Jahresbericht 2010 Jahresbericht 2015 Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Verein für soziale Rechtspflege Dresden e.V. Impressum Herausgeber Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Karlsruher Str. 36, 01189 Dresden Telefon 0351 / 40 20 820 Telefax 0351 / 40 20 830 Email [email protected] Web http://www.vsr-dresden.de Februar 2016 Kein Zugang für elektronisch signierte und verschlüsselte Dokumente. Verfahrensanträge oder Schriftsätze können elektronisch, insbesondere per E-Mail, nicht rechtswirksam eingereicht werden. Dieses Informationsmaterial ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Es darf nicht zur Wahlwerbung benutzt werden. Parteien können es jedoch zur Unterrichtung ihrer Mitglieder verwenden. Inhalt Jahresbericht 2015 Der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. im Jahr 2015 …............................................................ 5 Die ambulante Straffälligenhilfe ….......................................................................................................................... 9 • Übergangsmanagement - Vorbereitung der Wiedereingliederung straffällig gewordener Menschen im Strafvollzug …............................................................................................ 10 • Die Anlauf- und Beratungsstelle für straffällig gewordene, wohnungslose Menschen und ihre Angehörigen ….............................................................................................................................. 11 • Die Wendeschleife – Kurzzeitwohnen für haftentlassene Menschen ….................................. 14 • Das ambulant betreute Wohnen (ABW) nach §§ 67 ff. SGB XII …............................................. 16 • Sozialpädagogische Intervention (SPI) zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten bei Wohnungslosigkeit 18 Betreuungsweisung/Entlassungsbegleitung ....................................................................................................... 20 Hilfen zur Erziehung …................................................................................................................................................. 27 ZEBRA ….............................................................................................................................................................................. 31 Heimspiel …....................................................................................................................................................................... 35 Täter-Opfer-Ausgleich …............................................................................................................................................. 43 That`s it ….......................................................................................................................................................................... 53 Anhang …......................................….................................................................................................................................. 58 3 Jahresbericht 2015 4 Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Jahresbericht 2015 Bezogen auf die Politik hat Wolfgang Schäuble einmal gemeint, dass es für nachhaltiges Wachstum der Stabilität bedarf. In diesem Sinne blicken wir auf ein eben solches stabiles und bereicherndes Jahr 2015 zurück. Neben den Herausforderungen des operativen Geschäftes galt es Kräfte zu sammeln, um Bestehendes zu etablieren, die Qualität in den Blick zu nehmen sowie Ideen und Energie für neue Aktivitäten zu mobilisieren. Finanzielle Einschränken in einigen Projekten des Vereins konnten dank eigener Mittel bzw. geringen Einschränkungen in der Arbeitszeit einiger Kolleg_innen ausgeglichen werden. Zudem galten sie als Anlass, das Einwerben von Spenden in Form von konkreten Sachmitteln noch mehr zu forcieren, um somit den Projekten gegebenenfalls geplante Vorhaben zu ermöglichen bzw. das Vereinshaus und -gelände zu erhalten. Alle Projekte können eine ausgezeichnete Auslastung vorweisen und das Vereinsgebäude befindet sich in einem sehr guten Zustand. Mit einem kontinuierlichen, eingearbeiteten, sehr gut ausgebildeten und motivierten Kolleg_innenkreis war eine Konzentration auf die inhaltlichen Themen möglich. Die Wohnprojekte Heimspiel und das Kurzzeitwohnen Wendeschleife bieten für Menschen in verschiedenen Lebenssituationen, mit der Gemeinsamkeit eine Unterkunft vorhalten zu können, die Möglichkeit, sich vor Ort in Dresden zu orientieren und neu zu integrieren. Dabei soll besonders erwähnt werden, dass wie bereits in den Vorjahren beschrieben, die Wohnsituation in Dresden immer schwieriger wird. Aufgrund des Mangels an ausreichendem Wohnraum werden insbesondere Personengruppen benachteiligt, die keine ausschließlich positive Wohnprognose vorweisen können. Mit den Merkmalen Straffälligkeit, Überschuldung, geringem Einkommen usw. gehört unser Klientel nicht zum angestrebten Mieterpool. Die Erschließung eigenen Wohnraums wird somit immer schwieriger. Auf diese Tendenz würden wir als Träger gern reagieren. Wohnprojekte Im Rahmen der ambulanten Straffälligenhilfe stellte die Begleitung wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter straffällig gewordener Menschen schon immer einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt dar. Im Zuge des Bewusstseins, dass dieses Thema sich verschärfen wird, bemüht sich der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. bereits seit vielen Jahren um die Erweiterung der Beratungskapazität und Wohnmöglichkeiten für dieses Klientel. Ambulante Straffälligenhilfe 5 Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Jahresbericht 2015 Mit der Ausschreibung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Schaffung von Angeboten im Rahmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) ist im Bereich der Beratungsmöglichkeiten ein großer Schritt erreicht worden. Der Ausbau der Anlauf- und Beratungsstelle um zwei Vollzeitstellen gibt damit ab 2016 die Möglichkeit der Erweiterung des Zielgruppenspektrums insbesondere auf straffällige, wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen, Langzeitinhaftierte, Eltern und Inhaftierte anderer Anstalten. Sich in den Rahmenbedingungen dieser Förderform einzufinden, die Ambulante Straffälligenhilfe unter dem Aspekt neu zu ordnen und die neuen Kolleginnen sehr gut einzuarbeiten, wird Aufgabe des Projektes im aktuellen Geschäftsjahr sein. Offen bleibt damit die Ausweitung der Wohnkapazität. Im Rahmen der Entwicklung von Ideen für die Zukunft des Vereins besteht sowohl beim Vorstand als auch bei den Mitarbeitenden Einigkeit darüber, dass eine Erweiterung der Räumlichkeiten unbedingt vonnöten ist. Dabei geht es im Wesentlichen um die Menschen, denen nach der Haft aufgrund mangelnder Alternativen Übergangswohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden müssen. Verschiedene Ansätze werden dabei aktuell in den Blick genommen wie beispielsweise Wohnplätze für eine kurzzeitige Überbrückung, Wohnmöglichkeiten für eine längere Trainingsphase und Wohnarrangements für verschiedene Zielgruppen. In Zeiten knapper öffentlicher Mittel und einer äußerst überschaubaren Lobby der Wohnungslosenhilfe meinen einige ein solches Ziel sei sehr weitreichend. Daniel Dennet zitiert Paul Valerie in „Freedom Evolves“ folgender Maßen: „Ich denke, das ist es, wofür menschliche Gehirne gemacht sind: Wir produzieren Zukunft. Wir gewinnen Informationen aus unserer Umwelt, aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart, und dies nutzen wir, um die Zukunft zu produzieren. Und je mehr Zukunft wir produzieren können, desto mehr Freiheit haben wir!“ In diesem Sinne versucht der Verein sich von den Begrenzungen zu lösen und nach Unterstützer_innen und Begleiter_innen zu suchen, die die Erweiterung der Wohnkapazitäten begleiten können und wollen. Welche Wohnkonzepte dabei für welche Zielgruppe sinnvoll sein können, ist Teil der inhaltlichen Diskussion. Für Ideen und tatkräftige Unter-stützung aus unserem Umfeld sind wir offen und freuen uns. 6 Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Jahresbericht 2015 Ein weiteres Projekt mit dem wir gern Zukunft gestalten möchten, ist das Projekt ZEBRA. Seit zwei Jahren beschäftigen sich die Mitarbeitenden des VSR Dresden e. V. mit der Situation der Kinder von straffälligen Angehörigen. Nicht nur in Dresden hat diese Zielgruppe an Bedeutung gewonnen, wie auch die Fachtagung „Kinder inhaftierter Eltern – unschuldig mitbestraft“ im Dezember 2015 gezeigt hat. Wünschenswert wäre eine Vernetzung der beteiligten Institutionen, Behörden und Angebote, die Schulung von möglichen beteiligten Fachkräften, aber auch ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für Angehörige, die mit der Pflege der betroffenen Kinder betraut sind. Eine Anschlussfinanzierung an die Unterstützung des Rotary Club Dresden - Goldener Reiter, die im Herbst 2015 auslief, ist dem Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. leider nicht gelungen. Die Verortung zwischen den Systemen der Jugendhilfe und der Justiz hat neben den fehlenden Möglichkeiten der angefragten Kostenträger dazu beigetragen. Die Finanzierung des Projektes ZEBRA aus den Eigenmitteln des Vereins musste Ende des Jahres 2015 ebenfalls beendet werden. Dennoch arbeiten wir an Lösungen und hoffen, in der Zukunft dieser wertvollen Projektidee eine stabile Grundlage verschaffen zu können. Eine Beratung der Angehörigen findet jedoch weiter, wie bisher, über die Anlauf- und Beratungsstelle des Vereins für soziale Rechtspflege Dresden e. V. statt. Die Angehörigenarbeit mehr in den Fokus zu nehmen, soll zudem den VSR Dresden e. V. als zentrales Thema im Jahr 2016 begleiten. ZEBRA Diese Projekte, welche von einer gereiften Stabilität des Projektinhaltes, Betreuungsweisung/ aber auch der weitreichenden Erfahrungen der Kolleg_innen profitieren, Entlassungsbegleitung konnten auch 2015 ein kontinuierlich ausgelastetes und von hoher Hilfen zur Erziehung Qualität geprägtes Geschäftsjahr vorweisen. Die steigende Komplexität und TOA der Fälle im Bereich der Hilfen zur Erziehung und Betreuungsweisung erfordert ein hohes Maß an Belastbarkeit und neben einem gefestigten Team ausreichend Möglichkeiten zur Supervision. Auch die Mitarbeitenden des Projektes Täter-Opfer-Ausgleich haben sich im letzten Jahr im Rahmen der Präventionsarbeit an Schulen einer besonderen Herausforderung gestellt. Die Schule für Erziehungshilfe soll unterstützt und bei der Lösung von Konflikten begleitet werden. Neben der klassischen Fallarbeit, wird dieses Aufgabenspektrum die Kolleg_innen auch 2016 weiter beschäftigen. Nachdem 2015 alle bestehenden Projekte finanziell gesichert werden konnten und für 2016 alle Mittel für die Projektarbeit verhandelt sind, soll bereits in diesem Geschäftsjahr mit Blick auf das Jahr 2017 eine Anpassung der Fördersummen angedacht werden. 7 Ausblick 2016 Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Jahresbericht 2015 Dringend notwendig ist eine Erhöhung der Summe an Fördermitteln, um das Haus und das Inventar instand zu halten. Von großer Bedeutung ist aber auch die Anpassung der Gehälter. Um den Mitarbeitenden eine angemessene und konkurrenzfähige Entlohnung anbieten zu können, ist es 2016 ein Anliegen, mit den Kostenträgern eine gemäßigte Erhöhung des Gehaltsniveaus zu verhandeln. Ziel ist es ebenfalls, den kompetenten, motivierten und sehr gut zusammenarbeitenden Kolleg_innenkreis langfristig zu erhalten, Kommunikationsstrukturen in den Blick zu nehmen, weiterzubilden und von dem Wissen, den Erfahrungen und der Energie der Beschäftigten zu partizipieren. Hierfür Konzepte im Sinne einer lernenden Organisation zu entwickeln und eine möglichst hohe Beteiligung der Mitarbeitenden zu erreichen, ist ein bedeutender Arbeitsauftrag. Dabei ist es wichtig, neben der Qualität der Projekte, auch die Struktur des VSR Dresden e. V. im Blick zu behalten. Daher soll das Thema des Qualitätsmanagements auch weiterhin ein fester Wegbegleiter des Vereins bleiben. Die Überarbeitung des Layouts und der Internetseite beschäftigt die Mitarbeitenden neben den Hauptaufgaben bereits über einen längeren Zeitraum. 2016 werden nun die neue Internetseite und die neuen Flyer zur Verfügung gestellt. Der Verein dankt allen Finanzierungs- und Kooperationspartner_innen sowie denen, die unsere Arbeit durch vielfältiges Engagement unterstützen und wünscht sich und seinen Kooperationspartnern ein kreatives, spannendes und inhaltlich herausforderndes Jahr 2016, in welchem Arbeitsbeziehungen gestärkt und die Arbeit mit und für Menschen in schwierigen Lebenssituationen stabilisiert und bedarfsgerecht angepasst werden kann. 8 Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Die ambulante Straffälligenhilfe Das Angebot der ambulanten Straffälligenhilfe richtet sich an straffällig gewordene Volljährige, die in Dresden wohnen oder dorthin entlassen werden. Um adäquat auf deren persönliche Bedarfslagen eingehen und individuelle Unterstützung anbieten zu können, gliedert sich der Arbeitszweig in fünf Projekte: Angebote Übergangsmanagement (ÜM) - Vorbereitung der Wiedereingliederung straffällig gewordener Menschen im Strafvollzug Die Anlauf- und Beratungsstelle (ABS) für straffällig gewordene wohnungslose Menschen und ihre Angehörigen Die Wendeschleife - Kurzzeitwohnen für haftentlassene Menschen Das ambulant betreute Wohnen (ABW) zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII Sozialpädagogische Intervention (SPI) zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten bei Wohnungslosigkeit Im Jahr 2015 nutzten insgesamt 218 Menschen die Angebote der ambulanten Straffälligenhilfe des VSR Dresden e. V. Statistisch betrachtet kann eine weitgehend konstante Nachfrage zum Vorjahr (226) herausgestellt und die damit weiterhin grundlegende Notwendigkeit und Relevanz der oben genannten Projekte innerhalb der örtlichen und überregionalen Hilfesysteme untermauert werden. Die Projekte der ambulanten Straffälligenhilfe werden von unterschiedlichen Kostenträgern finanziert. Die Arbeitszweige Übergangsmanagement und Wendeschleife werden vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa getragen. Die Anlauf- und Beratungsstelle sowie die Sozialpädagogische Intervention werden vom Sozialamt der Stadt Dresden gefördert. Der Kommunale Sozialverband Sachsen ist der Kostenträger für das ambulant betreute Wohnen. Zur Umsetzung der Projekte standen vier sozialarbeiterische Fachkräfte zur Verfügung. Ein System des „Stundenpools“ ermöglichte, dass alle Mitarbeitenden Klient_innen projekt- und kostenträgerübergreifend unterstützen und durchgehend begleiten konnten. Im Folgenden sollen die einzelnen Projekte näher betrachtet werden. 