Dachauer Land Tourismus für Alle ganzheitlich gestalten Von Siegurd Seifert Dachau? Da steht doch die KZ-Gedenkstätte! So werden wohl die Meisten antworten, wenn sie nach Dachau gefragt werden. Dabei hat das Dachauer Land so viel mehr zu bieten, auch in Sachen Tourismus für Alle. Nichtsdestotrotz ist und bleibt die Hauptsehenswürdigkeit in Dachau die Gedenkstätte, die auf sachliche und emotionale Art und Weise an die Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. In solch historischen Stätten haben es die Verantwortlichen immer besonders schwer, den Zugang für alle Besucher, also auch für Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungsarten zu gewährleisten. Historische Gegebenheiten sollen erhalten bleiben. Da kann eine nachträglich ange- brachte Rampe das Bild wesentlich verändern. Dennoch ist viel getan worden. Ausstellungsvitrinen sind für Rollstuhlfahrer unterfahrbar, dort, wo es Objekte zu besichtigen gibt, führen entsprechend vorbereitete Wege hin. Gehörlose Menschen können sich eine mobile App herunterladen und sehen dort Videosequenzen in Gebärdensprache. Peter Felbermeier ist Bürgermeister der Gemeinde Haimhausen. Er ist aber auch Vorsitzender des Vereins Dachau AGIL e. V. AGIL bedeutet in diesem Fall Amper-Glonn-Ilm-Land und bezeichnet die Region. Agil ist aber auch ein Synonym für flink, beweglich, geschäftig. Beide Erklärungen treffen in diesem Fall zu. Nach einer umfangreichen Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes wurde klar, dass touristische Maßnahmen sich an alle Menschen richten sollten. So wurden zahlreiche Projekte ins Leben gerufen, die eine Hinwendung zum Tourismus für alle haben. Grundlage ist ein Demografie-Projekt, das zahlreiche Aktivitäten beinhaltet, die sowohl die einheimische Bevölkerung als auch Touristen betreffen.“ Man kann das eine nicht vom anderen trennen", betont Felbermeier. Altomünster ist ein Kloster mit einer beeindruckenden Kirche. Es ist der Standort für zwei Elektro-Scooter, die Touristen sich ausleihen und damit selbstständig die Gegend erkunden. Sie haben einen extra hohen Bodenabstand und sind damit für Touren im Gelände geeignet. So können auch mobilitätseingeschränkte Personen den meditativen Wanderweg „InSichGehen“ zwischen den Gemeinden Erdweg und Altomünster befahren. Der Wanderweg „InSichGehen“ bietet auf seiner Strecke an mehreren Stationen die Möglichkeit, über sich und die Natur nachzudenken. Ein Baum-Xylofon verleitet zum Komponieren, das Modell eines Sonnensystems lässt den Wanderer über seine Stellung in der Welt nachdenken und eine Windrose kann bei der Orientierung helfen, wo man im Leben steht. Es gibt mehrere solcher sinntiefen Rastplätze, von einigen lässt sich bei gutem Wetter im Hintergrund das Alpenpanorama erblicken. Insgesamt gibt es elf ausgewiesene Wanderwege, auf deren Rastplätze jeweils eine Interaktion mit der Umgebung und mit sich selbst passieren kann. Der Wanderweg „Lebensader Maisach“ beispielsweise bietet die Möglichkeit, sich sportlich, kreativ und lehrreich an elf Stationen zu betätigen. Er führt von der Gemeinde Günding nach Berkirchen. Es ist kein Rundweg, es fährt aber ein Bus zwischen den jeweiligen Anfangsund Endpunkten der Tour. Was wäre ein Aufenthalt in Bayern ohne eine deftige Einkehr mit einem originalen bayrischen Bier. Der ganze Stolz der Touristiker ist das Wirtshaus am Erdweg im gleichnamigen Ort. Es wurde aufwendig restauriert und ist heute ein gutes Beispiel dafür, dass traditioneller Baustil und Barrierefreiheit sehr wohl zusammenpassen. Der Eingangsbereich wurde verbreitert und bietet damit auch breiteren Elektrorollstühlen einen bequemen Durchlass. In der 1. Etage befinden sich zahlreiche Tagungsund Schulungsräume, die sich leicht kombinieren lassen, unter dem Dach gibt es den Tafernsaal, ein Raum für Veranstaltungen größeren Stils. Das Dachgebälk wurde in die Architektur einbezogen, es entsteht ein Saal mit ganz besonderer Anmutung. Alle Etagen sind mit einem Fahrstuhl erreichbar, der ein in Rollstuhlhöhe befindliches Bedienfeld hat. Seit der Eröffnung im Jahr 2015 wird es von den Wirtsleuten Karin und Hubert Ekl bewirtschaftet. Sie bieten eine gutbürgerliche Küche zu fairen Preisen. Unbedingt sollte man den Schweinebraten mit Klößen probieren. Die Altstadt von Dachau ist auf einem Berg gelegen und hat Pflasterstraßen, so wie das oft in historischen Orten der Fall ist. Die Dachauer haben sich darüber Gedanken gemacht und haben sogenannte Laufbänder angelegt. Das sind Bereiche in der Mitte der Wege, die mit größeren Platten aus dem gleichen Material, wie die Pflastersteine, belegt wurden und dadurch für mobilitätseingeschränkte Personen besser passierbar werden. Christine Umzeitig (62) ist Projektleiterin Naherholung und Tourismus im Dachau AGIL e. V. Sie betont noch einmal die Zusammengehörigkeit von Naherholung und Tourismus. Sie stellt uns deshalb Anita Neuhaus vor. Der 77-Jährigen merkt man ihr Alter nicht an, im Gegenteil, sie macht einen sehr agilen Eindruck und passt damit perfekt zum Dachau AGIL-Konzept. Bis vor kurzem noch war sie die Behindertenbeauftragte in der Gemeinde Karlsfeld. In diesem Ort gibt es einen der beliebtesten Badeseen der Region. Immer hat es sie geärgert, dass Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, große Schwierigkeiten haben, in das flache Wasser hineinzukommen. Sie setzte durch, dass eine Haltestange in den See gebaut wurde, die vom Ufer bis ins tiefe Wasser reicht. An ihr können sich diese Menschen jetzt stützen. „Schauen Sie, das geht auch nicht", sagt sie und zeigt auf eine Stufe, die von der Liegewiese zur Haltestange führt. „Da müssen ja die Rollstuhlfahrer drum herum fahren." Annika Recht (26) und Annika Baumbach (31) sind die guten Geister des Naherholung und Tourismusverbandes im Dachauer Land. Ihr Dienstsitz ist im Alten Zollhäusel in der Dachauer Innenstadt, direkt neben dem Rathaus. Sie informieren, stellen Routen zusammen, helfen bei der Unterkunftssuche. Es gibt ein Gastgeberverzeichnis, in dem rollstuhlgeeignete Unterkünfte mit einem entsprechenden Piktogramm gekennzeichnet sind. Hinweise nach dem in Deutschland einheitlichen Kennzeichnungssystem sind noch nicht vorhanden. Eine umfangreiche Übersicht ist auf www.tourismus-dachauer-land.de zu finden.
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