SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Ska Keller (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Fraktionsvize der Grünen im Europaparlament, gab heute, 05.12.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Bundespräsidenten-Wahl in Österreich und Verfassungsreferendum Italien“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Pascal Lechler. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 05.12.2016 Europapolitikerin Keller: Italiener stimmten nicht gegen die EU Baden-Baden: Die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Europa Parlament, Ska Keller, hat das Verfassungsreferendum in Italien vor allem als Denkzettel für den italienischen Regierungschef Renzi aber weniger als Votum gegen die EU gewertet. Viele Italiener hätten die Verfassungsreform als "schlecht gemacht" empfunden. Auch pro-europäische Kräfte hätten die Reform abgelehnt. Es hätte nicht sein müssen, dass Ministerpräsident Renzi sein persönliches Schicksal mit dem Ausgang des Referendums verknüpft, so Grünenpolitikerin Keller im SWR2 Tagesgespräch. Die Frage sei jetzt, wie es weiter gehe und ob es einen geordneten Übergang gebe. Über den Ausgang der Bundespräsidentenwahl in Österreich zeigte sich die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Europa Parlament, Ska Keller, hingegen erleichtert. Im SWR sagte Keller, das österreichische Ergebnis sei eine wichtige Richtungsentscheidung auch für Europa. Es zeige zudem, dass es möglich sei, eine Allianz gegen Rechtspopulisten zu bilden. Van der Bellen sieht Keller als den geeigneten Bundespräsidenten das gespaltene Österreich wieder zu einen. Wortlaut des Live-Gesprächs: Lechler: Inzwischen gibt es auch das Ergebnis aus Italien. Welches Gefühl überwiegt bei Ihnen heute Morgen, Frust oder Freude? Keller: Ganz eindeutig die Freude über Österreich, denn in der Tat war das eine gewichtige Richtungsentscheidung auch für Europa und es zeigt eben das Ergebnis aus Österreich, dass es möglich ist, eine andere Alternative zu haben. Dass es möglich ist, eine Allianz zu bilden gegen Rechtspopulismus und dass man das auch gewinnen kann. Das stimmt mich doch sehr froh. Lechler: Aber jetzt kommt ja eine große Aufgabe auf ihren Parteikollegen van der Bellen zu, er muss die Österreicher wieder einen. Kann das ein Grüner überhaupt schaffen, also ein Vertreter einer eher kleinen Partei? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Keller: Das denke ich schon. Das hat van der Bellen ja schon einerseits gestern am Wahltag bewiesen, aber auch in der Kampagne davor, in dem er einen sehr einenden Wahlkampf geführt hat. In dem er ganz klar gesagt hat, er richtet sich auch an die Leute, die nicht normalerweise Grün wählen und dass er Österreich zusammenhalten will und auch das in Europa vorantreiben will. Deswegen denke ich schon, dass ihm das sehr gut gelingen kann. Lechler: Also ein klares, positives Signal aus Wien in Richtung Brüssel, weil van der Bellen ja auch ein entschiedener EU-Fan ist. Dagegen die Niederlage für Matteo Renzi, ein Dämpfer für die EU aus Italien. Welcher Effekt wird denn am Ende überwiegen heute in Brüssel? Keller: Aus meiner Sicht ganz klar Österreich, denn in Italien da hat Renzi ein Referendum verloren. Da ging es um diverse Änderungen an der Verfassung. Also da ging es nicht um die Frage, welche Haltung hege ich zu Europa. Renzi hat das auch zu einer Abstimmung über sich selbst gemacht. Die Frage ist, ob das so schlau war. Aber letztendlich, der Text bei dem es in der Abstimmung ging, der war ein komplizierter. Sehr, sehr viele progressive, pro-europäische Kräfte waren überhaupt nicht glücklich mit dieser Reform. Hatten da sehr, sehr viele Probleme mit. Deswegen ist das Nein zu Renzis Verfassungsreform kein Nein zu Europa. Das muss man glaube ich wirklich auseinanderhalten. Es kann natürlich jetzt schwierig werden für Italien. Es ist noch nicht gesagt, dass es automatisch zu Neuwahlen führt. Aber