
und hämischer Stimme sprach und lachte,
wurde mir wieder einmal bewusst, dass ich
mit echten Profis arbeitete.
Auch während der Proben im Vorder­
haussaal hat uns Sascha immer wieder begleitet, indem er mit Peter Haug und Veronika Sautter-Bendiks die Songs des Stücks
erarbeitet und einstudiert hat.
Im Laufe des Probenprozesses wurden
natürlich unzählige Änderungen an Text
und Choreografie vorgenommen, Szenen
wurden gekürzt oder gestrichen, Bühnenwege verändert oder ganze Abläufe über
den Haufen geschmissen. Da war es von
großem Vorteil, dass Anja zugleich Autorin
und Regisseurin des Stücks war. Wie es mich
überhaupt sehr beeindruckt hat, dass man
nur aufgrund einer Idee oder eines Themas,
in diesem Fall „Energie“, ein so komplexes
und vielseitiges Stück entwickeln kann.
Im Vorderhaus begann Mitte Januar
wieder der normale Spielbetrieb, das grenzenlos-festival und die FigurenTheaterTage
kamen und gingen und wir probten derweil
in der Friedrichstraße, im Haus der Kultur­
liste Freiburg. Auf den ersten Blick ließ diese
Räumlichkeit jedes Künstlerherz höher
schlagen. Überall Kunst, Teile alter Bühnenbilder und herum liegende Requisiten. Die
erzeugten einen ganz eigenen bohemienhaften Charme und durch den rohbauähnlichen Zustand des Ganzen entstand eine
Atmosphäre, die zum kreativen Schaffen
geradezu einlud.
Allerdings nur auf den ersten Blick. Während der ersten Tage zeigte sich, dass dieser
Raum zum Proben absolut ungeeignet war.
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Besetzt!
Der Strom ging oder auch nicht, eine Heizung war so gut wie nicht vorhanden, und
mit Licht und Ton arbeiten hat schon mal
überhaupt nicht funktioniert. Aufgrund der
fehlenden Isolierung des Hauses waren die
Außengeräusche immer präsent, die Temperaturen wurden immer unangenehmer, es
regnete ununterbrochen und das schlug zusätzlich allen aufs Gemüt. Wir improvisierten so gut wie wir konnten und schlingerten
doch unaufhaltsam auf eine echte Krise zu.
Ausgelöst wurde sie dann, als ein penetranter Hausbewohner, der zuerst wegen eines
blöd geparkten Autos immer wieder störte
und schlussendlich sein Fahrrad hinter der
Bühne parkte und seelenruhig von Dannen
zog. Die Stimmung kippte nun endgültig.
Auch wenn man weiß, dass jede Produktion
an einem solchen Tiefpunkt anlangt, ist es
doch schwierig in der Praxis damit umzugehen und adäquat zu reagieren, angesichts
der Tränen und der Genervtheit aller Beteiligten. Veronika, frischgebackene Mutter,
war zudem völlig übermüdet. Peter Haug
hatte ordentlich Zeitdruck, da er noch in anderen Produktionen involviert war. Kurzum:
Katastrophenstimmung. Doch Karola Mohr
und Ute Lingg vom Vorderhaus-Kulturteam
sorgten für die Rettung. Die Saalbelegung
im Vorderhaussaal wurde so umorganisiert,
dass wir dort weiter proben konnten. An
diesem Punkt wurde mir auch klar, dass jede
Produktion auch Organisationskünstler haben muss, die absolut verlässlich funktionieren und eingreifen, wenn die Produktion zu
kippen droht.
Also zogen wir mit dem Bühnenbild und
allem anderen wieder in die FABRIK. Endlich konnten wir entspannt und produktiv
proben.
Unsere zweite Probeneinheit Anfang
Februar fand wiederum in der Kulturliste
statt. Diesmal allerdings im Untergeschoss.
Immer noch keine idealen Bedingungen,
aber immerhin ein abgeschlossener Raum
mit angenehmer Raumtemperatur. Sogar
ein paar Scheinwerfer waren vorhanden. Es
würde also gehen.
So langsam fanden auch die dringend
benötigten Requisiten und Kostüme nach
und nach ihren Weg auf unsere Probenbühne. Ein Kinderrucksack, der zu klein
wurde. Ein Kochtopf, von Oma aussortiert.
Die Kostüme und Accessoires der verschiedenen Tierfiguren bastelten wir selbst. Aus
einfachen Mitteln entstanden wunderbare
Fische, Schildkröten, Orang Utans und noch
viele mehr.
Endlich Premiere. Georg Hallmann, unser Lichttechniker und ich saßen hinter dem
Mischpult und steuerten Licht und Ton. Ich
bekam das Stück also aus verschiedenen
Perspektiven mit, was mir natürlich einen
anderen, spezielleren Blick auf das Geschehen verlieh. Es klappte aber alles wie am
Schnürchen und der Premierendruck fiel
beim letzten Song dann auch von allen ab.
Danach gab es zur Belohnung eine
kleine Feier, mit gutem Sekt und leckeren
Schokokuchen. Das originellste Premierengeschenk bekam unsere Regisseurin: einen
großen Regenschirm, da sie Freiburg in vier
Wochen Probenzeit, ganz untypisch, an nur
zwei Tagen regenfrei erlebt hat.
Um die Eingangsfragen nun aber abschließend zu beantworten: Regieassistentin sein hat für mich nicht bedeutet, nur
Botengänge zu tätigen, zu kopieren, Barista zu sein oder als Babysitter zu fungieren.
Man muss darüber hinaus auch kostüm- und
maskenbildnerische Begabung sowie seelsorgerische Fähigkeiten mitbringen. Außerdem muss man äußerst flexibel reagieren
können und sehr zuverlässig sein. Ein Job
für echte Allrounder eben.
Elvis Eisbär, Polar-Rockstar und Tierrettungsbeauftragter singt seinen großen Hit, und
Lina, die Tochter von Florian hat wieder mal
eine super Idee.
Glückliches Ensemble nach der Premiere:
v.l.: Veronika Sautter-Bendiks, Schauspiel,
Anja Schöne, Drehbuch und Regie, Sönke Ober,
Bühnenbild, Peter Haug-Lamersdorf, Schauspiel,
Sascha Bendiks, Musik und „Chef“-Stimme,
Jule Glimsche, Regieassistenz und Autorin dieses
Artikels
23
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Vorderhaus-Förderkreis
Der Förderkreis für das Vorderhaus
geht auf Entdeckungsreise!
Beim Förderkreis-Abend 2015 ging die Reise noch zeltwärts in den Hinterhof der FABRIK.
Diesmal lag das Reiseziel weiter entfernt und war deutlich größer als das letztjährige Zelt.
Das Haus- und Kulturbüro kam im
letzten Sommer in den Genuss einer Führung durch die Lokhalle und das ehemalige
Bahnbetriebswerk auf dem GüterbahnhofGelände, ein beeindruckendes Erlebnis für
alle, die dabei waren. Unter der Regie der
beiden Eigentümer und Projektentwickler Lars Bargmann und Frank Böttinger
wird dem 5.000 qm großen Ziegelsteingebäude aus den 1900er Jahren gerade
ein neuer Geist eingehaucht. Baulich wie
inhaltlich. Wir in der FABRIK sind ja bekanntlich stolz auf unser rund 120 Jahre
altes Kleinod der Industrie-Architektur,
wir pflegen den Bestand und entwickeln
das Gelände behutsam weiter. Diese Haltung im Umgang mit alten, schützenswerten Gebäuden findet sich auch in der
Lokhalle wieder. Und hier wie dort finden
sich Kultur, Gewerbe, Büros und Gastronomie. Allerdings hat das Gebäude ungleich andere Ausmaße als die FABRIK.