9 Personal und Finanzierung Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Übergangsmanagement (ÜM) – Vorbereitung der Wiedereingliederung straffällig gewordener Menschen im Strafvollzug Beratung zur Entlassungsvorbereitung in Haft Statistik Nach einer Haftstrafe begeben sich viele Klient_innen in eine unsichere Lebenssituation. Oftmals fehlt es an Wohnraum, die finanzielle Absicherung des Grundbedarfs ist nicht geklärt und es bestehen weitere soziale Schwierigkeiten wie z. B. eine Abhängigkeitserkrankung oder hohe Schulden. Das Übergangsmanagement richtet sich an Ratsuchende, die nach ihrer Entlassung in Dresden leben möchten. Es bietet ihnen den Rahmen ihre Zukunftssorgen anzusprechen und unterstützt sie bei der Vorbereitung ihrer Entlassung. Wichtige Themen sind u. a. die Suche nach Wohnraum und Arbeit, die finanzielle Sicherung des Grundbedarfs durch Sozialleistungen und die Vermittlung zu weiterführenden Hilfen wie z. B. ambulante und stationäre Therapiemaßnahmen oder Schuldnerberatung. Im letzten Jahr wurden im Rahmen des Übergangsmanagements 137 inhaftierte Menschen beraten. Viele der Anfragen (71) kamen aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden. Einen weiteren Schwerpunkt der Beratung bilden die Justizvollzugsanstalten Waldheim (13), Chemnitz (12), Bautzen (11), Zeithain (11) und Görlitz (4). Anfragen kamen auch aus den Justizvollzugsanstalten in Torgau, Freiburg, Halle, Landsberg, Meppen, Sehnde, Suhl und Tonna (15). Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Anfragen aus der JVA Dresden von 87 auf 71 Anfragen zurückgegangen. In den Justizvollzugsanstalten Bautzen und Chemnitz konnte dafür ein Anstieg der Anfragen (Bautzen: von 4 auf 11, Chemnitz: von 5 auf 12) verzeichnet werden. Verteilung der Klienten nach JVA JVA Dresden Andere JVAen JVA Waldheim JVA Chemnitz JVA Bautzen JVA Zeithain JVA Görlitz 10 Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Das Angebot des Übergangsmanagements wurde auch 2015 um regelmäßige Informationsveranstaltungen in der JVA Dresden ergänzt. Wie bereits im Jahr 2014 geplant, konnten diese ebenfalls in der JVA Bautzen durchgeführt werden. In Kooperation mit den Sozialdiensten wurden Informationsveranstaltungen zu den Themen „Finanzielle Grundsicherung“ und „Unterkunftsmöglichkeiten“ angeboten. Insgesamt wurden sechs Veranstaltungen in der JVA Dresden und vier Veranstaltungen in der JVA Bautzen durchgeführt. Informationsveranstaltungen in Haft Die Veranstaltung „Finanzielle Grundsicherung nach der Haft“ befasst sich mit Fragen zum Arbeitslosengeld und Leistungen der Sozialhilfe. Schwerpunkte waren z. B. die Antragsstellung zum Bezug von Arbeitslosengeld II und Voraussetzungen zum Bezug von Arbeitslosengeld I. Die Veranstaltung „Unterkunftsmöglichkeiten nach der Haft“ informiert Ziele der InformationsInteressierte über die Voraussetzungen zum Bezug einer belegungsveranstaltungen gebundenen Wohnung und der Unterkunft in einem Übergangswohnheim bei Wohnungslosigkeit. Im Fokus stehen z. B. die Antragsstellung für einen Wohnberechtigungsschein und die Leistungen der Wohnungslosenhilfe. Das Ziel der Veranstaltungen ist es, eine regelmäßige Gruppenarbeit in der JVA Dresden und Bautzen zu etablieren. Das Gruppenangebot soll Interessierte anregen, sich auf ihre Entlassung vorzubereiten und durch sinnvolle Gruppenerlebnisse die eigenen sozialen Fähigkeiten zu erkennen und zu stärken. Die Anlauf- und Beratungsstelle (ABS) Für straffällig gewordene wohnungslose bzw. von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen außerhalb des Vollzuges sowie für deren Angehörige bietet die Anlauf- und Beratungsstelle ein niedrigschwelliges und vielschichtiges Unterstützungsangebot. Mit der Haftentlassung endet die Zuständigkeit der Justiz mitunter abrupt. Fortan wird oftmals eine eigenverantwortliche und selbständige Inanspruchnahme komplexer sozialer Sicherungssysteme erforderlich, die zum Teil eine Überforderung sowohl für die Betroffenen als auch deren Angehörigen zur Folge hat. Die ABS offeriert gezielte unterstützende Beratungs- und Begleitungsangebote zur Entlastung und Orientierung für die ersten Schritte nach Haftentlassung. Über die Grenzen von Kostenträgern hinaus werden Leistungen des Übergangsmanagements sowie der Anlauf- und Beratungsstelle aus einer Hand erbracht, so dass Menschen auch nach ihrer Entlassung eine durchgehende Unterstützung 11 Unterstützung aus einer Hand Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 einer vertrauten Bezugsperson erhalten können. Dank einer Spende der Stiftung „Lichtblick“ konnte wie bereits in den Vorjahren eine Handkasse zur akuten Versorgung mittelloser Klient_innen verwaltet werden. Die Gelder wurden zum Großteil als Sachleistungen in Form von Fahrscheinen zur Sicherung notwendiger Behördentermine sowie von Nahrung und Hygieneartikeln zur Gesunderhaltung an die Betroffenen ausgegeben. Beratungsinhalte Im Übergangsmanagement und der Anlauf- und Beratungsstelle lagen die inhaltlichen Themenschwerpunkte der Beratung in den Bereichen der Wohnungs-, Einkommens- und Alltagssituation. Diese Gewichtung ist bereits seit einigen Jahren erkennbar und konstant geblieben. Insbesondere das Erlangen sowie Erhalten eigenen Wohnraums nahm erneut mit mehr als einem Drittel den größten Fokus in der Beratungszeit ein. Ursachen hierfür sind einerseits in der Ausgangslage der Betreuten (langjährige Haftzeiten und Beschäftigungslosigkeit, Mietschulden) sowie andererseits in den restriktiven Entwicklungen und der zunehmenden Verschärfung des Dresdner Wohnungsmarktes (Abnahme vermietbaren Wohnraumes, Forderung von Bürgschaften und Erwerbseinkommen) zu suchen. Umso wichtiger ist es, dass durch Maßnahmen besonders auf wohnungs- und sozialpolitischer Ebene, Zugänge zu eigenem Wohnraum auch für marginalisierte Personengruppen wie straffällig gewordene Menschen erhalten und ausgebaut werden. Die Mitarbeitenden der ABS wirken hierzu aktiv in regelmäßigen Netzwerken- und Arbeitsgruppentreffen hiesiger Hilfesysteme mit. In der statistischen Erhebung der Lebensbereiche erfolgte im Jahr 2015 eine Erweiterung der Kategorie „Angehörige“ um den Aspekt „Soziale Beziehungen“. Während die hilfesuchenden Angehörigen in diesem Jahr marginal weniger Beratung und Unterstützung durch die professionellen Fachkräfte der ABS in Anspruch nahmen (-2 %), erfolgten zunehmend Gespräche mit straffällig gewordenen Personen, die in die Kategorie „Soziale Beziehungen“ (4 %) eingeordnet wurden. Eine Vielzahl an Klient_innen erfuhren in ihrer bisherigen Biografie mehrfach sich nachhaltig auf ihre Lebensperspektive auswirkende Beziehungsabbrüche und diffuse Beziehungsmuster. Das zunehmende Einlassen auf neue soziale Kontakte fiel unter diesen Voraussetzungen oft schwer. Vor diesem Hintergrund ist das den Fachkräften entgegengebrachte Vertrauen, sich thematisch in den Beratungen auch diesen persönlichen und teils schambehafteten Erfahrungen zuzuwenden, ein Ausdruck einer wertschätzenden und anerkennenden Arbeitsbeziehung. 12 Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 2015 suchten 24 Frauen die Beratung und Begleitung durch die Anlaufund Beratungsstelle des VSR Dresden e. V. auf. Vergleichend zum Vorjahr (18) ist hierbei ein Anstieg um ein Viertel zu verzeichnen. Eine ähnliche Tendenz kann im Übergangsmanagement konstatiert werden. Während 2014 fünf inhaftierte Frauen aus der JVA Chemnitz Interesse für eine Haftberatung und Unterstützung bei ihrer Entlassungsvorbereitung bekundeten, waren es im Jahr 2015 zwölf. Diese Zunahme um mehr als das Doppelte ist insbesondere das Resultat einer intensiveren Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten der JVA sowie dem Pilotprojekt „BSI+“ vom Berufsfortbildungswerk GmbH (bfw) zur „Qualifizierung und Vorbereitung auf die beruflich-soziale Integration und Nachbetreuung“. Das Verteilen von Aushängen und Flyern auf den Stationen trug ebenso dazu bei, die Inhaftierten mit präferiertem Entlassungsort Dresden, über die hiesigen Möglichkeiten an Unterstützung aufzuklären. An dieser Statistik lässt sich ein zunehmend höherer Hilfe- und Unterstützungsbedarf von Frauen an fachlicher Begleitung und Beratung ableiten. Die ambulante Straffälligenhilfe des VSR Dresden e. V. sieht sich der Zuwendung dieser Zielgruppe verbunden, da den spezifischen Bedarfen (multifaktorielle Belastungen) weiblicher Straffälliger bisher zu wenig Berücksichtigung und adäquate Begleitung ermöglicht wurde. Die Weiterführung der Hilfeleistungen, die durch das Übergangsmanagement begonnenen wurden, sollen auch im Jahr 2016 den Schwerpunkt der Wiedereingliederungsarbeit zur nachhaltigen sozialen Integration straffällig gewordener Menschen sein. Viele der innerhalb der JVA aufgebauten Kontakte werden über das Angebot der Anlauf- und Beratungsstelle erhalten. Zusätzlich wird es der ABS im Jahr 2016 durch eine dreijährige Förderungsperiode über den europäischen Hilfsfond des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales möglich, die Kapazitäten der niederschwelligen, vermittelnden Beratungsarbeit von wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten straffälligen Menschen im Hinblick auf die Angebote des regulären Hilfesystems Dresdens im neuen Projekt „EHAP“ auszubauen. Hierbei sollen spezielle Zielgruppen (Frauen, Väter, Menschen mit einer Suchtproblematik und Menschen mit langen Haftstrafen) eine besondere Beachtung beigemessen werden. Gerade bei erhöhten Unterstützungsbedarfen ist es wichtig, dass der Zugang zu intensiveren Anschlusshilfen wie dem ambulant betreuten Wohnen oder der Sozialpädagogischen Intervention niedrigschwellig, nachvollziehbar und einfach umzusetzen bleibt. 13 Weibliche Klientinnen Ausblick Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Das breite Spektrum an weiteren Hilfeleistungen des VSR Dresden e. V. (Entlassungsbegleitung, Betreuungsweisung, Hilfen zur Erziehung etc.) ergänzt das Angebot auch weiterhin, sodass jeweils eine individuell geeignete Betreuungsform angeboten werden kann. Die Wendeschleife– Kurzzeitwohnen Das Projekt „Wendeschleife“ des VSR Dresden e. V. ergänzt seit nunmehr 13 Jahren (Beginn: 2002) das Angebotsspektrums der ambulanten Straffälligenhilfe. Projektbeschreibung Weitere Angebote Belegung Straffällig gewordenen Menschen, denen nach der Entlassung aus einer stationären Unterbringung kein eigener Wohnraum bzw. keine andere Möglichkeit der Unterkunft zur Verfügung steht, kann in diesem Rahmen ein Einzelzimmer zur Nutzung von maximal drei Monaten bereitgestellt werden. In der Regel findet vorab ein persönliches Erstgespräch statt, um die Interessierten kennenzulernen und die persönlichen Hintergründe der Klient_innen zu erfahren. Die Aufnahme erfolgt dann nach Prüfung der Kapazität sowie der aktuellen Belegungssituation. Darüber hinaus bietet das Projekt bei Bedarf eine Anschlussmöglichkeit zur vorübergehenden Wohnunterkunft für Teilnehmer des Projektes „Heimspiel“ an, wenn der Projektzeitraum zur Wohnungssuche und Anmietung nicht ausreichte. Zudem besteht die Möglichkeit während eines Hafturlaubes ein Zimmer des Kurzzeitwohnens für einige Tage zu nutzen. Die Inhaftierten erhalten damit die Gelegenheit noch während ihrer Haftzeit die Entlassung vor Ort durch Behördengänge, die konkrete Wohnungssuche und andere Termine vorzubereiten. Im Jahr 2015 standen dem Projekt sieben Zimmer im 1. Obergeschoss des Vereinshauses zur Verfügung. Insgesamt 26 Personen mit einem Altersmittel von 31 Jahren nutzten das Angebot der „Wendeschleife“. Die durchschnittliche Verweildauer betrug 75 Tage. Hiermit ist eine längere Nutzung des Wohnangebotes von 5 Tagen im Vergleich zum Vorjahr (2014: 70 Tage) zu verzeichnen. 18 Bewohner_innen (etwa 70 %) sind 2015 aus der Justizvollzugsanstalt Dresden in das Kurzzeitwohnen entlassen worden. Die verbleibenden acht Personen stammten aus den sächsischen Justizvollzugsanstalten Waldheim, Torgau, Görlitz und Chemnitz, der Jugendstrafanstalt RegisBreitingen sowie einer Haftanstalt außerhalb Sachsens. 14 Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Zusätzlich erfolgten auch Anfragen von Inhaftierten aus den JVAen Bautzen und Zeithain sowie Haftanstalten außerhalb Sachsens, welche aus verschiedenen Gründen nicht aufgenommen werden konnten, so z. B. aufgrund der aktuellen Auslastung, Kurzfristigkeit der Anfragen oder Ablehnung der Aufnahme wegen sich ausschließender Straftaten. Die Kontakte zu fast allen sächsischen JVAen und darüber hinaus bestätigen, wie auch in den Vorjahren, zum einen den Bekanntheitsgrad des Vereins und die Notwendigkeit dieses Wohnangebotes als Anschlussmöglichkeit nach einer Entlassung, zum anderen weist dies auf eine stabile Zusammenarbeit insbesondere mit den Sozialdiensten der Justizvollzugsanstalten hin. Acht Bewohner_innen (31 %) konnten im vergangenen Jahr in eigenen Wohnraum vermittelt werden (2014: 13 Personen, entsprechen 48 %). Sieben Personen fanden eine anschließende Unterkunft bei Familienmitgliedern oder Freunden, fünf Bewohner_innen nahmen 2015 im Anschluss an das Kurzzeitwohnen einen Platz in einem städtischen Übergangswohnheim in Anspruch (2014: eine Person). Eine Person nahm einen stationären therapeutischen Krankenhausaufenthalt wahr. Verbleib nach Auszug Fünf Personen verblieben aufgrund der Nutzungsdauer über den Jahreswechsel hinaus auch nach 2015 im Kurzzeitwohnen. Diese Ergebnisse und insbesondere der Vergleich zum Jahr 2014 verdeutlichen und untersetzen nochmals die erschwerte Realisierung einer Wohnungsanmietung durch persönliche Lebensumstände und die anhaltend schwierige Wohnungsmarktsituation sowie erhöhte Zugangsvoraussetzungen zur Anmietung im Raum Dresden. Die Angebote des VSR Dresden e. V. zur Begleitung und Unterstützung, wie z. B. die Anlauf- und Beratungsstelle, das ambulant betreute Wohnen oder die Entlassungsbegleitung nutzten die Bewohner_innen zur individuellen Bearbeitung ihrer Anliegen während der Wohnzeit und darüber hinaus. Damit war und ist auch künftig eine Unterstützung bei den verschiedenen Themenbereichen und Anliegen der Hilfesuchenden gewährleistet, deren Lebenslagen in der Regel von komplexen sozialen Schwierigkeiten gekennzeichnet sind. Eine Beachtung der Ausgewogenheit der aktuellen Belegung so z. B. hinsichtlich der strafrechtlichen Vergangenheit, des Alters und der individuellen Belastungen, wie Suchtproblematik oder psychischer Besonderheiten war auch im Jahr 2015 von Bedeutung, um somit eine Wohnatmosphäre zur gewährleisten, die einen sicheren Ausgangspunkt für die Bewältigung der individuellen Anliegen darstellte. 