Monumentales Kunstwerk ersten Ranges zu

KULTUR
M o n t a g , 5. D e z e m b e r 2 0 1 6
K U LT U R NAC H R I C H T E N
Prättigauer Schüler
touren mit Gospels
KONZERTREIHE Die Oberstufe Mittelprättigau
tourt während der Adventszeit durch die Kirchen
ihrer Verbandsgemeinden. Dies bereits zum achten
Mal in den letzten zehn Jahren. Doch dieses Jahr hat
der Chor noch einen zusätzlichen Auftritt im Einkaufszentrum City West in Chur und schafft es somit bis auf die Bretter der Bündner Hauptstadt. Den
Auftakt der Konzertreihe absolviert der Chor heute
Montag um 20 Uhr in der Turnhalle St. Antönien.
Die weiteren Konzerte finden in Luzein, Conters,
Küblis und Saas statt. Die Oberstufe Küblis präsentiert dabei zahlreiche legendäre und mitreissende
Gospelsongs, berührende Spirituals und traditionelle Weihnachtlieder, wie es in einer Mitteilung
heisst. Es befinden sich aber auch ganz neue Lieder
im Repertoire des Oberstufenchors. So wollen die
Jugendlichen den Besuchern mit ihrer Leidenschaft und Begeisterung Licht und Wärme weitergeben und sie in eine weihnachtliche Stimmung
versetzen. Die Abende werden durch einen kurzen,
besinnlichen Input der jeweiligen Pfarrerin respektive des jeweiligen Pfarrers des Gastortes bereichert. Der Eintritt ist frei. Das Publikum wird jedoch
die Gelegenheit haben, eine freiwillige Kollekte einzulegen, die sowohl bedürftigen Kindern als auch
den Klassenkassen zugute kommen soll. (BT)
B ü n d n e r Ta g b l a tt
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Monumentales Kunstwerk ersten Ranges
zu Gehör gebracht
Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe ist ein einzigartiges Werk. Wer sich an seine Interpretation wagt,
ist auch noch in heutiger Zeit mutig. Die Chöre der Singschule Chur waren das.
Heute Montag, 5. Dezember, 20 Uhr, St. Antönien,
Turnhalle; Freitag, 9. Dezember, 20 Uhr, Luzein,
Kirche; Samstag, 10. Dezember, 11/13/15 Uhr, Chur,
City West; Mittwoch, 14. Dezember, 19.30 Uhr, Conters,
Turnhalle; Freitag, 16. Dezember, 20 Uhr, Küblis,
Kirche; Montag, 19. Dezember, 20 Uhr, Saas, Kirche.
Infos unter www.os-mittelpraettigau.ch.
Audrey Tautou: «Brauche
keine Schönheitsberater»
HANNOVER Die französische Schauspielerin Audrey Tautou pfeift auf professionelle Image-Beratung. «Ich brauche keinen, der mir sagt, was ich anzuziehen habe», sagte die 40-Jährige dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Wenn jemand auf
einem roten Teppich auftaucht, sollte er auch er
selbst sein.»
Sie lehne «diese zunehmende Professionalisierung des eigenen Images ab», fügte Tautou hinzu.
Sie lasse sich nicht mehr von Stylisten beraten, seit
sie gemerkt habe, dass alle das tun.
Schönheit sei kein Wert an sich, sagte die Schauspielerin, die mit dem Film «Le fabuleux destin
d’Amélie Poulain» (2001) international bekannt geworden war. «Man kann sich vom Talent eines
Menschen inspirieren lassen, auch von seiner
Schaffenskraft, aber doch nicht von blosser Schönheit!» Schönheit allein habe «in der Geschichte
noch nichts bewirkt». (SDA)
Schauspielerin Audrey Tautou. (ZVG)
K U LT U R NO T I Z E N
Giovanni Orelli gestorben Der Tessiner Schriftsteller Giovanni Orelli ist am Samstagabend in
Lugano im Alter von 88 Jahren gestorben. Mit
seiner Prosa und Lyrik zählte Orelli zu den wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellern der
Schweiz. Die Familie des Verstorbenen bestätigte
der Nachrichtenagentur sda am Sonntag Medienberichte über den Todesfall. Giovanni Orelli wurde
am 30. Oktober 1928 in Bedretto geboren. Er
studierte in Zürich und Mailand und war während
30 Jahren in Lugano Lehrer für italienische
Literatur.
