Bücher spannender als Akten Florian Knauer ist neuer Professor für

URL: http://www.uni-jena.de/Mitteilungen/PM161202_Knauer.pdf
Bücher spannender als Akten
Florian Knauer ist neuer Professor für Strafrecht und Kriminologie
In Deutschland sind Verurteilungen von Kriegsverbrechern vor einem Internationalen
Strafgerichtshof oftmals nur Randnotizen, da die Taten lange zurückliegen und nicht im eigenen
Land verübt wurden. Trotzdem kann es sein, dass die Straftäter in deutschen Gefängnissen sitzen.
Denn am Standort des Internationalen Strafgerichtshofs im niederländischen Den Haag gibt es nur
ein Untersuchungsgefängnis. Die Verurteilten werden auf Haftanstalten in Europa verteilt. Dabei
gibt es zwar einige internationale Statuten, generell gilt aber das Strafvollzugsrecht des jeweiligen
Landes. Aus dieser besonderen Konstellation ergeben sich Grundfragen für das internationale
Recht und den Strafvollzug.
Ihnen nachgehen will Prof. Dr. Florian Knauer, der neue Lehrstuhlinhaber für Strafrecht,
Kriminologie, Strafvollzugsrecht und Jugendstrafrecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
"Diese Straftäter weisen einen ganz anderen gesellschaftlichen Hintergrund als die meisten
Mithäftlinge auf und haben oftmals ein höheres Bildungsniveau", erklärt der 41-jährige Jurist. Er
habe sich für seine Forschung mit verschiedenen Vertretern dieser Gruppe unterhalten, um
beispielsweise herauszufinden, wo sie in der Gefängnishierarchie stehen und welche
Resozialisierungsmaßnahmen angewendet werden. Gerade Fragen der Wiedereingliederung
stellten den Strafvollzug vor Herausforderungen. "Das Thema wird in Zukunft an Bedeutung
gewinnen, deshalb ist es wichtig, die Rahmenbedingungen bereits jetzt zu untersuchen, auch
wenn sich die Zahl der Betroffenen bisher noch in Grenzen hält", sagt Knauer. Der Strafvollzug
müsse raus aus der nationalen Ecke, Internationalisierungsbestrebungen sollten stärker
berücksichtigt werden.
Ehemalige Strafgefangene im Hörsaal
Dieses Projekt ist beispielgebend dafür, wie der neue Jenaer Professor seine Aufgabe versteht.
"Die Wechselwirkungen zwischen strafrechtlichen und kriminologischen Erwägungen finde ich
besonders spannend", erklärt er. "Insofern fühle ich mich auf dem Lehrstuhl in Jena sehr wohl."
Denn auch hier werden beide Bereiche zusammengebracht. Knauer schätzt die Freiheiten in
Forschung und Lehre, die ihm die Friedrich-Schiller-Universität gewährt. So besucht er etwa mit
seinen Studierenden jugendstrafrechtliche Gerichtsverhandlungen und lädt ehemalige
Strafgefangene in seine Lehrveranstaltungen ein.
Gerade das Jugendstrafrecht steht dem Jenaer Experten zu häufig im Mittelpunkt öffentlicher
Diskussionen. "Die Debatte dreht sich oft um die Herabsetzung der Strafmündigkeit. Derzeit wird
zum Beispiel darüber gesprochen, das entsprechende Alter von 14 auf zwölf Jahre zu senken",
berichtet er. Wissenschaftler tendierten allerdings eher dazu, das Alter auf 16 Jahre anzuheben.
Außerdem gerät die Bestrafung von 18- bis 20-Jährigen häufig in den Fokus, da hier das Gericht
individuell entscheidet, ob das Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht greifen soll. Florian Knauer
nähert sich diesem Thema während eines weiteren Projektes derzeit aus einer ganz besonderen
Bücher spannender als Akten
1
Perspektive: Er beschäftigt sich mit Heranwachsenden, die nach Syrien reisten, um den IS zu
unterstützen, und dann wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. "Natürlich sind das
weitreichende Taten, bei denen es sich ja nahezu um weltpolitisches Geschehen handelt", sagt der
Kriminologe. "Doch das sollte nicht automatisch dazu führen, dass hier nach
Erwachsenenstrafrecht geurteilt wird. Betrachtet man die Motivation der Straftäter, dann entdeckt
man oft eine nahezu infantile Naivität, die nicht von erwachsener Reife zeugt."
Weitere Forschungsvorhaben will Florian Knauer umsetzen, wenn er sich in Jena richtig eingelebt
hat. Nach dem Studium und Referendariat in Berlin stellte er schnell fest, dass seine Zukunft in der
Wissenschaft liegen sollte. "Ich fand Bücher immer schon spannender als Akten - allerdings keine
Krimis", erzählt er. Seine Arbeit führte ihn u. a. zu einem Forschungsaufenthalt ins
US-amerikanische Berkeley. Bereits im vergangenen Winter hatte er eine Vertretungsprofessur in
Jena inne. "In dieser Zeit habe ich meine Antennen in alle Richtungen ausgefahren und geprüft, ob
ich mich hier wohlfühlen könnte", erzählt er. "Letztlich stand ich dann eines Abends auf dem Markt,
hörte in mich hinein und stellte fest, dass Jena all das hat, was ich mir während meiner Habilitation
gewünscht hatte."
Kontakt:
Prof. Dr. Florian Knauer
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 942310
E-Mail: [email protected]
Meldung vom: 02.12.2016 08:10 Uhr
Florian Knauer ist neuer Professor für Strafrecht und Kriminologie
2