15 Individuelle Unterstützung Wohnbedingungen Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Aus dem Grund wurde zugunsten dieser Orientierung teilweise auf eine Vollauslastung des Projektes verzichtet. Nachtdienste Zimmerausstattung Ausblick Die durchgehend fortgesetzte personelle Besetzung der Abende und Nächte, ermöglichte den Bewohner_innen jederzeit Mitarbeitende des Vereins als allgemeine Ansprechpartner_innen, zur Ausgestaltung der Abende oder bei Krisen und Notfällen erreichen zu können. Dies bereicherte und unterstützte die pädagogischen Fachkräfte in der Auseinandersetzung mit den zentralen Themen der Klient_innen. Dank der Zuwendungen des sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa sowie der Verwendung von Eigenmitteln des VSR Dresden e. V. konnten im vergangenen Jahr weitere Schreibtische für einige Zimmer des Kurzzeitwohnens angeschafft werden. Die Aufrechterhaltung bzw. Optimierung des Wohnstandards wird auch im kommenden Jahr Ziel sein. Die Auseinandersetzung mit passenden Wohnmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Ausgangssituation von haftentlassenen Menschen stellt auch künftig eine besondere Herausforderung für die Mitarbeitenden dar. Hierzu ist der Kontakt zu und die Teilnahme an relevanten Arbeitsgemeinschaften und Netzwerken in Dresden weiterhin wichtig. Das Ambulant Betreute Wohnen Projektbeschreibung Statistik Diese Betreuungsform des Vereins für soziale Rechtspflege Dresden e. V. richtet sich gemäß den Ausführungen der §§ 67 ff. SGB XII an straffällig gewordene Menschen, die aufgrund besonderer Lebensverhältnisse und sozialer Schwierigkeiten sozialpädagogischer Begleitung bedürfen. Aufgrund der vereinsspezifischen Ausrichtung auf Menschen mit Haftbzw. Straftathintergrund sind biografische Brüche und die Suche nach stabilen Lebensentwürfen häufige Themen in der Beratung. Die Entwicklung und Umsetzung neuer Lebensperspektiven z. B. nach einer Haftstrafe, verbunden mit den individuellen Herausforderungen der einzelnen Klient_innen, kann durch die längerfristige Möglichkeit des ambulant betreuten Wohnens und die damit verbundene intensive und kontinuierliche Begleitung sinnvoll unterstützt werden. Im Jahr 2015 wurden fünf Männer und eine Frau im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens unterstützt. Von allen Teilnehmenden waren nach der Haftentlassung fünf Personen übergangsweise im Projekt Wendeschleife untergebracht. 16 Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Fünf Betreuungen begannen in 2015, eine Unterstützung wurde bereits im Jahr 2014 begonnen und bis Januar 2016 verlängert. Drei weitere Betreuungen werden ebenfalls im Jahr 2016 fortgeführt. Der bewilligte Unterstützungszeitraum für das ambulant betreute Wohnen belief sich in der Regel auf ein Jahr, lediglich eine Betreuung wurde während des laufenden Jahres vorzeitig beendet. Wie in den Vorjahren verdeutlichen die vielschichtigen Betreuungsinhalte auch in 2015 die komplexen Unterstützungsbedarfe der Anspruchsberechtigten. Die Betreuungszeit wurde zu großen Teilen für Wohnraumintegration und -erhalt, Fragen zum Thema Finanzen, etwa wie die finanzielle Absicherung, aber auch die Bearbeitung der Schulden-situation sowie berufliche Perspektiven und alltagspraktische Organisation (Leben) genutzt. Im Vergleich zum Vorjahr sind Schwerpunktverschiebungen zugunsten der Themen Wohnraum (+ 6 %) und Finanzen (+ 9 %) zu verzeichnen, was gleichzeitig auf die vorrangigen Bedarfe zu Beginn eines ambulant betreuten Wohnens verweist. Themen die im Zusammenhang mit der Herausbildung einer langfristigen Lebensperspektive, wie Arbeitsintegration (- 3 %) oder alltagspraktische Organisation („Leben“, - 10 %) rückten damit im Jahr 2015 etwas in den Hintergrund. Beratungsinhalte ABW Psychische Gesundheit 6% Soziale Beziehungen 2% Sucht 1% Straftat 2% Betreuungsthemen Physische Gesundheit 2% Angehörige 2% Finanzielle Sicherung 18% Leben 16% Arbeits integration 9% Wohnraum 32% Schulden 10% Um eine optimale Begleitung des Klientel der Straffälligenhilfe zu gewährleisten, bedarf es verschiedener Unterstützungsangebote, die insbesondere im Sinne eines gelingenden Übergangsmanagements wirksam werden und bei Bedarf auch ineinander übergreifen. 17 Ausblick Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Das ambulant betreute Wohnen des VSR Dresden e. V. stellt einen solchen Baustein dar und soll auch im Jahr 2016 wirksam genutzt werden. Sozialpädagogische Intervention Projektbeschreibung Die sozialpädagogische Intervention (SPI) ist Bestandteil der Wohnungslosenhilfe der Landeshauptstadt Dresden und richtet sich an wohnungslose Erwachsene, die zum Personenkreis nach §67 SGB XII gehören. Diese Zielgruppe verfügt über keinen eigenen Wohnraum und ist in einem Übergangswohnheim oder in einer Gewährleistungs-/Trainingswohnung der Landeshauptstadt Dresden untergebracht. Die SPI ist ein ambulantes Hilfsangebot, das durch sozialpädagogische Maßnahmen den o. g. Personenkreis unterstützt, die eigene Lebenslage zu stabilisieren und soziale Schwierigkeiten zu vermindern. Die Hilfe hat zum Ziel, die materielle Lebensgrundlage der Klient_innen nachhaltig zu sichern und eine eigenständige und eigen-verantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum zu ermöglichen. Die Leistungsberechtigten werden befähigt, Anforderungen des Alltags und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben selbstständig zu erfüllen. Statistik Im vergangenen Jahr wurden 14 Klient_innen im Rahmen der SPI unterstützt. In sieben Fällen wird das Betreuungsverhältnis auch 2016 weitergeführt. Insgesamt gelang in fünf Fällen der Übergang in eigenen Wohnraum. Beratungsinhalte SPI Psychische Gesundheit 1% Soziale Beziehungen 1% Leben 11% Straftat 4% Physische Gesundheit 4% Finanzielle Sicherung 29% Sucht 2% Arbeits integration 3% Wohnraum 42% Schulden 3% 18 Ambulante Straffälligenhilfe Jahresbericht 2015 Die Schwerpunkte in der Betreuung des vergangenen Jahres waren zielgemäß das Erlangen eigenen Wohnraums (42 %) und die finanzielle Sicherung des Grundbedarfs (29 %). Die Beratung und Unterstützung bei alltagspraktischen Fähigkeiten (Gestaltung der Tagesstruktur, Aufbau tragfähiger Beziehungen etc.) war daneben der dritte große Schwerpunkt (Leben 11 %) der Betreuungsarbeit. Dem folgen: Auseinandersetzung mit der Straftat (4 %) und die Beratung und Vermittlung zum Abbau von Vermittlungshindernissen. Im Vergleich zum Vorjahr wurde mehr Betreuungszeit für die Themen Wohnungssuche (+ 10 %) und finanzielle Sicherung des Grundbedarfs (+ 12 %) aufgebracht. Bei den Themen Leben (- 5 %) und Straftat (- 4 %) gibt es einen Rückgang. Die Betreuung russischsprachiger, straffällig gewordener Klienten wurde 2015 fortgesetzt. Das Leistungsangebot sowie die personelle Voraussetzung des Vereins und die enge Zusammenarbeit mit dem Sozialamt Dresden eröffneten den Zugang zu dieser Personengruppe. Es wurden drei russischsprachige Klient_innen im Rahmen der SPI betreut. Auch bei diesen lag der Schwerpunkt der Betreuung bei den Themen Sicherung des finanziellen Grundbedarfs und Erlangen eines Wohnraums. Ein besonderer Schwerpunkt in der Betreuungsarbeit lag auf der Unter-stützung zur Integration. Barrieren wie z. B. Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, fehlende soziale Netzwerke und Unsicherheit im Umgang mit Behörden erschweren die gelingende Integration in die Gesellschaft. Die SPI ist eine wertvolle Ergänzung des Beratungs- und Betreuungsangebotes der ambulanten Straffällignehilfe. Der VSR Dresden e. V. wird sich auch 2016 an der „Arbeitsgemeinschaft Sozialpädagogische Intervention“ beteiligen und an der Weiterentwicklung der SPI mitwirken. 19 Betreuungsschwerpunkte Russischsprachige Klienten Betreuungsweisung Jahresbericht 2015 Betreuungsweisungen und Entlassungsbegleitungen nach §10, Abs. 5 JGG Was ist eine Betreuungsweisung? Die Betreuungsweisung ist eine längerfristige und eingriffsintensive Einzelfallhilfe für straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende, welche in der Regel durch die Richterschaft der Jugendgerichte für die Dauer von sechs bis zwölf Monaten ausgesprochen oder auch im Bedarfsfall in präventivem Rahmen durch die Mitarbeitenden der Jugendgerichtshilfe ohne richterlichen Beschluss ausgelöst werden kann. Neben diesem für die Zielgruppe impliziten latenten Zwangskontext ist die Freiwilligkeit im Sinne der Bereitschaft zu einer aktiven Mitarbeit handlungsleitendes Prinzip und im Sinne eines Minimalkonsenses Ziel der Auftragsklärung in den Erstgesprächen. Rechtliche Grundlagen der Betreuungsweisung sind in Anlehnung an den § 30 des VIII. Sozialgesetzbuches der § 10 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit den §§ 23, 45 und 47 desselben. Wer bekommt eine Betreuungsweisung? Adressat_innen Die Betreuungsweisung ist eine geeignete Hilfe- und Unterstützungsform für Probanden, bei denen eine Jugendstrafe noch nicht angezeigt ist bzw. eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe nicht nur zur Sicherstellung einer pädagogischen Betreuung ausgesprochen werden soll. Adressat_innen sind somit Jugendliche und junge Heranwachsende, bei denen die Straftat im Bereich der mittleren Delinquenz zu verorten ist, die Schwere der Schuld damit eine ambulante Maßnahme noch zulässt und ein höheres Maß an Eingriffsintensität als in anderen ambulanten Maßnahmen angezeigt und gewünscht ist. Jugendliche und Heranwachsende nach dem Jugendgerichtsgesetz sind junge Menschen, die zum Tatzeitpunkt das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Warum bekommt jemand eine Betreuungsweisung? Ziele und Inhalte „Der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfer sollen das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine Verselbständigung fördern“ (§30 SGB VIII). Mit der Auflage der Wahrnehmung einer 20 Betreuungsweisung Jahresbericht 2015 Zusammenarbeit im Rahmen einer Betreuungsweisung wird dem Erziehungsgedanken, welcher dem Jugendgerichtsgesetz zugrunde liegt, Rechnung getragen. Neben der Bearbeitung möglicher Ursachen für das Entstehen strafbaren Verhaltens können Themen wie die finanzielle Situation, Sucht- und Schuldenproblematik, Wohnungs-, Ausbildungsund Beschäftigungsperspektive sowie das Erkennen und Erlernen alternativer Handlungskompetenzen zur Vermeidung zukünftiger Straffälligkeit Gegenstand der gemeinsamen Zusammenarbeit sein. Mit der Unterstützung bei der Bewältigung anstehender Entwicklungsaufgaben mit den Zielen der Minderung persönlicher, familiärer, beruflicher, wirtschaftlicher und sozialer Schwierigkeiten sollen die jungen Menschen zu einem straffreien Leben befähigt werden. Was passiert während einer Betreuungsweisung? Im Erstgespräch zur Betreuungsweisung, in der Regel gemeinsam mit den fallführenden Mitarbeiter_innen der Jugendgerichtshilfe, wird die aktuelle Lebenssituation besprochen und daraus resultierende Wünsche, Ziele und Veränderungsbedarfe für die Zukunft, aus Sicht der Jugendlichen und Heranwachsenden sowie den Mitarbeitenden der Jugendgerichtshilfe und wichtigen Personen aus dem sozialen Umfeld der zu Betreuenden erarbeitet und in einer Betreuungsvereinbarung festgehalten. Mittels Beratung, Begleitung und Unterstützung sollen diese Ziele im Betreuungsverlauf mit dem Fokus auf zunehmender Verselbstständigung kontinuierlich gemeinsam bearbeitet werden. Die eingangs eruierten Ziele und (Unterstützungs-) Bedarfe sind im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit ergänz- und veränderbar und werden wiederkehrend auf ihre Relevanz und Aktualität überprüft. Die gemeinsamen Termine finden in Komm- und Gehstruktur sowie in Form von Begleitung zu Terminen in Ämtern, Behörden, Beratungsstellen etc. statt. In Gesprächsterminen werden u. a. diese Kontakte vorbereitet mit dem Ziel, die Eigenwirksamkeit der zu Betreuenden und damit deren Autonomie zu befördern. Mit Zunahme der selbstständigen, erfolgreichen und eigenverantwortlichen Bearbeitung der anstehenden Aufgaben kann die Termindichte mit Vorbereitung auf die Ablösung bis zur Beendigung der Maßnahme abnehmen. Sollte vor Beendigung der Zusammenarbeit seitens der Klientel neue oder weiterführende Bedarfe benannt werden, zu deren Bearbeitung sie eine Fortführung der Betreuungsweisung wünschen, kann dies von der Jugendgerichtshilfe gegenüber dem Jugendgericht angezeigt 21 Ablauf der Zusammenarbeit Betreuungsweisung Jahresbericht 2015 werden. Das Gericht kann im Rahmen einer Anhörung über eine Verlängerung der Maßnahme entscheiden. Was ist eine Entlassungsbegleitung? Die Entlassungsbegleitung stellt eine besondere Form der im § 10 Jugendgerichtsgesetz vorgesehenen Einzelfallhilfe dar, welche in Inhalten, Themen und der praktischen Ausgestaltung der Zusammenarbeit im Entlassungsbegleitung Wesentlichen der Betreuungsweisung entspricht. Hauptunterscheidungskriterium jedoch ist, dass die Zusammenarbeit zur Entlassungsbegleitung im Rahmen der Kontakte zur Durchgehenden Betreuung von den Mitarbeitenden der Jugendgerichtshilfe Dresden offeriert - ausschließlich auf Wunsch der Jugendstrafgefangenen