Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Ole Bull – mehr als der norwegische
Paganini (5)
Von Susanne Herzog
Sendung:
Freitag 09. Dezember 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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SWR2 Musikstunde mit Werner Klüppelholz
Ole Bull – mehr als der norwegische Paganini (5)
Susanne Herzog
SWR 2, 05. Dezember – 09. Dezember 2016, 9h05 – 10h00
Herzlich Willkommen sagt Susanne Herzog. Heute geht es mit dem norwegischen
Geiger Ole Bull auf nach Amerika. Hier lernt er seine zweite Frau kennen, die
vierzig Jahre jünger ist als er. Für sie und ihre gemeinsame Tochter Olea baut er
auf einer norwegischen Insel ein kleines Märchenschloss, eine nordische
Alhambra.
Titelmelodie
„Wenn Ole Bull ohne Arme geboren worden wäre, welch einen Rang hätte er
dann unter den Poeten eingenommen – weil es in ihm ist. Und wenn er es nicht
durch seine Violine ausdrücken kann, dann würde er es durch Worte ausdrücken,
weil es auf jeden Fall ausgedrückt werden müsste.“
Das hat Mark Twain in einem Brief über Ole Bull geschrieben. Er ist nur einer der
vielen Bewunderer, die Bull in Amerika hat.
Nachdem seine Frau Félicie gestorben war, hat Ole Bull in seinen beiden letzten
Lebensjahrzehnten viel Zeit in den USA verbracht. Wenn er in Gesellschaft eine
abenteuerliche Geschichte nach der anderen aus seinem Leben erzählt hat und
gar nicht mehr aufhören wollte oder wenn er sich auf der Bühne mit seiner Geige
mit höchst virtuosen Kompositionen effektvoll in Szene gesetzt hat: dann fand
man das „charming“ und „amusing“ und nicht übertrieben und zur Schau
stellend, wie das zumindest immer mal wieder in „good old Europe“ zu hören
war.
Die Begeisterung und Bewunderung ging so weit, dass ihm nach einem Konzert in
Kalifornien die Tochter des norwegisch-schwedischen Konsuls einen goldenen
Lorbeerkranz mit Perlen und Diamanten besetzt überreicht hat.
Ein Abenteurer mit Unternehmergeist, ein Virtuose mit Showtalent: das war ganz
nach dem Geschmack der Amerikaner! 1„34
MUSIK 1
Charles Gounod
The Arrow and the Song
<20> 2‟27
Ann Murray, Mezzosopran
Graham Johnson, Klavier
Hyperion, 66801/2, LC 07533
WDR 6015 717
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“The Arrow and the Song” – ein Lied von Charles Gounod auf einen Text von
Henry Wadsworth Longfellow. Gesungen hat Ann Murray begleitet am Klavier
von Graham Johnson.
„Als wir nach Hause gefahren sind, hatte ich den Eindruck zwölf Monde statt
einem zu sehen.” hat Fanny Longfellow, die Frau des berühmten amerikanischen
Schriftstellers, nach einem Konzert von Ole Bull in Boston geschrieben. Bulls
Wirkung auf Frauen war ja bekannt: groß, gut aussehend, charmant und dann
auch noch ein höchst virtuoser Geiger…Aber auch Fanny Longfellows Ehemann
mochte Ole Bull sehr.
Schon 1844, bei seiner aller ersten Amerika Tournee hatte Bull die Longfellows
kennengelernt. Immer wieder war er zum Essen bei ihnen in ihrem Haus in
Cambridge. Seine amüsanten Anekdoten und sein beeindruckendes Geigenspiel
haben den anderen Gästen gefallen. Der englische Schriftsteller William
Thackeray meinte nach einem solchen Abend zu Longfellow, das sei doch mal
ein Vorbild für eine „gute Figur für ein Buch“.
Und tatsächlich ließ Longfellow dann in seinen „Tales of a Wayside Inn“ Ole Bull
mit seiner Geige auftreten. Angelehnt an „The Canterbury Tales“ von Geoffrey
Chaucer treffen sich bei Longfellow einige Leute in der „Wayside Inn“ in
Massachusetts und erzählen sich Geschichten. Ole Bull ist Vorbild für den Musiker
in „Die Sage von König Olaf“ aus dem nordischen Epos Heimskringla. In den
Pausen seiner Erzählung nimmt der „blauäugige Nordländer“, wie Longfellow ihn
nennt, seine Geige und spielt alte norwegische Melodien.
