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PORTRÄT
Stefan Bürki – Käser in Herschmettlen
Auf Umwegen fand Stefan Bürki zu seinem Beruf und zur Käserei in Herschmettlen. Werte wie
Zufriedenheit, Familie, Respekt vor der Natur und fairer Umgang mit Mensch und Tier prägen seine
Lebenseinstellung.
Text: Karin Herrmann; Fotos: zVg
Als jüngstes von sieben Geschwistern wuchs Stefan Bürki auf einem
Bauernhof im Toggenburg auf.
Eine Allergie und Asthma schränkten seinen Umgang mit den Hoftieren und die Mitarbeit auf dem Feld
aber stark ein. Aus diesem Grund
verbrachte er viel Zeit mit seiner
Mutter, teilte ihren vielfältigen Arbeitstag mit Haushalt, Kochen und
Gartenarbeiten und nahm so ganz
nebenbei einiges auf, was Buben in
seinem Alter sonst nicht sonderlich
interessiert. Es war ihm schon früh
bewusst, dass er wegen seiner gesundheitlichen Situation den Beruf
eines Bauern nicht würde ausüben
können. Er schnupperte in einem
Betrieb als Landmaschinenmechaniker und stellte schnell fest, dass
ihm die kalten und zugigen Werkstätten sowie der Umgang mit Ölen
und Lösungsmitteln nicht zusagten. Stefan Bürki im ersten Lehrjahr beim Ausziehen des Käses.
Seit Jahren brachten Bürkis täglich
ihre Milch zur Käserei, und irgendwann wurde der Beruf des Käsers
als Alternative zur Landwirtschaft
zum Thema. Kritisch beäugte der
Käsereimeister den körperlich eher
unterentwickelten Lehrstellenanwärter, beschloss dann aber, Stefan
eine Chance zu geben.
Gute Laune während eines Guppen-Events in der Käserei.
Gossauer Info 127 | Dezember 2016
Den richtigen Beruf gewählt
In der feuchtwarmen und sauberen
Luft der Käserei verbesserte sich
sein Gesundheitszustand zusehends, und dank eines dort tätigen
Mitarbeiters, der ihn im richtigen
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PORTRÄT
STEFAN BÜRKI
Familie Bürki. Von links nach rechts: Céline, Eveline, Stefan, Simon, Stéphanie, Christina, Michael.
Mass förderte und forderte, fand er te ihm die Klarheit, dass er weitergrossen Gefallen an dieser Arbeit. hin mit Lebensmitteln arbeiten
Er wurde kräftiger, unterstützte wollte, und er machte gleich Nägel
diese Fortschritte mit Schwimmen, mit Köpfen. Während der nächsten
schrieb sich im Turnverein ein und drei Jahre bildete er sich in Theoholte mit Riesenschritten seinen rie und Praxis weiter, besuchte die
körperlichen Rückstand gegenüber Molkereischule und schloss die
Altersgenossen auf. Mit seinen neu- Ausbildung zum Käsereimeister ab.
en Fähigkeiten war auch der Ehrgeiz erwacht, und über viele Jahre Der Weg nach Herschmettlen
Während dieser Zeit lernte er seine heutige Frau Stéphanie kennen.
«Ich habe den
Die aus Bern stammende Absolrichtigen Beruf gewählt.»
ventin der Wirtschaftsmittelschule
Stefan Bürki
arbeitete als Polygrafin. Sie halbierten die Distanz zwischen Tognahm er an Turnwettbewerben teil. genburg und Bern und wählten
Nach seinem erfolgreichen Lehr- den Grossraum Zürich als neuen
abschluss hielt er inne, ging über Wirkungskreis. Stefan Bürki ardie Bücher. Wollte er diesen Beruf beitete in der Toni Molkerei, die
weiter ausüben? Sechzig Stunden 1999 mit der Säntis zu Swiss Daidie Woche arbeiten, jeden Monat ry Food fusionierte. Als Pächterin
nur ein Wochenende frei? Er be- setzte Swiss Dairy Food im selben
schloss, ein weiteres Handwerk nä- Jahr Stefan Bürki als Betriebsleiter
her zu betrachten, und schnupperte in der Käserei Herschmettlen ein.
während dreier Monate bei einem Aus heutiger Sicht war das ScheiSchreiner. Dieses Vierteljahr brach- tern von Swiss Dairy Food im Jahr
74 2002 bereits bei der Fusion von
1999 vorgezeichnet. Die beiden
Partner litten an Überkapazitäten,
Verschuldung und am Mangel an
durchschlagenden Innovationen.
Die Flucht in die Grösse verstärkte
die hausgemachten Probleme, statt
sie zu lindern, und war auch auf
das Zusammentreffen ungünstiger
Begleitumstände zurückzuführen.
Die Bauern als Besitzer der Käserei
Herschmettlen mussten nach dem
Zusammenbruch von Swiss Dairy
Food einen neuen Pächter suchen.
Da sie mit dem bisherigen Betriebsleiter Stefan Bürki gute Erfahrungen gemacht hatten, fragten sie ihn
an, ob er diese als selbstständiger
Pächter und Milchkäufer übernehmen würde.
Schritt in die Selbstständigkeit
Kein einfacher Entscheid in Anbetracht der schwierigen Situation auf
dem Milchmarkt. Er sah aber auch
den Vorteil von Arbeit und Familie
unter einem Dach, so, wie er selbst
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STEFAN BÜRKI
Stefan Bürki und Leiter/innen mit den Buben der Jugi Geräte bereit fürs Turnerchränzli 2016 mit dem Motto «Piraten und Halunken».
hatte aufwachsen dürfen. Ausserdem war das Paar sich einig, dass es
eine grosse Familie haben möchte,
und sah in Herschmettlen den idealen Ort, um Kinder grosszuziehen.