hin zustande kommt und somit ein freiwilliges Angebot darstellt. Die Zusammenarbeit beginnt sechs Monate vor Entlassungstermin mit ersten entlassungsvorbereitenden Kontakten in Haft und kann im Bedarfsfall bis zu einem Jahr nach Entlassung andauern. Neben den bestehenden Kooperationen zur Entlassungsbegleitung mit der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen und der Justizvollzugsanstalt Chemnitz konnte im Jahr 2015 eine weitere Zusammenarbeit mit der Justizvollzugsanstalt Waldheim initiiert und im Zuge dessen ein junger Mann bei der Entlassung begleitet werden. Betreuungsweisungen/Entlassungsbegleitungen beim VSR Dresden e. V. Strukturelle Rahmenbedingungen Im Projekt Betreuungsweisung/Entlassungsbegleitung des Vereins für soziale Rechtspflege Dresden e. V. waren im Jahr 2015 vier Mitarbeitende beschäftigt, die neben den ambulanten Maßnahmen im Auftrag der Jugendgerichtshilfe auch in dem Bereich der Hilfen zur Erziehung tätig gewesen sind. Durch diesen flexiblen Einsatz ist es möglich, dass neben konkreten Fallanfragen des Jugendamtes Dresden für Hilfen nach dem VIII. Sozialgesetzbuch im Bedarfsfall auch für Klientel aus den Betreuungsweisungen und Entlassungsbegleitungen weiterführende Hilfen bei Kontinuität bezüglich der Betreuerperson - und damit Aufbau auf eine bestehende individuelle Betreuungsbeziehung - vorgehalten werden können. Dank der paritätischen Besetzung des Teams (zwei Frauen, zwei Männer) kann auf die jeweilig spezifischen Betreuungsbedarfe und Wünsche der zu Betreuenden adäquat eingegangen werden. Die im Rahmen erlebnispädagogischer Maßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel, welche hälftig durch das Jugendamt Dresden und dem VSR Dresden e. V. erbracht werden, betrugen für das vergangene Jahr 750 € und wurden ebenfalls vollständig benötigt. Neben gemeinsamen 22 Betreuungsweisung Jahresbericht 2015 Unternehmungen werden diese Mittel auch für die Kostenübernahme notwendiger Erledigungen und Anschaffungen (zum Beispiel Gebühren für Ausweisdokumente, Beförderungsentgelte etc.) verwendet. Für die Betreuungsweisungen und Entlassungsbegleitungen stand ein Volumen von 3.383,52 Fachleistungsstunden zur Verfügung, was einem Äquivalent von 2,12 Vollzeitstellen entspricht. Im Kalenderjahr 2015 wurden durch die Mitarbeitenden des VSR Dresden e. V. 83 junge Frauen und Männer begleitet, hierbei sind 29 Betreuungsweisungen und Entlassungsbegleitungen aus dem Vorjahr weitergeführt und 65 Fälle abgeschlossen wurden. In 28 Maßnahmen wird die Zusammenarbeit im Jahr 2016 andauern. Von den 83 übergebenen Fällen stellt der Anteil der Entlassungsbegleitungen mit 17 Fällen reichlich ein Fünftel der Gesamtfallzahl dar. Ebenso signifikant ist, dass der Anteil der präventiven Betreuungsweisungen weiterhin kontinuierlich um knapp 9 % auf circa ein Drittel der insgesamt 66 Betreuungsweisungen angestiegen ist. In den Zusammenarbeiten wurde in einem Viertel der Fälle eine Aufstockung der zur Verfügung stehenden Fachleistungsstunden mittels Nachbeantragung erforderlich. Damit blieb die Anzahl der Nachbeantragungen gegenüber dem Vorjahr konstant. Im nachfolgenden Schaubild soll ein Überblick über die Verteilung der Themen der Klientel für die Zusammenarbeit anhand der Bereiche Finanzen, Schuldenregulierung, Wohnen, Beschäftigungssituation, Sucht und Gesundheit gegeben werden, wobei die Kategorie ‚intern‘ die Teilmenge kennzeichnet, für deren Bearbeitung die Betroffenen eine intrinsische Motivation zum Ausdruck brachten. ‚Extern‘ hingegen beschreibt Themenbereiche, deren Bearbeitung aus Sicht der Jugendgerichtshilfe oder der Helferpersonen als wichtig wahrgenommen wurde. 23 Statistische Daten Betreuungsweisung Jahresbericht 2015 Auch im Jahr 2015 stieg bei den Adressat_innen der Betreuungsweisungen und Entlassungsbegleitungen der Anteil an Klientinnen weiterhin gegenüber dem Vorjahr von 14 auf 20 Mädchen und junge Frauen an. Nachfolgendes Diagramm zeigt die Alters- und Geschlechtsverteilung der Maßnahmeteilnehmer_innen des Kalenderjahrs 2015, wo bei beiden Geschlechtern die Gruppe der 18 bis 21-Jährigen am stärksten vertreten ist. 24 Betreuungsweisung Jahresbericht 2015 Dass die Verteilung der jeweiligen Suchtmittel darstellende obige Kreisdiagramm bezieht sich nicht auf die Gesamtpersonenzahl der Klientel, sondern auf den Personenkreis, bei dem Suchtmittelkonsum als Problematik angegeben oder festgestellt wurde. Dieser Anteil lag im Jahr 2015 mit 39 von 83 Personen bei weniger als der Hälfte aller Klient_innen. Im Vergleich zum Vorjahr hat der Anteil der Cannabis und Crystal Konsumierenden weiterhin zugenommen. Der Anteil der Cannabisprodukte konsumierenden Jugendlichen und Heranwachsenden stieg von 21,6 % im Jahr 2014 auf 34 % im Jahr 2015. Die Anzahl Crystalkonsumierender stieg um knapp 10 % gegenüber dem Vorjahr auf fast ein Drittel aller zu Betreuenden an. Von den 55 im Jahr 2015 abgeschlossenen Betreuungsweisungen und Entlassungsbegleitungen haben zwölf Personen den Feedbackbogen zur Beziehungsqualität im Rahmen der Zusammenarbeit ausgefüllt. In dieser anonymen Erhebung haben jeweils elf von zwölf der Adressat_innen die Items „Meinem Betreuer kann ich alles erzählen“, „Der Betreuer ist für mich ein verlässlicher Ansprechpartner“ sowie „Der Betreuer unterstützt mich, meine eigenen Ziele umzusetzen“ mit der Aussage „stimmt genau“ bewertet, eine Person verortete sich in der Kategorie „stimmt eher“. Nachfolgendes Kreisdiagramm stellt die Eigenwahrnehmung der Selbstwirksamkeit der zu Betreuenden zum Ende der Zusammenarbeit dar: 25 Betreuungsweisung Jahresbericht 2015 Ausblick Der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. möchte sich im Jahr 2016 als Jahresmotto in internen Beratungen und Entwicklungsdiskussionen dem Thema der Angehörigenarbeit widmen. Diese Thematik ist wiederkehrend Gegenstand der Arbeit in allen Projekten des Vereins, der Themenfokus wurde insbesondere durch die spezielle Ausrichtung des Projektes ZEBRA mitinitiiert. Bezugnehmend auf das obig dargestellte Thema des Suchtmittelkonsums möchten die Mitarbeitenden des VSR Dresden e. V. 2016 weiterhin projektübergreifend und vereinsintern das gemeinsame Verständnis von Suchtmittelabhängigkeit und der daraus resultierenden Haltung gegenüber Betroffenen schriftlich und konzeptionell festhalten und entsprechende Standards und Arbeitsweisen unter Wahrung der eigenen professionellen Kompetenzen erarbeiten. 26 Hilfen zur Erziehung Jahresbericht 2015 Hilfen zur Erziehung (HzE) Das Projekt „Hilfen zur Erziehung“ des VSR Dresden e. V. bietet Kindern, Jugendlichen und deren Familien Unterstützung in problematischen Lebenslagen und Krisen. Seit 2010 werden alle ambulanten Formen der Hilfen nach §§ 27, 30, 31, 35, 35a SGB VIII und die Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII angeboten. In Vereinbarung mit den Jugendämtern der Stadt Dresden wurden im Jahr 2015 fünf Erziehungsbeistandschaften, elf Sozialpädagogische Familienhilfen (SPFH) und zwei Verwandtschaftsräte durchgeführt. Insgesamt wurden 1.297,5 Fachleistungsstunden (FLS) erbracht. Mit der spezialisierten Ausrichtung des VSR Dresden e. V. auf Hilfebedarfe, die sich aus der Straffälligkeit bzw. strafrelevantem Verhalten von Kindern und Jugendlichen und/oder aus deren Bezugssystemen ergeben, werden die Unterstützungsleistungen inzwischen im gesamten Stadtgebiet genutzt. Im Jahr 2015 erfolgten durch fünf der insgesamt sechs Stadtteilsozialdienste Arbeitsaufträge an das Projekt „Hilfen zur Erziehung“. Wir danken den fallführenden Mitarbeiter_innen und deren Teams für die überwiegend konstruktive und partnerschaftliche Zusammenarbeit. 27 Statistische Angaben Hilfen zur Erziehung Jahresbericht 2015 Projektentwicklung Der sprunghafte Anstieg der Fallanfragen durch die Dresdner Jugendämter im Jahr 2015, führte zu einer stärkeren Aufteilung der Leistungserbringung unter den Kolleg_innen des Jugendhilfeteams im VSR Dresden e. V. Zwei weibliche und zwei männliche Fachkräfte begleiten inzwischen regelmäßig Familien und Jugendliche in Krisen- oder Belastungssituationen mit dem Ziel der Bewältigung und Überwindung belastender Lebensphasen. Multiple Problemlagen - wie (Sucht-) Erkrankungen eines Elternteils, strafrechtliche Konsequenzen, Wohnungslosigkeit, finanzielle Probleme mit massiven Schulden, psychosoziale und partnerschaftliche Konflikte – fordern einerseits hohe professionelle Aufmerksamkeit für den ausreichenden Schutz der Kinder und auf der anderen Seite das Erkennen und Bestärken der system-immanenten Ressourcen. Um die qualitative Arbeit 28 Hilfen zur Erziehung Jahresbericht 2015 zu sichern, bedarf es u. a. geänderter interner Organisationsstrukturen, der Verständigung zu fachlichen und personellen Ressourcen sowie Grenzen der einzelnen Mitarbeiter_innen und gemeinsamer Handlungsleitlinien. Im Jahr 2016 sollen die im vergangenen Jahr begonnenen Klärungsprozesse zu diesen Arbeitsgrundlagen fortgesetzt werden. Ein weiterer, an Bedeutung gewinnender Arbeitskomplex bei der ambulanten Unterstützung der Kinder, Jugendlichen, Familien und jungen Volljährigen, ist die Zusammenarbeit und vernetzende Leistungserbringung mit anderen bzw. spezialisierten Diensten. Dies erfordert die Aufgaben- und Rollenklärung der Helfer_innen im einzelnen Hilfeverlauf, wie auch die Pflege von Kooperationsbeziehungen und die Mitwirkung in interdisziplinären Verständigungsprozessen. 29 Netzwerk Hilfen zur Erziehung Jahresbericht 2015 Finanzielle Rahmenbedingungen Die Mitarbeiter_innen der Abteilung „Wirtschaftliche Hilfen“ des Jugendamtes Dresden sorgten auch 2015 mit ihrer sorgfältigen Prüfung und verlässlichen Erstattung der fallbezogenen Kosten für die notwendige finanzielle Sicherheit und Stabilität des Projekts. Über die Stiftung „Lichtblick“ war es 2015 wieder möglich eine Handkasse für das Projekt „Hilfen zur Erziehung“ einzurichten. Kinder, Jugendliche und Familien erfuhren somit besonders in Notfällen kurzfristig und unbürokratisch Entlastung. Darüber hinaus konnten persönliche Lebensereignisse und Anlässe mit kleinen Aufmerksamkeiten gewürdigt werden. Die Spenden tragen wesentlich zur gelingenden Hilfe und Handlungsfähigkeit unserer Mitarbeitenden in der Begleitung der jungen Menschen und Familien bei. 30 ZEBRA Jahresbericht 2015 ZEBRA Das Projekt „ZEBRA – Initiative für Kinder mit straffälligen Angehörigen in Dresden“ wurde im Jahr 2013 konzipiert. Von Januar 2014 bis Juni 2015 wurde die Umsetzung durch eine großzügige Spende des Rotary Club Dresden - Goldener Reiter unterstützt. Die Fortführung des Projekts bis Dezember 2015 ermöglichte der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. über Eigenmittel. Ausgangspunkt Handlungsgrundlage der Initiative waren die Ergebnisse der kindzentrierten Studie: „COPING – Kinder von Strafgefangenen: Maßnahmen zur Stärkung der psychischen Gesundheit und Minderung“. Mit der Erhebung wurde das Ausmaß der Auswirkungen bei Kindern und Jugendlichen durch die Inhaftierung eines Elternteils nachgewiesen, die sich in Form von geringem Selbstwertgefühl, Peerproblemen, Stigma, Scham, sozialer Isolation, finanziellen Problemen, verzögerter Entwicklung, krimineller Entwicklung, starken Ängsten, Problemen der geistigen Entwicklung im gesamten Lebenslauf sowie vielschichtigen Risikofaktoren zeigen und einer multiperspektivischen Unterstützung bedürfen. Ziel des Projektes war es, bestehende Unterstützungsmaßnahmen für Kinder mit straffälligen Angehörigen im Raum Dresden, orientiert an dem nach der Studie festgestellten Hilfebedarf dieser Zielgruppe, zu prüfen, Versorgungshemmnisse bzw. -lücken auszumachen und, entsprechend den in der Coping Studie publizierten Empfehlungen, adäquate Lösungen zu initiieren. Betroffene Kinder benötigen Bezugs- und Vertrauenspersonen, denen gegenüber sie ihre Ängste, Wut, Beschämung und Trauer zum Ausdruck bringen und Fragen stellen können, ohne sich in die Gefahr zu begeben, abgelehnt zu werden oder das Gegenüber zu überfordern. Projektziel Umsetzung und Ergebnisse Mit Jahresbeginn 2014 wurden Kontakte an den Schnittstellen eines Strafprozesses gegen Eltern und dem Kindeswohl verpflichteten Institutionen der Stadt Dresden aufgenommen. Vertreter_innen des Jugendamtes, der Polizei, den Gerichten, der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden, dem sozialen Dienst der Justiz am Landgericht Dresden, Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie Rechtsanwälte mit dem Schwerpunkt Straf- und Familienrecht trafen sich daraufhin vierteljährlich, in Form des Runden Tisches, in den Räumen des VSR Dresden e. V. Da der Unterstützungsbedarf der Zielgruppe in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, ging es zunächst darum, diesen anhand der 31 Netzwerk ZEBRA Jahresbericht 2015 Studienergebnisse und im Austausch eigener Erfahrungen anzuerkennen. Hierbei wurde der hohe Klärungsbedarf, z. B. zu Grenzen und Möglichkeiten der Information(-spflicht) von Einrichtungen/Institutionen untereinander, aber auch gegenüber den Kindern bzw. ihren Bezugspersonen sichtbar. Offene Fragestellungen wurden kommuniziert, innerhalb der Einrichtungen geprüft und gemeinsam nach Handlungsansätzen gesucht. Ergebnisse Anfang 2015 wurde intensiv die Frage bearbeitet, inwiefern sich aus der Straffälligkeit einer sorge- bzw. umgangsberechtigten Person eine Mitteilungspflicht von Seiten der Justiz an das Jugendamt, bezüglich der betroffenen Kinder ergibt. Bisher gibt es Meldungen nur für den Fall, dass die Kinder selbst Opfer der Straftat sind oder die Kinder ohne Versorgung zurückgelassen werden würden. In vielen Fällen liegen der Polizei und Justiz keine Kenntnisse über eventuell zu versorgende Kinder vor, hier ist man auf die freiwilligen Angaben der straffälligen Person angewiesen. Die Straffälligkeit per se wird auch von Seiten des Jugendamtes nicht als akuter Risikofaktor für eine Kindeswohlgefährdung eingeschätzt. Angemahnt wurde gegenüber der Polizei die Meldungspflicht jedoch beispielsweise, wenn bei der Verhaftung Minderjährige bei nichtsorgeberechtigten Erwachsenen allein zurückgelassen werden. Solche Konstellationen sind aus der Praxis