Schutz von Kulturgütern Die Mitgliedstaaten der
UNO-Kulturorganisation Unesco haben auf ihrer
Konferenz in Abu Dhabi einen internationalen
Schutzfonds und ein Netzwerk von Stätten zur
Zwischenlagerung bedrohter Kulturschätze
beschlossen.
Das 60-köpfige Vokalensemble zusammen mit der Kammerphilharmonie Graubünden führen Bachs h-Moll-Messe auf. (FOTO OLIVIA ITEM)
B
▸ CHRISTIAN ALBRECHT
Bachs «grosse catholische Messe»
ist dessen musikalisches Vermächtnis und gleichzeitig sein Opus ultimum. Ein Kosmos, der in seiner
ganzen Breite und Tiefe alles andere
als leicht zu überschauen ist. Denn
darin kulminieren die geballten Erfahrungen eines erfolgreichen und
erfüllten Komponistenlebens. Die
Tiefendimensionen dieser sich in
einem über drei Jahrzehnte erstreckenden Prozess nach italienischem Vorbild entwickelten «Messa
concertata» erheischen von dem,
der sich ihr nähert, höchsten Respekt. Das macht ihre Interpretation
nicht einfach und erst recht nicht
die konkrete Umsetzung in die Konzertpraxis. Ganz abgesehen davon,
dass dieses schillernde Kunstwerk
ausnahmslos für sämtliche Mitwirkenden höchste technische Voraussetzungen verlangt. 160 Jahre nach
der ersten Gesamtaufführung in
Frankfurt/Main und über 30 Jahre
nach der letzten Aufführung in Chur
haben Jürg Kerle und die Singschule Chur zusammen mit der Kammerphilharmonie Graubünden das
Werk am Wochenende in der Churer
Martinskirche zu Gehör gebracht.
Vorausgegangen ist eine zweijährige, intensive Probenarbeit, während der sich der Freie Chor, der
Cantus Chur und das Jugendensemble II mit dem vierteiligen Werk
auseinandersetzten.
Der mit über 60 Sängerinnen
und Sängern dotierte sowie mit
einem entsprechend gross besetzten Orchester als äusserst umfangreich zu bezeichnende Aufführungsapparat, der um vieles grösser
ist als heutige Besetzungsideale, die
für sich einen historisierenden Ansatz reklamieren, versetzte den Zuhörenden am Samstagabend in jene
Zeit des späten 19. und des 20. Jahrhunderts, als es primär darum ging,
die Schlüsselwerke vergangener
Epochen möglichst vielen Musikliebhabern überhaupt einmal bekannt zu machen. Nicht selten über
hundertköpfige Chöre und sinfonisch besetzte Orchester haben da
Bachs Musik aufgeführt. Was sich in
den letzten Jahrzehnten an musikalischen, philologischen, theologischen, aufführungspraktischen, rezeptionsgeschichtlichen und sonstigen Aspekten in der Auseinandersetzung mit diesem nach den Worten des schweizerischen Sängervaters Hans Georg Nägeli «grössten
musikalischen Kunstwerkes aller
Zeiten und Völker» angesammelt
hat, kann bei solcher Betrachtung
nicht in die Waagschale geworfen
werden. Diese Partitur interpretatorisch angemessen umzusetzen ist
überdies so oder so und nach wie
vor eine grosse Herausforderung.
Bachs Notentext liegt zwar vor,
doch selbst da gibt es Fragen, die
einer Antwort harren. Es ist grundsätzlich und in jeder Ausgangslage
schwierig, Bachs Hohe Messe in hMoll überzeugend und wirklich à
point zu servieren. Sehr schwierig
sogar. Auch und gerade dann, wenn
objektive Massstäbe zur Anwendung gelangen.
