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SÜDWESTRUNDFUNK
SWR Interview der Woche – Manuskript
Autor:
Gesprächspartner:
Redaktion:
Sendung:
Stephan Ueberbach
Julia Klöckner, Vorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz
Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin
Samstag, 03.12.2016, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR
SWR Interview der Woche vom 02.12 .2016
SWR: Frau Klöckner, lassen Sie uns mit einem aktuellen Thema anfangen: mit der PKW-Maut.
Bundesverkehrsminister Dobrindt von der CSU hat sich ganz offensichtlich mit der EU-Kommission
verständigt, er hat sein Gesetz dafür kräftig nachgebessert. Wie groß ist denn die Freude bei Ihnen,
dass die `Ausländer-Maut´, die heute `Infrastrukturabgabe´ heißen soll, dass diese Maut jetzt wohl doch
kommt?
J. K.: Also erst mal guten Tag, lieber Herr Ueberbach! Das Thema Maut beschäftigt uns ja schon recht
lange, es ist ja ein sehr ambivalentes Thema. Wer in Richtung Süden in Urlaub unterwegs ist, ärgert
sich immer, dass er in der Schweiz, in Italien, in Österreich zahlen muss und umgekehrt nicht. Aber
nichtsdestotrotz: ich bin Rheinland-Pfälzerin, wir haben grenznahen Verkehr, das heißt, in die BeneluxLänder, nach Frankreich, nach Luxemburg, zum Beispiel, und da ist eine Maut für uns eher hinderlich,
weil -, dieser kleine Grenzverkehr, der muss unbedingt ausgenommen werden, das ist uns wichtig.
SWR: Und aus diesen Nachbarländern, aus Holland, aus Belgien, aus Frankreich, aus Luxemburg, da
hört man ja inzwischen auch schon: So nicht, liebe Freunde in Deutschland – wir werden die Maut nicht
hinnehmen, sondern notfalls dagegen klagen. Können Sie den Ärger nachvollziehen bei den
europäischen Nachbarn?
J. K.: Ach! Das wird man dann nachher sehen, ob sie klagen oder nicht klagen. Es wird natürlich auch
viel geklappert, denke ich. Aber jedes Land muss für sich selbst erst mal wissen, was es will und
deshalb: Ich vertrete die Interessen meines Bundeslandes und ich weiß, zum Beispiel, in der Region
Trier, wie wichtig dieser unkomplizierte Verkehr zwischen Luxemburg und Trier ist, sowohl für die
Arbeitnehmer als auch für die, die etwas anbieten. Das sollten wir uns -, in Zeiten, wo über Grenzen
geredet wird, sollten wir uns nicht Gedanken machen, wie wir wieder Grenzen hochziehen. Insofern:
wenn es kommt, sollten wir es sehr pragmatisch gestalten!
SWR: Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin in Mainz sagte: auf diese Maut kann man verzichten. Was
sagen Sie?
J. K.: Ja, das ist, glaube ich, jetzt auch parteipolitisch, mitunter, motiviert. Sie hat ja zugestimmt beim
Koalitionsvertrag und da hatte ich jetzt nichts gehört von ihr. Also, ich glaube, da sind wir RheinlandPfälzer uns aber einig: wenn sie kommt, dann muss sie so gestaltet werden, dass sie pragmatisch ist;
denn verzichten will Frau Dreyer übrigens nicht auf das Geld, das man einnimmt, da hat sie schon klare
Vorstellungen – und ihr entsprechender Minister –, insofern sag ich eher, da sollte man ein bisschen,
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glaube ich, auch ehrlich sein bei der Diskussion, sagen, was einem gefällt, was einem nicht gefällt und
wie man es dann auch ausgestaltet.
SWR: Was wäre denn eine pragmatische Lösung, die Ihnen vorschwebt?