bekannt und mit Einverständnis der sorgeberechtigten Eltern zumindest vorübergehend rechtmäßig, sollten aber unbedingt von Seiten des Jugendamtes überprüft werden. Auch wenn Kinder bei einer Straftat (z. B. Ladendiebstahl) ihrer sorgeberechtigten Eltern anwesend sind, ist eine Informationsweitergabe von Seiten der Polizei oder Staatsanwaltschaft an das Jugendamt möglich und deren Umsetzung wünschenswert. Der Stand der Realisierung und Überprüfung sollte weiterhin Gegenstand der Netzwerkarbeit sein. Der regelmäßige Austausch beförderte die Vernetzung der Schnittstellen und führte in den Einrichtungen selbst zur Sensibilisierung gegenüber der Zielgruppe „Kinder mit straffälligen Angehörigen“. Die Mitarbeitenden der Bewährungshilfe erarbeiteten sich 2015 einen Handlungsleitfaden bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Familienrichter_innen des Amtsgerichtes Dresden, pädagogische Fachkräfte von Kindertagesstätten und des Jugendamtes besuchten Fortbildungsangebote des Vereins Mitgefangen e. V. in der JVA Dresden. Öffentlichkeitsarbeit Vertreter_innen des Sozialen Dienstes der JVA Dresden, der Bewährungshilfe und des VSR Dresden e. V. entwarfen gemeinsam einen Flyer „Partner in Haft“, der den versorgenden Elternteilen und Bezugspersonen betroffener Kinder erste wichtige Informationen vor bzw. bei der Inhaftierung eines Elternteil anbieten soll. 32 ZEBRA Jahresbericht 2015 Um Zugang zu den Kindern und Jugendlichen in Dresden, deren Eltern oder wichtige Bezugspersonen von einem Strafverfahren betroffen sind, zu erhalten, startete der VSR Dresden e. V. das Jahr 2015 mit einer ZEBRAPostkartenaktion. Für Kinder und Jugendliche selbst ergeben sich kaum Berührungspunkte zu möglichen Unterstützungsangeboten. Mit der Postkartenaktion wurden betroffene Eltern, Bezugspersonen und beteiligte Fachkräfte aufgerufen, Kontakt aufzunehmen und Unterstützung einzufordern. Obwohl die Postkarten gut ab- und angenommen wurden, sind in Zusammenhang mit der Aktion bisher kaum Rückmeldungen oder Anfragen festzustellen. Die Fachtagung „Kinder inhaftierter Eltern – unschuldig mitbestraft“ der Landesarbeitsgruppe Familienorientierter Vollzug des Sächsischen Staatsministeriums für Justiz und Europa im Dezember 2015 in Dresden setzte zunächst den Höhepunkt des gemeinsamen Arbeitens. Der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. unterstützte den Tag durch die Übernahme der Moderation und eines Impulsreferats zum Thema „Kinder mit straffälligen Angehörigen – zu den alarmierenden Ergebnissen und Empfehlungen der Coping–Studie und dem Projekt ZEBRA als Handlungsansatz.“ Mit der Tagung gelang es erstmals in Sachsen, eine breitere Fachöffentlichkeit auf den Unterstützungsbedarf der betroffenen Kinder und Jugendlichen aufmerksam zu machen. Die Mehrzahl der Teilnehmer_innen des Runden Tisches sprachen sich für die Fortführung des ZEBRA-Projektes aus, um die begonnene Vernetzung aufrechtzuerhalten und ein freies Beratungsangebot für die schwer zugängliche Thematik und Zielgruppe aufbauen zu können. Die Umsetzung der beiden Handlungsansätze wurde in der ersten Jahreshälfte 2015 konzeptionell als eigenständige „Fachstelle für Kinder mit straffälligen Angehörigen“ vorbereitet - mit dem Ziel, die Auswirkungen der Straffälligkeit von Bezugspersonen auf Kinder und Jugendliche des Familiensystems zu mindern. Sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene wurde die Übernahme der entstehenden Kosten leider abgelehnt. Der Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. sieht sich auch zukünftig der Zielgruppe „Kinder mit straffälligen Angehörigen“ und den mit ZEBRA angestoßenen Arbeitsprozessen verbunden. Es konnte sowohl vereinsintern als auch in der Öffentlichkeit eine zunehmende Sensibilisierung und Erweiterung um die Perspektive der Auswirkungen einer Inhaftierung auf die bisher unzureichend berücksichtigten Kinder ermöglicht werden. Die Anlauf- und Beratungsstelle des VSR Dresden e. V. bietet Beratung und Begleitung für straffällig gewordene, wohnungslose Menschen und 33 Perspektive Ausblick ZEBRA Jahresbericht 2015 deren Angehörige zu spezifischen Lebensbereichen an. Ohne entsprechende Finanzierung kann allerdings keine Fachberatung ausgerichtet auf die Bedürfnisse von Kindern installiert werden. Die Zuwendung genau dieser Zielgruppe ist jedoch dringend notwendig, um betroffene Kinder altersgerecht in den Strafprozess einbeziehen und ihre Resilienz nachhaltig fördern zu können. 34 Heimspiel Jahresbericht 2015 Heimspiel Soziale Interaktionen können ihre Wirkungen nur innerhalb von Rahmungen vollziehen, die einen begrenzten und relativ eindeutigen Bezug zu sozialen Kontexten ermöglichen.“ (Audehm et al., 2007, S. 428) Seit nunmehr vier Jahren bietet das Projekt HEIMSPIEL vorrangig jungen Männern der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen einen stabilen Rahmen, um ihre Entlassungen mithilfe professioneller Begleitung an ihrem zukünftigen Wohnort vorbereiten zu können. Dies ermöglicht ihnen ein wechselseitiges Handeln innerhalb ihres sozialen Umfeldes und stellt somit ein vielfältiges Lernfeld zur Verfügung, indem das eigene Verhalten und das konkrete Handeln im Rahmen von Abstimmungs- und Aushandlungsprozessen mit unterschiedlichen Akteuren ausprobiert, reflektiert, beibehalten oder angepasst werden kann. Projektbeschreibung Das Projekt HEIMSPIEL stellt ganzjährig vier Wohnplätze zur Verfügung. Die Erfassung der jährlichen Projektauslastung wird anhand der Zimmerbelegungen bestimmt. Bei einer 100 prozentigen Auslastung würden sich die Projektzeiten aller Bewohner auf 1460 Tage pro Jahr addieren (4 Zimmer * 365 Tage). Statistische Angaben Im Jahr 2015 ergibt sich eine Auslastung von 44 %, die etwas über der mittleren (tatsächlichen) Auslastung (39 %) der Jahre 2012 bis 2015 liegt. Projektauslastung Vor dem Hintergrund, dass das Projekt HEIMSPIEL bisher nur vier Wohnplätze zur Verfügung stellt, wird die tatsächliche Auslastungszahl (44 % bzw. 17 % im ersten Halbjahr) im vorliegenden Berichtsjahr als durchaus ausbaufähig bewertet. Hervorzuheben ist dabei, dass die zweite Jahreshälfte deutlich besser 35 Heimspiel Jahresbericht 2015 und kontinuierlicher ausgelastet war (Jan - Juni: 17 % versus Juli – Dez.: 71 %). Zudem zeichnet sich im Hinblick auf das Jahr 2016 eine gleichbleibende Tendenz in Bezug auf diese Belegungszahlen ab. Seit Projektbeginn im Jahr 2012 kann erstmalig konstatiert werden, dass die Anzahl an interessierten jungen Männern gestiegen ist. Erklärungsversuche könnten sich hier in einer frühen Planung einer möglichen Projektteilnahme mit Beginn der Inhaftierung sowie in positiven Rückmeldungen ehemaliger Projektteilnehmer, die teilweise noch im Kontakt mit inhaftierten jungen Männer der Jugendstrafvollzugsanstalt RegisBreitingen (JSA) stehen, finden lassen. Des Weiteren wurde die Zielgruppe um junge Erwachsene bis 27 Jahre erweitert. Insgesamt waren im Jahr 2015 acht Bewohner innerhalb des Projektes integriert. Von diesen konnten fünf Bewohner nach erfolgreicher Beendigung entlassen werden. Drei weitere Teilnehmer waren über den Jahreswechsel 2015/2016 weiterhin in der Wohngemeinschaft untergebracht. Besonders hervorzuheben ist in diesem Berichtsjahr, dass erstmalig keine Rückverlegungen in die JSA RegisBreitingen vorzunehmen waren. Weiterhin lassen sich im aktuellen Berichtszeitraum durchschnittlich längere Projektzeiten (M = 109,6 Tage; SD = 33,6 Tage)[1] gegenüber den Jahren 2012 bis 2014 (M = 58,3 Tage, SD = 31 Tage) ausmachen. Auch hier könnte ein Erklärungsversuch in einer gewachsenen Zusammenarbeit und einer frühzeitigen Planung innerhalb des Vollzuges liegen. Zielgruppe Alterszusammensetzung Charakteristische Gemeinsamkeiten Im Vergleich zum Vorjahr, wo eine deutliche Zunahme von jüngeren Teilnehmern zu verzeichnen war, finden sich unter den Teilnehmern 2015 zwei Bewohner im Alter von 24 bzw. 25 Jahren. Bei einem jungen Mann erfolgte ein Übergang aus dem Erwachsenenstrafvollzug (bis 27 Jahre), dessen Zuständigkeit die JSA RegisBreitingen innerhalb des Berichtszeitraumes übernommen hat. Im Durchschnitt lag das Alter der Bewohner bei 22,4 Jahren (SD = 2,3 Jahre) und ist somit höher als in den bisherigen Jahren (2012-2014; M = 20,6 Jahre; SD = 1,6 Jahre). Betrachtet man die Teilnehmer des Projektes nach ihren charakteristischen Gemeinsamkeiten, ist erkennbar, dass vier Bewohner (80 %) einen Schulabschluss vorweisen können (2014; nur 25 %). Weiterhin verfügt ein Bewohner über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Weitere charakteristische Aspekte, die Einfluss auf die zukünftige Lebensführung besitzen, finden sich in missbräuchlichen Umgängen mit Suchtmitteln (2 von 5 Teilnehmern) sowie in ungeklärten Schuldensituationen. Von letzterer waren alle betroffen. [1] M = Mittelwert und SD = Standartabweichung (diese gibt an, wie weit die Messwerte streuen) 36 Heimspiel Jahresbericht 2015 Im Rückblick auf die bisherigen Berichtsjahre verfolgen alle Projektteilnehmer den Wunsch, einer sinnstiftenden Beschäftigung nachzugehen, über eigenen Wohnraum zu verfügen und finanziell abgesichert zu sein. In der Mehrzahl der Hilfeverläufe bilden genau diese Themenschwerpunkte einen wesentlichen Bestandteil im Rahmen der praktischen Einzelfallarbeit und werden von den Teilnehmenden als zentrale Anliegen eingebracht. Allen Bewohnern aus den Jahren 2012 - 2015 ist gemein, dass sie den Wunsch in sich tragen einer sinnstiftenden Beschäftigung nachzugehen. Diese Eckpunkte kristallisierten sich vor allem in der praktischen Einzelfallarbeit heraus. Das Projekt HEIMSPIEL verfolgt in Zusammenarbeit mit den jungen Männern das Ziel, eine stabile und sichere Entlassungssituation herzustellen. Um eine gelungene Integration zu erfahren, bedarf es zunächst der Herstellung von Zugängen zu existenziellen Lebensbereichen (existentielle Grundsicherung, Wohnraum, Beschäftigung, individuelles Hilfenetzwerk). Entlassungssituation Die finanzielle Absicherung war bei allen Bewohnern im Jahr 2015 zum Zeitpunkt der Entlassung gewährleistet. Bei einem Teilnehmer lag eine kurzfristige finanzielle Einschränkung vor, da dieser aufgrund des Ausbildungsbeginns keinen Anspruch auf Transferleistungen (SGB II) erheben konnte und die erste Gehaltszahlung noch ausstand. Finanzielle Sicherung Ebenso konnten sich vier Projektteilnehmer einen eigenen Wohnraum sichern und diesen zum Zeitpunkt ihrer Entlassung unmittelbar beziehen. Ein Heranwachsender kehrte zu seiner Familie zurück. Im Vergleich zum Vorjahr (57 %) gelang die Aufnahme einer Beschäftigung in diesem Berichtsjahr allen Projektteilnehmenden. Ein junger Mann tätigte entsprechende Vorbereitungen bereits während der Unterbringung in der JSA Regis-Breitingen (schulische Ausbildung). Die weiteren Bewohner setzten die Einbindung in eine Beschäftigungsform (berufliche Ausbildung/Arbeit) im Rahmen ihrer Projektteilnahmen um. Ebenso entscheidend ist es, für die Zeit nach der Entlassung ein unterstützendes Umfeld vorzufinden, denn der Übergang aus dem Projekt HEIMSPIEL birgt erfahrungsgemäß weitere Herausforderungen für die Bewohner. Alle Bewohner des diesjährigen Berichtszeitraumes gaben an, im Bedarfsfall konkrete Unterstützung durch ihre Familien zu erhalten. Zudem nannten zwei Teilnehmer in diesem Zusammenhang ihre Freundin/Partnerin und drei junge Männer ihre Freunde als personelle Hilfeform. In Ergänzung dazu waren zwei Teilnehmer mit ihrer Entlassung an eine Schuldnerberatungsstelle angebunden. Ein junger Mann stand bereits während seiner Projektzeit im Kontakt mit einer Suchtberatungsstelle. Die weiteren Teilnehmer schätzten ein, bei auftretenden Fragen auch die Mitarbeiter_innen der Berufsberatung und die Fall-manager_innen bei auftretenden Schwierigkeiten als Hilfestellung aufzusuchen. 37 Wohnraum Beschäftigung Hilfenetzwerk Heimspiel Jahresbericht 2015 Insgesamt kann das Jahr 2015 für die Haftentlassenen als sehr erfolgreich gewertet und im Vergleich zu den Vorjahren im Hinblick auf die Zielerreichung als bisheriger Höhepunkt eingeschätzt werden. Möglicherweise besteht ein Wirkzusammenhang zwischen den in diesem Jahr feststellbaren längeren Projektverläufen. Eine qualitative Gestaltung des Übergangs von Haft in Freiheit benötigt Zeit. Zeit die den Betroffenen Freiräume schafft, in denen sie ohne Druck und durch Unterstützung ihres sozialen Umfeldes wichtige Selbstwirksamkeitserfahrungen machen können, die das Vorhaben einer Verhaltensänderung nachhaltig stützen. Insofern kann die Entlassungsvorbereitung eher mit einem Marathon als mit einem Sprint verglichen werden. „Auch wenn ihr es nicht leicht mit mir hattet, möchte ich mich bei euch für eure Geduld und euer Vertrauen bedanken. Ihr habt mir dabei geholfen, wieder an mich selbst zu glauben. Dass man dran bleiben muss, ehrgeizig, immer am Ball bleiben muss und jeder eine 2te Chance verdient hat.“ (Bewohnerbuch 2015) Rückmeldungen der Bewohner Die Bewohner des Projektes zeigen während ihrer Projektteilnahmen verschiedene Meinungsbilder hinsichtlich der Bewertung ihrer Aufenthalte. In der Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass die positiven Rückmeldungen überwiegen. Die jungen Männer schätzen die Unterstützungsform als gewinnbringend und zielfördernd ein. Über die wohnortnahe Unterbringung entstehe das Grundgefühl, der Gesellschaft wieder zuzugehören. Zudem sei die Umsetzung der Entlassungsvorbereitung über die Unterbringungsform besser umsetzbar und mit der Entlassungssituation einhergehende Unsicherheiten würden sich nach kurzer Zeit auflösen. Die Akzeptanz, die Offenheit und das Verständnis der Mitarbeiter_innen zur Bearbeitung der individuellen Themenschwerpunkte, werden häufig als positive (Beziehungs-) Erfahrungen zurückgemeldet. Zeitgleich werden einzelne, mit der Projektstruktur verbundene Rahmenbedingungen kritisch betrachtet. Ähnlich wie auch in den Vorjahren stellen insbesondere die Einzelgespräche und die sich aus der Wohngruppenstruktur ergebenden Nebengespräche im Empfinden der Bewohner eine deutliche Anstrengung dar. Zudem werden einzelne, feste Tagespunkte (z. B. gemeinsames Abendbrot) von der Mehrzahl der jungen Männer als hinderlich und einschränkend bewertet. 