Advent, Advent, ein Flämmchen brennt

Der Pfaffenhofener
Ausgabe 11 / KW 47
FREITAG, 25. NOVEMBER 2016
Preis: gratis!
Entwurzelt – unterwegs – angekommen
Stillleben mit Autolack
„Flucht und Vertreibung“ in Pfaffenhofen zeigt
Stadtarchivar Andreas Sauer in Buch und Ausstellung
„Natura morta viva“: Die Ausstellung des Künstlers
Christoph Scholter bereicherte die Städtische Galerie
Seite 3
Seite 8
ROTARY HILFT
Hellmuth Inderwies über
den RC Pfaffenhofen:
Seit 35 Jahren im
Dienst am Nächsten
Seite 4
ERSTE BAYERN
Woher und wie kamen
eigentlich die Bajuwaren
nach Bayern und in den
Landkreis?
Seite 5
BEACHTLICH
Die Krippenausstellung
der vhs-Schnitzer und
Rudolf Schmids neue
Dorfchronik von
Gundamsried
Seite 6
HEILSTROM
Der „Freundeskreis
Bruno Gröning“ traf
sich im Wohnheim
der Ilmtalklinik
Seite 7
Advent, Advent, ein Flämmchen brennt …
von Lorenz Trapp
Klopf, klopf! – Klopf, klopf? – Tatsächlich: Klopf, klopf! Ist wohl doch
noch nichts mit der staden Zeit, von
der immer so marktschreierisch laut
gesprochen wird. Ich tapse zur Tür
und öffne sie, es steht ein doppelter
Doppel-U-Wichtel davor, einer von
Wichtelzeit & Weihnachtszauber, und
übergibt mir ein Kuvert. „Kleine
Prämie“, sagt er und lächelt in Geldscheinen, „damit du mal schneller in
die Puschen kommst!“ Ein Traum!
Tatsächlich: ein Traum! Ein schrecklicher! Ich sollte nicht so viel Zeitung
lesen. So kann es durchaus passieren,
dass einem die träumende Phantasie
ins nackte Grauen galoppiert. Wenn
Sie demnächst beim Bäcker am Ende
der Schlange stehen und Ihnen das
zu lange dauert, bis Sie Ihr Brezerl in
der Hand haben, rufen Sie doch einfach „Breze inklusive Bonus 99 ct!“,
und schon stehen Sie am Schlangenkopf; falls Ihr Handwerker mal
zum vereinbarten Termin nicht fertig
wird, legen Sie ihm einfach ein paar
Scheine mehr auf die Brotzeitbox,
dann wird das schon was werden.
Sollten Sie gegenwärtig mit dem
Gedanken spielen, sich einen Flughafen anzulegen, egal ob hier in der
Gegend oder in Berlin, denken Sie
daran, die notwendigen „Beschleunigungsprämien“ einzukalkulieren.
In Berlin, weltweit berühmt für
deutsche Politik und sorgfältigsten
Flughafenbau, soll es auf diese Weise funktionieren, die schier endlose
Geschichte des Flughafenbaus ein
für alle Mal im nächsten Jahr abzuschließen. „Wir zahlen“, sagte ein
Sprecher der Flughafengesellschaft
vor Kurzem der Presse, „den Baufirmen Beschleunigungsprämien“. Dies
sei völlig gewöhnliches Vorgehen und
vergaberechtlich unbedenklich. Ach
ja? Ist in Deutschland Bakschisch
mittlerweile so durchsichtig geworden, dass kaum mehr zu erkennen
ist, ob es vom Auftragnehmer zum
Auftraggeber oder vom Auftraggeber
zum Auftragnehmer fließt?
Wir hier bauen im Moment keinen
Flughafen, sondern Windräder. Und
auch darüber darf ich in der Zeitung
lesen. Ich mag Manfred „Mensch“
Mayer nicht nur, weil er mir vor
mehreren Jahrzehnten gestattete, in
einem Schaufenster in der Türltorstraße einige Texte auszustellen. Er
ist für mich ein Beispiel für Konsequenz und Integrität. Deshalb hat es
mich etwas irritiert, dass ich kürzlich
in einer von ihm gezeichneten Eloge
(Bitte denken Sie jetzt nicht an den
griechische Ursprungsbedeutung!)
auf den Bürgerentscheid zu den
Windkraftanlagen im Förnbacher
Forst in der Rubrik „Leserbriefe“
lesen (sic!) musste, erfreulich sei
die „extrem hohe Wahlbeteiligung
von 59,6 %“. Extrem ist sicher etwas übertrieben, und den anschließenden Milchmädchen-Trick „Wir
hatten 19766 Wahlberechtigte. 5043
haben mit Nein gestimmt. Das sind
25,5 %. Das heißt, dass fast 75 %
der Wahlberechtigten sich explizit
für Windkraft aussprechen oder ihr
neutral gegenüber stehen“ halte ich
nicht, wie er, für „Beachtlich!“ Nicht
beachtlicher jedenfalls, um etwas
„gärend Drachengift“ in die „Milch
der frommen Denkart“ zu gießen, als
diese Rechnung: Wir hatten 19766
Wahlberechtigte. 6660 haben mit
Ja gestimmt. Das sind 33,7 %. Das
heißt, dass ziemlich genau 66,3 % der
Wahlberechtigten sich explizit gegen
Windkraft aussprechen oder ihnen
Windkraft und Bürgerentscheid einfach an ihren vier Buchstaben vorbei
gehen. Im Übrigen bin ich mir nicht
sicher, ob die Bürger aus Tegernbach, denen selbst ja wohl die Göbelsbacher Windräder reichen, über
zukünftige Windräder in Förnbach
abstimmen sollten – um nicht den
Verdacht aufkommen zu lassen, im
Vorfeld seien bereits einige Wichtel
mit „Beschleunigungsprämien“ aufgetaucht.
Auch ohne „Beschleunigungsprämie“: Man hat dieser Zeitung schon
einmal vorgehalten, bei fast jeder
Nummer das Rathaus (wahlweise
den Hauptplatz) auf dem Titel abzubilden. Das ist berechtigt. Uns fällt
einfach nichts Besseres ein, wir machen es gerne und, wie oben erwähnt,
ohne „Beschleunigungsprämie“. Um
die „Beschleunigungsprämie“ für
den Fotografen zu sparen, verwenden wir diesmal nur eine einfache
Zeichnung; auch, weil Blau beruhigen soll.
Klopf, klopf! Klopf, klopf! Jetzt werden wir den schlafmützigen Wichtel,
der auf unserem Bild in einer Krippe der vhs-Schnitzer am offenen
Flämmchen selig in den Advent hineinschlummert, aber doch mal wecken müssen. Nicht, dass er noch die
Wichtel-Aktion unter dem Motto
„Heimlich teilen, heimlich schenken, ohne an sich selbst zu denken“
verschläft und der staden Zeit ein
Schnippchen schlägt; um es mit den
Worten der Straßenpropheten an den
U-Bahn-Wänden zusammenzufassen: „Wenn jeder an sich denkt, ist an
alle gedacht.“ Das, glauben Sie mir,
ist kein Witz, sondern in etwa so beachtlich wie „Der Weg ist das Ziel“
– und auch nicht leicht zu verstehen.
Kommen Sie trotz allem gut durch
den Advent! Der Christkindlmarkt
ist das Ziel.