J. K.: Dass man, zum Beispiel, im Grenzverkehr, in den Grenzregionen eben mautfrei unterwegs sein
kann, und dass auch die Bundesstraßen etc. ausgenommen sind.
SWR: Diese Preisreduzierung bei der Vignette, für 10 Tage für EU-Ausländer, die reicht Ihnen dann
nicht?
J. K.: Naja, das geht ja nicht um die Reduzierung „10 Tage“! Wenn Sie in einer Grenzregion leben, dann
leben Sie das ganze Jahr dort und dann hat das nichts mit 10 Tagen zu tun. Also ich denke, das kucken
wir uns jetzt mal an, von der Ausgestaltung. Ich glaube, wir -, auch Landespolitiker haben ja die
Aufgabe, etwas, sagen wir mal, auch dem Realitätscheck der Alltagspraxis zu unterziehen. Und das
werden wir jetzt auch machen.
SWR: Nun sind ja Prognosen immer dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen, ich frage aber
trotzdem J. K.: - [lacht] deshalb sind es Prognosen SWR: - [lacht] ich frage trotzdem …: Glauben Sie, dass die Maut wirklich kommt, und wenn ja, wann?
J. K.: Hei-jei-jei … Also, ob sie kommt – und das ist keine Frage des Glaubens –, ich hatte damals nach
Abschluss der Koalitionsverhandlungen gesagt: ich gehe nicht davon aus, dass sie in dieser Legislatur
kommt und hab‘ mir den großen Zorn der CSU eingehandelt – aber recht behalten habe ich, glaube ich!
SWR: Julia Klöckner, CDU-Landeschefin in Rheinland-Pfalz, im SWR-“Interview der Woche”. – Frau
Klöckner, Sie haben es gesagt, die Maut ist ein Projekt der CSU, was mir die Gelegenheit gibt, ganz
elegant zum nächsten Thema zu schwenken, nämlich zum Bundesparteitag der CDU in der nächsten
Woche. Da wird ja der sonst eigentlich übliche Tagesordnungspunkt „Grußwort des CSU-Vorsitzenden“
diesmal ausfallen. Horst Seehofer kommt nicht nach Essen, Angela Merkel war nicht bei der CSU in
München. Heißt das, der Familienkrach bei den schwarzen Schwesterparteien ist noch im Gange?
J. K.: Nein, ist es nicht; ich finde, man sollte es auch nicht überbewerten. Es war so eine Situation,
glaube ich, die nicht schön war: als Angela Merkel vor einiger Zeit auf dem Parteitag war und – ja, wie
soll man es sagen – bis es zur Konfrontation kam, was aber auch in der Demokratie möglich ist, wenn
man unterschiedlicher Meinung ist, und wir haben aber vor, dass wir gemeinsam in den Wahlkampf
ziehen, als CDU/CSU. Ich gehe fest davon aus -, natürlich wird es das geben: ein gemeinsames
Wahlprogramm, eine gemeinsame Kanzlerkandidatin, Angela Merkel, und man sollte es jetzt auch nicht
überbewerten, wer jetzt zu wem zu Besuch kommt, sondern wichtig ist, dass man gemeinsam durchs
Ziel geht.
SWR: Nun ist im Leitantrag der CDU für den Parteitag in Essen von einer “Obergrenze für Flüchtlinge”,
wie sie die CSU nach wie vor unbedingt will, keine Rede. Wie lässt sich denn dieser Konflikt auflösen?