Grund genug für das Kulturteam die Mit24
glieder des Förderkreises zur Entdeckungsreise einzuladen. Die „kleine Halle“, die
das Theater Pan.Optikum und die Lichtund Tonfirma CoCo Sound gemeinsam
nutzen, bot sich geradezu an, um sich in
anregender Atmosphäre zu treffen, zu reden, gemeinsam zu essen. Und natürlich
auch, eine kleine Bühne für den obligatorischen kulturellen Beitrag aufzubauen.
Auch bei diesem Teil des Abend wollte
das Kulturteam seine Förderer mit auf
Entdeckungsreise nehmen. Es wurde eine
Fahrt, die ganz unterschiedlich erlebt
wurde. Dem Geist und der Tradition von
100 Jahre DADA verpflichtet, spielten der
Schauspieler Peter W. Hermanns und der
Schlagzeuger Konrad Wiemann Auszüge
aus dem Programm „Vielleicht ist es so,
vielleicht ist es aber auch nicht so“. Die Eigenwerbung des Vorderhaus „Für alle was
und nicht immer was für Alle“ sollte sich
bewahrheiten. Für manche war DADA
gar nicht ihr Ding, andere waren begei-
stert vom Zusammenspiel zwischen Lauten, Sprache und Schlagwerk. Aber es ist ja
auch Aufgabe von Kunst, für Diskussionsstoff, für Auseinandersetzung zu sorgen.
Dafür gab es dann beim gemeinsamen Essen und Zusammensitzen genug Gelegenheit. Und egal, wie man zu DADA steht,
an der Qualität und dem künstlerischen
Können der Beiden gab es keine Zweifel.
In den großen Hallen des Gebäudes waren nach einigen einführenden Worten von
Lars Bargmann dann fast alle, die gekommen waren, auf eigene Faust unterwegs.
Und am Ende des Abend waren sich
alle einig, dass sich die Entdeckungsreise
in die Lokhalle gelohnt hat, auch wenn für
manche die Anreise doch eher wie eine
Expedition in unbekannte Gewässer war.
Wo die Reise nächstes Jahr hingeht?
Wir wissen es noch nicht genau, wahrscheinlich zurück in den Heimathafen, der
Kompass wird justiert.
Vorderhaus-Förderkreis
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Noch hat sich auf dem rechten Bild
erst die Hälfte der Gäste in der
Alten Lokhalle des Güterbahnhofs
eingefunden.
Die Förderinnen und Förderer
des Vorderhaus weilten wahrlich
an einem historischen Ort:
in dieser Halle wurde über Jahre
hinweg der legendäre Orient-Express
gewartet. Das linke Bild zeigt die
Halle in ihrer ganzen Größe und
­alten Schönheit.
Wir sind dabei: Heidrun Abels, Künstleragentur • Katharina Arnheim, Journalistin & Safi Baborie, Dozent • Monika & Jörg Ashauer • Barbara
Auer, Ergotherapeutin • Martina Bannwarth, Buchhändlerin • Lars Bargmann, Journalist und Projektentwickler • Uwe Barth, Vorstand Volksbank Freiburg • Thomas Bauer, Pressereferent • Katharina Baulig • Hartmut Becker, Rechtsanwalt • Daniela Beier & Dieter Stang, Juristen •
Sascha Bendiks, Musiker • Dr. Helgard Berger, Vorstand VAG • Denise Bertz • Hanne Beyermann-Grubert, Goldschmiedemeisterin • Michael
Biedert, Wirtschaftsprüfer • Michael Bögle, Werbekaufmann • Annette Bohland, Coach und Beraterin • Dr. Gerd Böhm, Frauenarzt und Psychotherapeut • Dr. Heinrich Breit, Steuerberater • Alexander Bühler, Bäckerei Bühler • Bürgerverein Herdern e.V. • Hella Crone & Dr. Bernd
Crone • Brigitte Daams, Dipl. Psychologin • Dr. Thomas Dehlfing, Rechtsanwalt • Sybille Denker, Schauspielerin • Reinhild Dettmer-Finke &
Volker Finke • DoKo Herdern • Doris & Hermann Dörflinger, Winzer • Philippe Dudek • Dr. Johannes Duttlinger, Arzt • Gaby Eggert, Psychotherapeutin, & Elmar Grieshaber • Johannes Ehmann, Altphilologe • Dr. Elsbeth Ehrenmann, Frauenärztin • Anne Engel, Krankenschwester
& Bernd Engel, Bäcker und Konditor • Dr. Hans Engler, Arzt • Angelika Flesch & Klaus Flesch, Vorstand • Hanno Franke • Freie Holzwerkstatt
GmbH • Freundeskreis Kappel • Kathi & Hans Dietrich Freyer • Birgit Friederich, Selbstständige & Peter Friederich, Diplom-Biologe • Christiane
Friedrich, Ärztin • Ulrich Fuchs, Freier Autor und Texter • Peter Gaymann, Cartoonist • Katharina Giese • Walter Groetschel Elektroanlagen
• Jörg Grotefendt, Dipl. Physiker • Arnold Gumpert, Bauingenieur • Bille Haag • Prof. Dr. Gunther Haag, Arzt • Niko Hamm, Dozent • Prof.
