Nr. 280 - DER PATRIOT Donnerstag ERWITTE 1. Dezember 2016 TEL. (0 29 43) 9 78 50 12 FAX (0 29 43) 9 78 50 19 Resolution aus Erwitte ablehnen BI wendet sich mit Petition an den Bundestag Sollte der Deutsche Bundestag den Beschluss des Bundesverkehrsausschusses durchwinken, steht alles in Erwitte wieder auf Anfang. Unser Karikaturist Gerd Korge lässt den Bundestag (in Form des Bundesadlers im Druidenkostüm) den Zaubertrank „Nulllösung“ über Erwitte ausgießen. Das führt zum absoluten Verkehrschaos. Die Nulllösung Viele Fragen wirft die Entscheidung zu den Umgehungsstraßen auf. Hier die Antworten Von Björn Winkelmann ERWITTE ■ Für einige Verwirrung und Verunsicherung hat im Laufe der vergangenen Tage die Klarstellung aus dem Bundesverkehrsministerium in Berlin zur UmgehungsstraßenProblematik in Erwitte gesorgt. Am morgigen Freitag geht die Debatte zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) im Bundestag in die zweite und dritte Beratung – auf Grundlage der Empfehlungen aus dem Bundesverkehrsausschuss. Was bedeutet die jüngste Entscheidung und wie geht es nun in Erwitte weiter? Wie hat sich die Diskussion in diesem Jahr entwickelt? Und wie haben sich Politik und Bürger positioniert? Kommt es für Erwitte nun zur Nulllösung? Wir geben Anworten. • Warum ist die Diskussion um die Umgehungsstraßen in diesem Jahr erneut entbrannt? Im Zuge der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2030 im Entwurf hatte der Bund in Abstimmung mit dem Land NordrheinWestfalen entschieden, dass die B55n als Westumgehung nicht mehr im so genannten vordringlichen Bedarf steht. Allerdings haben nur Projekte, die diesen Status besitzen, überhaupt die Chance, weiter geplant und dann mitunter auch verwirklicht zu werden. • Welche Rolle spielt für die Entscheider in Bund und Land die Ostumgehung? Eine Ostumgehung, die zwischen Erwitte und Bad Westernkotten hindurchführen würde, wäre kürzer und somit für den Bund sicher zunächst kostengünstiger, als die Westumgehung. Argumentiert wird u.a. mit dem Nutzen-Kosten-Faktor, der für die Ostumgehung – in Kombination mit einer B1n in Erwitte und einer B1n in Salzkotten – deutlich höher angesetzt wird, als für die Westumgehung. Zudem ist davon aus- zugehen, dass – anders als bei der Westumgehung – Natur- und Vogelschutzprobleme keine oder nur eine geringe Rolle spielen dürften. Kernstadt Erwitte durch die Ostumgehung vom LkwVerkehr – im Gegensatz zu (laut BI Stirpe) nur etwa 50 Prozent bei der Westumgehung. • Warum erhebt sich zur Ostumgehung so großer Widerstand in der Bevölkerung? Der Widerstand in der Bevölkerung, besonders auch in Reihen der Bürgerinitiative gegen die Ostumgehung und für die Westumgehung, erhebt sich unter anderem deshalb, weil eine Osttrasse viel mehr Menschen in direkter Nähe zu der Straße beeinträchtigen würde, als eine Westtrasse, darüber hinaus die Kureinrichtungen wie Kurkliniken in Bad Westernkotten. Ebenso durchschneidet eine solche Trasse das Erwitter Bruch. Die Gegner der Ostumgehung argumentieren außerdem, dass die Trasse nicht die notwendige Entlastung für Erwitte und Stirpe bringen würde. • Wie hat sich die Politik in der Sache positioniert? Trotz durchaus unterschiedlicher Argumentationen haben die Fraktionen im Stadtrat einstimmig eine gemeinsame Positionierung beschlossen, die von der Erwitter Stadtverwaltung im Vorfeld der jüngsten Sitzung des Bundesverkehrsausschusses nach Berlin geschickt wurde. Im Wortlaut heißt es in der Resolution: „Rat und Verwaltung der • Wie argumentiert die Bürgerinitiative Stirpe? Die BI Stirpe weist vor allem darauf hin, dass die Planung der Westumgehung aus ihrer Sicht schon aus rechtlichen Gründen nicht fortgeführt werden kann. Auch einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung im Rahmen eines Klageverfahrens würde die Trasse nicht standhalten. Daher habe die Westumgehung keine Chance auf Realisierbarkeit und führe unweigerlich zur Nulllösung. Die Idee zu einer Ostumgehung in Verbindung mit einer B1n als Erwitter Umgehung in einem Zuge wurde übrigens vor einigen Jahren erstmals von der BI Stirpe ins Gespräch gebracht. Ihre Argumente sind unter anderem Synergieeffekte durch die Verschmelzung zweier Umgehungsstraßen, die Anbindung der beiden Gewerbegebiete und der Zementindustrie und die Entlastung der Lokales Thema des Tages Ortsumgehung Erwitte – der Bund entscheidet Stadt Erwitte fordern vom Deutschen Bundestag eine Lösung, die die zwingenden öffentlichen Interessen der Stadt beachtet und das Ziel eines besseren Fernverkehrs erreicht: Bau der B 1n und Netzverbindung zur B 55 über die optimierte Verfahrenstrasse Westumgehung. Das laufende Planfeststellungsverfahren wird fortgesetzt und abgeschlossen.