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J. K.: Ich finde, der Fokus wird nicht richtig gelegt, indem wir nur von dem Begriff „Obergrenze - Ja oder
Nein?“ sprechen. Wir sind uns in 99% einig und das ist ja gar nicht das Thema aktuell, ob wir eine
Obergrenze brauchen, wir liegen ja darunter. Und wenn wir denn definieren: wollen wir wirklich 200.000
Illegale jedes Jahr haben – das wär‘ mir auch zu viel! Ich glaube, der Schwerpunkt liegt woanders und
da sind wir uns ja einig, dass die Menschen, die hier ausreisepflichtig sind, auch ausreisen müssen und
wir dafür sorgen müssen. Gerade rot-grün oder auch -gelb regierte Länder, wie, zum Beispiel
Rheinland-Pfalz, die sind da sehr nachlässig und machen ihre Hausaufgaben nicht in der Rückführung
der Personen. Und ich glaube, das sind zwei Seiten einer Medaille, ich bin mir da sicher, dass wir auf
der einen Seite Humanität, offenes Herz, zeigen, für die, die schutzbedürftig sind, aber auf der anderen
Seite muss man auch konsequent in der Anwendung des eigenen Rechts, auch, sein.
SWR: Im Leitantrag der CDU heißt es: die Ereignisse des vergangenen Jahres dürften sich nicht
wiederholen, notfalls müssten weitere Maßnahmen beschlossen werden. Welche können das sein?
J. K.: Erst mal stimmt der Satz, der ist ganz, ganz wichtig, dass sich eine solche Flüchtlingskrise und
auch die darauf folgende, doch, zum Teil auch unkoordinierte Vorgehensweise vor Ort nicht mehr
wiederholen darf. Und wir schlagen vor, zum Beispiel, Transitzonen einzurichten. Wir kennen das, wenn
wir am Flughafen sind, das ist ein geordnetes Verfahren. Ich selbst kam jetzt aus Namibia, zum
Beispiel, zurück und habe dann natürlich in meinem eigenen Heimatland meinen Pass vorzeigen
müssen. Und so stellen wir uns das auch vor: wenn Menschen zu uns kommen, ist es weder inhuman,
noch eine Zumutung, wenn man sich ausweisen muss. Was haben wir denn im vergangenen Jahr
gemacht? Erst waren die Menschen bei uns, viele sind auch abgetaucht, hatten keinen Pass, haben ihn
zerstört, haben falsche Angaben gemacht und die Nachregistrierung war unglaublich aufwendig. Aber
wir müssen wissen, wer in unserem Land ist! Und es kommen ganz, ganz viele Menschen zu uns, die
brauchen unsere Hilfe und das ist unsere Verpflichtung. Aber es kommen auch Menschen zu uns, die
meinen es nicht gut mit Deutschland, mit der westlichen Lebensweise und da darf ein Staat auch nicht
wehrlos sein, er muss wissen, wer da ist – und deshalb, beispielsweise, diese Transitzonen an der
Grenze eines Landes.
SWR: Jetzt ist überall zu hören und zu lesen, dass es in der CDU eine große Erleichterung gibt, dass
Angela Merkel wieder als Kanzlerkandidatin antritt. Wie kann das sein, nach all der Aufregung, nach all
der Kritik in der Flüchtlingsfrage?
J. K.: Das ist Demokratie! [lacht] Dass es eben nicht Schwarz-Weiß, Alles-oder-Nichts gibt, sondern
dass man durchaus auch authentisch ringen kann, um den besten Weg, wenn etwas passiert, wenn
etwas auf uns auch zukommt, wie die Flüchtlingskrise, aber dass man eben nicht alles in Frage stellt.
Angela Merkel ist ein Stabilitätsanker – gerade, wenn wir uns umschauen in der Welt, welch
erschreckende Ergebnisse es auch gegeben hat, Stichwort Brexit, Stichwort, welche Populisten, also
auch wirklich Nationalismen und Abschottungstendenzen in anderen europäischen Ländern sich
abzeichnen. Ich glaube schon, dass nicht nur wir als Parteimitglieder, sondern auch die Bevölkerung in
unsicheren Zeiten gerne Sicherheit, Verlässlichkeit und auch Gewohntes hat. Und Angela Merkel ist
keine Person, die mit dem Kopf durch die Wand geht, sie sucht eher die Tür, wo sie durchgeht, und
vermittelt und ist bedacht -, und dass wir in der Partei froh sind, dass sie wieder antritt, es ist ja nicht so,
dass wir ihr einen Gefallen tun, sondern sie stellt sich in den Dienst, nochmal.
