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katholisch: Kirche in WDR 5 | 29.11.2016 | 06:55 Uhr | Claudius Rosenthal
WARTEN
Kleine Zeitreise, liebe Hörerinnen und Hörer. Guten Morgen!
Zurück zu den Tagen, als Sie und ich noch Kinder waren. Da wurden –
jedenfalls bei uns zu Hause – mit Mama und Papa oder mit Oma und Opa
Plätzchen gebacken. In meiner Kindheit gehörte das zum Advent immer dazu.
Rühren, Mixen, Kneten, Ausstechen.
Vor allem erinnere ich mich an das erste Mal Lebkuchen backen. Was für eine
Arbeit. Aber ich weiß auch noch, wie herrlich es im ganzen Haus duftete, als die
Herzen und Sterne zum Abkühlen auslagen. Nur: Ich war empört, was sage ich:
entsetzt, als meine Mutter dann irgendwann die Lebkuchen nahm und in eine
Dose packte. Und das wurde nicht besser, als sie die Dose dann in den Keller
brachte.
Was bitte sollte das denn? Erst einen langen Zahn machen – und dann
verschmachten lassen?
Heute weiß ich: Lebkuchen kann man nicht frisch essen. Heute weiß ich aber
auch: „Lebkuchen backen“ ist eigentlich ein schönes Bild für den Advent. Denn
ich bekomme da mit allen Sinnen einen Vorgeschmack auf Weihnachten. Aber:
Ich muss auch noch warten können.
Mit dem Warten tun sich heutzutage aber viele eher schwer: Nehmen wir nur
die Weihnachtsmärkte. Die fangen schon Mitte November an. Und sie wecken
auch nicht mehr Freude auf das, was kommt, sondern sie stellen zeigen das
Schöne, den festlichen Höhepunkt des Jahres, aber für vier bis fünf Wochen auf
Dauer. Heute gibt es auch Lebkuchen nicht erst zu Weihnachten. Wir leben in
einer Zeit, in der ich alles bekomme, wenn mir danach ist. Warten – nicht nötig!
Keine Sorge: Ich klage jetzt nicht darüber, wie kulturlos unsere Gesellschaft
geworden ist. Aber ein Gedanke treibt mich doch um.
Worum geht es eigentlich an Weihnachten? Für mich geht es um ein zentrales
Ereignis meines Glaubens: An Weihnachten feiere ich Christi Geburt, die
Menschwerdung Gottes. Und damit beginnt die Erlösung des Menschen.
Weihnachten ist für mich der Tag des Heils: der Größte, der Allmächtige selbst
besucht jeden Menschen. Und wenn das stimmt, dass Gott zu mir kommt –
dann bedarf es doch eigentlich keiner Erklärung, dass ich diesen Tag im
wahrsten Sinne des Wortes er-warte. Mehr noch: Dass dieser besondere Tag
vorbereitet sein will. Das ist wie beim Lebkuchen-Backen: Bevor ich sie essen
kann, muss ich nach dem Backen noch warten.
Oder wie bei einem wichtigen Besuch: Wenn das Haus sauber blitzen soll, kann
ich doch auch nicht vorher 5 Wochen lang jeden Tag ein Fest feiern! Am Tag
des Besuches wäre wahrscheinlich dann die Luft raus. Es geht um eine
Vorbereitung auf so ein Fest, und Vorbereitung ist für mich ein Warten, das
gestaltet sein will.
Das heißt auf Weihnachten hin übrigens nicht nur, die Wohnzimmerfenster zu
verzieren. Die Häuser und Straßen zu schmücken.
Sondern es geht gewiss auch darum, die Seele zu säubern. Denn Gott möchte
ja nicht in mein Haus einziehen. Sondern vor allem in mein Herz. Und das sollte
vielleicht doch wenigstens so sauber und ordentlich sein wie meine Wohnung.
Denn selbst der schönste äußere Schmuck wird ja nicht von einem inneren
Schmutz ablenken können. Wie schön aber ist es, wenn der äußere Schmuck
den inneren Glanz widerspiegelt – also eine Seele, die poliert ist.
Vor vielen Jahren habe ich mich gefreut, wenn meine Mama die Dose mit den
Lebkuchen aus dem Keller holte. Vergessen war dann, dass das Backen einige
Arbeit war. Vergessen war auch, dass ich erst gar nicht warten wollte. Alles das
war weg, als ich den ersten Lebkuchen in der Hand hielt. Und Weihnachten ist
das bei mir ähnlich: Da denke ich nicht mehr daran, was im Advent alles so zu
tun war. Und weil das jedes Jahr so ist, weil ich mich im Advent auf die Freude
an Weihnachten freuen darf, deshalb ist diese Vorfreude für mich wirklich eine
schöne Freude. Und ich nehme mir deshalb für dieses Jahr vor, mich mit
Freude in die Aufgaben des Advents zu stürzen. Ins Warten. Ins Vorbereiten.
Und auch ins Seele schmücken.
Aus Alt-Wenden grüßt Sie Diakon Claudius Rosenthal.
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