STADTKULTUR
Seite 2 | Der Pfaffenhofener
Dunkle Nacht, hektische Nacht
Liebe Pfaffenhofenerinnen
und Pfaffenhofener,
bereits zum achten Mal steht
die Adventszeit in unserer schönen Innenstadt unter dem Motto
„Wichtelzeit und Weihnachtszauber“. Mit dem beliebten Christkindlmarkt vor dem Rathaus,
dem stimmungsvollen Lichtkalender und dem Krippenweg des
Vereins Lebendige Innenstadt
sowie nicht zuletzt unserem einzigartigen Weihnachtswichtel ist
wieder für eine ganz besondere
Atmosphäre gesorgt, an der Jung
und Alt ihre Freude haben. Hinzu kommt eine Vielzahl weiterer
Veranstaltungen von Vereinen,
Schulen und Organisationen, die
die Vorweihnachtszeit in Pfaffenhofen vielfältig gestalten.
Freitag, 25. November 2016
Geschäftiges Treiben in den Wochen vor Weihnachten
von Claudia Erdenreich
Schon seit der Rückkehr aus dem
Sommerurlaub stehen die Lebkuchen
im Supermarkt. Erst noch vereinzelt
und ein wenig verschämt, doch dann
dicht gefolgt von Marzipanstollen
und an bester Position. Weihnachten naht zumindest kulinarisch noch
vor dem letzten Freibadbesuch. Und
Süßigkeiten gehen ja eigentlich immer. Schoko-Nikoläuse folgten inzwischen auch und die Frauen- und
Kochzeitschriften überschlagen sich
mit Specials und Sonderheften zum
Plätzchenbacken. Neue Rezepte und
Altbewährtes, wer jetzt schon mit
dem Backen anfängt, kann verlässlich zum ersten Advent das Gebäck
nicht mehr sehen, geschweige denn
genießen.
Traditionalisten
warten
zumindest bis St. Martin, bevor es Lebkuchen gibt, ganz traditionell war
der Advent ja eine Fastenzeit und
geschlemmt wurde erst nach Weihnachten. So lange wartet heute natürlich niemand mehr.
Schon ab Anfang November werden die Hütten für den Christkindlmarkt vor dem Rathaus aufgebaut.
Solide gezimmert sollen sie nicht
nur Schneestürmen, Lawinen und
Eiseskälte trotzen, sondern auch Besucherandrang, Glühweinattacken
und kleineren Bränden. Realistisch
gesehen müssen sie aber vermutlich
wieder zweistellige Plusgrade und
Starkregen aushalten, wie in jedem
Jahr in Zeiten des Klimawandels.
Nur dunkel wird es noch verlässlich.
In manchen Touristenregionen öffnen die Weihnachtsmärkte schon
spätestens Mitte November, manche
haben bis zum Jahreswechsel offen.
Sonst lassen sich die Besucherströme
ja gar nicht bewältigen. Wer etwas
auf sich hält, besucht reihenweise
Märkte, zum Vergleich, zum Genuss
und zum Konsum.
Nun steht Ökologie ja ganz vorne
auf der Agenda in Pfaffenhofen, und
auch für die Weihnachtszeit gäbe es
da noch diskussionswürdige Ansätze. Ein klitzekleines Windrad auf
dem Rathausbalkon etwa würde zumindest genug Strom liefern, um die
Bühne ganz schwach zu beleuchten.
Stundenweise.
Das warme Regenwasser, das wieder
verlässlich kommt, könnte man aufstauen, und vielleicht ein wenig die
Ilm durch den Markt fließen lassen,
statt immer nur auf Schnee zu hoffen. Löschwasser hätte man dann
auch gleich genug parat.
Die Fackelstadtführungen machen
es ja schon vor mit der alternativen
Beleuchtung. Die Fackeln brennen
lang, rußen kräftig und tropfen wunderbar farbiges Wachs. Damit könnte
man doch alle Hütten erleuchten,
genug Löschwasser wäre ja da. Und
wenn sich das mit den Mini-Windrädern bewährt, dann bekommt jede
Hütte ihr eigenes. Notfalls muss man
dann für einen Glühwein eben pusten, oben am Windrädchen.
Einen ganzen mobilen WindrädchenPark könnte man auf der Fläche der
zukünftigen Landesgartenschau errichten. Das wird ja im Winter sowieso noch nicht benötigt, und die kleinen Windräder wären niedlich genug,
um sich schon einmal an den Anblick, den Schall und die Drehungen
zu gewöhnen. Schritt für Schritt.
Vielleicht könnte man sie auch ein
wenig erleuchten, stimmungsvoll
und statt den altmodischen Christbäumen. Damit wäre Pfaffenhofen
dann auf ökologisch-innovative Art
dekorativ in der Zukunft angekommen. Irgendeinen Preis gibt es dafür
auch ganz sicher!
ung dürften sich bei ihrem Besitzer
in Grenzen gehalten haben. Sie gehörte dem Großvater des Pfaffenhofener Künstlers Manfred Habl.
Auf der Kiste steht: Lichtenstadt
bei Karlsbad. Manfred Habl erzählt
mir, dass sein Großvater der beste
Friseur am Ort war und noch eine
Weile als Angestellter eines Neubesitzers in seinem Laden arbeiten
durfte, bis die Tschechen ihn 1946
aus dem Land warfen. Als Rache für
sieben Jahre Herrenmenschentum
und „Protektorat“ und dafür, dass
die Sudetendeutschen dem Hitler
1938 ein bisschen zu laut zugejubelt
hatten, von dem man sich das Eine
abschauen konnte: dass ethnische
Säuberungen eine durchführbare
Option sind in dem Ringen um Lebensraum, das er selbst ausgerufen
hatte. Und so konnte sich der Großvater Habl noch freuen, dass ihm
die schlimmsten Exzesse erspart
blieben und er an einer geregelten
Vertreibung gemäß Beneš-Dekreten
teilnehmen durfte mit zwei abgewogenen Holzkisten als zulässigem
Gepäck. Keine Situation, die man
unbedingt erleben will.
Eine Weile stehe ich mit Manfred
Habl andächtig vor der Großvaterkiste. Was packt man hinein?
Scheren, die Haarschneidemaschine, das wichtigste Handwerkszeug.
Ansonsten Erinnerungsstücke, Fotoalben. Die Frau war Schneiderin,
doch die Nähmaschine durfte nicht
mit. Dennoch konnten beide in der
neuen Heimat den gelernten Beruf
wieder aufnehmen. Das Ausbessern
von Kleidung hatte Hochkonjunktur, und der Friseur ohne Laden
kam zum Kunden ins Haus. Gewohnt wurde erstmal in der Sammelunterkunft.
Ironie der Geschichte, so erzählt
mir Manfred Habl: Die neuen Siedlungen, in denen dann ab den Fünfzigerjahren die Flüchtlinge unterkamen, folgten Bauplänen, nach
denen ursprünglich weit im Osten
Wohnraum für deutsche Kolonisten
hätte geschaffen werden sollen.
Würde man heute vertrieben,
könnte man gerade noch versuchen,
schnell zum digitalen Nomaden zu
mutieren, sein Leben digitalisieren
und auf ein Netzlaufwerk hochladen, um es am neuen Standort
wieder abzugreifen: Fotoalben, Tagebücher, Schulzeugnisse. Und das
wäre dann die Entsprechung der
Holzkiste, die im Rahmen der Ausstellung „Pfaffenhofen – 70 Jahre
Flucht und Vertreibung“ noch bis
zum 3. Dezember im Rathaus zu
sehen ist.
In dieser kalten und dunklen Jahreszeit spielen Licht und Wärme
eine ganz wichtige Rolle. Da lassen wir uns von den fantasievoll
illuminierten Häuserfassaden des
Lichtkalenders gern verzaubern.
Auch das Musikfeuerwerk und
die Feuershow sind unbedingt einen Besuch wert. Und wenn Sie
die Pfaffenhofener Altstadt einmal in ganz neuem Licht sehen,
dabei aber viel Historisches kennenlernen wollen, kann ich Ihnen
eine der Fackelstadtführungen
empfehlen.