Edward Elgar hat aus Longfellows Dichtung eine Kantate für Solisten, Chor und
Orchester gemacht 1„43
MUSIK 2
Edward Elgar
Ausschnitt aus: Scenes from the saga of King Olaf, op 30
<1> 3‟15
London Philharmonic Choir
London Philharmonic Orchestra
Vernon Handley, Ltg.
Emi, 747659-2, LC 00542
WDR 6006 536
Edward Elgar: die Einleitung zu seinen „Scenes from the saga of King Olaf“ nach
Henry Wadsworth Longfellow. Der London Philharmonic Choir und das London
Philharmonic Orchestra wurden geleitet von Vernon Handley.
1867 war Ole Bull zu seiner dritten Konzerttour durch Amerika aufgebrochen. Die
Tour startete in New York und dann ging es weiter nach Wisconsin. Hier lebten
viele norwegische Siedler und entsprechend begeistert wurde Ole Bull dort
4
natürlich aufgenommen. Nach einem Konzert in Madison wurde der Geiger zu
einem Empfang eingeladen und dort lernte er seine spätere Frau Sara kennen.
Und zwar in Begleitung ihrer Mutter Amelia Chapman Thorp, denn Sara war
gerade mal knapp achtzehn Jahre alt. Sie scheint von dem vierzig Jahre älteren
Ole Bull fasziniert gewesen zu sein. Und ihre Mutter mit ihr. Die Thorps waren eine
reiche und angesehene Familie in Madison: Saras Vater ein erfolgreicher
Geschäftsmann und ihre Mutter wollte sich in der „High society“ etablieren. Ein
Künstler wie Ole Bull war ganz nach dem Geschmack von Amelia Chapman
Thorp!
Im Frühling 1870 besuchte Bull die Familie Thorp in Madison. Da hatte eine Zeitung
bereits das Gerücht verbreitet, er und Sara hätten eine Affäre… Ob‟s stimmt oder
nicht: Bei seinem Besuch bei den Thorps jedenfalls beschäftigte sich Bull
eingehend mit der jungen Sara. Der Vater warnte ihn, seine Finger von Sara zu
lassen. Aber es half alles nichts, denn der Mutter schien eine Verbindung ihrer
klavierspielenden Tochter mit dem berühmten Geiger sehr zu gefallen. Und so
nahmen die Thorps auch Bulls Einladung an, ihn im Sommer in Norwegen zu
besuchen. Man muss nur eins und eins zusammen zählen, um sich auszumalen
wie diese Geschichte zwischen Sara und Ole Bull im norwegischen Sommer
weiter ging. Im darauffolgenden Jahr Anfang März wurde nämlich bereits ihre
gemeinsame Tochter Sara Olea geboren. Als Sara also vermutlich ihre
Schwangerschaft schon in Norwegen bemerkte, wurde dort schnell abseits der
Öffentlichkeit geheiratet. Im September folgte dann eine riesige prunkvolle
Hochzeit im Haus der Thorps in Madison. Die Damen der Familie hatten sich
gegen die „Vernunft“ des Vaters und Hausherrn durchgesetzt. 2‟17
MUSIK 3
Ole Bull
Rondo Marcato
<7> aufblenden bei 1‟37 bis Ende 5‟23 [frei 3„46]
Annar Follesø, Violine
Norwegian Radio Orchestra
Ole Kristian Ruud, Ltg.
2L, 2L-067-SABD, LC ?
Privat CD
Das war ein Ausschnitt aus dem Rondo Marcato aus Ole Bulls Concerto
Fantastico. Annar Follesø hat Geige gespielt, begleitet vom Norwegischen Radio
Orchester unter der Leitung von Ole Kristian Ruud.
„America not discovered by Columbus“ so lautete der provokative Titel eines
Buches von Rasmus Bjørn Anderson, Professor für Skandinavische Studien an der
Universität in Madison. Anderson vertrat darin die These, dass nicht Christoph
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Kolumbus Amerika entdeckt habe, sondern schon lange vor ihm die Wikinger.
Und zwar der Wikinger Leif Ericson, in Island geboren, sein Vater ein Norweger.
Das war natürlich Wasser auf die Mühlen von Ole Bull. Auch er hatte schon bei
seiner „Oleana“ Kolonie, seinen norwegischen Landsleuten davon berichtet, dass
nordische Entdecker Jahrhunderte vor Kolumbus ihren Fuß auf amerikanischen
Boden gesetzt hätten. Rasmus Bjørn Anderson wollte nun dem „wahren“
Entdecker Amerikas Leif Ericson ein Denkmal in den USA setzen. Und zur
Unterstützung dieses Plans hatte er sich den prominenten Norweger Ole Bull
ausgesucht.