Dr. Cornelia Helfferich • Waltraud Herb • Peter W. Hermanns, Schauspieler und Regisseur • Erik Herr, Dipl. Kaufmann und Steuerberater •
Renate Heyberger, Geschäftsführerin & Hans-Albert Stechl, Rechtsanwalt • Elisabeth Hintzen, Buchhändlerin • Sebastian Hintzen, Drucker
• Florina Hirt, Rechtsanwältin • Stefan Hörster, Arzt • Alexander Huber • Ursel & Wilfried Huber • Andreas Hubert, Steuerberater • Andrea
Hucklenbroich, Kauffrau • Dr. Joachim Hudewentz, Dipl. Biologe • Ralf Hunn, Geschäftsführer • Horst Janzen, Veranstalter • Mike Jaschke
• Jess Jochimsen, Kabarettist • Claudia John-Hudewentz • Viviane Kauß & Dr. Udo Kauß, Rechtsanwalt • Atai Keller, Stadtrat-Kulturberater
• Fritz Keller, Schwarzer Adler Oberbergen • Jasmin Keller & Barbara Kenk • Wolf Keller, Rentner • Elke Kern, Werberin • Christoph Kieslich,
Journalist • Sigrid & Günter Klammer, Pensionäre • Angela Klaßen & Dr. Wolfgang Klumb • Susanne Klebahn • Doris Kocher, Dipl. Pädagogin
• Heide Kolarik, MTA & Bernd Kolarik, Lehrer • Karin König, Dipl. Psychologin • Monika Kopfmann • Adina und Georg Krakau, Pensionäre •
Sybille Kreuzer & Jens Kreuzer, Musiker • Christoph Lang-Jakob, Rechtsanwalt • Christof Lehr, Verlagslektor • Irma Lehr • Jürgen Lodemann,
Autor • Christian Manz • Ingrid Mathis, Grafik-Designerin • Klaus Meier, Kulturbureau • Dr. Jörg Meyer-Sieger, Orthopäde • Karin Minuth &
Dr. Johannes Minuth, Freiburger Puppenbühne • Eva Müller, Frauenärztin • Rainer Neukirchen, Apotheker • Bernd Obrecht, Hauptinspektor
• Dr. Franziska Pankow, FWTM-Abteilungsleiterin Tourismus • Elke Pfeuffer, MOMO Kindersachen • Maria Popitz • Andreas Rebers, Musiker&
Kabarettist • Stefan Reimann, Gärtnermeister • Hagen Rether, Kabarettist • Olaf Reuter, Veranstaltungstechniker • Dieter Roeschmann,
Journalist und Grafiker • Anke Rösner, Lehrerin • Imke Rötger, Lektorin & Swen Osterloh, Architekt • Dr. Dieter Salomon, Oberbürgermeister
• Frank Sauer, Kabarettist • Stefanie Sauer, Erzieherin • Dr. Willi Sauerbrei, Biometriker • Wilhelm Sauermann, Geschäftsführer • Prof. Johann
Georg Schaarschmidt, Regisseur • Bärbel Schäfer, Regierungspräsidentin & Alfred Schäfer, Unternehmensberater • Willy Scheuchenpflug,
Geschäftsführer • Birgit Schmidtmann, Statistikerin • Frank Schneider, Project Manager • Georg Schramm, Kabarettist • schwarz auf weiss
Litho und Druck GmbH • Christoph Senf, Bauingenieur • Ursula Sladek, Geschäftsführerin EWS i.R. & Michael Sladek, Arzt • Beatrix & Dirk
Starke • Volkmar Staub, Kabarettist • Tilmann Sutter, Professor • Wilfried Telkämper • Jutta Tempelmann, Künstleragentur • Holger Thiemann, Veranstaltungsmanager • Helmut Thoma, Berufsschullehrer • Jutta & Volker Thomas • Sabine Tritschler, Frauenärztin & Thomas
Tritschler, Physiotherapeut • Peter Uellner, Steuerberater • Ulrich Ulmer, Technischer Angestellter • Waltraud Vasold-Glaser • Maria Viethen,
Rechtsanwältin • Dr. Volker Volquartz, Arzt • Sabine Volz • Heinrich Vomstein, Bankvorstand i. R. • Martin Wangler, Schauspieler • Susanne &
Christian Weber, Lehrer • Margarete Weiser, Immobilienmaklerin & Jürgen Weiser, Rechtsanwalt • Adelheid Willfurth, Steuerberaterin • Gerhard Witzstrock, Unternehmer • Gudrun Wöbbeking, Sekretärin • Karl-Willi Wolber, Steuerberater • Petra Wolf-Schneider, Rentnerin • Michael
Wulzinger, Redakteur Der Spiegel • Dr. Gabriele Würth & Dr. Werner Bahner-Würth, Ärzte • Teresa Zens & Dr. Johannes Zens, Dipl.-Theologe •
Vera Zorn & Dr. Christian Zorn • Dr. Johannes Zuber, Dipl. Psychologe • Sabine Zuber, Psychotherapeutin • Dr. Martin Züfle, Arzt • Zumkeller
GmbH Baumpflege und Gartengestaltung • und 16 andere
25
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Berndt-Koberstein-Preis
Den Kapitalismus mit seinen
­eigenen Mitteln austricksen
Das Mietshäusersyndikat wurde dieses Jahr mit dem Berndt-Koberstein-Preis
­ausgezeichnet
Jährlich im Mai wird der „Berndt-Koberstein-Preis für Zusammenleben
und Solidarität“ verliehen. In diesem Jahr ging der Preis an das in der GretherFabrik erdachte Projekt „Mietshäuser Syndikat“, die Laudatio lag bei Martin
Wiedemann aus der FABRIK.
Berndt Koberstein war Gewerkschafter, Kommunist und Internationalist.
Der gelernte Maschinenschlosser leitete 1986 in Nicaragua ein Projekt, durch
das die Gemeinde Wiwili mit frischem Trinkwasser versorgt werden sollte. Nach
einigen Monaten geriet er in einen Hinterhalt der rechtsgerichteten „Contra“.
Bei diesem Überfall wurden der knapp dreißigjährige Berndt Koberstein, zwei
weitere Aufbauhelfer und drei Nicaraguaner ermordet.
26
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Berndt-Koberstein-Preis
Hendrik Guzzoni, Stadtrat für die Linke Liste / Solidarische Stadt, hat einen
mit 10.000 Euro dotierten „Preis für Zusammenleben und Solidarität“ gestiftet,
der nach seinem engen Freund benannt ist und seit 2012 jährlich vergeben wird.
➔
Das 3HäuserProjekt ist ein Zusammenschluss von drei Projekten des Mietshäuser Syndikats. Im neuen Freiburger
Baugebiet Gutleutmatten bauen LAMA,
Luftschloss und schwereLos je ein Mietshaus, zusammen 45 Wohnungen von 40
bis knapp 180 qm, für unterschiedlichste
Wohnbedürfnisse: Ein-Personenhaushalte,
Familien, Klein- und Groß- Wohngemeinschaften. Die Häuser sind dem Immobilienmarkt entzogen und bieten so langfristig
bezahlbaren Wohnraum. Alle Wohnungen
werden barrierefrei gebaut, in jedem Haus
entsteht eine Rollstuhlfahrer-Wohnung.
Zudem ist in jedem der drei Projekte
eine Wohnung für Menschen mit Fluchterfahrung reserviert. Im größten Haus,
schwereLos, wird es zudem eine Kita, eine
Wohnung für obdachlose Frauen und eine
für Menschen mit Psychiatrieerfahrung
geben. Nach zwei Jahren planen, diskutieren und Hürden überwinden sind die drei
Projekte jetzt auf der Zielgeraden. LAMA
und Luftschloss haben bereits alle Direktkredite zusammen und schon mit dem Bau
begonnen. Auch schwereLos nähert sich
der Ziellinie, benötigt aber noch weitere
Kredite, um im Oktober das Grundstück zu
kaufen und mit dem Bau zu beginnen.
Der Preis ging in diesem Jahr an das Mietshäuser Syndikat, in dem bundesweit inzwischen in 111 Hausprojekten über 2000 Menschen organisiert sind,
die ganz praktisch für das Recht auf bezahlbaren Wohnraum für alle kämpfen.
In den einzelnen Häusern können Menschen günstig und eigenverantwortlich
wohnen, ihre Einbindung im Syndikat verhindert, dass die Immobilien jemals
verkauft werden können. Diese sind damit dem Markt und der Gewinnerzielung
entzogen.
„In einer Zeit, in der Wohnungsknappheit und galoppierende Mietpreissteigerungen das Grundrecht auf Wohnen immer stärker beeinträchtigen, ist das
Wirken des Mietshäuser Syndikats wertvoller denn je. … Besondere Würdigung
findet die Tatsache, dass das Konzept des Mietshäuser-Syndikats einen Großteil
der Verantwortung und Entscheidungskompetenz in die Hand von Hausgemeinschaften legt. So entsteht verantwortliches und solidarisches MiteinanderWohnen.“, so die Jury in ihrer Begründung.
Martin Wiedemann fühlte sich geehrt, von der Jury für die Laudatio angefragt worden zu sein und hielt eine, jedenfalls nach Meinung BZ, „kluge und
empathische Rede“, deren Schluss wir dokumentieren.
„Euer Gedanke hat sich durchgesetzt, Euer Beispiel macht Mut und motiviert. Ihr
habt gezeigt, dass man den Kapitalismus mit seinen eigenen Mitteln, wenn schon nicht
schlagen, so doch austricksen kann. Ihr habt gezeigt, dass die Vorstellung von einer
moralischen Ökonomie kein leeres Geschwätz ist. Ihr habt gezeigt, dass eine Gruppe
von Menschen sich etwas scheinbar Aussichtsloses vornehmen und sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzen kann.