Aber noch viele weitere Höhepunkte finden sich im Rahmenprogramm des Christkindlmarktes, denn auf der Bühne vor
dem Rathaus ist wieder täglich
für Abwechslung und musikalische Unterhaltung gesorgt. Da
dürfen natürlich unsere „Klassiker“, wie die Turmbläser und das
beliebte Engelsspiel am Rathausbalkon, nicht fehlen. Wir sind
aber auch gespannt auf neue Mitwirkende, wie etwa „Geri & the
wagtails“.
Freuen Sie sich mit mir auf eine
wunderschöne Adventszeit und
besuchen Sie unseren Christkindlmarkt vor der prächtigen
Rathauskulisse. Bei Glühwein
oder Punsch, herzhaften oder süßen Spezialitäten kann man den
Feierabend genießen und sich
mit der Familie oder Freunden
treffen. Dabei ist im Bastelzelt
für die Unterhaltung und Beschäftigung der Kinder gesorgt.
So kann man auch ganz in Ruhe
Geschenke aussuchen, um seine
Liebsten zu überraschen. Besonders originell ist natürlich
die Geschenke-Lieferung durch
den echten Pfaffenhofener Weihnachtswichtel. Wichteln Sie doch
mit und nutzen Sie diese ganz
besondere und sogar kostenlose
Gelegenheit, Freunde und Verwandte zu überraschen!
Ich danke allen ganz herzlich, die
sich für die Aktion „Wichtelzeit
und Weihnachtszauber“ engagieren, die am Christkindlmarkt
mitwirken oder eine Veranstaltung durchführen und so eine unvergessliche Adventszeit für uns
alle gestalten. Allen Besuchern
wünsche ich stimmungsvolle
Stunden in unserer Innenstadt
und eine wunderbare Vorweihnachtszeit! Ich freue mich, Ihnen
auf dem Christkindlmarkt bei einer Tasse Glühwein oder Kinderpunsch zu begegnen!
Herzlich Ihr
Thomas Herker,
Bürgermeister
von Roland Scheerer
Was nicht alles herumsteht und herumliegt. Duftlämpchen, halb gelesene Romane, Reservemöbel, Reservestereoanlage. Teile von Geräten,
die man als Ersatzteile für andere
Geräte nehmen könnte. Sachen,
die man einmal wieder herrichten
müsste, und von denen man sich
gedacht hat: damit sollen mal die
Kinder spielen an einem der berühmten langen Dezemberabende
(an denen man dann immer etwas
anderes vorhat). Nicht zu reden von
den beiden Sakkos, die man seit
Jahren aufhebt, weil sie noch nicht
völlig durchgewetzt sind. Man sitzt
in der Falle. Die Sesshaftigkeit fordert ihre Tribute. Der Jäger und
Sammler ist in sein Dekadenzstadium als Messie eingetreten.
Wenn sich doch alle Gegenstände,
die man zwei Jahre nicht benutzt
hat, von selbst auflösten! Unser
Leben sähe aufgeräumt aus wie die
Lofts in den unverschämten Designermöbelprospekten Und dann
das leuchtende Gegenbild – der digitale Nomade, der nichts braucht
als das, was er am Leib trägt, plus
Zahnbürste und einen Internetzugang. Scheinbare Askese. Materieller Besitz war gestern, Cloud
ist heute. Bücher und CDs sind
vollständig überwunden. Jederzeit
innerhalb von zehn Minuten alle
Habe in eine coole messenger bag
packen und in eine neue Stadt ziehen können – ein Traum von Leichtigkeit und Ungebundenheit.
Wenn es doch für den Normalbürger
Chance gäbe, von Zeit zu Zeit alles,
was einem wichtig ist, wenigstens
in eine Kiste zu packen und den Rest
einfach zurückzulassen. Und mit
dieser Kiste irgendwohin zu gehen
und dort neu anzufangen – was für
eine befreiende Vorstellung.
Die besagte Kiste ist derzeit im
Pfaffenhofener Rathaus zu besichtigen. Aber die Gefühle von Befrei-
DIE SEITE 3
Freitag, 25. November 2016
Der Pfaffenhofener | Seite 3
G
Flucht und Vertreibung
Bedeutendes historisches Thema für die Stadt
von Claudia Erdenreich
Bevölkerung wuchs um
3000 Bürger in einem Jahr
Thomas Herker stellte klar, dass
mindestens jeder Dritte der Anwesenden Wurzeln in einer Familie von
Vertriebenen oder Geflüchteten hat.
Der Bürgermeister mahnte auch an,
aus der Geschichte zu lernen und
insbesondere die früher gemachten
Fehler nicht zu wiederholen. Er berichtete, wie er selbst erstmals 2008
beim Tag der Heimat Kontakt mit
Schwarz-Weiß-Fotos: Stadtarchiv
eschichte darf nicht
verloren gehen“ mit
diesen Worten eröffnete
Bürgermeister
Thomas Herker die
Ausstellung „70 Jahre Flucht und
Vertreibung“ im Rathaus. Zur Auftaktveranstaltung waren zahlreiche
Gäste in den Festsaal des Rathauses
gekommen, darunter viele Stadträte
und Altbürgermeister Hans Prechter.
Unter den interessierten Gästen befanden sich auch noch viele Zeitzeugen, die kurz nach dem Zweiten
Weltkrieg nach Pfaffenhofen gekommen waren, so etwa die Familie
Schurius oder Dr. Geppert. Ebenso
waren viele Kinder und Enkel ehemaliger Vertriebener anwesend.
und Vertriebenen in den Jahren 1945
und 1946 stellt die vermutlich größte Zäsur in der Stadtgeschichte dar
seit der Pest. Während der „schwarze Tod“ auch in Pfaffenhofen die Bevölkerungszahl binnen kurzer Zeit
drastisch vermindert hatte, passierte
nach dem Krieg das Gegenteil. Schon
gramm Gepäck waren alles, was an
Besitz mitgenommen werden durfte.
Die Flüchtlinge wurden meist sehr
kurzfristig und drastisch entwurzelt, konnten nur sehr wenige Dinge
mitnehmen, waren lange unterwegs,
teils in Viehwaggons und zu Fuß und
brauchten ihre Zeit, bis sie auch in-
bringungsmöglichkeit. Zudem gab es
Einquartierungen, selten wurden die
Neuankömmlinge dabei mit offenen
Armen empfangen.
Schon ohne Flüchtlinge war die
Versorgungslage schwierig, die Bevölkerung litt Mangel und Hunger,
beklagte zahlreiche Verluste, wusste
schung aus historischem Fachbuch,
lokaler Lektüre und persönlichen
Schicksalen dar.
Historiker Sauer wertete dafür auch
akribisch die vorhandenen Quellen
aus, darunter insbesondere die Tagebücher von Otto Sturm. Die fünfzig
Tagebücher des ehemaligen Lehrers
Flucht und Vertreibung
Geöffnet bis 3.12.
zu den Öffnungszeiten
des Rathauses
Stadtarchivar Andreas Sauer
dem Thema und mit Zeitzeugen hatte und von deren Berichten bestürzt,
beeindruckt und zu Tränen gerührt
war. Auch sein Verhältnis zum Thema hat sich mit dem persönlichen,
regionalen Bezug entschieden gewandelt.
„Wir waren in Pfaffenhofen nie im
Zentrum der Weltgeschichte“, erklärte er, aber dennoch von allen
Ereignissen direkt betroffen. Die
Ankunft der zahlreichen Flüchtlinge
in der zweiten Jahreshälfte 1945 kamen zahlreiche Flüchtlinge an, sie
waren meist direkt auf der Flucht
vor der Roten Armee. Die meisten
Menschen erreichten Pfaffenhofen
1946. Zunächst passierten „wilde
Vertreibungen“ in einem weitgehend
rechtsfreien Raum. Nach der Potsdamer Konferenz ging dies über in die
geordnete Vertreibung, die aber für
die Menschen nicht weniger gravierende Eingriffe bedeutete. 50 Kilo-
nerlich angekommen waren. Begleitet wurden sie von dem Gefühl, nicht
mehr zurückkehren zu können.