1873 noch bevor Andersons Buch im Jahr danach erschien, hat Ole Bull begleitet
von seiner Frau Sara am Klavier mehrere Konzerte zu Gunsten dieses „Leif Ericson
Denkmals“ gegeben. Anderson war ebenfalls auf der Bühne und erklärte dem
Publikum seine Ideen. Die drei hatten sich für ihre Konzerte besonders Orte
ausgesucht, in denen viele norwegische Siedler lebten. Insgesamt 25.000 Dollar
haben sie damit gesammelt. Doch das reichte noch nicht. Und so schlug Bull vor,
in Norwegen selbst weiter auf Tour zu gehen. Diesmal mit Edvard Grieg als Pianist
und mit Bjørnstjerne Bjørnson in der Rolle desjenigen, der das Projekt erklärte.
Letztlich reichten aber alle Spendenkonzerte nicht aus. Erst sieben Jahre nach
Ole Bulls Tod wurde das Projekt schließlich doch noch verwirklicht: 1887 ist Leif
Ericsons Statue in Boston errichtet worden. 1„58
MUSIK 4
Edvard Grieg,
aus: Sigurd Jorsalfar, op 56
<10> 3‟42
Arve Tellefsen, Violine
Trondheim Symphony Orchestra
Eivind Aadland, Ltg.
SIMAX classics, PSC 1261, NOFZS0561010-170
WDR 5136 638
Ein Marsch von Edvard Grieg aus der Bühnenmusik zu Sigurd Jorsalfar von
Bjørnstjerne Bjørnson hier in der Fassung für Violine und Orchester mit Arve
Tellefsen, Violine und Eivind Aadland als Dirigent des Trondheim Symphony
Orchestra. Das ist ein Werk, von dem man weiß, dass Grieg als Pianist es mit Bull
gemeinsam gespielt hat.
Die Ehe zwischen Sara und Ole Bull lief bald nicht mehr so „rund“ wie erhofft. Die
Sorgen des Herrn Papa hatten sich zum Teil doch bewahrheitet: Ole Bull war
eben gern unterwegs, hatte viele Ideen, spielte ein Konzert nach dem anderen.
Familienleben stand jedenfalls für Bull keinesfalls an erster Stelle. Und die
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gesellschaftlichen Events, bei denen seine dominante Schwiegermutter ihren
berühmten Schwiegersohn stolz präsentieren wollte, schon gar nicht.
Ole Bull sehnte sich nach Norwegen. Für seine kleine Familie hatte er unweit von
Bergen eine Insel gekauft und darauf ein Sommerhaus gebaut. Seine „kleine
Alhambra“ hat er es genannt, denn es ist eine wilde Mischung aus norwegischer
und maurischer Architektur und aus Bulls Phantasie: ein hellblaues Holzhaus mit
Zwiebeltürmchen und diversen maurischen Verzierungen. Auch im großen
Musiksaal im Inneren der Villa wimmelt es nur so von geschnitzten Ornamenten,
gedrehten Säulen und üppigen Kronleuchtern. Aber Ole Bull wäre nicht Ole Bull,
wenn er nicht die gesamte Insel nach seinen Vorstellungen gestaltet hätte. Es
gibt noch eine Karte von dieser Insel Lysøen. Auf dieser Karte kann man die
Wege bewundern, die Bull angelegt hat, um durch die Wälder der Insel zu
streifen oder um zu einem der beiden Seen des Eilands zu gelangen. Rund sieben
Quadratkilometer norwegische Natur mit einem kleinen Märchenschloss, der Villa
Ole Bull. Hier sollte Sara mit der kleinen Olea leben, doch Saras Mutter wollte die
beiden bei sich in Amerika haben.1„48
MUSIK 5
Nils Økland
Sylkje-Per
<5> 3‟45
Nils Økland, Hardanger fiddle
Sigbjørn Apeland, Harmonium?
5450 014
ECM, LC 02516, ECM 2179
5450 014
„Sylkje-Per“ – eine norwegische Volksmelodie, die Ole Bull oft gespielt hat. Nils
Økland und Sigbjørn Apeland haben darüber improvisiert und zwar im Musiksaal
von Ole Bulls Villa auf der Insel Lysøen.