Beharrlich, kämpferisch, engagiert, sachkundig, solidarisch, mit Lust am Streit und
mit Lust am Leben. Mich persönlich erinnert das an das Schönauer Gefühl, verkörpert
von den Schönauer Stromrebellen.
Und wie in Schönau ist das Mietshäuser-Syndikat mehr als ein Geschäftsmodell,
mehr als ein Unternehmensverbund. Es steht für eine konsequent politische Haltung.
Und mit allem drum und dran auch für ein Lebensgefühl, aus dem diese Haltung
entspringt.
Vielleicht spricht man ja irgendwann mal, wenn es um bezahlbaren Wohnraum
und solidarisches Leben geht, vom Freiburger Gefühl, verkörpert von den Mietshäuser
Rebellen. Von denen mir übrigens kollektiv verboten wurde, auch nur einen einzigen
Namen zu nennen.
Deshalb gratuliere ich ebenfalls kollektiv den 2.000 in den Projekten wohnenden
und auch allen anderen, weltweit freischwebenden Rebellen von Herzen zum BerndtKoberstein-Preis für Solidarität und Zusammenleben 2016!“
3HäuserProjekt
Gemeinsam Wohnraum schaffen:
sozial, bezahlbar, unverkäuflich!
Infos zum Projekt und zu
­Direktkrediten unter:
www.3haeuserprojekt.org
➔
Die FABRIK und ihre Direktkredite
„1000 Menschen hinter uns sind uns lieber
als eine Bank im Genick“ - unter diesem
Motto erhielt die FABRIK in den letzten
38 Jahren viele kleine private Darlehen,
um den Kauf der Immobilie und den
schrittweisen Ausbau der Gebäude zu
­finanzieren. 3,5 Millionen Euro wurden im
Laufe der Jahre in­vestiert, 75 % davon
sind inzwischen zurückbezahlt.
Und die Schulden sollen — solange keine
neuen Bauprojekte anstehen — weiter
­abgebaut werden. Daher freut es uns,
wenn das eine oder andere Darlehen
­zurückgefordert wird, für den persön­
lichen Bedarf oder um beispielsweise ein
Projekt des Mietshäusersydikats, etwa das
oben vorgestellte LAMA, zu unterstützen.
Nur zu, wir tilgen gerne!
27
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016SolidarEnergie
Eines von vielen geförderten Projekten:
Freiburger StraßenSchule e.V.
Preis der
SolidarEnergie 2016
Im April wurde zum sechsten Mal im Vorderhaus
gemeinnütziges Engagement gewürdigt
Immer wieder aufs Neue beeindruckend sind die jährliche Verleihung des
Preises der SolidarEnergie und die gleichzeitige Vergabe von Förderungen an
regionale Initiativen aus dem kulturellen und sozialen Bereich. 2016 standen dem
Verein aus dem Ertrag von Sonnenenergie 16.160 Euro Fördermittel zur Verfügung,
seit 2011 wurden damit insgesamt schon 90.490 Euro vergeben. Eine Zahl, auf die
man stolz sein kann!
Die Träger der Solidar­Energie, die Volksbank Freiburg, die EWS Schönau sowie
die FABRIK sind Jahr für Jahr begeistert von der Vielfalt der Initiativen, die sich
bewerben, von ihren Ideen und ihrem selbstlosen Wirken und Arbeiten.
Den mit 3.000 Euro dotierten Preis der SolidarEnergie und den lebenslangen
Nießbrauch an einem Rebstock im Kaiserstuhl erhalten in diesem Jahr die Frei­
burger Künstler Petra Gack und Mike Schweizer.
Die Freiburger StraßenSchule ist eine Einrichtung für junge Menschen, die auf der Straße
leben oder ihren Lebensmittelpunkt auf die
Straße verlagert haben. Sie unterstützt Kinder,
Jugendliche und junge Heranwachsende in
dem Umfeld, in dem sie leben, und erkennt dabei vielfältige Lebensentwürfe an.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind regelmäßig in Freiburgs Innenstadt unterwegs.
Sie knüpfen Kontakte zu den verschiedenen
Straßenszenen und sprechen Jugendliche und
junge Erwachsene an, die ihren Lebensmittelpunkt sichtbar auf der Straße haben und/oder
sich in Wohnungsnot befinden.
Ziel ist es, zu den jungen Menschen einen
guten Kontakt herzustellen und daraus verlässliche und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Sie ermutigen sie, an ihren Wünschen
und Träumen einer selbst gestalteten Zukunft
zu arbeiten.
28
SolidarEnergie
Nach Meinung der Jury ist Petra Gack eine Schauspielerin und Sängerin, die
nicht nur ein kleines privates Theater, das „Alte Klavierdepot“, leitet, sondern sich
darüber hinaus in besonderer Weise für k­ ulturelle Bildung und Kulturvermittlung
engagiert. Sie übersetzt ­klassische Stoffe in die heutige Zeit und gewinnt damit
neue Zuschauerschichten. Mike Schweizer ist Musiker, gefragter Musiklehrer und
zudem ein unermüd­icher Netzwerkarbeiter. Seine spontane und leicht anarchische
Spielweise, seine ­Fähigkeit, sensibel zuzuhören, Impulse aufzunehmen und musikalisch zu verarbeiten, machen ihn zu einem herausragenden Saxophonisten. Beider
Kunst ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Instrumentalisierung des Lebens und für den achtsamen Umgang mit den geistigen und zivilgesellschaftlichen
Ressourcen des Individuums.
Neben der Vergabe des Preises der SolidarEnergie an Petra Gack und Mike
Schweizer wurden in diesem Jahr elf Initiativen für ihr soziales und kulturelles
Engagement mit Fördergeldern ausgezeichnet und mit großem Applaus bedacht:
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Eines von vielen geförderten Projekten:
zusammen leben e.V.
friga, Sozialberatung in der FABRIK
Beistandsschulung „Keiner geht allein aufs Amt“
Initative Schlüsselmensch e.V.
Schwimmkurse für Kinder mit Fluchterfahrung
Die Agronauten aus Emmendingen
Durchführung des „AgriKulturFestival 2016“
Nachbarschaftswerk e.V.
Kleinkindgerechte Ausstattung der internationalen Frauenteestube
Schwere(s)Los e.V.
Kulturraum im Wiedersehn-Recyclingkaufhaus
Freiburger StraßenSchule e.V.
„Notkässle“ für ehrenamtliche Arbeit
Sozialbetreuung Flüchtlinge Schönau / Caritasverband Lörrach e.V.
„ReBe“ Reparatur- und Begegnungscafe
KulturWunsch e.V.
Büroerweiterung
Initiative zur Erinnerung an die Badische Revolution
Inszenierung Dortu-Gedenkfeier
Greenmotions Filmfestival
Durchführungshilfe
zusammen leben e.V.
Weltreise Pop-Up Dinner: Eine kulinarische Weltreise.
Ein besonderes Dankeschön geht an Jess Jochimsen, der wie jedes Jahr souverän durch den Abend führte, an Gesine Bänfer und Ian Harrison für die musika­
lische Umrahmung, Reiner Marquard, 1. Vorsitzender des Vereins SolidarEnergie,
für die Laudatio, Michael Bögle für die Gestaltung der Preisskulptur, sowie an die
Wein­güter Schwarzer Adler und Dörflinger, die Brauerei Fürstenberg und die Vorderhaus Gastronomie für die Bewirtung.