SWR: Sie persönlich kandidieren ja auch wieder als stellvertretende Parteivorsitzende – warum? Was
sind Ihre Ziele?
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J. K.: Ich kandidiere wieder, weil, zum einen, mich mein Landesverband, die CDU Rheinland-Pfalz
wieder vorgeschlagen hat SWR: - und Sie sich in die Pflicht nehmen lassen? …
J. K.: [lacht] – na, es ist ja jetzt auch nichts -, also das kann man nicht vergleichen mit einer
Vorsitzenden im Bund wie Angela Merkel. Aber es ist auch eine Möglichkeit für mich, die Anliegen aus
Rheinland-Pfalz mit nach Berlin zu nehmen, direkt dran zu sein. Ich habe die Debatte auch intensiv
geprägt aus Rheinland-Pfalz heraus, was das Thema Integrationsgesetz, Integrationspflichtgesetz
anbelangt. Mir ist ganz wichtig das Thema „Rolle der Frau bei der Integration“, ich bin für ein Verbot der
Vollverschleierung, weil es gegen -, weil die Verschleierung gegen Frauen gerichtet ist – es sind ja
keine Männer – und ich sag auch immer, wenn ein Mann den Anblick einer Frau nicht ertragen kann,
soll er eine Augenbinde nehmen und sie nicht zur Vollverschleierung zwingen, weil -, so wird Teilhabe
nicht funktionieren. Und ich denke, dass auch eine gute Art Mischung ganz wichtig ist, dass wir Frauen
und Männer im Präsidium haben müssen, und die Zusammenarbeit hat sich auch sehr bewährt.
SWR: Frau Klöckner, die CDU in Rheinland-Pfalz hatte und hat noch mit einer Spendenaffäre zu tun: an
den Kreisverband Cochem-Zell sind mehr als 100.000 Euro geflossen und das Geld soll zum Teil von
Werner Maus stammen, dem Ex-Geheimdienstmann. Sind inzwischen eigentlich alle Fakten auf dem
Tisch oder kommt da noch was?
J. K.: Also wir haben als CDU Rheinland-Pfalz intensiv aufgeklärt, alles, was wir wussten. Wir haben
Briefe geschrieben, wir haben quasi auch Spender angeschrieben. Es wurden Spenden getätigt, wie
das jede Partei kennt: dass ein Anwalt gespendet hatte, er bekam Spendenquittungen, wurde
veröffentlicht – alles, was man sonst auch macht nach dem Parteiengesetz. Und dann kam heraus,
nach einigen Jahren, dass er selber sagte: Nein, Nein, die seien nur weitergeleitet, die Spenden. Und
daraufhin haben wir alles in die Wege geleitet, um so viel wie möglich rauszufinden und jetzt liegt alles
bei der Bundestagsverwaltung und die entscheidet dann.
SWR: Dort wird immer noch geprüft, möglicherweise kommen hohe Bußgelder auf die CDU in
Rheinland-Pfalz zu. Was befürchten Sie da?
J. K.: Also lassen wir doch erst mal die Fachleute prüfen, wir haben alles vorgelegt und dann werden wir
sehen, was kommt.
SWR: Eine Frage zum Schluss noch, Frau Klöckner, würden Sie nach der Bundestagswahl eigentlich
nach Berlin gehen, wenn man Sie ruft?
J. K.: [lacht] Ich bin neun Jahre lang in Berlin gewesen als Bundestagsabgeordnete und war
Parlamentarische Staatssekretärin und bin ganz bewusst nach Rheinland-Pfalz gegangen. Und meinen
Dienst, meine Aufgabe, sehe ich auch, nicht nur im nächsten Jahr, sondern darauf noch in Rheinland
Pfalz.