Sara und die gemeinsame Tochter Olea wohnten zunächst nicht dauerhaft auf
Lysøen, sondern in Amerika im Schosse ihrer Familie. Der Streit zwischen Bull und
den Thorps, wo die Familie Bull denn nun leben sollte, eskalierte so sehr, dass Bull
seine Frau und kleine Tochter ganze zwei Jahre lang nicht sah. Auch wenn Bull
kein „Familienmensch“ gewesen ist, hat er doch unter der Trennung gelitten.
Angeblich hat er sogar überlegt, sein Töchterchen zu entführen…
Aber Ole und Sara haben sich dann doch wieder gefunden. Rasmus Bjørn
Anderson behauptet, dass er daran maßgeblichen Anteil hatte. Da er wusste,
wie patriotisch Bull war, habe er Sara dabei geholfen die Geschichte „Der Lotse
und seine Frau“ des norwegischen Schriftstellers Jonas Lie ins Englische zu
übersetzen. Darin geht es um eine schwierige Ehe versinnbildlicht durch die
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stürmischen Wogen auf hoher See. Der seefahrende Ehemann ist immer wieder in
fernen Häfen unterwegs. Wenn das nicht der Wink mit dem Zaunpfahl für Ole Bull
gewesen ist… Bei Jonas Lies Geschichte kommt dann noch Eifersucht hinzu. Und
nach vielen Auf und Ab„s gibt es letztlich ein „happy end“.
Und das war auch bei Sara und Ole Bull der Fall. Mit ihrer Übersetzung von „Der
Lotse und seine Frau“ reiste Sara 1876 Richtung Norwegen und wurde von Ole
Bull mit offenen Armen empfangen. Und sie konnte ihn überzeugen, mit ihr nach
Cambridge zu ziehen. Die Sommer haben sie dann immer wieder auch auf
Lysøen verbracht. 1‟40
MUSIK 6
Nicolò Paganini
Variationen über das Thema „Oh mamma cara“ aus „Il carnevale di Venezia“,
op 10
<9> 5„30
Gidon Kremer, Violine
Tatjana Grindenko, Violine
Ariola, 25182X, LC 00116
WDR 6069 152 109
„Il carnevale di Venezia“ von Nicolo Paganini. Hier gehört in einer Fassung für
zwei Violinen mit Gidon Kremer und Tatjana Grindenko. Ole Bull hat dieses Stück
von Paganini immer wieder gespielt und nach und nach eine eigene Version
daraus gemacht mit einer Vogelimitation am Ende. Leider gibt es davon keine
Aufnahme.
Die Familie Bull war wieder vereint. Aber: Ole Bull blieb natürlich aktiv. Der
schwedische König höchstpersönlich hat dem abenteuerlustigen Geiger den
Vorschlag gemacht, auf dem Gipfel der Cheops Pyramide zu spielen. Und so
reiste Bull nach Kairo, um dem König seinen Wunsch zu erfüllen. An seinem 66.
Geburtstag kletterte Bull die hohen Felsblöcke hinauf. Zwei Beduinen trugen vor
ihm seine wertvolle Geige.
In seinen „Bildern aus Kairo“ beschrieb der deutsche Schriftsteller Adolf Ebeling
dieses Schauspiel ein wenig pathetisch folgendermaßen:
„Schon hatte Ole Bull Geige und Bogen aus dem Kasten herausgenommen und
ein paar kräftige Striche gethan, wie wenn er sich versichern wollte, daß sie
unversehrt den gefährlichen Weg zurückgelegt, dann richtete er sich in seiner
ganzen Gestalt hoch auf und ließ den klaren Blick einige Minuten lang
umherschweifen, um die wunderbare Welt unter ihm zu betrachten. […] Es war
wie ein freudiges Aufjauchzen, als er nun plötzlich zu spielen anfing, […] dann
richtete er sich nach Norden, nach der Himmelsgegend seiner Heimath, und
begann seine eigentliche Composition.“ 1„33
8
MUSIK 7
Ole Bull
A mountain vision
<3> 7‟05
Arve Tellefsen, Violine
Trondheim Symphony Orchestra
Eivind Aadland, Ltg.
5136 638
SIMAX classics, PSC 1261, NOFZS0561010-170
5136 638
„Besuch auf der Alm“, ein Potpourri bestehend aus zwei norwegischen
Volksmelodien und einem Tanz am Ende. Dazu noch eine eigene Melodie von
Bull im Stil eines norwegischen Volksliedes mit dem Titel „Sonntag eines
Hirtenmädchens“. Das ist Bull‟s bekannteste Komposition, die auch gerne einzeln
gespielt wird. Einzeln haben wir sie diese Woche schon gehört. Jetzt im
Zusammenhang. Geige hat Arve Tellefsen gespielt, begleitet vom Trondheim
Symphony Orchestra unter der Leitung von Eivind Aadland.