Der Verein „zusammen leben e.V.“, der unter
anderem mit gemeinsamen Essen Stadtgesellschaft und Flüchtlinge zusammenbringt,
­entwarf das Konzept „Weltreise Pop-Up D
­ inners:
eine kulinarische Weltreise in Freiburg“.
Das Projekt bietet geflüchteten Menschen die
Möglichkeit, durch eigene Einladungen den Freiburgern ihre Kulturen näher zu bringen.
So wird ein Raum geschaffen, in dem kultureller
Austausch und ein Erweitern des Horizonts
zwanglos möglich ist.
Die erste von insgesamt sechs Veranstaltungen
fand Mitte Juni in der Küche und im Café der
FABRIK statt.
29
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016AMICA
Ein von Ehrenamtlichen
­gebauter Schaukasten
„Trauma“ illustiert,
dass Kriegshandlungen
und insbesondere
sexualisierte Gewalt
im Zusammenhang mit
­bewaffneten Konflikten
häufig zu schwerwiegenden posttraumatischen
­Belastungsstörungen
führen.
Das Thema sexualisierte Kriegsgewalt gegen
Frauen begleitet „amica“ von Anfang an und nicht
nur am jährlichen Internationalen Tag.
Von einem besonders bestürzenden T
­ atbestand
berichtet Gabriele Michel.
Skandalöse Sicherheit
Missbrauchsvorwürfe gegen Blauhelmsoldaten
S
eit den neunziger Jahren gilt sexualisierte Gewalt
in bewaffneten Konflikten im Sinne der Statuten
des Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im Jahr 2000 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1325 zu
„Frauen, Frieden und Sicherheit“. Darin werden wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz von Frauen und
Mädchen gegen sexualisierte Gewalt in bewaffneten
Konflikten gefordert. Allerdings geht sexualisierte
Gewalt immer wieder auch von Männern aus, die als
rettende Instanzen eingesetzt sind: von Blauhelmsoldaten.
Die Resolution 1325 ist ein Meilenstein – wenn
auch bislang eher als Rahmenwerk und Handwerks-
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zeug. Eine wirkliche Verbesserung der Situation von
Frauen in den neuartigen, oft durch eine Verknüpfung von Krieg und Verbrechen gekennzeichneten
Krisenherden der Welt, verlangt entschiedenen politischen Willen – und einen langen Atem. Inzwischen
wurde Angelina Jolie von der London School of
Economics eine Gastprofessur im Masterprogramm
„Frauen, Frieden und Sicherheit“ angeboten. Das
wird dem neuen Studiengang zu Popularität verhelfen und das beharrliche Engagement Jolies — nicht
zuletzt auf dem „Weltgipfel gegen sexuelle Gewalt
in Konflikten“ 2014 in London — lässt hoffen, dass
sie die Inhalte der Resolution 1325 mit Nachdruck
vertreten wird.
Internationaler Tag gegen sexualisierte
Kriegsgewalt
Die am 19. Juni 2008 in New York verabschiedete
Resolution 1820 setzt sich, anknüpfend an 1325, in
besonderer Weise für den Schutz vor sexualisierter Gewalt und ein Ende der Straflosigkeit ein. Am
19. Juni 2015 schließlich forderte die Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass künftig am
19. Juni alljährlich und weltweit der Notwendigkeit
gedacht wird, sexualisierte Gewalt in kriegerischen
Konflikten zu beenden – und dass die Opfer von sexualisierter Gewalt gewürdigt werden sollen.
Die Aneinanderreihung der Beschlüsse, verabschiedet von machtvollen Gremien, könnte Anlass
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
AMICA
zur Hoffnung sein. Aber sie ist es nicht wirklich. Zwar zeugt der
Nachdruck dieser Stellungnahmen gegen sexualisierte Gewalt
in kriegerischen Konflikten von einem wachsenden Bewusstsein
dessen, was Frauen und Mädchen sowie Jungen und Männer
im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda, im Kongo, in der
Zentralafrikanischen Republik und in anderen Ländern erlitten
haben und erleiden. Aber diese Beschlüsse sind vor allem Ausdruck wachsender Dringlichkeit.
Menschenverachtende Grausamkeit gegen Frauen
Denn kaum etwas ist besser geworden und gar nichts gut.
Im Gegenteil. Mit der zunehmenden Brutalisierung – und Verstrickung – der Kriege weltweit mehren sich die Fälle sexualisierter Gewalt von menschenverachtender Grausamkeit gegen
Frauen. Wir alle kennen die Berichte über Jesidinnen und Christinnen, die vom IS verkauft wurden, wir kennen die Schilderungen über das Schicksal der mehr als 200 Schülerinnen in
Nigeria, die von Boko Haram entführt, verkauft und teilweise
zwangsverheiratet wurden. Wir kennen solche Meldungen –
aber oft reagieren wir wie gelähmt durch die Schreckensnachrichten, die inzwischen Tag für Tag zu uns gelangen, sind wie
betäubt in einem Gefühl von Ohnmacht. Einer Ohnmacht, die
umso bedrängender wird, je näher das Entsetzliche jetzt mit
den schutzsuchenden Flüchtlingen zu uns kommt. Die einen
sprechen von 20 %, andere sogar von 60 % traumatisierter
Flüchtlinge. Wir können nur ahnen, wie viel Gräuel und zerstörte Leben solche Zahlen bedeuten.
Mindestens 69 Missbrauchsfälle durch ­Blauhelme
Umso bestürzender und empörender ist es, dass sexualisierte Gewalt in Ländern, in denen Krieg und Vertreibung herrschen, nicht nur von blindwütigen Fanatikern und Milizen verübt wird, sondern auch von Männern, die als rettende Instanzen
eingesetzt sind und auftreten: Schon 2004/2005 gab es Meldungen über sexuelle Übergriffe und Verbrechen von Blauhelmsoldaten. Dann immer wieder; 2013 sechsundsechzig Fälle, 2014
zweiundfünfzig. Jetzt, in den letzten Monaten, zeigt sich, dass
im Jahr 2015 in 10 der 16 von circa 125.000 Blauhelmsoldaten
betreuten Missionen mindestens 69 Missbrauchsfälle gemeldet
wurden: Vergewaltigungen, Sex gegen Geld, Nötigungen – in
nachgewiesen 22 Fällen sind die Opfer Kinder. Blauhelme aus
21 Ländern werden mittlerweile in einem UN-Bericht des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Die Vorwürfe gegen deutsche,
kanadische und slowakische Soldaten seien entkräftet worden,
heißt es. Gegen beschuldigte französische Soldaten wird weiter
ermittelt. Keiner der aus dem letzten Jahr gemeldeten Fälle
von sexualisierter Gewalt gegen Schutzbedürftige hatte bis
jetzt juristische Folgen. Die Blauhelmsoldaten unterstehen der
Gerichtsbarkeit der entsendenden Nationen. Das verhindert
nicht nur konkret eine wirkungsvolle Strafverfolgung, sondern
hat eine verheerende symbolische Wirkung: die sexualisierte
Gewalt wird nicht als Verbrechen wahrgenommen – und den
Frauen die Anerkennung als Opfer eines Verbrechens verwehrt.