38 Heimspiel Jahresbericht 2015 Wie im vorangegangenen Jahr wurde die Angehörigenarbeit bei Bedarf und in Absprache mit den Bewohnern als wichtiger Bestandteil in die Einzelfallarbeit eingebettet. Ein unmittelbarer Zugang zu engen Bezugspersonen ergibt sich aufgrund des Stufenplanes, der in der ersten Phase zweistündige Ausgänge nur in Begleitung der Mitarbeiter_innen und/oder von Bezugspersonen vorsieht. Dadurch entwickeln sich erste konkrete Annährungspunkte zwischen den Beteiligten und über organisatorische, mit dem Projekt verbundene Fragen ergeben sich in den meisten Fällen auch persönliche Gesprächsthemen, die auftretende Sorgen, Gefühle und Gedanken im Zusammenhang mit der Inhaftierung und Entlassung beinhalten. Ferner führt die enge Wohngruppenstruktur zu regelmäßigen Kontakten mit Eltern, Kindern, Freunden und Partner_innen, wodurch die Mitarbeiter_innen bei konkreten Anliegen auch als Ansprechpartner_innen für die nahen Bezugspersonen zur Verfügung stehen und ihre Unterstützungsangebote in Anspruch genommen werden (z. B. Nachfragen zu Antragsformalitäten, …). Zeitgleich gestatten diese Kontaktzeiten ein umfassenderes Kennenlernen der einzelnen Bewohner und ermöglichen einen erweiterten systemischen Blick im individuellen Fallverlauf. Einzelne Beobachtungen und Wahrnehmungen werden so Bestandteil von Einzelgesprächen. Angehörigenarbeit Die Nachbetreuung wurde als Arbeitsbaustein für ein gelingendes Übergangsmanagement im Jahr 2014 aufgegriffen und für das Jahr 2015 konzeptionell angepasst. So nahmen zwei der fünf jungen Männer im Rahmen einer nachgehenden Betreuung eine Begleitung durch die Mitarbeiter_innen in Anspruch. Das Projekt gewinnt hierdurch mehr Handlungsspielraum und kann Bewohnern, für die eine punktuelle Nachbetreuung empfehlenswert ist, ein niedrigschwelliges Angebot bieten. Parallel wird bei Bewohnern mit einem umfangreicheren Hilfebedarf nach geeigneten Unterstützungsformen gesucht. Ziel ist es eine möglichst einfache und bedarfsgerechte Hilfe umzusetzen, die in der Phase nach der Entlassung stabilisierend wirken kann. Als wesentlich offenere, teilweise sporadische Nachbetreuungsform können die Besuche ehemaliger Projektteilnehmer angesehen werden. Aus den bisherigen Erfahrungen lässt sich schlussfolgern, dass ehemalige Bewohner den Kontakt zu den Mitarbeiter_innen auch nach längeren Kontaktpausen suchen, um über persönliche, schambehaftete Themen, Rückschläge oder auch Erfolge zu sprechen. Die Mitarbeiter_innen bieten daher kurzfristige Gesprächsangebote an, die darin münden können, gemeinsam geeignete weiterführende Unterstützungsformen für die jeweiligen Problemlagen zu ermitteln. Nachbetreuung 39 Heimspiel Jahresbericht 2015 In den bisherigen Berichtsjahren (2012 bis 2015) suchten insgesamt 21 ehemalige Bewohner im Anschluss an ihre Entlassung den Kontakt zu den Mitarbeiter_innen. Von diesen wählten elf junge Männer einen einmaligen, vier einen zwei bis dreimaligen und sechs einen mehr als dreimaligen Kontakt. Keine Kontaktaufnahme erfolgte durch zwölf junge Männer. Von diesen wurden drei Bewohner allerdings erst im November/Dezember 2015 entlassen. Rückblick Mitarbeitende Die Mitarbeiter_innen blicken auf ein positives Berichtsjahr zurück, indem die praktische Arbeit weiter gefestigt und etabliert werden konnte. Die engmaschige Zusammenarbeit mit dem Psychosozialen Dienst, den Abteilungsleitern sowie Funktionsdiensten der JSA Regis-Breitingen wurde weiter intensiviert. Im Hinblick auf die diesjährige Belegungsanzahl (fünf Bewohner) ist erfreulich, dass die Anzahl an geeigneten und interessierten jungen Männern für das Jahr 2016 insgesamt gestiegen ist. Weiterhin gilt es die Tatsache, dass in diesem Jahr keine Rückverlegungen notwendig waren, hervorzuheben. Diese Entwicklung stellt nach nunmehr dreieinhalb Jahren einen projektinternen Höhepunkt bzw. Erfolg für alle Beteiligten dar. Eine Neuheit bildeten in diesem Jahr die durchgeführten Langzeitausgänge (24 oder 48 Stunden Ausgänge zu einer Bezugsperson) einzelner Bewohner, da diese bereits im Rahmen der Unterbringung innerhalb des offenen Vollzuges durchund mit Projektteilnahme weitergeführt wurden. Weiterhin konnte die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern ausgebaut werden. So wurde beispielsweise den Bewohnern durch Absprache mit einem Jugendhaus des Stadtjugendring Dresden e. V. die Möglichkeit eröffnet, bei Bedarf einmal wöchentlich die Räumlichkeiten für sportliche Aktivitäten (Boxsack, Hanteln, …) zu nutzen. 40 Heimspiel Jahresbericht 2015 Ähnlich wie auch in den Vorjahren kann resümiert werden, dass die jungen Männer die Möglichkeit der Unterbringung im Projekt HEIMSPIEL für sich und ihren weiteren Lebensweg nutzen und die Unterstützung als notwendig und gewinnbringend anerkennen. Sie bringen ihre Ideen mit Interesse in die Ausgestaltung einzelner Projektschwerpunkte ein und unterstützen mit ihrer (kritischen) Betrachtung die Reflexion sowie die Weiterentwicklung des Projektes. Somit eröffnet sich die Möglichkeit, dass die Zielgruppe partizipativ das Projekt wie auch den darin verortbaren Zwangskontext mitgestaltet und wichtige Bausteine für die Projektzeiten zukünftiger Teilnehmer legt. Weiterhin ist erkennbar, dass sich im Zusammenhang mit der intensiven Betreuungsform ambivalente Meinungsbilder der jungen Männer wiederfinden. Einerseits bewerten sie die Präsenz und das Thematisieren der individuellen Zielstellungen durch die Mitarbeiter_innen als sehr förderlich und schätzen ein, dass genau diese Tatsache Auswirkungen auf den Erfolg am Ende einer Projektteilnahme habe. Andererseits wird der kontinuierliche Kontakt mit den Mitarbeiter_innen sowie der sich hieraus ergebende hohe Gesprächsanteil auch als sehr anstrengend erlebt. Weiterhin konnte beobachtet werden, dass zwischen einzelnen Bewohnern und Mitarbeiter_innen bestimmte Gewohnheiten (z. B. Kochrituale, Freizeitbeschäftigungen, …) im gegenseitigen Kontakt entstehen, die über die individuellen Projektverläufe Bestand haben und mit Interesse weiterverfolgt werden. Ähnlich wie im vorherigen Berichtsjahr, war auch dieses Jahr durch einen Wechsel von Mitarbeiter_innen geprägt, womit weitere Perspektiverweiterungen und Projektreflexionen einhergingen. Sowohl der theoretische wie auch praktische Blickwinkel der Mitarbeiter_innen richtete sich verstärkt auf den aktuellen Diskurs zu den Anforderungen an einen familienorientierten Vollzug. Im Fokus stand dabei insbesondere die Bedarfslage von inhaftierten Vätern im Rahmen der Projektzeit. Zwei der fünf ehemaligen Bewohner sind gleichermaßen Väter mit entsprechenden Rechten und Verpflichtungen, sodass im Rahmen der Projektteilnahme die Beziehungsgestaltung zwischen den Kindern und ihren Elternteilen ins Blickfeld genommen wurde. In diesem Zusammenhang konnten mit den Vätern intensive Reflexionsprozesse in Gang gesetzt werden, die sich beispielsweise auf die Auswirkungen einer Inhaftierung auf die betroffenen Kinder bzw. weiterer Angehöriger bezogen. Insbesondere die Schärfung dieses Blickwinkels gilt wegweisend für eine gelingende Reintegration Haftentlassener und hat, wie die Literaturrecherche eindrucksvoll aufzeigt, maßgeblichen Einfluss auf die zukünftige Legalprognose eines Menschen. 41 Heimspiel Jahresbericht 2015 Ausblick Im Gesamtrückblick kann das Jahr 2015 als erfolgreiches und stabiles Berichtsjahr bilanziert werden. Die Zusammenarbeit mit Kooperationspartner_innen konnte weiterhin gestärkt werden und gilt es auch im Jahr 2016 weiter voranzutreiben. So stellt sich das Projekt HEIMSPIEL die Anfrage und den Ausbau von Kooperationsbündnissen mit Sportvereinen, Fitnessstudios, etc. zum Ziel, um sportlichen Interessen der jungen Männer zeitnah begegnen zu können. In Ergänzung dazu sollen im Rahmen der (kreativen) Freizeit weitere, bereits auch bestehende Angebote (z. B. Videoschnitt, musikalisch, künstlerisch), zunehmend mit einfließen bzw. weiter vertieft werden. Ferner wird die Nachbetreuung und Angehörigenarbeit für den folgenden Berichtszeitraum weiterhin als wichtiger Bestandteil für die inhaltliche Ausgestaltung verfolgt. Da der Stichprobenumfang aufgrund der jährlichen Belegungszahlen für die vorliegenden Jahresberichte meist recht gering ist und sich anhand dieser Grundlage hinsichtlich der Effektivität und Nachhaltigkeit wenig Rückschlüsse ziehen lassen, wird die Veröffentlichung eines umfassenden Evaluationsberichtes im Jahr 2016 angestrebt. Quellen Andehm, K./ Wulf, C./ Zirfas, J. (2007): Rituale. In: Ecarius, J. (Hrsg.) (2007): Handbuch Familie, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 424-449. 42 Täter–Opfer–Ausgleich Jahresbericht 2015 Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) Neuere Forschungen in der Persönlichkeitspsychologie beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema des Verzeihens. Vergeben, Verzeihen sind wie Rache und Vergeltung im öffentlichen Umgang weitgehend tabuisiert. Unter TOA-Fachkolleg_innen stößt dieses Thema auf widersprüchliche Gefühle und Reaktionen. Einerseits kann Verzeihen als höchste Ausprägung eines gelungenen TOAs angesehen werden, andererseits klingt es in einem streng strukturierten Gesprächsprozess sehr schwärmerisch, weltfremd und wird als Zumutung an das Opfer angesehen. In der Persönlichkeitspsychologie wird Verzeihen als eine Transformation betrachtet, in der der Wunsch nach Vergeltung und Vermeidung abgeschwächt und die prosoziale Motivation gesteigert wird. Verzeihen ist also Ausdruck einer positiven Beziehungsgestaltung, in der negative interpersonelle Vorfälle, welche die soziale Beziehung belasten, in ihren negativen Folgen abgemildert werden. Verzeihen ist aber nicht Vergessen, Nachsicht, Akzeptanz, Billigung, Verleugnung, Rechtfertigung der Tat oder Begnadigung des Verursachers. TOA und der Prozess des Verzeihens Forschungsergebnisse zum Verzeihen Ein bemerkenswertes Ergebnis der Forschungen ist aber, dass Verzeihen zu einer Erhöhung von mentaler Gesundheit und Wohlbefinden ja bis zur Stabilisierung von körperlicher Gesundheit bei dem Geschädigten führen kann. Verzeihen kann sich aber auch positiv auf das Wohlbefinden des Täters auswirken. Der Gedanke liegt also nahe, in einem Prozess wie dem TOA, in dem körperliche, mentale und seelische Verletzungen und deren Folgen thematisiert werden, darauf zu achten und darauf hinzuwirken, dass Verzeihen gefördert wird, um zur Gesundung und Heilung beizutragen. Deshalb seien die vier Determinanten des Verzeihens näher betrachtet: 1. Sozial-kognitive Faktoren Die entscheidende förderliche Bedingung, dass die Tendenz zu Vergeltung und Vermeidung überwunden wird, ist die Empathie des Opfers für den Täter. Gelingt es, dass das Opfer gegenüber dem Täter Empathie entwickelt, kann das Verzeihen begünstigt werden. Die Entschuldigung des Täters für sein Fehlverhalten beim Opfer erhöht dessen Empathie mit dem 43 Derminanten des Verzeihens in Bezug zum TOA Täter-Opfer-Ausgleich Jahresbericht 2015 Täter. Das heißt für den TOA, je intensiver der Austausch von Gefühlen und Empathie gelingt, desto größer sind die Chancen für das Verzeihen. 2. Eigenschaften des Vergebens selbst Die Bereitschaft zum Verzeihen wird vom Vergehen selbst bestimmt. Vergehen, die schwerer eingeschätzt werden, werden weniger leicht verziehen. Der Prozess kommt zögerlicher in Gang. Im TOA, in dem es ja um Straftaten - also meist eskalierte Konflikte - geht, wird durch eine begleitende Moderation des Gesprächs durch einen neutralen Dritten dieser Determinante Rechnung getragen. Außerdem gilt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Entschuldigung des Täters und Verzeihen des Opfers besteht. Denn Entschuldigungen und Reue des Täters erleichtern es der verletzten Person, einen Prozess des Verzeihens in Gang zu setzen. Dabei ist es wichtig, dass die Entschuldigung aufrichtig ist. 3. Beziehungsqualität Äußert der Täter eine Selbst- oder/und Handlungsverpflichtung, der das Opfer zustimmen kann, evtl. sogar öffentlich, wird ein größeres Wohlwollen des Opfers gegenüber dem Täter hervorgerufen, welches sich günstig auf die Bereitschaft des Verzeihens auswirken kann. Im TOA wird dies durch den Abschluss einer gemeinsamen, einvernehmlichen Vereinbarung zwischen Täter und Opfer in Anwesenheit des Vermittlers berücksichtigt. 4. Persönlichkeitseigenschaften sowie kognitive Prozesse Je verträglicher eine Person ist, desto eher verzeiht sie. Dies äußert sich auch in der Haltung sich selbst zu verzeihen, entweder Verletzungen gegenüber sich selbst oder Verfehlungen, die man anderen angetan hat. Je grüblerischer eine Person mit der Verfehlung umgeht, desto schwerer fällt ihr das Verzeihen. Soziale und gesundheitliche Folgen des Verzeihens Zum Zusammenhang von Vergebung und Gesundheit formuliert McCullough zwei bemerkenswerte Hypothesen: 1. Personen, die verletzenden Personen vergeben haben, stellen zu diesen häufig wieder eine positive Beziehung her; sie verfügen dadurch über eine größere Zahl von funktionierenden Beziehungen und erhalten mehr soziale Unterstützung. 