Im Sommer 1880, Ole Bull war inzwischen siebzig Jahre alt, wollte der Geiger von
Amerika unbedingt nach Norwegen reisen, um die Sommermonate auf seiner
Insel Lysøen zu verbringen. Angeblich hatten die Thorps da mal wieder rebelliert,
aber diesmal war Bull nicht zu halten. Er hatte sich bereits seit einiger Zeit krank
und schwach gefühlt. Vielleicht hat er geahnt, dass sein Ende nahte. Sein
Zustand verschlechterte sich rapide: Ole Bull hatte Krebs. Mit Müh„ und Not
schaffte er es über den Ozean nach Lysøen in seine „kleine Alhambra“. Dort
legte man ihn im Musiksaal auf die Couch. Seine Frau Sara bat er auf dem
Harmonium Mozart für ihn zu spielen. Sie wusste, wie es um ihren Mann stand und
spielte Mozarts Requiem. 1„12
MUSIK 8
Franz Liszt
Confutatis und Lacrimosa
2 Transkriptionen aus Mozarts Requiem, HS 550
<7> 2„57
<8> 3„40
Insg. 6„37
Leslie Howard, Klavier
Hyperion, CDA66761/2, LC 07533
WDR 6024 331 102
9
Wolfgang Amadeus Mozart, der Lieblingskomponist von Ole Bull, transkribiert von
Franz Liszt: Confutatis und Lacrimosa aus Mozarts Requiem gespielt von Leslie
Howard.
Zu den Klängen von Mozarts Requiem ist Ole Bull am 17. August 1880 um die
Mittagszeit gestorben.
Sechs Tage später brachte ein Schiff Bulls Sarg von der Insel nach Bergen. Bei der
Ankunft war der Hafen voller Menschen. Die Kirchenglocken läuteten und ein
Chor sang. Ein Orchester spielte Chopins Trauermarsch.
Bjørnstjerne Bjørnson und Edvard Grieg hielten Reden am Grab von Ole Bull. Aber
was Bull wohl am meisten gefreut hätte, das waren die vielen Bauern und
einfachen Leute, die gekommen waren. Ihre Musik war es, die Ole Bull so liebte
und die ihn inspiriert hatte. Sie hatten viele Zweige und Blumen mitgebracht, die
sie auf den Sarg warfen.
Der „norwegische Paganini“ war tot. Siebzig Jahre war er alt geworden. Bis zuletzt
hatte Ole Bull konzertiert und glaubt man den Kritiken, dann hatte er nichts von
seinem mitreißenden Schwung und seiner atemberaubenden Virtuosität
eingebüßt. Er war als ein Botschafter Norwegens, für sein Land, für seine Kultur
durch die Welt gereist.
Auch wenn er oft gelitten hat. In seinen Briefen nach Hause berichtete er von
seinen Sorgen und immer wieder auch von seiner Niedergeschlagenheit. Doch
gerade diese düsteren Stimmungen hat Ole Bull in wundervolle Musik verwandelt.
„I ensomme Stunde“ zählt zu seinen bekanntesten Stücken. Vermutlich basiert es
auf einer norwegischen Volksmelodie. Wir haben es im Verlauf dieser
Musikstundenwoche schon einmal in einer Fassung für Violine und Orchester
gehört. Zum Abschluss kehren wir jetzt noch einmal in den Musiksaal von Ole Bulls
Villa auf Lysoen zurück. Hier spielen Nils Økland und Sigbjørn Apeland Bulls „I
ensomme Stunde“ 2„07
MUSIK 9
Ole Bull
La mélancolie
<15> 2‟14
Nils Økland, Violine
Sigbjørn Apeland, Harmonium
5450 014
ECM, LC 02516, ECM 2179
5450 014
„I ensomme Stunde“ von Ole Bull. Gespielt haben Nils Økland und Sigbjørn
Apeland.
10
Damit geht die Musikstundenwoche über den norwegischen Geiger Ole Bull zu
Ende. Vielleicht haben Sie ja ein wenig Lust auf Norwegen und seine Musik
bekommen. Falls Sie einzelne Sendungen noch mal nachlesen oder nachhören
möchten. Dann besuchen Sie einfach die Seite der Musikstunde im Internet bei
SWR 2.de.
Ich freue mich, dass Sie zugehört haben. Mein Name ist Susanne Herzog. Tschüss
und bis zum nächsten Mal.