Die Pfaffenhofener Bevölkerung
wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg
in kurzer Zeit von 5.000 auf 8.000
Personen an. Dies bedeutete immense Herausforderungen in Bezug auf
Versorgung, Unterbringung, Arbeit
und Integration. Die Wohnungsnot
war riesig, dürftige Baracken blieben über Jahre die einzige Unter-
nicht, wo Männer und Söhne geblieben waren. Die Neuankömmlinge
waren keine homogene Gruppe, rund
sechzig Prozent stammte aus dem
Sudetenland, der Rest aus Schlesien.
Zum Festakt stellte Stadtarchivar
Andreas Sauer sein neues Buch mit
dem Titel „entwurzelt – unterwegs –
angekommen“ vor, das sich mit dem
Thema in der Region, in Stadt und
Landkreis Pfaffenhofen befasst. Das
Buch stellt eine sehr gelungene Mi-
sind ein wichtiges Zeitzeugnis. Ebenso rief Andreas Sauer in Vorbereitung
des Buches und der Ausstellung die
Bürger auf, ihm noch vorhandene
Fotos, Dokumente und Erinnerungsstücke aus der Zeit zur Verfügung zu
stellen.
Die Ausstellung im Foyer des Rathauses ist mit alten Fotos und erklärenden Texten informativ gestaltet
und greift die zentralen Themen des
Buches auf.
KULTUR
Seite 4 | Der Pfaffenhofener
Freitag, 25. November 2016
„Rotary hilft Menschen“
RC Pfaffenhofen seit 35 Jahren im Dienst am Nächsten
von Hellmuth Inderwies
D
as Motto des rotarischen Jahres 2016/17
„Rotary Serving Humanity“ („Rotary hilft
Menschen“) setzt jenen
Appell konkret in die Tat um, der im
Jahre der Gründung des RC Pfaffenhofen vom damaligen Weltpräsidenten Joseph Bourland als etwas
abstrakt erscheinende Maxime ausgegeben worden war: „World Understanding and Peace Through Rotary“
(„Völkerverständigung und Frieden
durch Rotary“). Es war der 16. Dezember 1981, als Prof. Dr. Klaus
Englert vom RC SchrobenhausenAichach als beauftragter Missionär
den rotarischen Gedanken in den
Landkreis Pfaffenhofen getragen hat
und der damals noch ausschließliche
Männerclub von 23 Gründungsmitgliedern verschiedener Berufsklassen aus der Taufe gehoben wurde.
Nahezu die Hälfte von ihnen ist nicht
mehr am Leben. Im Zeichen einer
gemeinsamen ethischen Grundhaltung und gegenseitiger Freundschaft
dem Mitmenschen zu dienen und zu
helfen, ist das Grundanliegen der
weltweit 1,2 Millionen Mitglieder in
nahezu 35 000 Clubs, die unter dem
Dach von Rotary International vereint sind. Diese von Rechtsanwalt
Paul Harris 1905 in Chicago gegründete Bewegung bildet gewissermaßen eine globale Familie. Sie versteht
sich als eine Wertegemeinschaft von
Menschen mit Erfolg im Beruf, mit
verlässlicher ethischer Gesinnung
und einem ausgeprägten Bewusstsein für soziale Fragen, auf die es
eine Antwort zu geben gilt.
Lebensräume von Tieren
und Pflanzen erkunden
Der Präsident des RC Pfaffenhofen
im rotarischen Jahr 2016/17, Dr. André Schneeweiß, hat den Themenkreis
„Kinder und Jugend“ zum Grundanliegen seiner Arbeit gemacht. Eine
gute Bildung und Ausbildung Heranwachsender gehört zu den tragenden
Säulen der Gesellschaft, wenn sie
einer lebenswerten Zukunft entgegensehen will. Das wiederum setzt
die Unterstützung von sinnvollen
Schulprojekten voraus, so z. B. des
vom Club geförderten „Grünen Klassenzimmers“, das im Rahmen der
Kleinen Landesgartenschau im Mai
2017 in Pfaffenhofen seine Pforten
öffnen wird. Kinder und Jugendliche verschiedenster Altersstufen sollen in Anlehnung an die schulischen
Lehrpläne in direkter Begegnung mit
der Natur Lebensräume von Tieren
und Pflanzen erkunden und Ökosysteme kennenlernen. Sogar einer fächerübergreifenden Lernzielsetzung
werden damit vielfältige Möglichkeiten geboten, wenn die notwendige
Ausstattung vorhanden ist. Unlängst
wurde eine Norwegenexpedition des
Schyren-Gymnasiums finanziell unterstützt, ein Beitrag dazu, dass die
Schule 2016 als „Bayerische Forscherschule“ ausgezeichnet wurde.
Hinzu kommt, dass am weltweit
größten internationalen Jugendaustausch, den seit langem Rotary
durchführt, auch schon der RC Pfaffenhofen mit seinen Vorschlägen berücksichtigt wurde.
Zum achten Mal findet am Freitag,
02.12.2016, 17.30 Uhr, der Lesewettbewerb des RC Pfaffenhofen unter
dem Motto „Lesen ist Zukunft – Wer
Rotary-Motto 2016/17
kann es am besten?“ statt. Daran
nehmen im Festsaal des Rathauses
Schüler/innen der 4. Jahrgangsstufe der Grundschulen des Landkreises teil, die von ihren Klassenlehrern/innen ausgewählt wurden.
Neben Eltern, Verwandten und Lehrern können sich durchaus auch andere Interessierte unter die Zuhörerschaft mischen. Es handelt sich um
die Vorrunde des vom rotarischen Distrikt 1841, dem 53 Clubs angehören,
zusammen mit 200 bis 250 Grundschulen alljährlich durchgeführten
Projekts. Im Zeitalter des Computers
und anderer moderner Medien wird
es mehr und mehr zu einer wichtigen Aufgabe, die elementare Kulturtechnik „Lesen“ zu fördern und
zu erhalten, zumal heute vor allem
im Elternhaus häufig zu wenig Zeit
dafür bleibt. Eine fünfköpfige rotarische Jury, die das Clubmitglied
Hellmuth Inderwies als verantwortlicher Organisator zusammengestellt
hat, wird die Lesefähigkeiten der
jungen Protagonisten, die unbekannte Texte vortragen, im Rahmen der
Kriterien „Aussprache, Lesetempo,
Lautstärke, Betonung und Lebendigkeit“ bewerten. Sie erhalten alle
kleine Geschenke und Geldpreise
für einen Bücherkauf. Der Sieger
des Wettbewerbs in Pfaffenhofen
wird auf Distriktebene an einer der
Zwischenrunden teilnehmen, bevor
im Rahmen der Distriktkonferenz
am 23. Juni 2017 der/die Gesamtsieger/in ermittelt wird. Das Projekt
ist bei den Grundschulen wie bei der
Elternschaft im Landkreis wie im
ganzen Distrikt, der die Region zwischen Nördlingen und dem Schliersee sowie Oberstaufen /Immenstadt
und Neustadt /Vohburg umfasst, auf
ein nicht erwartetes, außerordentlich
positives Echo gestoßen. In den bisherigen Wettbewerben belegten die
Kandidaten/innen des RC Pfaffenhofen in der Endrunde fast durchwegs vordere Plätze.