Gefährliche Verbindung: Not und Verrohung
Dass und wie die Praxis der Straflosigkeit zu realen und potentiellen
Opfer sexueller Gewalt führt belegt eindrucksvoll die Reportage „Gefährliche Helfer“ über den Blauhelmeinsatz in der Demokratischen Republik Kongo. Eingesetzt werden die UN-Einheiten, um die Bevölkerung
– darunter zahllose Binnenflüchtlinge – gegen marodierende Rebellen
zu schützen. Doch dabei, so das Ergebnis des am 6. März 2013 auf der
ARD ausgestrahlten Dokumentarfilms, halten sich die Soldaten zurück.
Stattdessen entdeckten die Journalisten durch beharrliches Hinsehen
und Nachfragen ganz in der Nähe des Militärstützpunkts ein regelrechtes Bordell. Bedürftigkeit auf der einen Seite und eine unfassbare Verrohung auf der anderen führen dazu, dass die Schutzbedürftigen ihren
Körper verkaufen, um ihre existentielle Not zu lindern. Ca. 300 Dollar
kostet eine Prostituierte. Die Skrupellosigkeit, mit der hier Soldaten
nicht nur von der materiellen Abhängigkeit der Bedürftigen profitieren,
sondern auch von deren Arglosigkeit gegenüber den vermeintlichen
Helfern, ist monströs. Not, Gewalt und Vorteilsnahme greifen auf erschreckende Weise ineinander. Dabei ist Sex gegen Geld in den UNStatuten strengstens verboten. Aber die Soldaten fühlen sich durch die
ihnen gewährte Immunität offenbar sicher. Eine skandalöse Sicherheit.
Künftig bessere Strafverfolgung
Das soll sich jetzt ändern. Am 11. März dieses Jahres hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet,
die künftige Strafverfolgung gegenüber angeklagten Blauhelmsoldaten
vorschreibt. Außerdem sollen die entsendenden Nationen verpflichtet
werden, bei Vergewaltigungs- und Vaterschaftsklagen DNA-Proben der
Beschuldigten zur Verfügung zu stellen. Und es sollen, wie 2010 schon
einmal geschehen, bei entsprechenden Vorwürfen ganze Kontingente
abgezogen werden können.
Ein wichtiger Schritt. Damit daraus eine Praxis wird, die Frauen und
Mädchen, Jungen und Männer in Kriegsgebieten wirkungsvoll vor sexualisierter Gewalt schützt, sind wir alle gefragt. Gefragt, als Öffentlichkeit
jeden erdenklichen politischen Druck auszuüben, um zu garantieren,
dass sexualisierte Gewalt juristisch verfolgt und bestraft wird. Überall. Immer. Und ganz besonders dort, wo gut bezahlte Soldaten ihre
Macht und ihren Status in menschenverachtender Weise ausnutzen, um
Schutzbefohlene zu missbrauchen.
Gabriele Michel
ist Vorstandsvorsitzende
von AMICA e.V.
➔
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BIC: GENODE61FR1
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016Vorderhaus-Techniker
Die Mischung
macht‘s ...
… das finden die drei Haustechniker
vom Vorderhaus. Georg Hallmann, Rainer
Joos und Ralph Küker plaudern mit der
Rundbriefredaktion über ihre Arbeit.
Lieber Rainer, lieber Georg, lieber Ralf, erzählt doch mal, wie man
als Quereinsteiger an einen Job als Veranstaltungstechniker kommt!
Georg: In meinem Fall war das so, dass ich einige Kommilitonen in der Geologie an der Uni hatte, die bereits im E-Werk, das
damals noch der AAK (Arbeitskreis Alternative Kultur) war, als
Techniker gejobbt hatten. Über sie bin ich ebenfalls dazugestoßen.
Nach drei Jahren als Aushilfe wurde mir dann eine feste Stelle
angeboten, und ich habe nicht lange überlegt, mein Studium abgebrochen und bin so ins Berufsleben eingestiegen.
Rainer: Ich hatte schon von frühester Kindheit an eine Affinität zur Technik. Mein Vater hat mir, als ich noch ganz klein war,
einen tragbaren Kassettenrekorder mit Mikro zum Geburtstag
geschenkt, und ich habe dann alles aufgenommen, was so den Tag
über zu hören war. Es hat mich fasziniert, wie die Autos auf der
ich einfach noch etwas machen, was mit Musik, Kunst, Kultur
und Bühne zu tun hat, – mich selber aber nicht als ausführender
Künstler oder Musiker mit einbezieht.
Rainer: … Später habe ich dann den Sound für alle möglichen
Musikbands bei uns auf dem Dorf gemacht und bin auch immer
wieder für Schultheateraufführungen angefragt worden. Allerdings
war das noch ein rein intuitives Arbeiten. Ich hatte noch keinen
theoretischen Hintergrund für das, was ich da gemacht habe. Das
kam erst später.
Und trotzdem hast du erst mal was ganz anderes studiert?
Rainer: Ja, Anthropologie. Einfach weil es mich schon immer
interessiert hat. Aber die Veranstaltungstechnik war all die Jahre
ein omnipräsentes Hobby.
Wie seid ihr zum Vorderhaus gekommen?
Georg: Über zwei andere Jobber bei euch in der Kultur. Harald
und Trampy haben ja auch im E-Werk gejobbt. Und die erzählten
mir, dass das Vorderhaus einen Techniker sucht.
Ralph Küker ist von Haus aus Musiker
Rainer: War bei mir ähnlich. Bernd, der mal in der Gaststätte
gearbeitet hat, hat mir den Tipp gegeben, und ich habe mich dann
mit Dieter von der Kultur getroffen und auch bald darauf angefangen. Aber erst nachdem mich Georg lichttechnisch fit gemacht
hat natürlich.
Ralph: Und ich bin wiederum über Rainer ins Vorderhaus
gekommen. Der wusste, dass ich suche, und hat mir den Job vermittelt. Er hat mich auch eingearbeitet.
Rainer Joos war schon als Kind mit dem Mikro unterwegs
Straße dann auf unserer Stereoanlage geklungen haben. Ich hatte
echt ein mordslanges Mikrokabel …
Georg: Ach daher kommt deine Vorliebe für langes Gekabel …
Ralph: Da ich in meinem eigentlichen Beruf als Musiker schon
immer auch viel mit Veranstaltungstechnik zu tun habe, es ständig
Berührungspunkte gibt und ich immer „auf der anderen Seite“
der Bühne stehe, ist das grundlegende Interesse an dem Bereich
Veranstaltungstechnik schon immer vorhanden. Außerdem wollte
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Was macht die Arbeit im Vorderhaus in euren Augen zu etwas
­Besonderem?
Georg: Nicht nur das Essen (lacht). Nein, was ich total mag
ist, dass man ganz nah an den Künstlern dran ist, beim Aufbau
und natürlich vor allem auch nach der Vorstellung. Es sind ja doch
auch zahlreiche „Stars“ hier im Programm zu finden. Man sitzt
dann oft noch zusammen, unterhält sich und trinkt ein Bierchen
oder zwei. Und auch zum Publikum hat man Kontakt, wenn man
Einlass macht. Ein weiterer Punkt ist, dass die Arbeit technisch
Vorderhaus-Techniker
nicht so aufwändig ist, wie zum Beispiel im E-Werk, wo man doch
oft die ganze Bühne umbauen muss.
Rainer: Das geht mir genauso. Die Mischung aus allem macht
es aus. Es ist menschlich ein sehr angenehmes Arbeiten hier und
auch technisch macht es Spaß. Außerdem kommt mir sehr entgegen, dass es ein Teilzeitjob ist.