Berührende Art und Weise
Die drei Amateurchöre der Churer
Singschule haben sich an die Musikliteratur von professionellen Vokalensembles gewagt. Mit grossem
Fleiss und hohem Engagement ist
es ihnen gelungen, Sätze wie etwa
das «Et incarnatus est» in berührender Art und Weise zu gestalten. Und
auch die im Sanctus musikalisch
abgebildeten drei mal drei Hierarchien der Engel fluteten den Kirchenraum klangschön.
In kontrapunktischen Sätzen
wurde der musikalische Olymp
nicht erreicht – eine solche Seilschaft benötigt auch Steigeisen, Pickel und Haken sowie bei Nebel
einen Kompass. Möglicherweise
war das mit ein Grund, weshalb das
«Confiteor» überraschenderweise
nicht wie vorgegeben a cappella,
sondern colla parte vom Orchester
begleitet wurde. Insgesamt aber haben die Chöre demonstriert, dass sie
über ein sehr gutes Potenzial verfügen, das geweckt und geführt werden will.
Es ist immer wieder bemerkenswert, wie sich Amateure begeistern
und anspornen lassen, wenn sie mit
professionellen Musikerinnen und
Musikern zusammenarbeiten. Die
Kammerphilharmonie Graubünden und ihr aufmerksamer Konzertmeister Yannick Frateur haben an
diesem Abend, damit das grosse
Werk denn gelingen möge, goldene
Fäden in alle Richtungen hin gezogen. Und mehrere Solisten aus dem
Orchester haben dem Namen einer
«Messa concertata» alle Ehre gemacht. Nicht zuletzt vermochte
auch das Soloquartett mit Letizia
Scherrer, Ingrid Alexandre, Jakob
Pilgram und Markus Volpert vokale
Akzente zu setzen. Stets mit von der
Partie und sehr zuverlässig geleitete
die Continuogruppe durch den langen Konzertabend mit jenem Werk,
das als Johann Sebastian Bachs musikalisches Vermächtnis angesehen
werden kann. In ihm eingeschrieben ist die Durchdringung von theologischer Gedankenwelt und von
musikalischer Materie in all ihren
(Spiel-)Arten. Vielleicht macht sich
einst nach weiteren 30 Jahren wieder ein Bündner Musiker auf, Bachs
eigenes musikalisches Credo auf
das Konzertpodium zu stemmen.
«Die Rückkehr der Finsternis» im Musée Rath
200 Jahre nach dem «Jahr ohne Sommer» widmet sich das Musée Rath in Genf der ewigen «Rückkehr der Finsternis» in der Kunst.
«Ich hatte einen Traum, der keiner
war. Die Sonne war erloschen, und
die Sterne verdunkelt.» So beginnt
das Gedicht «Finsternis» von
George Gordon, genannt Lord Byron. Er schrieb es 1816, als er sich in
der Nähe von Genf aufhielt.
Deshalb bezieht sich die Ausstellung «Le Retour des ténèbres»
im Genfer Musée Rath direkt auf By-
ron. Und der englische Dichter hatte
recht, es war kein Traum. 1816 war
das Jahr ohne Sommer. Infolge
eines enormen Vulkanausbruchs in
Indonesien verdunkelte sich in
Europa der Himmel.
Im Juli schneite es bis in die Täler, Nässe und Kälte zerstörten die
Ernte, Hunger herrschte. Mancherorts sollen die Menschen Gras ge-
weidet haben wie Ziegen. In dieser
apokalyptischen Stimmung reiste
Byron an den Genfersee nach Cologny und nahm in der Villa Diodati
Quartier. Dort traf er, über den man
in England sagte, er sei «mad, bad
and dangerous to know», auf seine
Freunde Mary Godwin und deren
zukünftigen Ehemann Percy Shelley. Auch Byrons Arzt John Polidori
und Byrons schwangere ehemalige
Geliebte Claire Clairmont waren da.
Mit Frankensteins Monster und
dem Vampir fanden die jungen Wilden am wolkenverhangenen Genfersee zwei Schauergestalten, die
die überlieferten literarischen Formen überwanden und im Sinne des
noch jungen 19. Jahrhunderts vollkommen modern waren. (SDA)