Darüber hinaus werden auch kleinere
Kinder nicht vergessen. Gemeinsam
mit dem Rotaract Club Hallertau,
der zur weltweiten Jugendorganisation der Rotarier gehört, wurde
Geld für die Sanierung und Modernisierung eines Kinderspielplatzes
in der Kreisstadt zur Verfügung
gestellt. Im Rahmen des Projekts
„Weihrauch“ (s. auch Welthungerhilfe e. V.!) begleiten Mentoren des
RC Pfaffenhofen gegenwärtig junge
Zuwanderer auf dem Weg in eine
erfolgreiche Berufsausbildung oder
bei einem zielgerichteten Studium.
Mit einer Spende wurde zudem bereits die Künstlerwerkstatt bedacht
und ältere Mitbürger freuten sich im
Rahmen des alljährlichen Seniorenausflugs auch heuer wieder über eine
seit 1983 ununterbrochen gewährte
finanzielle Unterstützung und die
Begleitung aktiver Mitglieder des
Clubs, wobei sich in den letzten
Jahren vor allem Georg Gerlsbeck
zusammen mit seiner Familie dieser
Aufgabe widmete. Selbstverständlich ist der RC Pfaffenhofen auch
mit einem ansehnlichen finanziellen
Beitrag am größten Gemeindienstprojekt beteiligt, das Rotary in seiner
nunmehr 111-jährigen Geschichte
weltweit durchführt. Es handelt sich
um „PolioPlus“: Seit 1988 gelang es
mit Hilfe mächtiger Partner, wie der
Weltgesundheitsorganisation,
den
Gründungsmitglieder bei AUDI (v. l. Hellmuth Inderwies, Wenzel Possinger, Dr. Wolfgang R. Habbel, Hermann Schlicker, Günter Benecke,
Ludwig Schrötzlmair, dahinter Josef Grauvogl, Alois Schwaiger)
Rotary-Präsident Dr. André Schneeweiß und der Hauptgewinn der Tombola 2016
größten Teil der Erde durch massive
Impfkampagnen von der Kinderlähmung zu befreien. Angesichts der
außerordentlich großen Fortschritte,
die in den letzten Jahren bei der Bekämpfung dieser Krankheit erzielt
wurden, rückt im Jahr 2018 das angestrebte Ziel in greifbare Nähe. Bis
dahin soll die Übertragungskette
weltweit unterbrochen sein.
Schulische Ausbildung für
benachteiligte Kinder
Wenn am Donnerstag, dem 24. November, um 10.00 Uhr am unteren
Hauptplatz die seit 1999 jährlich
durchgeführte Weihnachtstombola
des RC Pfaffenhofen eröffnet wird,
dann wird mit dem Erlös daraus der
Erhalt und die Erweiterung der Johann Ludwig Schneller-Berufsschule (JLSS) in Khirbet Kanafar auf
der Beqaa-Hochebene im Libanon
unterstützt. Sie ist benannt nach
einem schwäbischen Missionar und
Pädagogen, der hier gewirkt hat. Es
handelt sich um eine evangelische
ökumenische Einrichtung, in der
sozial benachteiligte Kinder aus armen oder zerrütteten Familien und
Waisen unabhängig von Geschlecht,
Rasse und Religion eine schulische
Ausbildung und ein Zuhause finden.
Grundlagen der Erziehung sind Toleranz, Koexistenz, Völkerverständigung und Wahrung des Friedens, also
ethische Werte, die mit denen der
rotarischen Bewegung übereinstimmen. Bei einem Lospreis von einem
Euro sind auch dieses Mal wieder ein
Auto, ein Mercedes Benz A-Klasse
160, und weitere neun große Preise zu gewinnen. Wer eine Nummer
zieht, erhält einen der 8000 Kleinpreise als Sofortgewinn und hat mit
diesem Los, das er unbedingt aufbewahren muss, dann die Chance auf
einen der Haupttreffer bei der öffentlichen Endauslosung am 17. Dezember 2016, 14.00 Uhr, beim Verkaufsstand am unteren Hauptplatz in
Pfaffenhofen. Er ist bis dahin während des Christkindlmarkts an den
Werktagen von 10.00 bis 20.00 Uhr
und an den Sonntagen von 12.00 bis
20.00 Uhr geöffnet. Wer kein Glück
hat, der darf für sich in Anspruch
nehmen, dass er mit seinem Geldbetrag einem sehr guten Zweck dienen
wird. In Kooperation mit der JLSS,
der Evangelischen Kirche Beirut,
der deutschen Botschaft und dem
Partnerclub RC Beirut Cosmopolitan
wird damit ein sinnvolles, wirksames
und vor allem auch nachhaltiges
Projekt erfolgreich fortgeführt. Auch
dabei gilt die Beantwortung von vier
Fragen als Kriterium, die für jeden
Rotarier als Leitlinie seines Handelns gefordert wird: Ist es wahr, bin
ich aufrichtig? Ist es fair für alle Beteiligten? Wird es Freundschaft und
guten Willen fördern? Wird es dem
Wohl aller Beteiligten dienen?
STADTKULTUR
Freitag, 25. November 2016
Der Pfaffenhofener | Seite 5
S
ie waren die Fußkranken der
Völkerwanderung,
spötteln
Kabarettisten gerne über unsere frühen Vorfahren. Da gehen ältere
Quellen schon respektvoller mit den
angeblich ersten Bayern um. Noch
vor tausend Jahren glaubte man, die
Bayern wären direkt von der Arche
Noah gekommen. Eine erfrischende
Vorstellung, doch von der Forschung
ebenfalls nur belächelt.
Die Herkunft der Bajuwaren liegt
trotz intensiver Forschung noch immer weitgehend im Dunkeln, ebenso
ihr Ankunftszeitraum. Irgendwann
im fünften Jahrhundert, als das römische Reich zu Ende ging, wanderten Völker quer durch Europa.
Klimaveränderung und daraus folgend Hunger trieb sie vermutlich an,
ebenso wie das immer schwächere
und dann verschwundene römische
Imperium. Um 550 waren sie dann
da, belegen spärliche Quellen.
E
inige Regensburger Gästeführer unternahmen einen
Ausflug, bei dem sie vor allem
Pfaffenhofens ältere und jüngere
Geschichte erkundeten. Die fünf erfahrenen Stadtführer zeigen in Regensburg bei einer Themenführung
mit dem Titel „Sesam öffne dich“ geheime und sonst verschlossene Orte.
Die Stadtführer, organisiert bei Kulttouren, warfen auch in Pfaffenhofen
einen Blick hinter einige Schlüssellöcher und waren erstaunt über die
Vielfalt der Stadt.
Zunächst erkundeten sie den Hungerturm, einen von noch drei erhaltenen Stadttürmen von 1400. Der
gut erhaltene Turm lässt erahnen,
wie und wo einst die rund eineinhalb
Kilometer lange Stadtmauer um
Pfaffenhofen lief, und wie die Türme
aussahen. Selbstverständlich ließen
es sich die Regensburger Gäste nicht
nehmen, auf den engen Holztreppen
Lange glaubte man, die
Die Bajuwaren ernährten
Bajuwaren wären einfach
sich durchaus vielfältig
Männer beziehungsweise
und aus heutiger Sicht
Menschen aus dem Osgesund. Obst, Gemüse,
ten, aus Böhmen. Das gilt
Getreide, Fleisch und
Reste der Bajuwaren im Landkreis
in der Forschung heute
Fisch standen auf dem
als weitgehend überholt.
Speiseplan. Und Bier, das
Es war wohl keine geallerdings sehr weit entvon Claudia Erdenreich
schlossene Gruppe, die sich da später
fernt von dem war, was wir heute dazu den Bajuwaren formierte. Allen
runter verstehen. Damals braute man
voran stand bald das Herrschergein Bier alles hinein, was berauschte,
schlecht der Agilolfinger, die bis 788 und Glas finden sich. Die Frauen hat- gerne auch einmal Bilsenkraut oder
regierten, bis sie, zu mächtig gewor- ten eine Vorliebe für orange Glasper- Tollkirsche. Der Hopfenanbau ist für
den, von Karl dem Großen abgesetzt len und rote Steine, Karfunkelstein. die Hallertau erst später belegt und
wurden.
