Künstler I I Künstler Gabriela Jolowicz Geschichten, in Holz geschnitten Dr. Ulrike Fuchs Die Holzschnitte von Gabriela Jolowicz sind so prall gefüllt wie das Leben selbst. Die Menschen, die darauf zu sehen sind, hören Musik, tanzen, trinken, lachen und spielen. Sie genießen das Leben, das sich, wie die Häuserfluchten im Hintergrund der Holzschnitte vermuten lassen, meist in bunter, städtischer Umgebung abspielt. Im Gegensatz dazu steht das reine Schwarzweiß des Holzschnitts. Durch vielfach wechselnde Schnitttechniken und fantasievolle Oberflächenstrukturen gelingt es Gabriela Jolowicz jedoch, es aufzubrechen. Da ist das Hausboot, das auf einem, mit tropischen Pflanzen besetzten Gewässer schwimmt und dennoch vor einer großstädtischen Plakatwand vor Anker gegangen ist. Die dem Betrachter zugewandte Front des Hauses zeigt Houseboat, 2016, Holzschnitt auf Papier, 70 x 90 cm 36 palette & zeichenstift eine Mischung aus alpinen, südseeähnlichen und schwarzwaldartigen Landschaftselementen, Urlaubserinnerungen vielleicht. Gabriela Jolowicz hat alles hineingepackt. Kaum eine schwarze Fläche ist beim Schneiden stehen geblieben. Selbst auf kleinstem Raum, wie dem Dach, sind ständig wechselnde Strukturen und Muster nebeneinander gesetzt. Das Hausboot wird zu einem Labyrinth. Perspektivwechsel und fehlende Proportionen durchkreuzen unser Empfinden für vorne und hinten, unten und oben, groß und klein, Fläche und Raum. Überall gibt es Neues zu entdecken, öffnen sich weitere Räume. Der Vielfalt der Einzelelemente entspricht die Schnitttechnik, die bis an die Grenze des Machbaren ausgereizt ist. Die Maserung des Holzes bestimmt nur partiell, etwa bei Bassy, 2010, Holzschnitt auf Papier, 44,7 x 59,7 cm den Bodenbrettern der Terrasse, die Oberflächenstruktur. Aber auch hier kann man sich nicht sicher sein. Vielleicht ist auch das geschnitten. Ich besuchte die Holzschneiderin in Berlin. Ulrike Fuchs: Frau Jolowicz, selten arbeitet ein Künstler ausschließlich in der Holzschnitttechnik. Wie ist es dazu gekommen? Gabriela Jolowicz: Als Kind habe ich sehr viel gemalt und gezeichnet, sodass meine Oma immer gesagt hat, ich habe Talent und müsse Kunst studieren. Ich wollte aber lieber Urwaldforscher werden. Nach dem Abitur habe ich aber doch ein Kommunikationsdesign-Studium begonnen. Erst in der kleinen Büchersammlung des Leiters der Druckwerkstatt in Hildesheim, in der ich mein Studium begann, habe ich zum ersten Mal Kunstwerke entdeckt, die mich gefesselt haben. U. F.: Von welchen Künstlern waren diese? G. J.: Das waren zum Beispiel Künstler mit einer geistigen Beeinträchtigung. Einer dieser Künstler, Adolf Wölfli (1864-1930, Schweizer bildender Künstler, Komponist und Schriftsteller), der auch in der Sammlung Prinzhorn (Museum für historische Werke aus psychiatrischen Anstalten) in Heidelberg vertreten ist, hat mich besonders beeindruckt. Von Hildesheim wechselte ich an die Hochschule für Grafik und Design in Leipzig, um Illustration zu studieren. Leipzig hat erstklassische Druckwerkstätten. Holzschnitt war damals die einzige Drucktechnik, die ich noch nicht ausprobiert hatte. Für Lithografie war ich zu faul. Dazu kam, dass die Holschnittwerkstatt gerade ziemlich leer war. So konnte ich mich dort ganz frei entfalten. Ich habe eine erste Holzschnittserie gemacht. Professor Volker Pfüller, bei dem ich damals studierte, hat mich dann darin bestärkt, diese Technik weiter zu verfolgen. U. F.: Wie ist der Arbeitsablauf beim Holzschnitt? G. J.: Bei meinen frühen Holzschnitten habe ich meine Idee direkt im Holz umgesetzt, genauso wie man eine Zeichnung anfängt. Das heißt, ich habe das Motiv, zum Beispiel eine Szene aus meinem Alltag, unmittelbar ins Holz geschnitten. Mittlerweile zeichne ich das Bild mit Bleistift auf die Holzplatte und fange erst dann an zu schneiden. Wenn ich einen bestimmten Zustand beim Schneiden erreicht habe, mache ich einen ersten Probedruck, um mir das Bild anschauen zu können. Danach entscheide ich, wie ich weiter arbeite. Früher habe ich zwischendurch immer wieder Probeandrucke gemacht, um das Bild richtig sehen zu können. Heute mache ich vielleicht drei oder vier. Dann steht das Bild. U. F.: Gibt es einen Trick, der dabei hilft, seitenverkehrt zu schneiden? G. J.: Man kann mit einem Spiegel arbeiten oder ein Foto mithilfe des Grafikprogramms horizontal spiegeln. U. F.: Welches Holz benutzen Sie? G. J.: Ich benutze Pappel oder Birke, also weiche Hölzer. Der Druckstock ist allerdings nicht massiv, sondern eine Sperrholzplatte, die man im Künstlerbedarf kaufen kann. Wenn man Platten in einem Baumarkt kauft, muss man diese sehr sorgfältig aussuchen. U. F.: Es lässt sich also jede Sperrholzpatte verwenden? G. J.: Im Grunde lässt sich jede flache Holzoberfläche verwerten. Man könnte auch direkt in eine Tischplatte schneiden. Thomas Kilpper (* 1956, deutscher Installationskünstler, Zeichner und Holzschneider) hat Linoleum-Bodenplatten alter Gebäude für seine riesigen Linolschnitte benutzt. Genauso könnte man für den Holzschnitt auch alte Holzfußböden gebrauchen. Für meine zurzeit eher kleinteiligen Arbeiten benötige ich allerdings eine recht gleichmäßige Oberfläche. U. F.: Sie haben die Probeabzüge erwähnt. Das sind Handabzüge. Drucken Sie auch die fertigen Arbeiten von Hand? Wie ist der Druckvorgang? G. J.: Ich arbeite mit ölhaltiger, schwarzer Druckfarbe. Diese wird mit einer Farbwalze auf die fertig geschnittene Platte aufgebracht. Dann lege ich einen Papierbogen darauf. Für den Handdruck eignen sich asiatische Papiere besonders gut. Man kann sehen, wie sich der Druck entwickelt. Ich reibe das Papier mit einer Art Holzlöffel durch, sodass die Farbe von der Platte übertragen wird. U. F.: Wie viele Abzüge machen Sie? G. J.: Etwa zehn. Das ist auch vom Bild abhängig. Wenn das Bild für eine Grafikedition in hoher Auflage abgezogen wird, druckt man auf einer Presse. Das organisiert der Herausgeber. Egypt, 2014, Holzschnitt auf Papier, 45 x 60 cm palette & zeichenstift 37
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