44 Täter–Opfer–Ausgleich Jahresbericht 2015 2. Vergeben führt in der Regel dazu, dass nach Verletzungen keine Feindseligkeit entsteht und dass damit die negativen gesundheitlichen Folgen von anhaltender Feindseligkeit vermieden werden. Für eine sachgerechte Einschätzung ist aber auch zu berücksichtigen, dass der TOA als Kurzzeitintervention therapeutische Interventionen des Verzeihens nicht ersetzen kann, die sich meist über einen längeren Zeitraum (6 bis 50 Sitzungen) erstrecken. Im TOA können wenigstens Bedingungen geschaffen werden, die dem Prozess des Verzeihens förderlich sind. Andererseits gibt es Äußerungen von Therapeuten, die einschätzen, dass im TOA Ergebnisse erzielt werden können, für die innerhalb der Therapie ein Jahr benötigt werden. Die obigen Betrachtungen sollen mit zwei TOA-Beispielen aus dem Jahr 2015 untermauert werden. Eine junge Frau hatte Anzeige gegen einen Nachbarn erstattet, weil er sie Gelungene Verzeihung im Treppenhaus unflätig beleidigte und sie sich dadurch bedroht fühlte. In den vier Monaten zwischen dem Vorfall und dem Ausgleichsgespräch „Der gestörte wechselten beide Seiten keine Worte sondern nur böse Blicke. Man beHausfrieden“ obachtete sich argwöhnisch, jede Handlung des anderen wurde als eine feindliche aufgenommen. Die kleinen Kinder und andere Familienangehörige wurden in die Polarisierung hineingezogen und gingen ebenfalls auf Distanz, obwohl diese früher befreundet waren. Noch kurz vor dem Ausgleichsgespräch wollte die Geschädigte den Termin absagen, weil sie den Eindruck hatte, dass der Beschuldigte ihr weiterhin abschätzig begegnen würde. In einem langen und intensiven Ausgleichsgespräch gelang es der Geschädigten aber dann nachzuvollziehen, dass der Beschuldigte um den Nachtschlaf seiner Tochter besorgt war. Er fand es rücksichtslos, dass die Nachbarin kurz vor Mitternacht Sperrmüll aus dem Keller räumte und dies Lärm verursachte. Der Beschuldigte und die Geschädigte konnten Gemeinsamkeiten entdecken: Beide sind an Ruhe im Haus interessiert. Beide wissen um ihre aufbrausende Art. Beide bemerkten, wie belastend es war, dass der Konflikt ungeklärt war, vor allem, dass die Kinder, die sonst unbefangen miteinander spielten, darunter litten. Nach dieser ausgiebigen Diskussion konnte die Geschädigte dem Beschuldigten Empathie entgegenbringen. Der Beschuldigte versuchte deutlich zu machen, dass er die Geschädigte nicht beleidigen und 45 Täter-Opfer-Ausgleich Jahresbericht 2015 bedrohen, sondern seiner Wut durch einen allgemeinen Fluch Luft machen wollte. Er entschuldigte sich (trotzdem) bei der Geschädigten, da sie dies als Bedrohung auffasste. Sie nahm die Entschuldigung an. Wenn sie auch nicht explizit benannte, dass sie ihm verzeiht, so war ihr anzumerken, wie sich ihre Nervosität legte. Während beide im Vorgespräch mit dem Gedanken spielten, den anderen aus der Wohnung zu klagen, vereinbarten sie, bei erneuten Problemen sofort das Gespräch zu suchen. Sie versicherten sich, dass ihnen beiden ein nettes Zusammenleben im Haus am Herzen läge. Außerdem kamen sie überein, dass sie in ihren Familien ebenfalls darauf hin wirken werden. Verbitterung statt Verzeihung „Fahrradausfahrt mit bitterem Ende“ Gegensätzlich dazu verlief ein TOA-Versuch auf Grund eines Fahrradunfalls auf dem Elberadweg. Ein junger Mann hatte seinen Freund überholt, ohne auf die entgegenkommende Radfahrerin zu achten. Obwohl die Radfahrerin ahnte, dass sie sich bei dem dadurch ausgelösten Sturz ernsthaft verletzt hatte, versuchte sie dies mit Fassung zu tragen und den Fahrradfahrer zu beruhigen, zumal er keine Haftpflichtversicherung hatte. Als sie im Krankenhaus war, konnte er nur mit ihrem Lebensgefährten Kontakt aufnehmen, um sich noch einmal bei ihr zu entschuldigen. Der Lebensgefährte beruhigte ihn auch noch einmal. Als er dann Monate später Post vom Rechtsanwalt der Geschädigten mit einer Forderung von mehreren tausend Euro und der Aussicht, dass noch weitere Forderungen wahrscheinlich sind, bekam, empfahl ihm seine Rechtsanwältin jetzt erst recht, keinen Kontakt mehr mit der Geschädigten aufzunehmen. Im TOA-Vorgespräch beschrieb er nun seine Zwickmühle zwischen anwaltlichem Rat, seiner Verzweiflung, als junger Mensch durch Unachtsamkeit mit vielen Schulden konfrontiert zu sein und menschlichem Mitgefühl mit der Geschädigten. Die Geschädigte hatte die Einladung zum TOA-Vorgespräch aus ihrem einigermaßen wieder hergestellten seelischen Gleichgewicht gebracht, denn es war nicht absehbar, wann ihr gebrochener Arm wieder frei beweglich sein würde. Weder ihre schwere körperliche Arbeit noch beliebte Freizeitbeschäftigungen konnte sie wahrnehmen. Die daraus folgende soziale Isolation führte bis zum Nervenzusammenbruch. Sie war inzwischen maßlos enttäuscht, dass der Beschuldigte nicht noch einmal Kontakt mit ihr aufnahm und zweifelte an seiner Aufrichtigkeit und an seiner Einsicht zu einer Verantwortungsübernahme. Der abgebrochene Kontakt zwischen der Geschädigten und dem Beschuldigten hatte zu seelischer Verbitterung 46 Täter–Opfer–Ausgleich Jahresbericht 2015 geführt, die sich zudem durch das anwaltliche Handeln verschärfte und vermutlich den körperlichen Heilungsprozess beeinträchtigt. Hier wurde eine Grenze des TOAs deutlich, dass dessen Überzeugungskraft nicht ausreichte, um die abgebrochene Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und der Geschädigten wieder aufleben zu lassen, um Missverständnisse aufzuklären, um Empathie Raum greifen zu lassen und um gemeinsam Wege aus einer Dilemmasituation zu suchen. Im Jahre 2015 wurden 67 Akten mit 100 Konflikten bearbeitet. Dabei wurden 72 Beschuldigte und 95 Geschädigte einbezogen. 38 Akten wurden der Konfliktschlichtungsstelle von der Staatsanwaltschaft überwiesen, 27 Fälle wurden auf Anregung der Jugendgerichtshilfe (JGH) nach Anklageerhebung bearbeitet, eine Zuweisung erfolgte als Auflage durch das Gericht nach der Hauptverhandlung. Damit wird deutlich, dass sich die Bemühungen der JGH, TOAs schon im Vorfeld der Gerichtsverhandlungen anzuregen, bewährt haben: die JGH überwies mehr als das Dreifache an TOA-Fällen im Vergleich zu 2014. In zwei Fällen wurde die Konfliktschlichtungsstelle präventiv angefragt, um eine Anzeigenstellung zu vermeiden bzw. um die Konflikte zeitnah zu klären (siehe Beispiel am Ende des Artikels). Über die Struktur der Delikte gibt das Diagramm Tatvorwurf Aufschluss. Tatvorwurf N = 65 Körperverletzung 20 Beleidigung 9 Sachbeschädigung 7 Bedrohung 5 Sonstiges 4 Nötigung 4 Diebstahl 4 gefährliche Körperverletzung 3 Unterschlagung 3 Betrug 2 fahrlässige Körperverletzung 2 0 5 10 15 47 20 25 Statistik Zuweisungen Täter-Opfer-Ausgleich Jahresbericht 2015 Körperverletzungen machen mehr als die Hälfte der zum TOA überwiesenen Straftaten aus, wobei der hohe Anteil an gefährlichen Körperverletzungen (elf) auffällt. Die Bandbreite der Delikte, die im Rahmen des TOAs bearbeitet wurden, ist weiterhin hoch. 57 % der Beschuldigten waren Heranwachsende, 42 % waren zur Tatzeit jugendlich, ein Täter war erwachsen. 22 % der Beschuldigten waren weiblich, ein über die Jahre nahezu konstanter Wert. Da dieses Jahr ein hoher Prozentsatz der Geschädigten Firmen und Institutionen waren (18 %), sank der Anteil der männlichen Opfer auf 57 %, ein knappes Viertel der Opfer war weiblich. Mehr als die Hälfte der Geschädigten waren erwachsen (54,5 %). Die Anteile der heranwachsenden (22 %) und der jugendlichen Opfer (21 %) blieben im Vergleich zu 2014 fast konstant. Nur zwei Opfer waren im Kindheitsalter. Ergebnisse und Tendenzen der TOA-Arbeit In 39 Fällen wurden sich die Anzeigenerstatter_innen und die Beschuldigten einig (58 %) (siehe auch Diagramm). Ausgleichsbewertung 14 Ausgleichsgespräch im Beisein des Vermittlers 6 mittelbarer Dialog über den Vermittler 4 Ausgleichsgespräch im privaten Rahmen 5 Geschädigte/-r verzichtet auf TOA Schadenswiedergutmachung 21 Entschuldigung 21 0 5 10 15 20 25 Häufig reichten den Beteiligten die Vorgespräche aus, um den Konflikt für sich zu beenden und eine einvernehmliche Regelung zur Schadenswiedergutmachung zu erzielen, so dass sie auf eine Begegnung mit den anderen Konfliktbeteiligten verzichteten. Dementsprechend fanden nur 13 Ausgleichsgespräche im Beisein des Vermittlers statt. 48 Täter–Opfer–Ausgleich Jahresbericht 2015 Ein Großteil der Ausgleichsgespräche führte dazu, dass sich die Beschuldigten bei den Geschädigten entschuldigten, die diese auch annahmen. Darüber hinaus wurden in 21 Fällen Wiedergutmachungsleistungen (Schmerzensgeld bzw. Schadenersatz im Gesamtwert von ca. 5.050 € oder gemeinnützige Arbeitsstunden) vereinbart. Bemerkenswert war dieses Jahr, dass von den 72 Beschuldigten nur zwei nicht auf die Einladung reagierten bzw. nicht zum Vorgespräch erschienen. Zwei weitere entschieden sich nach dem Vorgespräch gegen die Fortsetzung des TOA-Angebots. Der Prozentsatz der Ablehnungen des TOAs durch die Opfer sank im Vergleich zu 2014 (16 % zu 22 %): Sechs Opfer reagierten auf die Einladung zum Vorgespräch nicht, neun Geschädigte lehnten nach dem Vorgespräch einen TOA ab. Die überwiegende Zahl dieser Geschädigten äußerten Vorbehalte vorwiegend auf Grund diffuser Angst gegenüber einer Begegnung mit dem Beschuldigten. Nur in wenigen Fällen waren Verbitterung, Empörung/Wut und Strafbedürfnisse Gründe für eine Ablehnung. Nur eine TOAVereinbarung wurde vom Beschuldigten nicht eingehalten. Die zügige und kontinuierliche Fallarbeit wurde durch eine hohe Zahl von abgesagten, verschobenen oder nicht eingehaltenen Gesprächsterminen beeinträchtigt. Sechs Vereinbarungen zur Inanspruchnahme des Opferhilfefonds wurden abgeschlossen. Diese beinhalten eine Gesamtsumme von 1.700 €. Bisher wurden drei Auszahlungen realisiert. In den anderen Fällen ist die Ableistung der Arbeitsstunden noch nicht abgeschlossen. Opferhilfefonds Eine Studierende der Technischen Universität Dresden (Fachrichtung Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Wohlfahrtswissenschaften) schloss erfolgreich ihr Praxissemester im Rahmen ihres Sozialpädagogikstudiums im März 2015 ab. Sie war aktiv und intensiv in die organisatorische und inhaltliche Fallbearbeitung einbezogen und brachte wichtige Impulse in die Fallarbeit ein. Zugleich engagierte sie sich in herausragender Art und Weise bei der Vorbereitung und Durchführung der Schreibwerkstatt zum Thema “Tschuldigung, ehrlich! - Die Kunst des Verzeihens“. Ihr ist es zu verdanken, dass als Endergebnis eine inhaltlich und gestalterisch hochwertige Broschüre entstand. Anleitung von Praktikantinnen 49 Täter-Opfer-Ausgleich Jahresbericht 2015 Netzwerke und Veranstaltungen Die Mitarbeit in der Landesarbeitsgemeinschaft TOA und in der TOARegionalgruppe Dresden-Freital-Pirna-Riesa-Meißen und die Zusammenarbeit mit der Regionalgruppe Mediation wurden 2015 in bewährter Weise fortgesetzt. Im Rahmen eines Blockseminars des Opferhilfe Sachsen e. V. wurde Studierenden der TU Dresden der Täter-Opfer-Ausgleich vorgestellt. Studierende der Ev. Hochschule für soziale Arbeit Dresden besuchten im Rahmen eines Seminars den VSR Dresden e. V. Zu dem Thema Zwangskontext in der sozialen Arbeit wurde dabei die Arbeit der Konfliktschlichtungsstelle und des Projekts Heimspiel erläutert und analysiert. In Kooperation mit der Jugendgerichtshilfe wurden zukünftigen Erzieher_innen des Instituts für Bildung und Beratung (IBB) die neuen ambulanten Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz vorgestellt. Der Mitarbeiter des VSR Dresden e. V. erläuterte speziell die Arbeitsweise im TOA. Auf Grund der Initiative des VSR Dresden e. V. wurde der Dokumentarfilm BEYOND PUNISHMENT insgesamt neunmal im Programmkino Ost Dresden restorative justice im Kino zur Diskussion gezeigt. Die Abende waren Gelegenheit, einer größeren Öffentlichkeit das Thema von restorative justice nahe zu bringen. Der TOA ist ja im deutschen Sprachraum die gebräuchlichste Umsetzung des Konzepts der “wiederherstellenden Gerechtigkeit“. Für die Premiere konnte der Regisseur Hubertus Siegert zum anschließenden Publikumsgespräch gewonnen werden. An eine weitere Aufführung schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Eingeladen waren ein Vertreter des Sächsischen Staatsministerium für Justiz, der Leiter der Jugendabteilung der Staatsanwaltschaft Dresden, der Leiter der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen, eine Mitarbeiterin des Opferhilfe Sachsen e. V. und ein Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden. Die mit der Strafjustiz professionell Beteiligten wiederholten dabei die bisher bekannten Standpunkte, d. h., dass restorative justice kaum eine tatsächliche Bedeutung und Chance im Justizalltag eingeräumt wird. Für das unbefangene Publikum war dieser Abend aber eine spannende und hoch emotionale Herausforderung, sich mit diesem Randthema auseinanderzusetzen und zu merken, wie nahe dies jedem ist und geht. 50 Täter–Opfer–Ausgleich Jahresbericht 2015 Abschließend sei noch als Überleitung zu unserer Präventionsarbeit an Schulen ein Beispiel näher erläutert, wo eine Konfliktschlichtung mit den Werkzeugen des TOAs durchgeführt wurde, obwohl die Konfliktbeteiligten noch nicht strafmündig waren. Die Schlichtung erfolgte in Kooperation mit einem Konfliktvermittler des Interventions- und Präventionsprogramms der JGH. Konfliktschlichtung als präventiver TOA, um eine Anzeige zu vermeiden Ein Mitarbeiter eines Abenteuerspielplatzes bat um Unterstützung durch „Wie ein blutiges Auge einen neutralen Vermittler, da ein Junge, der häufig den Spielplatz nutzt, in ein Friedensfest von einem anderen Jungen, dessen Mutter aus Angola stammt, und der mündete“ eher sporadisch auf dem Platz auftauchte, im Gesicht blutig geschlagen worden war. Da der Vater des verletzten Jungen davon ausging, dass die Verletzung noch heimtückisch mit einem Gegenstand passierte, drohte er, eine Anzeige bei der Polizei zu machen. Dennoch blieb er gesprächsbereit. Durch einige Missverständnisse verschärfte sich jedoch kurzzeitig das Verhältnis zwischen dem Sozialarbeiter und dem Vater. Beim Vater war der Eindruck einer Ungleichbehandlung entstanden und er vermutete, den „Fremden“ würde mehr geglaubt. Die Vermittlung durch eine neutrale Person von außen wurde notwendig. Zwei Termine für ein Ausgleichsgespräch, wo die beiden Jungen, der Vater des Verletzten, die Mutter des Täters und der Sozialarbeiter mit seinem Kollegen anwesend sein sollten, scheiterten aus unklaren Gründen, so dass die Bedenken wuchsen, ob überhaupt bei allen ein ernsthafter Wille zu einer Klärung vorhanden ist. Schließlich kam mit einiger Verspätung doch noch ein gemeinsames Gespräch zustande. Den Jungen fiel es nicht leicht, in dieser großen Runde das heikle Thema ihrer Auseinandersetzung zu erläutern. Dennoch brachten sie den Mut auf, die Hintergründe für ihr Verhalten in Gegenwart des anderen zu benennen, ihre Tatanteile offenzulegen und Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen. In einem Vorgespräch wurde bereits deutlich, dass der verletzte Junge den anderen nicht in das Gebäude hineinlassen wollte, ihn bedroht und rassistisch beleidigt hatte. Die Eltern waren überrascht, weitere Informationen zu erfahren, die ihre Söhne bisher verborgen hatten. Die Mutter war über die Verletzung des Jungen, die sie nun auf dem Handy des Vaters sah, erschüttert. Schließlich entschuldigten sich die Jungen gegenseitig. Um dies zu besiegeln schlug der Vater trotz Winterkälte ein Friedensfest auf dem Abenteuerspielplatz vor. Die Jungen kauften gemeinsam die Brötchen vom Geld des Vaters. Die Mutter brachte auf ihre Rechnung 51 Täter-Opfer-Ausgleich Jahresbericht 2015 Kartoffelsalat und Getränke mit. Die Anwesenden auf dem Platz waren eingeladen. Der durch den Schlag verletzte Junge stellte aus freien Stücken in aller Öffentlichkeit seine bisherigen Behauptungen richtig. Als Rückmeldung teilte die angolanische Mutter dem Sozialarbeiter mit, dass der Vater des verletzten Jungen ein guter Mann wäre. In Angola wäre so etwas nicht möglich. PS: Eine 2006 vereinbarte Ratenzahlung zur Schadenswiedergutmachung wurde im November 2015 endgültig erfüllt. Der Beschuldigte zahlte 2.335 € in 76 Raten auf das Konto des VSR Dresden e. V. zur Weiterleitung an vier Geschädigte ein. Die Abschlussbemerkung des inzwischen 27-jährigen Mannes: Wenn ich etwas verspreche, dann halte ich es auch. Quellen Frey, D.; Bierhoff, H.