Sie bestatteten in langen Reihen, auch dann verwendete man ihn spärAus der frühen Zeit, dem fünften, noch lange nicht um Kirchen herum. lich, das Reinheitsgebot kam erst
sechsten Jahrhundert haben uns die Überhaupt waren sie nur mäßige tausend Jahre später.
ersten Bayern nichts Schriftliches Christen, wenn überhaupt Arianer, Bajuwarische Siedlungsplätze und
hinterlassen, dafür umso mehr im weise Mönche aus Irland und Schott- Friedhöfe finden sich an verschieBoden da gelassen. Archäologie lie- land brachten erst später den Bayern denen Stellen im Landkreis.
fert viele Einblicke, auch rings um wieder das Christentum. Von Anfang So ist etwa im Bereich des Marktes
Pfaffenhofen. Gräberfelder mit rei- an waren unsere bajuwarischen Vor- Wolnzach ein kleiner Bestattungschen Beigaben zeigen, welch hohe fahren ein Mischvolk, Multikulti, sie platz dokumentiert. SchweitenkirKunstfertigkeit unsere Vorfahren integrierten alles, nahmen aus jeder chen reklamiert für sich eine frühe
hatten. Waffen und Schmuck, Fibeln Kultur etwas an.
Gründung zur Zeit der Bajuwaren,
Erste Bayern
Geschichten,
Geschichte und
geheime Orte
Gästeführer auf Erkundungstour
durch die Stadt
von Claudia Erdenreich
im Inneren des Turms bis ganz hinauf
zu klettern.
Besonders das neugotische Rathaus
begeisterte die Besucher. Der Blick
vom Rathausbalkon zeigt die Dimension und Bebauung des dreihundert Meter langen und vierzig Meter breiten Hauptplatzes. Der Blick
schweifte über Dächer, alte wie neue
Gebäude bis hin zur Stadtpfarrkirche. Die vier bayerischen Könige
blickten wie immer würdevoll von
ihren Gemälden im Rathaussaal, der
ebenfalls interessiert erkundet wurde.
Nach einer Hauptplatz-Umrundung
mit Details zur Pfaffenhofener Geschichte, zu Kuriositäten und zur
aktuellen Lage stärkten sich die
Gästeführer im Café Hipp. Auch
hier wurde der vierhundertjährigen
Geschichte und der „Geburt“ vom
Unternehmen Hipp interessiert gelauscht.
Erschrocken waren sie über den teils
sehr wenig geschichtsbewussten
Umgang mit historischer Bausubstanz und die vielen Abbrüche der
jüngeren Zeit. Ganz besonderes Interesse weckte das Denkmal für die
Opfer des Nationalsozialismus neben dem Haus der Begegnung. Auch
die Nutzung des ehemaligen Schulhauses mit Stadtbücherei, Galerie
und Theatersaal fanden die fünf
Besucher sehr stimmig. „Ein kleines
Thon-Dittmer-Palais“ bemerkte einer der Gästeführer anerkennend,
mit Vergleich zum Gebäude, in dem
in Regensburg Stadtbücherei und
Volkshochschule untergebracht sind.
Selbstverständlich durfte anschließend und schon bei völliger Dunkelheit auch ein Besuch des Bunkers nicht fehlen. Der ehemalige
Fernmeldebunker aus den 60er
Jahren stellt einen ganz besonderen und bis vor wenigen Jah-
möglicherweise schon im fünften
Jahrhundert. Gräber finden sich
auch in Fahlenbach.
In den benachbarten Landkreisen
Freising und Kelheim finden sich
weitere Siedlungs- und Bestattungsplätze der Bajuwaren sowie Gräberfelder.
Nur in Pfaffenhofen hat man noch
nichts von den Bajuwaren gefunden. Zu selten hat man hier bislang
ausgegraben, um eine Aussage treffen zu können, ob sie da waren. Vermutlich aber schon, der Platz hinter
dem Hauptplatz weist frühe Spuren
von Menschen nach, die Gegend war
fruchtbar, mit der Ilm genug Wasser
vorhanden. Es wäre spannend, bei
den nächsten Grabungen genauer
hinzusehen. Man wird zwar keine
Dirndl und Lederhosen finden, aber
vielleicht Schmuck und Waffen und
vor allem das Wissen um Kontinuität.
ren wirklich geheimen Ort dar.
„Wie bei James-Bond“, stellten die
Regensburger Guides begeistert fest,
als sie sich mit Taschenlampen und
durch Herbstlaub zum Eingang tasteten. Unten im Bunker waren sie
beeindruckt von den Dimensionen
dieses Relikts. Der Kalte Krieg war
plötzlich ganz nahe, neben der Faszination war auch die Erschütterung
zu spüren. Die Besucher ließen sich
interessiert durch die über 40 Räume führen, bestaunten die Reste der
noch vorhandenen Technik, die dicken Wände und die Kabelmengen.
„Das hat sich wirklich gelohnt“, war
die einhellige Meinung auf der Heimreise.
Die Regensburger Führer, die sonst
mit „Sesam öffne dich“ zahlreiche
geheime Orte in Regensburg öffnen,
waren erstaunt, hinter wie viele Türen man auch in einer Kleinstadt blicken kann.
STADTKULTUR
Seite 6 | Der Pfaffenhofener
Kulturtermine
Lesung
Der Autor Michael Böckler liest
am 25.11. um 19 Uhr in der
Kreisbücherei aus seinem Krimi
„Mörderischer Jahrgang“.
Schnitzer
Die VHS-Schnitzer zeigen in der
Städtischen Galerie ihre Werke,
Vernissage am 25.11. um 19.30
Uhr.
Fackeln
Zur Weihnachtszeit gibt es wieder Fackelstadtführungen (mit
Anmeldung), Start ist am 28.11.
um 18 Uhr am Hauptplatz.
Kunst
Am 1.12. kann wieder von 15 bis
18 Uhr Kunst in der Artothek im
Anbau der Spitalkirche ausgeliehen werden.
Freitag, 25. November 2016
Dorfchronik der Gemeinde Gundamsried
Vor drei Jahren hat der Heimatforscher Rudolf Schmid
die umfangreiche und informative Dorfchronik für seinen Heimatort Uttenhofen
vorgestellt. Nun hat er, nach
intensiver Forschung, Recherche und Ausarbeitung,
auch für die ehemalige Gemeinde
Gundamsried mit
ihren Orten Kleinreichertshofen und Eja eine
interessante Dorfchronik fertiggestellt. Zur Präsentation am
Sonntag, 27. November 2016
19.00 Uhr
im Gasthaus Alter Wirt in Uttenhofen
sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Der
Eintritt ist selbstverständlich frei.
Für alle, die der Tradition, der Heimat und der
Familie verbunden sind, ist dieses Werk eine
wirkliche Fundgrube. Im Wesentlichen gliedert
sich die Gundamsrieder Dorfchronik in drei Abschnitte:
A) In der Ortschronik werden die Historie und
die soziale Struktur der Ortschaften im Laufe
der Jahrhunderte von der Besiedlung bis zur
Gegenwart detailliert geschildert.
B) Die Haus- und Hofchronik stellt jedes Anwesen dieser Orte mit den über viele Generationen zurückreichenden Besitzern und
Besonderheiten dar – teilweise zurück bis ins
15. Jahrhundert.
C) Das Ortsfamilienbuch erlaubt dem Leser eine
individuelle Familienforschung innerhalb
dieser Dörfer und bietet den Bewohnern viele
überraschende Erkenntnisse über die eigene
Abstammung und Verwandtschaft.
Die Dorfchronik umfasst 651 Seiten, ist mit erstaunlich vielen Bildern aus Vergangenheit und
Gegenwart illustriert und farbig sehr aufwändig
gestaltet.