“ Die NRW-Länderbeauftragten des Berliner Verkehrsausschusses, Reinhold Sendker (CDU) und Andreas Rimkus (SPD), an die das Schreiben gerichtet war, hatten bereits im Vorfeld zugesichert, sich für die Erwitter einzusetzen. Dazu hatte unter anderem Bürgermeister Peter Wessel gemeinsam mit allen Erwitter Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, FDP und BG das persönliche Gespräch in Berlin gesucht. • Wie hat sich der Verkehrsausschuss des Bundes nun po- sitioniert? Aus dem Bundesverkehrsministerium, genauer gesagt vom zuständigen parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU), heißt es laut Mitteilung vom 22. November, dass die im Rahmen der Bewertung zur Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes zugrunde gelegte Ostvariante eine, keineswegs aber die einzige Variante darstelle. Vor allem stellt Ferlemann aber fest, dass die konkrete Ausgestaltung der Straßenführung einschließlich der Prüfung von Alternativen Gegenstand anschließender Planungsphasen ist. An dieser Stelle ist wieder das Land Nordrhein-Westfalen am Zug. Die von ihm zu beauftragenden Planer müssen sich auch in einer Variantenuntersuchung um die Ermittlung alternativer Streckenverläufe kümmern. Hier ist durchaus auch die Westumgehung möglich. möglichen Variante geht. Das wirft das Projekt um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurück – ganz zu schweigen von weiteren Millionen Euro Steuergeldern, die in die Hand genommen werden müssen. • Was hat der Einsatz aus Erwitte dann gebracht? Die einen sagen: Nichts. Für die anderen besteht damit nun wieder die Basis für eine grundlegende Entscheidung. Der Einsatz gegen die Ostumgehung scheint dahingehend erfolgreich zu sein, dass sie nun nicht mehr die einzige Option ist, über die zu entscheiden ist. Vom Tisch ist sie allerdings nicht. Zugleich besteht die Möglichkeit, dass eine Westumgehung wieder ins Gespräch kommt. Vieles hängt dabei von den Planern an. Ob es überhaupt eine Umgehungsstraße in Nord-Süd-Richtung geben wird, steht derzeit in den Sternen. Die klassische und von vielen befürchtete Null• Dennoch erheben sich lösung, anders gesagt: Alles nach Bekanntwerden der Er- bleibt zumindest nach aktugebnisse nun Sorgen und Be- ellem Stand wie gehabt. denken. Warum? • Wie geht es nun weiter? Der klare Wunsch aus Erwitte war, die bereits weit Eine letzte, wenn auch geringe fortgeschrittenen und viele verschwindend Millionen Euro teuren Pla- Hoffnung, dass sich das nungen zur Westumgehung Blatt doch noch wendet, bean der bestehenden Stelle steht am morgigen Freitag, wieder aufzunehmen und wenn sich der Bundestag in das Planfeststellungsverfah- zweiter und dritter Beraren auf diese Weise schnell tung mit dem Thema Bunabschließen zu können. Da desfernstraßen auseinanvon Seiten des Bundes aller- dersetzt. Ein entsprechendings nicht etwa konkret der Beschlussvorschlag des die Westumgehung als Aus- Bundesverkehrsausschusgangspunkt der weiteren ses liegt den Beratungen zuÜberlegungen genannt grunde. Ob die Erwitter Bewird, sondern von einer Er- lange auf dieser Ebene und mittlung alternativer Stre- bei der Vielzahl an Maßnahckenverläufe die Rede ist, ist men im BVWP 2030 überdavon auszugehen, dass die haupt noch zum Thema Fortsetzung des bisherigen werden, wird sich zeigen. PlanfeststellungsverfahFür die Beratungen zum rens für die Westumgehung umfangreichen BVWP-Entvom Tisch ist. Damit be- wurf sind in Berlin gerade ginnt das Linienbestim- einmal knapp eineinhalb mungsverfahren von vorn, Stunden angesetzt, bevor in dem es auch um eine neu- der nächste Tagesordnungserliche Untersuchung aller punkt zur Diskussion steht. STIRPE ■ Zur Resolution, die der Erwitter Stadtrat zu den Umgehungsstrraßen beschlossen hat, nimmt die BI Stirpe in einer Pressemitteilung Stellung. So wolle die Stadt darüber die Westumgehung Erwitte mit einem Trick – über das Projekt NW B1-G11-NW – wieder in den „vordringlichen Bedarf“ aufnehmen lassen. „Die BI hat diesbezüglich alle Mitglieder des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert angeschrieben“, heißt es weiter. Neben einer detaillierten sachlichen Erläuterung des Sachverhalts seien auf diese Weise die wesentlichen Vorteile einer Ostumgehung gegenüber einer Westumgehung dargestellt worden. Dazu listet die BI u.a. auf: Die Länge beträgt 2,5 statt 7,4 km; der Kosten-Nutzenfaktor ist 7,7 statt 1,4; als Synergieeffekte die Verschmelzung zweier Umgehungsstraßen statt zwei Einzelprojekte; Anbindung der beiden Gewerbegebiete und der Zementindustrie statt dass Lkw-Ziel- und Quellverkehr auch zukünftig durch die Innenstadt von Erwitte fährt; Entlastung der Kernstadt Erwitte bei der Ostumgehung vom LkwVerkehr – statt bei der Westumgehung um nur ca. 50 Prozent. Als positiv beschreibt die BI auch eine touristische Anbindung des Kurortes Bad Westernkotten; Gebietsschutz für FFH- und Vogelschutzgebiete („die Ost-Tangente ist die beste von vier untersuchten Varianten nach FFH- und Ar- tenschutzgesichtspunkten, die Westumgehung die schlechteste“). Die Westumgehung verliefe durch das Vogelschutzgebiet (VSG) Hellwegbörde und würde 53,5 ha direkt in Anspruch nehmen, die Ostumgehung tangierte das VSG nur an einer Ecke und nimmt nur ca. 0,5, ha in Anspruch. Im Gegensatz zur Osttangente würden beim Artenschutz im Bereich der Westtangente zwölf Vogelarten nach Anhang 1 der FFH-Richtlinie erheblich beeinträchtigt. Und die Trasse, so die BI, tangiere weiter unmittelbar das Brutgebiet der Rohrweihe im VSG „Olle Wiese“ mit bis zu sieben Brutpaaren pro Jahr. Daher erklärt die BI abschließend an die Bundespolitiker: Aufgrund der vorliegenden Alternativenprüfung zum Gebiets- und Artenschutz aus dem Jahr 2012, des hierzu vorgelegten Rechtsgutachtens von 2013 und der weiteren planungsrechtlichen Überprüfung durch die DEGES (2015) sei es zum Planungsstillstand gekommen, weil es sich hier um einen unzulässigen Eingriff laut Bundesnaturschutzgesetz handele, der auch einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung im Rahmen eines Klageverfahrens nicht standhalten könne. „Die Westumgehung hat auch künftig keine Chance auf Realisierbarkeit und würde zu einer Nulllösung für Erwitte führen“, so die BI, die daher die Bundespolitiker gebeten hat, die Resolution der Stadt abzulehnen und mit der Möglichkeit einer Ostanbindung zwischen B 1 n und B 55 im Norden von Erwitte eine Lösungsmöglichkeit anzubieten. Wiederholt haben die Bürger in Erwitte und Bad Westernkotten gegen eine Ostumgehung protestiert. ■ Foto: Görge Der Leser hat das Wort Wir freuen uns über jeden Leserbrief, müssen uns aber Kürzungen vorbehalten. Außerdem weisen wir darauf hin, dass Leserbriefe ausschließlich die Meinung der Einsender wiedergeben und nicht unbedingt mit der Auffassung der Redaktion übereinstimmen. Viel Verunsicherung Betrifft Diskussion über die Umgehungsstraßen-Entscheidung „Der Patriot berichtete in seiner Ausgabe vom 26. November ausführlich über die Informationen aus dem Bundesverkehrsministerium. Leider wurde schon aus den Überschriften jedem Leser bewusst: Hier stimmt doch einiges nicht. Während ein Teil der Informanten positiv „Eine klare Botschaft“ sahen bzw. mit großer Freude festgestellt wurde „Einsatz hat sich gelohnt“, hieß es an anderer Stelle „Seit August hat sich nichts geändert“ bzw. die „Kuh ist noch nicht vom Eis“. Und in Reihen der Bigo spürt man „Blankes Entsetzen“ und fürchtet eine Nulllösung. Zur weiteren allgemeinen Verunsicherung der Bürger/innen fehlen jetzt nur noch die Inter- pretationen von Kreistagsmitgliedern und der BI Stirpe (Anm. d. Red.: siehe oben). Wer aus der Kommunal-, Landes- u. Bundespolitik kennt und sagt denn nun die Wahrheit, nichts als die Wahrheit und nur die reine Wahrheit? Wie ist denn der tatsächliche Verfahrensablauf? Mit den o.a. Artikeln wurde der „normale“ Leser jedenfalls nicht klar und deutlich informiert, eher verunsichert. In Anbetracht der bevorstehenden Wahlen zum Land- und Bundestag befürchte ich durch diese Art von Informationen und Interpretationen eine weiter zunehmende allgemeine Verunsicherung der Wähler/innen, die sich sicher beim Wahlverhalten bemerkbar macht. Antonius Pieper Erwitte
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