natürlich, in einem Land, in dem sowieso alle sehr nervös gerade auf die Wirtschaft, auf die Banken schauen, kann das zu Problemen führen. Aber es war keine Abstimmung über Europa. Lechler: Aber die Börsen haben ja schon im Vorfeld gezittert. Die Wirtschaft hatte immer wieder gesagt, wie wichtig die Reformen für Italien sind. Also die Italiener wussten ja, worüber sie eigentlich auch abstimmen oder welche Konsequenzen es geben könnte. War es dann nicht doch letztlich ein bewusster Denkzettel Richtung Brüssel auch? Weil ja die Italiener sind ja von Euro und EU im Moment nicht so wahnsinnig überzeugt. Keller: Ich glaube, es war vor allem ein Denkzettel für Renzi und die Verfassungsreform, da geht es ja nicht auch nur um irgendwelche Reformen. Ich glaube viele aus dem progressiven Lager und viele Leute, mit denen ich vorher geredet habe, die haben gesagt, natürlich wären sie prinzipiell für eine Reform, aber diese Reform ist halt sehr schlecht gemacht worden von Renzi. Da war alles Mögliche drin. Es hätte zu vielen Problemen geführt, bei der Frage Zusammensetzung des Senats, der Frage der Entscheidungskompetenzen, Zentralisieren und so weiter und so fort. Also es haben viele Leute gesagt, Reform ja, aber das, was uns hier vorgelegt wurde, ist haarsträubend. Deswegen können sie dafür nicht Ja stimmen und dass es Renzi mit sich selbst verknüpft hat, mit seiner eigenen Zukunft, das hätte auch nicht sein müssen und die Frage ist jetzt, wie geht es weiter. Gibt es einen geordneten Übergang. Das glaube ich, muss sich alles vor Ort in Italien entscheiden. Aber ich glaube wirklich nicht, dass es ein Referendum über die Europäische Union war. Überhaupt nicht. Lechler: Aber der Chef der 5-Sterne-Bewegung, der Populist Beppe Grillo, ist ja ein entschiedener Euro-Gegner. Es sieht ja jetzt so aus, als ob diese Populisten zulegen könnten, wenn es Neuwahlen gibt. Am Ende vielleicht dann doch ein Votum gegen Euro, gegen die EU? Keller: Ja, da sind wir ja noch nicht. Also erst mal muss der Staatspräsident Italiens versuchen, eine andere Mehrheit zu finden im italienischen Parlament und da sind wir mal gespannt, was daraus wird. Aber natürlich verfolgen wir die Situation in Italien aufmerksam und werden sehen, was da passiert. Aber momentan, wie gesagt, es ging um eine Verfassungsreform und ich finde, es ist auch Ok, wenn sich Leute ihre Meinung dazu bilden und es war, wie gesagt, nicht nur Lega Nord, die dagegen war, sondern es waren viele progressive Kräfte, die gesagt haben, wir sind sehr, sehr proeuropäisch. Wir wollen nur nicht diese Reform. Lechler: Hätte sich aber Brüssel nicht doch nach dem Brexit ein bisschen entschiedener zeigen müssen, entschlusskräftiger zeigen müssen? Gerade in Sachen Flüchtlingskrise. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Hier prallt ja einiges auf Italien. Jeden Tag kommen hier Flüchtlinge an und diese Menschen wollen das nicht mehr und es gibt ja keine richtige Lösung aus Brüssel. Keller: In der Tat brauchen wir dringend eine andere europäische Politik für Flüchtlinge in dem Sinne, dass wir solidarischer sein müssen. Wir haben in der Tat ein massives Problem in Italien, dass Italien dankenswerterweise viele Flüchtlinge rettet. Aber die sind dann in Italien. Sie kommen nicht woanders hin und kein anderer Mitgliedstaat hilft Italien. Das Problem dabei ist aber nicht so sehr Brüssel. Die Kommission hat da Vorschläge vorgelegt in der Vergangenheit. Das Parlament in Brüssel hat sich eindeutig positioniert. Das Problem sind die anderen Mitgliedstaaten, die alle der Meinung sind, zu sagen, solange wir das Problem nicht haben, dann ist es doch gut, dass Italien damit alleine zu Recht kommen muss. Wie ja auch bei Griechenland. Da haben wir ein Problem. Aber das Problem liegt in den Hauptstädten und nicht so sehr auf der europäischen Ebene selbst. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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