Georg: Klasse finde ich, dass man hier zu 95 Prozent mit Vollprofis zusammen arbeitet. Laien sind viel anstrengender, weil man
soviel erklären muss. Warum dies so nicht geht und so weiter …
Georg Hallmann fand vom Geologiestudium über das E-Werk ins Vorderhaus
Rainer: … und viele Fehler muss man ausbügeln …
Georg: Stimmt. Einem Profi muss ich nicht dauernd sagen,
dass er doch bitte näher ans Mikro gehen soll oder sich ins Licht
stellen muss und nicht daneben. Und auch der Hintergrund passt.
Die technische Vorbereitung ist sehr gut und auf einem hohen
Niveau.
Rainer: Stimmt. Ganz anders als bei mir in der Vergangenheit.
Wir haben oft noch auf der Fahrt zum Gig das Equipment zusammen telefoniert.
Habt ihr denn Lieblingsveranstaltungen oder Lieblingskünstler?
Rainer: Für mich macht‘s mal wieder die Mischung aus allem
aus. Ich finde das Programm überwiegend sehr gut und vielseitig.
Ralph: Hab ich eigentlich nicht. Ich mag vor allem die Abwechslung im Programm!
Georg: Zwei meiner persönlichen, sehr gegensätzlichen Highlights sind Kay Ray und Horst Evers. Kay Ray hat, technisch
gesehen, ein sehr anspruchsvolles Bühnenprogramm. In der Realisierung lässt er mir dann aber freie Hand. Horst Evers dagegen
ist ganz einfach, Licht an und Licht aus. Der braucht fast nichts
und trotzdem ist die Show klasse.
Was war denn euer persönlicher Super-GAU?
Rainer: So einen Super-GAU hatte ich eigentlich noch nicht.
Aber ich finde es schwierig, wenn der oder die Künstlerin bei der
Besprechung des technischen Ablaufs ganz klare Stichworte, zum
Beispiel für eine Toneinspielung oder einen Lichtwechsel, vorgibt
und dann später während der Show improvisiert oder sich nicht
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
an den Text hält. Dann sitzt man da und versemmelt die Einsätze
und alles läuft irgendwie ganz anders als abgesprochen. Das verunsichert mich immer noch.
Ach, da fällt mir doch eine Panne ein: Beim Auftritt von Uli
Boettcher hat er mir das Textbuch mit den Stichworten für Licht
und Ton auf unser Tonpult gelegt. Das sah aus wie unser Brennerbuch, in das wir immer eintragen, wann welcher Scheinwerfer
mit einem neuen Brenner ausgestattet wurde. Ich hab‘ gedacht,
das Textbuch wäre das Brennerbuch und habe es weggeräumt.
Während der Show hat mich dann Uli Boettcher irgendwann von
der Bühne runter gefragt, ob ich denn das Textbuch hätte, weil ich
die Lichteinsätze gefahren bin, wie ich halt gedacht hab. Na ja, das
war nicht so angenehm …
Georg: Ich hab mal das Licht für Jochen Malmsheimer eingerichtet, ist schon einige Jahre her, und volle Kanne Licht von hinten gegeben, es waren noch die alten Par 64, die um ein vielfaches
mehr Hitze als Licht produzierten. Jochen begann mit der Show
und sagte nach ein paar Minuten ich solle doch bitte dieses Licht
von hinten wegnehmen, weil es ihm schier die Eier wegbrenne. Na
ja, für das Publikum war das richtig lustig.
Ralph: Da ich ja erst seit kurzem hier arbeite, hatte ich noch
keinen Super-GAU. Aber in meiner Vorstellung wäre das Schlimmste, wenn man eine Vorstellung unterbrechen oder sogar absagen
müsste, weil ein technisches Problem auftritt, was nicht mehr zu
beheben wäre.
Rainer: Der Umgang mit Pannen ist bei den Künstlern komplett verschieden. Die einen nehmen es mit Humor, andere sind
nicht so souverän.
Habt ihr denn Wünsche an uns? Verbesserungsvorschläge?
Ralph: Bisher noch nicht. Ich fühle mich rundum wohl und
habe keine Wünsche. Weiter so!
Rainer: Ich habe relativ oft noch Leerlauf vor dem Aufbau, weil
ich so früh hier sein soll. Vorbereiten kann ich oft nur wenig, weil
ich den technischen Rider nicht habe.
Georg: Na, da kann man ja ein bisschen aufräumen. Ich mache
das ganz gern. Man muss ja oft auch die Veranstaltungen technisch
nachbereiten, heißt: wieder zurückbauen und das Material wieder
verstauen.
Habt ihr sonst noch einen Bezug zur FABRIK?
Rainer: Ich bin seit 2002, seit ich in Freiburg bin, im Friedlichen Drachen, dem Dojo von Gertrud Schröder, aktiv. Ich habe
lange Zeit das Kindertraining gemacht und die erwachsenen Anfänger unterrichtet.
Ralph: Ich wohne direkt um die Ecke und habe auch schon,
lange bevor ich hier das Arbeiten angefangen habe, die eine oder
andere Veranstaltung besucht. Manchmal komme ich auch zum
Essen.
Georg: Bei mir war die Fahrradwerkstatt vor vielen Jahren, ich
glaube es war 1990, der erste Bezugspunkt zur FABRIK. Ganz
aktuell kaufe ich hier immer samstags auf dem Wochenmarkt ein
und trinke ab und zu ein Bierchen in der Gaststätte.
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Kolumne
Meine schlimmste Lesung
Jakob Hein wurde Opfer von Festzeltbewohnern
M
eine vorletzte schlimme Lesung war nicht halb
so schlimm wie meine letzte schlimme Lesung.
Meine letzte schlimme Lesung war meine schlimmste
Lesung aller Zeiten und zwar nicht nur, weil man das
kurz danach immer denkt, sondern ich bin überzeugt,
dass ich das auch noch in fünf und zehn Jahren denken
werde und darüber hinaus, in dem Rahmen, in dem ich
dann noch zum Denken befähigt sein werde.
Auf Wunsch der Gastgeber, die auch die Rechnung
von dem allen hier bezahlen würden, sollte ich aus einem meiner Bücher vorlesen. Es war eines der Bücher,
aus dem ich schon oft vorgelesen hatte. Ein Monolog,
dessen beste Lesungen durchaus schon zu veritablen
Aufführungen geworden waren, weil ich das Buch auf
der Seite liegen und dem Publikum ins Gesicht blicken
konnte. Ich begann mit ein paar einleitenden Worten,
ein paar netten Komplimenten über das Wetter und den
Tag, alles keine Kandidaten für den Innovationspreis.
Das Problem bestand darin, dass meine Äußerungen
überhaupt keinen Bezug zum Publikum fanden. Ich
erzählte irgendetwas auf dem Tanzboden hinter dem
Mikrofonständer und die anderen Leute am anderen
Ende des Festzeltes erzählten irgendetwas anderes. Die
Gastgeberin kam dann zu mir und bat mich, doch lauter
zu sprechen, was ich sinnlos fand, dann aber doch tat
und DJ Thommi oder wie der hieß drehte auch noch
ein bisschen auf mit dem Ergebnis, dass die anderen
Bewohner des Festzeltes nun auch lauter sprechen mussten. Ich schrie kurzzeitig sogar mal laut, um auf mich
➔
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Jakob Hein ist Psychiater und Schriftsteller.
Im Rahmen der Lesereihe
„unter sternen — vorlesen im August“
wird er am Samstag, den 27. August,
aus seinem Roman „Kaltes Wasser“ vorlesen.
aufmerksam zu machen, was das medizinische Personal
immerhin dazu bewegte, seinen Kopf zu wenden, aber
als sie sahen, dass ich nur so mein Bühnending auf meiner Seite des Zeltes machte, waren sie wieder beruhigt
und setzten ihre Gespräche fort.