Obwohl der Preis die Selbstkosten nicht deckt,
ist die Dorfchronik ab sofort zum Preis von
60,– € erhältlich bei:
- Rudolf Schmid, Ilmsiedlung 7,
85276 Uttenhofen, Tel. 08441 1729
- Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte,
Filiale Uttenhofen
- Bürgerbüro der Stadt Pfaffenhofen
(im Rathaus, EG)
Musik
Die fünf Musiker von „Luz
amoi“ laden am 2.12. ab 20 Uhr
in die Stadtpfarrkirche zu einem
Adventskonzert.
Jazz
Das Sebastian Nay Septett spielt
„Music of Joe Nay“ am 2.12. ab
21 Uhr in der Künstlerwerkstatt,
Eintritt frei.
Flucht
Am 3.12. kann die Ausstellung
„Flucht und Vertreibung“ im
Rathaus zum letzten Mal besucht werden.
Zusatztermin
Wegen der großen Nachfrage
spielen 3/5 Stachelbär (Roland
Andre, Claus Drexler, Michael
Eberle) ihr neues Kabarettpro-
A
lle Jahre wieder zeigen die
Schnitzer der Volkshochschule Pfaffenhofen, was sie
während des Jahres geschaffen haben. Die Schnitz- und Krippenausstellung zeugt von handwerklichem
Geschick und der Liebe zum weihnachtlichen Detail. Die Besucher der
Städtischen Galerie können dabei
dem adventlichen Alltagsstress entfliehen und sich möglicherweise auch
Traditionelle
Krippenausstellung
der vhs-Schnitzer
in der Städtischen
Galerie
gramm „Betreten sein verboten“ zusätzlich am Samstag, den
3.12., im Haus der Begegnung.
Beginn ist 20 Uhr. Karten gibt es
beim PK und bei Tabak Breitner.
Konzert
Accademica di Monaco spielt am
4.12. um 20 Uhr ein zusätzliches
Rathauskonzert in der Spitalkirche.
für die eigene Dekoration daheim inspirieren lassen.
Die Kursteilnehmer zeigen unter der
leitenden Hand von Dozent Franz Peter ihre selbstgeschnitzten Krippen
sowie Krippen aus Afrika, Masken
und andere Holz-Kunstwerke und
läuten so auf ihre ganz eigene Art
die „stade Zeit“ ein. Als besonderes
Highlight bereichert der Scheyerer
Künstler Reiner Schlamp die Ausstellung mit einer neuen Papierkrippe unter dem Titel „Paradies“.
Lichter
Bei der „Nacht der Lichter“
wird die Stadtpfarrkirche wieder am 13.12. ab 19 Uhr erleuchtet, umrahmt von Gebeten und
Liedern.
IMPRESSUM
Verlag/Herausgeber/Herstellung:
KASTNER AG – das medienhaus,
Schloßhof 2–6, 85283 Wolnzach,
Telefon 08442/9253-0
V.i.S.d.P.: Kilian Well
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Claudia Erdenreich,
Kilian Well, Hellmuth Inderwies,
Lorenz Trapp
Layout: Monika Lang
Anzeigen: Claudia Scheid
Telefon: 0 84 42 / 92 53-7 04
Erscheinungsweise: monatlich
Der Pfaffenhofener erhalten Sie in der
Buchhandlung Osiander, der Buchhandlung Kilgus, bei Schreibwaren Daubmeier, Schreibwaren Prechter, Tabak
Bergmeister, Tabak Breitner etc.
Nächste Ausgabe voraussichtlich
Freitag, 16. 12. 2016
Die Ausstellung in der Städtischen
Galerie wird am Freitag, 25. November, um 19.30 Uhr eröffnet. Zur
Vernissage sind alle Interessierten
herzlich eingeladen. Anschließend
kann die Ausstellung bis Sonntag,
18. Dezember, bei freiem Eintritt besucht werden.
Die Städtische Galerie im Haus der
Begegnung ist Montag bis Freitag
von 9 bis 12 und 13.30 bis 16.30 Uhr
sowie Samstag und Sonntag von 10
bis 18 Uhr geöffnet.
Die U11 des MTV feiert Vorrundenmeisterschaft in Liga 1
Die U11-Fußballjunioren des MTV
1862 Pfaffenhofen sicherten sich mit
dem 6:6 Unentschieden beim FC Geisenfeld die Vorrundenmeisterschaft
in Liga 1 Donau / Isar, Gruppe Pfaffenhofen.
Beide Mannschaften zeigten in der
äußerst fairen Partie großen Einsatz
und Kampfgeist. Der MTV U11 genügte ein Unentschieden zum Titelgewinn. Der FC Geisenfeld hätte bei
einem Sieg selbst den Meistertitel
erringen können. Somit war es ein
echtes Endspiel! Gleich nach dem
Abpfiff fielen sich die Spieler von
Trainer und 1. MTV-Vorstand Helmut Reiter überglücklich in die Arme
und feierten ihren Erfolg auf dem
Spielfeld. Die zahlreichen Zuschauer waren sich einig, dass dieses Spiel
eine tolle Werbung für den Fußballsport war. Beide Teams gaben alles,
das Unentschieden war ein gerechtes
Ergebnis. Das Trainer-Team des FC
Geisenfeld gratulierte den MTVlern
zum Titelgewinn. Bei 9 Spielen stehen für die Kreisstädter 7 Siege, ein
Unentschieden und eine Niederlage
zu Buche.
Die U11 geht nun in die Hallensaison
und bestreitet dabei u. a. Turniere gegen den TSV 1860 München, FC Bayern München und Würzburg.
Die U11-Meistermannschaft des
MTV 1862 Pfaffenhofen v.l.n.r.:
Christian Beimler, Clemens Rakut,
Noel Szalai, Leo Kovc, Trainer und
1. MTV-Vorstand Helmut Reiter,
Andi Reiter, Vincent Jacobi.
Kniend v.l.n.r.:
Johann Schwarplys, Maxi
Kinberger, Valentino Cabras,
Niklas Thiel und Keeper
Marvin Kotysch.
Es fehlen: Mika Hippner und
Simon Brinkmann.
STADTKULTUR
Freitag, 25. November 2016
S
chweigend bewegen sich
die Menschen in langen Schlangen über den
Friedhof. Sie kommen aus
Afrika, Asien, Südamerika und aus dem Alpenraum hierher,
an das Grab von Bruno Gröning nach
Dillenburg in Hessen. Am 26. Januar
1959 war Bruno Gröning gestorben.
Heute hat er angeblich 85.000 Anhänger auf der ganzen Welt. Menschen, die verzweifelt waren, oft
geplagt von schwersten Krankheiten
wie Krebs oder Lähmungen. Menschen, die die Ärzte schon aufgegeben hatten. Menschen, die nach wissenschaftlichen Kriterien gar nicht
mehr leben dürften. Menschen, die
behaupten, auf geistigem Weg geheilt
worden zu sein.
Dokumentarfilm mit der
Stimme von Brad Pitt
Die deutsche Stimme von Brad Pitt
ist zu hören. Sein Synchronsprecher
Tobias Meister führt durch diesen
Dokumentarfilm: „Das Phänomen
der Heilung“. Ein sehr außergewöhnlicher Film, den der Freundeskreis
Bruno Gröning hier im Schwesternwohnheim der Ilmtalklinik zeigt.
Außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht: Fast sechs Stunden lang dauert
diese Dokumentation. Zwei Pausen
unterbrechen den Film. Dann haben die Zuschauer 20 Minuten Zeit,
in der Freundeskreis Bruno Gröning
selbstgebackenen Kuchen, Muffins
mit Pilzen und mehr als ein Dutzend
verschiedener, selbst zubereiteter
Speisen anbietet. Umsonst, genau
wie Kaffee, Tee und kalte Getränke.