Sie nahmen die Herausforderung
an und stürzten sich mit Elan in
die Selbstständigkeit. Während
Stéphanie für Büro und Marketing
sorgte, suchte Stefan Marktnischen
und kreierte mit den verschiedenen Käsesorten immer neue Geschmacksrichtungen. Im Jahr 2005
realisierten sie mit einem Anbau
in der bisherigen Käserei weiteren
Raum für Käsekeller. Nachdem
sie zusätzlich die WildbachkäseProduktion übernommen hatten,
reichte der vorhandene Platz bereits ein Jahr später nicht mehr
aus. Da sie vom Kanton für einen die härteste Prüfung im Leben des
weiteren Ausbau keine Baubewilli- Ehepaars aber war der Unfalltod
gung erhielten, mussten Käsekeller ihres Sohnes Patric, ein Ereignis,
dazugemietet werden. Stefan Bürki das sie bis heute noch stark prägt.
führte auch gerne Events für Grup- Zufrieden sein mit dem Erreichpen in der Käserei durch, stiess mit ten und die fünf Kinder bewusst
seiner erfolgreichen Strategie und aufwachsen sehen – Werte die das
Umtriebigkeit aber immer öfter an Paar nun bewusst lebt und nicht
persönliche Grenzen. Früher, als mehr missen möchte. Die Gossauer
ein Sohn die Käserei oder den Hof Aussenwacht Herschmettlen biedes Vaters übernahm, legte dieser tet in ihren Augen Lebensqualität
im Hintergrund wo nötig weiter pur. Vielleicht wegen der schönen
Hand an. Eine solche Hand fehlte naturnahen Lage wohnen hier so
Stefan Bürki in seinem Betrieb.
viele Familien, dass die Schule
ohne Probleme offen bleiben kann,
Einschnitte im Leben
in den drei Vereinen wird aktiv mitEine über drei Jahre währende Un- gemacht und die Bewohner halten
fallserie und eine kaputte Hüfte zusammen.
zwangen Stefan Bürki, kürzerzu- In seiner Freizeit engagiert sich
treten. Der grösste Einschnitt und Stefan Bürki in der Gemeinde. So
www.fahrschule-boelsterli.ch
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PORTRÄT
STEFAN BÜRKI
Seit rund zehn Jahren wird der bekannte Wildbachkäse in der Käserei Herschmettlen
hergestellt.
hilft er seit mehreren Jahren als
Leiter in der Jugi Gossau beim Geräteturnen mit. Sein Ziel ist es, den
Jungs Freude an den verschiedenen
Geräten wie Barren, Reck, Ringe,
Minitrampolin und Bodenturnen
zu vermitteln.
Ein Naturprodukt wieder
schätzen lernen
Stefan Bürki ist der Ansicht, dass
Milch das vollkommenste und
wertvollste Lebensmittel der Welt
ist. Es ist für ihn absolut nicht
nachvollziehbar, dass dieses durch
den Wettbewerb zu einem der billigsten Getränke degradiert wurde. In Milch steckt alles, was ein
Mensch zum Überleben braucht,
und die Produktion eines Liters
dieses edlen Naturstoffs fordert
sowohl Tier wie Mensch einiges
ab. Durch wachsenden Preisdruck
aus dem Ausland und die grösser
werdende Distanz vom Produzenten zum Konsumenten muss die
Milchherstellung immer rasanter
industrialisiert und die Anforderungen an Kuh und Landwirt müssen weiter auf die Spitze getrieben
werden. Man führe sich Folgendes
vor Augen: Vor 80 Jahren waren in
Herschmettlen noch 24 Bauern in
der Lage, mit der Produktion von
Milch ihre Familien zu ernähren.
Heute liefern lediglich fünf Betriebe ein Mehrfaches der damaligen Produktion ab. Die grossen
Marktakteure, ohne die eine Käserei nicht überleben kann, haben die
Preise im Griff. Auch Stefan Bürki
muss damit leben, zahlt aber seinen
Milchlieferanten den bestmöglichen Preis.
Er versucht, die Käufer von morgen zu sensibilisieren. Regelmässig empfängt er Schulklassen in
seinem Betrieb und stellt mit den
Schülern Käse und Butter her.
Der Stolz der Kinder, selbst ein
Produkt hergestellt zu haben, das
man sonst zu Hause einfach aus
dem Kühlschrank nimmt, erfüllt
ihn jedes Mal mit Freude. Der
Herschmettler Käser ist ziemlich
erstaunt über den Umstand, wie
einfach sich Konsumenten gängeln lassen. Überall wird dieser
ranzige Parmesan hochgejubelt,
fader Mozarella serviert. Reiben
Sie doch einmal einen gereiften
Bergkäse über Ihre Pasta oder
würzen Sie Ihre Salatsauce mit
einem guten, frisch geriebenen
Käse. Geniessen Sie einen knusprig geschmolzenen Raclette-Käse
aus einer guten Käserei, ohne
den Geschmack mit Gewürzen
zu überdecken. Lernen wir doch
wieder, unseren Sinnen zu trauen
und Gutes zu erkennen. Stefan
Bürki ist ein engagierter Botschafter seines Standes. Das «Gossauer
Info» freut sich, dass er seine Leidenschaft bei uns in der Gemeinde
ausübt und dankt herzlich für den
Einblick in sein Leben.
Vorankündigung
Einladung zum Gossauer Gwerbler-Zmorge
Der traditionelle Gossauer Gwerbler-Zmorge findet nächstes Jahr am Donnerstag, 9. März 2017,
in der Altrüti Gossau statt. Separate Einladung folgt.
Der Gemeinderat Gossau ZH
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