-W.; Sozialpsychologie - Interaktion und Gruppe, 2011, Hogrefe Fatfouta, R.; Seminar an der Universität Potsdam, Ausgewählte Themen der Persönlichkeitspsychologie: (Selbst-)verzeihen – wie gehen wir mit Konflikten um?, WS 2015/16 McCullough ME, Forgiveness as human strength, 2000 Wikipedia: Vergebung (Psychologie) 52 That's it Jahresbericht 2015 “That´s it“ - Ein Projekt zu Prävention und Konfliktmanagement in den Bereichen Schule und Jugendsozialarbeit Wie schon im Jahresbericht 2014 erläutert, bieten wir im Rahmen des Projekts “That´s it“ Konflikttrainings für Schulklassen an. Diese umfassen sowohl das Training sozialer Kompetenzen, den Ausbau von kommunikativen Fähigkeiten, als auch das Training des konstruktiven Umgangs mit Konflikten. Der Umgang mit Gefühlen, die Reflexion des eigenen Verhaltens, aber auch die Bewältigung von Stress werden dabei thematisiert. Zwei Methoden zur Teamarbeit beim Konflikttraining mit Schulklassen Als eine besondere Methode, um die Teamentwicklung im Klassenverband zu thematisieren, bedienen wir uns der “Klassenaufstellung“. Die Schüler_innen bekommen die Aufgabe, sich in einer symbolischen Klasse mit ihrer Figur zu positionieren (siehe Foto). Wer sich in die Mitte des Vierecks legt, fühlt sich entweder wohl in der Klasse oder ihm ist es wichtig im Mittelpunkt zu stehen. Wer sich eher am Rand anordnet, fühlt sich in der Klasse nicht so wohl oder steht nicht so gern im Mittelpunkt. Außerdem ist es möglich, sich in die Nähe der Mitschüler_innen zu legen, zu denen gute Kontakte bestehen bzw. sich in Distanz zu den Mitschüler_innen anzuordnen, mit denen man selten ein Wort wechselt. Diese Übung kann in mehreren Runden ablaufen und spiegelt eine Momentaufnahme der derzeitigen subjektiv empfundenen Klassensituation wider. Natürlich ist dieser Schritt, der schweigend passiert und bei dem Kommentierungen nicht erlaubt sind, eine große Herausforderung an das Vertrauen jedes einzelnen Schülers an die Klasse. Die “Klassenaufstellung“ dient als Türöffner, um über besondere Probleme innerhalb der Klasse ins Gespräch zu kommen. Sie dient der Sensibilisierung im Umgang miteinander, indem jeder gehalten ist, wertschätzend die Position des anderen in der derzeitigen Situation zu respektieren, aber auch nachzufragen. Mit den Schüler_innen wird anschließend analysiert, welche Beziehungsgeflechte in der Klasse sichtbar werden, welche Gruppen bestehen und wer häufig allein steht. Welche Auswirkungen hat dies auf das Klassenklima und auf jeden Einzelnen? Die Klassenaufstellung erzeugt eine Atmosphäre, sodass 53 Die „Klassenaufstellung“ That's it Jahresbericht 2015 das Verantwortungsbewusstsein und die Achtsamkeit als Klasse für die einzelnen Schüler_innen geschärft werden. Welche Erfahrungen machen wir mit dieser Methode? Die Schüler_innen nehmen diese Übung sehr ernst. Meist sind sie gespannt und dann überrascht, welches Gebilde vor ihnen entsteht. Die anschließenden Diskussionen laufen häufig sehr empathisch, konzentriert und diszipliniert ab. Damit wird auch auf sensible Schüler_innen geachtet und der Wunsch nach einem individuellen Verhältnis von Nähe und Distanz kann akzeptiert werden. Meist entsteht dann eine Veränderungsintention, so dass die Übung häufig damit endet, dass sich jeder noch einmal mit seiner Figur in der “Wunsch“klasse positioniert. Das „Deckenspiel“ Um den Wunsch nach einer teamfähigen Klasse zu hinterfragen, schließt sich an die “Klassenaufstellung“ das “Deckenspiel“ an. Die Klasse wird willkürlich in mehrere Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe hat es geschafft, sich nach einem Vulkanausbruch auf je eine Insel zu retten, die auf dem Boden ausgebreiteten Decken. Aufgabe ist es nun für jede Gruppe, die Decken auf die andere Seite umzudrehen, ohne dass ein Mitglied in die Lava fällt. Typische gruppendynamische Prozesse laufen ab: Meist versucht jede Gruppe für sich, das Problem zu lösen. Schnell entsteht eine Wettbewerbssituation, wer es schneller schafft. Stress greift um sich. Wüstes Geschrei und viele ungehörte Ideen verhallen im Raum. An verschiedenen Ecken wird ohne Absprache an der Decke gezerrt. Manch einer wird von der Decke geschubst. Der Automatismus Abgrenzung/Konkurrenz versus Zusammenarbeit wird offenbar, so dass das große Ganze aus dem Blick gerät. Selten gelingt es, dass sich die Gruppen untereinander absprechen und die gesamte Klasse als Team handelt: eine Decke wird freigeräumt, indem diesen Personen auf den anderen Decken Platz angeboten wird, um dann die freie Decke unkompliziert umzudrehen und dies mit den anderen Decken dann fortsetzen. Für viele Schüler_innen ist dies ein Aha-Effekt, dass verschiedene Cliquen in einer Klasse kein Makel sein müssen, sondern dass es großer Achtsamkeit bedarf, dass jede Gruppe und jede Person ihre Fähigkeiten in die Klasse einbringen kann, damit die Klasse als gesamtes Team die anstehenden Aufgaben bewältigt, statt in Konkurrenz zu verfallen. 54 That's it Jahresbericht 2015 Präventionsveranstaltungen 2015 – ein Überblick Die seit 2013 andauernde Arbeit mit Schüler_innen der 107. Oberschule wurde auch 2015 fortgesetzt. In einer Klassenkonferenz mit den Lehrer_innen der 5. und 6. Klassenstufe wurden die Situationen in den einzelnen Klassen analysiert und neue Strategien der weiteren Präventionsarbeit vorgestellt. Dementsprechend wurden spezifische Probleme der Klassen berücksichtigt. In einer Klasse wurden daraufhin zwei Projekttage unter dem Fokus “Lärm und Stille“ durchgeführt. Eine Fortführung der Zusammenarbeit erfolgte leider nicht mehr. Konflikttraining an Schulen Weitere sieben Konflikttrainingstage fanden am Gymnasium Südwest statt. Sowohl die Schüler_innen als auch die Lehrer_innen nutzten die Projekttage, um konstruktive Wege der Konfliktbewältigung auszuprobieren und in den Schulalltag zu integrieren. Da die Schule erst im Aufbau begriffen ist, besteht der Wille, durch die Etablierung des Konflikttrainings in jeder Klasse eine Tradition des konstruktiven Umgangs mit Konflikten an der Schule zu etablieren. Die Kooperation mit dem Lernzentrum „Denk-Anstoß“ des Fanprojekts Dresden e. V. wurde auch 2015 in bewährter Weise fortgesetzt. Zehn Projekttage zum Thema “Fair Play“ wurden mit Schülern der 8. Grundschule, der 46., der 55. und der 121. Oberschule und des Berufsvorbereitungsjahres des Kolpingwerkes durchgeführt. Zur Festveranstaltung “5 Jahre Lernzentrum“ des Fanprojektes wurde das Engagement des VSR Dresden e. V. als verlässlicher Kooperationspartner seit Beginn des Bestehens gewürdigt. Kooperation mit dem Lernzentrum Damit sich Schüler_innen in kreativer Art und Weise mit dem Thema des Die Schreibwerkstatt konstruktiven Umgangs mit Konflikten auseinandersetzen, wurde schon „´Tschuldigung, ehrlich! 2014 die Idee einer Schreibwerkstatt entwickelt. Im ersten Teil der – Die Kunst des Veranstaltungsreihe wurden Schüler_innen zweier Klassen der 107. OberVerzeihens“ schule und der Christlichen Schule Dresden Grundlagen der Kommunikation und der Konfliktklärung vermittelt. Im zweiten Teil schufen die Schüler_innen Gedichte, Geschichten und grafische Bildgestaltungen. Durch die engagierte Mithilfe der Praktikantin bei der Vorbereitung und Durchführung der Schreibwerkstatt entstanden einfallsreiche literarische Werke. Die Praktikantin hatte entscheidenden Anteil, dass daraus eine inhaltlich und gestalterisch hochwertige 55 That's it Jahresbericht 2015 Broschüre unter dem Titel „´Tschuldigung, ehrlich! – Die Kunst des Verzeihens“ entstand. Die Stiftung der Ostsächsischen Sparkasse unterstützte die Schreibwerkstatt mit einer Förderung von 1000 €. Die Broschüre kann nun als Material von Schüler_innen für Schüler_innen für weitere Auseinandersetzungsprozesse mit dem Thema benutzt und über den VSR Dresden e. V. bezogen werden. Weitere Projekte Wie auch in den Vorjahren wurde die Kindertraumzauberstadt KITRAZZA, die die Projektschmiede gGmbH organisiert, personell unterstützt. Durch eine neue Gruppenstruktur, die eine größere Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Themen- und Zuständigkeitsbereichen ermöglichen sollte, waren sowohl die Mitarbeiter_innen als auch die Kinder herausgefordert, sich im Vergleich zu den gewohnten Bahnen der Vorjahre umzustellen. Die dabei auftretenden Spannungen und Irritationen boten genügend Stoff, Streite zu schlichten und Missverständnisse zu klären. Veranstaltungen für Multiplikator_innen Zu dem jährlichen Seminar der Opferhilfe für Studierende der Sozialpädagogik der TU Dresden informierte der Konfliktvermittler zu dem Thema TOA und Mediation unter besonderer Berücksichtigung der Opferperspektive. In Kooperation mit der Jugendgerichtshilfe wurde eine Lehrveranstaltung für künftige Erzieher_innen im Institut für Bildung und Beratung (IBB) durchgeführt, in der die neuen ambulanten Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz unter besonderer Berücksichtigung des TOAs vorgestellt wurden. Unterstützung der Schule „Am Leubnitzbach“ In der Fallfachkonferenz von Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe (JGH) wurde auf Grund einer gehäuften Anzeigenstellung gegen Schüler der Schule für Erziehungshilfe “Am Leubnitzbach“ überlegt, wie hier reagiert werden sollte. Daraufhin beauftragte die JGH den VSR Dresden e. V., präventive Maßnahmen einzuleiten. Die Erstellung der aktuellen Konfliktebenen und eines Überblicks über bestehende Hilfsangebote wurde begonnen. Wünsche für Veränderungen und Unterstützungen wurden beim Lehrer_innenkollegium gesammelt und verschiedene Angebote des VSR Dresden e. V. unterbreitet. Es erfolgte bereits eine Absprache zur Weiterführung im Jahr 2016. 56 That's it Jahresbericht 2015 Die Präventionsarbeit an Schulen wird fortgesetzt und weiterentwickelt. Die Kooperation mit dem Lernzentrum „Denk-Anstoß“, dem Gymnasium Südwest und die Multiplikator-_innenveranstaltungen werden ebenfalls in 2016 weitergeführt. Zur Verbesserung des Schulklimas ist eine Streitschlichter_innenausbildung an der Schule zur Lernförderung “Am Leutewitzer Park“ geplant. Um der Kooperation mit der Schule für Erziehungshilfe “Am Leubnitzbach“ eine langfristige und kontinuierliche Perspektive zu geben, wird eine spezielle Arbeitsgruppe aus Lehrer_innen und Mitarbeitenden des VSR Dresden e. V. gebildet, um Arbeitsschwerpunkte festzulegen und eine Prioritätenliste zu erstellen. Konkrete Projekte, aber auch konzeptionelle Arbeit, gilt es zu planen und umzusetzen. Die Ergebnisse werden dann in das Lehrer_innenkollegium und weitere Gremien getragen werden, um die Vernetzung der Schule mit anderen Institutionen und Angeboten zu optimieren. 57 Ausblick Anhang Jahresbericht 2015 Vorstandsmitglieder Herr Zeeh Vorsitzender, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Strafrecht Frau Jaschinski Stellvertreterin, Richterin am Amtsgericht Kamenz Herr Schulze Stellvertreter, Schulleiter Laborschule des Omse e. V. Herr John Dipl.-Kaufmann (FH), Steuerberater Herr Vogel Richter am Amtsgericht Dresden Herr Haase Oberstaatsanwalt, Abteilungsleiter Jugend bei der Staatsanwaltschaft Dresden Frau Krmasch Dezernentin der Generalstaatsanwaltschaft Dresden Herr Mühe Rechtsanwalt Frau Große Sozialpädagogin der Jugendgerichtshilfe Dresden Frau Stieber Sozialarbeiterin beim Sozialen Dienst der Justiz des Landgerichtes Dresden 58 Anhang Jahresbericht 2015 aktuelle Kontaktdaten: Verein für soziale Rechtspflege Dresden e. V. Karlsruher Straße 36 01189 Dresden Fax: Web: 0351 / 40 20 8 30 http://www.vsr-dresden.de Geschäftsführung Anke Söldner Geschäftsstelle Antje Garn Tel: Mobil: Mail: Tel: Mail: 0351 / 40 20 8 20 0170 / 98 18 68 4 [email protected] 0351 / 40 20 8 31 [email protected] Wohnprojekt „Wendeschleife“ Christiane Ludwig Tel: Mail: 0351 / 40 20 8 23 [email protected] Ambulante Straffälligenhilfe Georg Pester Tel: Mobil: Mail: Tel: Mail: Tel: Mobil: Mail: Tel: Mobil: Mail: Tel: Mail: Tel: Mail 0351 / 40 20 8 22 0170 / 98 19 05 7 [email protected] 0351 / 40 20 8 23 [email protected] 0351 / 40 20 8 26 0152 / 22 02 34 68 [email protected] 0351 / 40 20 8 24 0157 / 73 93 14 07 [email protected] 0351 / 40 20 8 33 [email protected] 0351 / 40 20 8 37 [email protected] Christiane Ludwig Dimitri Gargulia Stefanie Stiller Maria Böhme Laura Thiele Täter-Opfer-Ausgleich und That`s it Michael Schaarschmidt Tel: Mail: 0351 / 40 20 8 25 [email protected] Betreuungsweisung/ Entlassungsbegleitung und Hilfen zur Erziehung Martin Schmutzler Tel: Mobil: Mail: Tel: Mobil: Mail: Tel: Mobil: Mail: Tel: Mobil: Mail: 0351 / 40 20 8 27 0151 / 26 68 95 82 [email protected] 0351 / 40 20 8 21 0170 / 98 18 34 0 [email protected] 0351 / 40 20 8 29 0157 / 57 00 65 15 [email protected] 0351 / 40 20 8 28 0175 / 71 67 78 9 [email protected] Tel: Mobil: Mail: 0351 / 40 20 8 34 0152 / 21 30 57 71 [email protected] Ina Püschel Robert Rehberg Susanne Burkhardt Projekt Heimspiel Sarah Blume Michael Kittler Julia Wieland 59
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