Die Farbe des Wissens

Die Farbe des Wissens
Rassistische Exklusion und Weißsein in
universitären Strukturen
Dr. Kien Nghi Ha
(Berlin)
Einwanderung als grundlegender
Faktor gesellschaftlicher
Veränderungen
PISA-Schock – Keine
Chancengleichheit im Bildungssystem
Exzellente Universitäten?
 Transnationale Kooperation
 Internationalisierung
 Gender-Mainstreaming
 Diversität und Anti-Diskriminierung
 Kosmopolitismus, Toleranz und Multikulturalismus
Gesellschaftliche Kolonialität
 Koloniale Geschichte und fortlaufende Auswirkungen
 Moderne / Modernität
 Kapitalismus und soziale Ungleichheit
 Rassifizierung und Rassismus
 Geschlecht und Sexualität
 Eurozentristische Kultur- und Wissensproduktion
 Identifikation und Identität
 Nation und Staatsbürgerschaft
♦ Kolonialität der Macht (Aníbal Quijano):
Koloniale Machtmatrix in transnationalen Strukturen wie
subjektivierenden Prozesse der Vergesellschaftung
Was ist institutionelle Diskriminierung?
Die Macpherson-Kommission (1999) der britischen Regierung
definiert institutionellen Rassismus als das „kollektive Versagen
einer Organisation, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Kultur
oder ethnischen Herkunft eine angemessene und professionelle
Dienstleistung zu bieten. Er [der institutionelle Rassismus] kann in
Prozessen, Einstellungen und Verhaltensweisen gesehen und
aufgedeckt werden, die durch unwissentliche Vorurteile, Ignoranz
und Gedankenlosigkeit zu Diskriminierung führen und durch
rassistische Stereotypisierungen, die Angehörige ethnischer
Minderheiten benachteiligen. Er überdauert aufgrund des
Versagens der Organisation, seine Existenz und seine Ursachen
offen und in angemessener Weise zur Kenntnis zu nehmen und
durch Programme, vorbildliches Handeln und Führungsverhalten
anzugehen. Ohne Anerkennung und ein Handeln, um solchen
Rassismus zu beseitigen, kann er als Teil des Ethos oder der
Kultur der Organisation weit verbreitet sein.“ (Macpherson 1999:
6.34 zit nach der Übersetzung von Mechtild Gomolla 2008)
Diskriminierung und Ungleichheit
 Gesetzliche Benachteiligungen: Aufenthaltsgesetz, Arbeitserlaubnis,
Verfahren für Familienzusammenführung, hohe Hürden zu
Staatsbürgerschaft,
 Institutioneller Rassismus: Exklusion und unfaire Behandlung wie
z.B. Racial Profiling
 Struktureller Rassismus bspw. Arbeitsmarkt: Ausschließung,
benachteiligter Zugang und beschränkt auf niedrige
Statuspositionen
 Bildungssystem: Chancenungleichheit und soziale Auslese
 Alltagsrassismus (Vorurteile, Diskriminierung, Gewalt)
 Genderspezifische Aspekte: Sexismus und Bedrohung von Frauen,
Lesben, Schwule, Inter- und Transsexuelle of Color
Tradierte Logiken in der deutschen
Arbeitsmigrationspolitik
 „Ist es unvermeidlich, ausländische Arbeiter heranzuziehen, so
erscheint es auch sozialpolitisch angezeigt, sie gerade mit den
niedrigsten, keine Vorbildung erfordernden und am geringsten
entlohnten Arbeiten zu beschäftigen, denn dadurch besteht für die
einheimische Arbeiterschaft gleichzeitig der beachtenswerte Vorteil,
daß ihr der Aufstieg von der gewöhnlich niedrig entlohnten
Tagelöhnerarbeit zu der qualifizierten und gut entlohnten Facharbeit
wesentlich erleichtert wird“ (Dr. Friedrich Syrup (1918); später
Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung 1927-1938)
 “rotierender Ex- und Import jeweils junger frischer Gastarbeiter“
(Dr. Hans Filbinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg)
Arbeitsmigration als gesellschaftlicher
Verwertungsprozess
Körperliche, schlecht bezahlte und sozial stigmatisierte Arbeit für
marginalisierte “Gastarbeiter” :
 Schwer- und Konsumindustrie
 Bergwerke
 Baugewerbe
 Gesundheits- und Pflegebereich
 Hotel, Gastronomie und Reinigung
 Ausnahme: Geschäftsleute, Diplomaten und Studierende
Ökonomischer Bedarf für neue Migrant*innen (seit 1998)
 Saisonarbeitskräfte (Agrarkultur und Bausektor)
 Hochqualifizierte in vielen Wirtschaftssegmenten
Empirische Studien: Diskriminierung
auf dem Arbeitsmarkt
 OECD-Studie (2007): Migrantische Akademiker *innen fast dreimal so
häufig arbeitslos wie (weiße) deutsche Akademiker*innen (12,5 zu 4,4
Prozent)
 Studie der Uni Konstanz (2010): Bewerber*innen mit deutschen
Namen erhielten bei gleicher Qualifikation insgesamt 14 Prozent mehr
positive Antworten als Bewerber*innen mit türkischen Namen. Kleine
Unternehmen sogar 24 Prozent.
 Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen (2014):
Anzahl der Bewerbung bis zum Vorstellungsgespräch:
Türkisch klingende Namen : sieben Bewerbungen
Deutsche klingende Namen: fünf Bewerbungen
 ADS-Pilotstudie (2010): Anonyme Bewerbungen können
Chancengleichheit für Frauen und Migrierte bis zum
Vorstellungsgespräch erhöhen
Universitäre Formen rassistischer
Diskriminierung und Exklusion
 Institutionell: Starke Unterrepräsentation von Deutschen of
Color, Muslimen, postkolonialen Migranten und sichtbaren
Minderheiten auf allen Ebenen (Lehrende, Nichtwissenschaftliche Mitarbeiter, Studierende)
 Epistemisch: Marginalisierung und Nicht-Anerkennung in
der akademischem Wissensproduktion (Problem:
whitewashing knowledge / rassistisches Wissen)
 Diskriminierende Alltagskultur (verbale und non-verbale
Attacken, rassistische Bemerkungen, Witze etc.)
Starke Forschungsdefizite: Exklusion,
Diskriminierung, Whiteness
The White Male Middle-Class Club
Notwendigkeit und Dilemma des
Ethnic Monitoring
 Kategorien wie Ethnizität, Race und
Religionszugehörigkeit werden im Unterschied zu den
USA oder UK statistisch nicht erfasst
 Problem der Definition und Zuordnung
 Reproduzieren solche Kategorien
Diskriminierungsprozesse oder machen sie diese
lediglich sichtbar und damit politisch verhandelbar?
 Ermöglichen Monitoringprozesse und
zielgruppenorientierte Förderungen sowie
Quotenregelungen (affirmative bzw. positive action)
Vergleichsstudie 1
Quelle: Vielfalt entscheidet, 2014
Vergleichsstudie 2
Quelle: Vielfalt entscheidet, 2014
Überlegenes Wissen
Gängige Selbstbilder und Ansprüche an wissenschaftliches
Wissen
gesellschaftlich anerkanntes Wissen
rational, logisch, argumentativ überzeugend
allgemeingültig (Fakten und Tatsachen)
objektiv, aber zumindest intersubjektiv
universell (temporal beschränkt, kein kultureller Bias)
neutral (unparteiisch, unideologisch, frei und nur der
reinen Wissenschaft verpflichtet)
methodisch und empirisch verifizierbar
wahrheits- und realititätsbasiert
Situiertes Wissen
Kontextgebundenheit jeglicher Wissensproduktion (zeitlich,
kulturell, politisch, sozio-ökonomisch, Geschlecht, sozialer
Hintergrund, Ethnizität etc.
Subje
ktivität
Positi
onalit
ät
Histori
e
Wissen
Persp
ektivit
ät
Resso
urcen
Macht
verhäl
tnisse
Intere
sse
Wissenschaftliche Begriffe als
epistemologische/kulturpolitische
Setzungen: Evolutionen und Widerstände
 Fremd- und Gastarbeiter
 Ausländer
 MmM vs. Zuwanderer vs. (postkoloniale)
Einwanderer vs. Postmigranten
 Ethnische Minderheit > sichtbare Minoritäten >
People of Color
 Türkisch-deutsch, Schwarze Deutsche,
Asiatische Deutsche, Andere Deutsche, Neue
Deutsche, Postmigrant*innen etc.