Da diese Situation nicht lösbar war, begann ich kurzerhand mit der Lesung. Das hier sah nicht danach
aus, als würde es besser werden und innerhalb weniger
Minuten hatte ich sogar verstanden, dass es nicht noch
schlechter werden konnte. Denn nach vier oder fünf
Sätzen fiel mir auf, dass man dem Rest des Textes nicht
folgen kann, wenn man weder der Einführung noch
den ersten Sätzen zugehört hat. Hier vorn hätte Klaus
Maria Brandauer mit der Stimme von Adolf Hitler den
Text lesen können und dennoch wäre es dem Publikum
nicht möglich gewesen, ihm zu folgen. Aber hier stand
nicht Brandauer und die Modulationen, die ich meiner
Stimme gab, waren vollkommen gleichgültig. Viel lieber
wäre es mir gewesen, wenn irgendjemand anders hier für
mich gestanden hätte und ich stattdessen zuhause hätte
bleiben können. Noch nie konnte ich während einer
Lesung so viel über andere Dinge nachdenken. Ich war
sicher davon ausgegangen, dass die Veranstaltung oder
besser gesagt mein Teil daran mindestens eine Stunde
lang sein würde, darum hatte ich mir erst nach Ablauf
dieser Zeit einen Rückzug herausgesucht. Aber schon
nach zehn Minuten dachte ich darüber nach, ob es auch
einen früheren Rückzug geben könnte. Allerdings würde
ich keinesfalls auf das Honorar verzichten und in jedem
Fall so lange lesen, dass sie mir das Versprochene zahlen
müssten, den Gefallen würde ich ihnen keinesfalls tun.
Zwischenzeitlich blickte ich immer wieder mal ins
Publikum, während ich vorzulesen vorgab. Ich hätte inzwischen das neue Buch der Offenbarungen im Original
von Gott vorlesen können, mir hörte absolut niemand
mehr zu. Es tat auch niemand mehr so, als ob er zuhörte.
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2016
Adressen
FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.
Habsburgerstraße 9 | 79104 Freiburg | Tel. 0761.50 365-30 | Fax 0761.50 365-55 | www.fabrik-freiburg.de
Hausbüro
50 365-30
Vorderhaus-Kulturbüro
50 365-40
Veranstaltungsinfo
50 365-44
Keramik-Werkstatt der FABRIK
50 365-56
Offene Werkstatt
Di 16-20, Fr 17-21
www.fabrik-freiburg.de
www.vorderhaus.de
AMICA 556 92 51
BAGAGE – Pädagogische Ideenwerkstatt 55 57 52
bagageArt 55 57 31
Mo-Fr 8.30-12, 13-17
Fahrradwerkstatt
5 27 29
Mo-Fr 10-13, 15-18.30
Reparatur in Selbsthilfe Mo-Fr 15-18.30, Sa 10-14
Die Radgeber & Tandemladen (Spechtpassage) 292 76 70
Freiburger Kinderhaus-Initiative
707 68 22
Freie Holzwerkstatt
5 45 31
Mo-Fr 8.30-12.30, 13.30-17
Friedlicher Drache Gertrud Schröder
47 14 85
friga – Sozialberatung
090010-37442 Di-Do 10-15
Kindertagesstätte FABRIK 55 35 95
Mo-Fr 7.30-16
Markt & Strategie Eckhard Tröger
557 46 01
Medien Service Siegfried Wernet
514 57-16
Motorradclub Kuhle Wampe
Mi 20.30
Motorradclub Weingarten
Fr 20
Naturschule Freiburg
2 44 08
Di, Mi, Fr 9-12 Do 13-16
Probe — Projektberatung in der FABRIK
27 28 39
schwarz auf weiss Druck & Litho
514 57-0
The Move — Neuer Tanz im Alten Saal
707 85 33
Vorderhaus Gaststätte
557 70 70
Mo-Sa ab 12, So ab 10
Wochenmarkt in der FABRIK 590 09 83
Sa 9-13
Zett [di’zain] Günther Zembsch
514 57-18
www.amica-ev.org
www.bagage.de
www.bagageArt.de
www.fahrradwerkstatt-freiburg.de
Bei den üblichen Open-Air-Lesungen findet sich ja immer ein
kleines Grüppchen von Sympathie-Heuchlern. Die hören mal rein,
essen eine Wurst, warten bis wieder ein paar kommen und gehen
dann auch. Nicht hier. Die Leute unterhielten sich einfach so laut
es ging. Ich dachte an die vielen Stunden von Kulturveranstaltungen, bei denen ich mein Interesse geheuchelt hatte. Warum zahlte
man auf dieses Konto immer nur ein? Bekam man manchmal
auch ein bisschen davon zurück? Ein etwa Siebzigjähriger stand
am Kopfende einer der Bierbänke und erzählte dem Tisch eine
Geschichte. Zwanzig Meter hinter ihm stand ein Vierzigjähriger
und versuchte, dem Mikrofon eine andere Geschichte zu erzählen.
Niemand. Es war beeindruckend.
Zwischenzeitlich wurde ich langsam beim Lesen und genoss
es, vollkommen allein mit mir und meinem Text zu sein. Ich versuchte, dieser Intimität nachzuspüren und diese Vorstellung in eine
Art Vakuum zu geben. Ich dachte darüber nach, welche Art von
Künstler sich wohl diesem Publikum stellen könnte. Sie hätten
keiner Band zugehört und sicher keinem Wortkünstler. Sie wollten
sich einfach nur laut unterhalten, sie hatten nicht einmal einen klitzekleinen Rest Höflichkeit in sich, der sie irgendwie dazu bewegt
hätte, die Atmosphäre irgendwie angenehmer für mich zu machen,
so dass ich und mein Text einfach allein blieben an diesem merk-
www.fabrik-keramik.de
www.radgeber-freiburg.de
www.freiburger-kinderhausinitiative.de
www.wir-machen-moebel.de
www.friedlicherdrache.de
www.friga-freiburg.de
www.marktundstrategie.de
www.freiburg.kuhle-wampe.de
www.mcw-freiburg.de
www.naturschule-freiburg.de
www.sawdruck.de
www.move-freiburg.de
www.vorderhaus-restaurant.de
würdigen Abend der schlimmsten Lesung meines Lebens. Ich war
einfach nur wie ein amtlich Irrer in einem Anzug, der plötzlich in
einem Restaurant aufsteht und aus irgendeinem Manuskript zu
lesen beginnt. Ich hätte „Besame mucho“ spielen sollen.
Der Irre machte Schluss und sagte „Dankeschön“. Irgendeiner bemerkte es sogar und bestimmt zehn der zweihundert Leute
klatschten, erleichtert darüber, jetzt wieder ungestörter miteinander reden zu können. Ich ging zu Thommi, der zum Glück schon
irgendeinen Diskohit am Start hatte und packte meine Sachen
zusammen. Er hatte mir zugehört und war ganz mitleidsvoll. Als
ich das Festzelt unauffällig verließ, rannte mir noch eine der Direktorinnen nach und überreichte mir eine Flasche in einer Tasche.
Ein früherer Zug fuhr nicht, aber meiner war wenigstens pünktlich.
Meine Lesung in Freiburg wird bestimmt viel, viel schöner. Sonst
möchte ich bitte zwei Flaschen bekommen, eine für gleich mit
Obstler und eine für später mit Schierling.
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