Auch für den Film selbst müssen die
Zuschauer nichts bezahlen. Aber sie
können spenden. Darauf werden sie
bei der Begrüßung und beim Abschied auch deutlich hingewiesen.
„Heilstrom“: Ärzte klagten
gegen Bruno Gröning
Geld ist für den Freundeskreis nach
eigener Darstellung nur Mittel zum
guten Zweck. Die globale Organisation besteht aus Ehrenamtlichen,
die aus Dankbarkeit umsonst arbeiten. Viele von ihnen haben auch
allen Grund dankbar zu sein. Denn
sie gehören nach eigener Einschätzung zu den Glücklichen, die den so
genannten „Heilstrom“ empfangen
haben und danach von schweren
Krankheiten geheilt waren. Von diesem „Heilstrom“ sprach Bruno Grö-
Medizinisch
nicht erklärbar –
Heilung auf
geistigem Wege
von Heinz Hollenberger
ning schon zu Lebzeiten. Manchmal
vor bis zu 30.000 Menschen täglich.
So viele kamen zum Beispiel auf den
Traberhof, einem Gestüt bei Rosenheim. Von 1949 bis 1959 war Bruno
Gröning in ganz Deutschland bekannt. Zeitungen und Illustrierte wie
der Stern hatten über den „Wunderheiler“ berichtet. Im Dokumentarfilm kommt unter anderem ein Journalist der Abendzeitung zu Wort, der
solche „Spontanheilungen“ als Augenzeuge erlebt und beschrieben hat.
Noch spannender sind zahlreiche Interviews mit Ärzten, die Heilungen
nicht nur beobachtet haben, sondern
auch ausführlich dokumentieren. So
wie es sich Bruno Gröning schon zu
Lebzeiten gewünscht hatte. Die Mediziner berichten von einem Russen,
der nach Aufräumarbeiten am Reaktor von Tschernobyl sterbenskrank
geworden ist. Der Film zeigt unter
anderem eine Frau aus Südamerika,
die nach landwirtschaftlichem Einsatz giftiger Chemikalien aus Flugzeugen Invalide auf Lebenszeit war,
einen Deutschen mit unheilbarer
Herzerkrankung. Sie und viele andere seien heute wieder gesund, behaupten die Ärzte in Interviews und
der Film zeigt ein großes Archiv an
Befunden, in denen tausende Heilungen mit schulmedizinischen Methoden dokumentiert sein sollen. Außerhalb der Freundeskreise stehende
Ärzte hätten diese Krankheitsverläufe auch beobachtet und bestätigt,
was nach wissenschaftlichen Kriterien nicht zu erklären ist: Dass der
„Heilstrom“ gesund machen kann.
Schon zu seinen Lebzeiten klagten
Ärzte gegen Bruno Gröning. Laut
Dokumentarfilm wollten sich zwei
Schulmediziner in den 50er Jahren
mit ihm zusammen tun und hohe
Honorare von den behandelten Menschen verlangen. Bruno Gröning, ein
gelernter Zimmermann, lehnte dieses
Angebot empört ab. Er selbst soll nie
Geld von den Menschen verlangt haben, denen er helfen konnte. Auch hat
er sie zum Beispiel in einem Fernsehinterview immer dazu aufgefordert,
die schulmedizinische Behandlung
nicht abzubrechen. Trotzdem sah er
sich ständigen Gerichtsklagen der
Ärzteschaft ausgesetzt, ein Verfahren
lief noch 1959, als er an Magenkrebs
starb. Bis heute bekämpfen Schulmediziner und Standesvertreter die
Bruno-Gröning-Freundeskreise. Die
Gerichtsverfahren und auch der Vorwurf der Sektenbildung werden in
dem Dokumentarfilm angesprochen.
Eine Frau, beruflich Expertin in Sa-
Der Pfaffenhofener | Seite 7
chen Sekten, erläutert, wie sie die
Freundeskreise auf die gängigen Kriterien hin abgeklopft habe: Nachdem
man dort kommen und gehen kann
wie man will, alle Religionen und
Weltanschauungen akzeptiert werden und die Mitglieder der Freundeskreise auch kein Geld zahlen müssen,
kann es sich nicht um eine Sekte
handeln, so ihr Urteil. Die Frau ist
allerdings selbst Mitglied in einem
der Bruno-Gröning-Freundeskreise.
Sich innerlich auf etwas
Schönes konzentrieren
In ihren Freundeskreisen treffen sich
die Anhänger Bruno Grönings regelmäßig, um sich „einzustellen“. Dabei
nehmen sie eine bestimmte offene
Sitzhaltung ein, bei der keine Beine oder Arme verschränkt werden.
Die Unterarme liegen auf den Oberschenkeln und die Hände bleiben
wie ein Gefäß nach oben offen. Dann
konzentrieren sie sich innerlich auf
etwas besonders Schönes und machen sich dafür bereit, ihre Krankheiten abzugeben. Wenn sie dabei
der „Heilstrom“ trifft, berichten sie
von einem Kribbeln, das durch den
ganzen Körper geht. So wie es Maria
Dengler erlebt hat. Sie litt 20 Jahre
lang an Magenschleimhautentzündung, Kreuz- und Nackenschmerzen,
Menstruationsbeschwerden. Vor 14
Jahren traf die heute 56-jährige Bäuerin auf einen Freundeskreis Bruno
Grönings und seither hat sie all diese
Krankheiten überwunden. „Ich habe
heute mehr Kraft als je zuvor“, versichert die sympathische Frau mit der
freundlichen Ausstrahlung. In Pfaffenhofen, Ilmmünster und Geisenfeld
gibt es solche Freundeskreise. Die
mittlerweile verstorbene Grete Häusler hatte diese Zirkel unermüdlich in
der ganzen Welt verbreitet. Sie selbst
hielt Bruno Gröning anfangs für einen Schwindler. 1950 ist sie dann zu
einem seiner Vorträge gegangen, um
sich selbst ein Bild zu machen – danach war sie nach eigenen Angaben
drei unheilbare Krankheiten los.
Daher hat Grete Häusler ein Leben
lang die Lehre vom „göttlichen Heilstrom“ in der ganzen Welt verkündet.
Eine Unterorganisation der UNO hat
ihren Sohn Dieter Häusler stellvertretend für die Freundeskreise Bruno
Gröning in aller Welt mit dem Peace
Pole ausgezeichnet. Den Preis haben
davor schon der Dalai Lama, Mutter
Teresa und Papst Johannes Paul II.
bekommen.
ANSICHTEN
Seite 8 | Der Pfaffenhofener
Stillleben
mit
Autolack
„Natura morta viva“ in der Städtischen Galerie
von Claudia Erdenreich
S
ie wirken auf den ersten Blick wie Fotos.
Erst bei näherer Betrachtung erkennt
man die gemalten Werke, die mit hohen
künstlerischen wie handwerklichen Fähigkeiten erstellt wurden. Der Schrobenhausener Künstler Christoph Scholter stellte im
Haus der Begegnung rund ein dutzend seiner großund kleinformatigen Bilder aus, gemalt in Öl oder
Aryl auf Leinwand in klassischer Technik.
Bürgermeister Thomas Herker und Christoph Scholter kennen sich noch aus der Schulzeit. Der Eröffnungsabend wurde musikalisch umrahmt von
Richard Gruber an der Gitarre und Claus Filser an
der Geige. Richard Gruber, ein Schrobenhausener
Bildhauer, übernahm auch die Einführung in das
künstlerische Werk seines Freundes und Kollegen.
„Natura morta“ bedeutet tote Natur. Und damit nähert sich der Künstler an die Vanitas-Stillleben des
17. und 18. Jahrhunderts an, transportiert sie in die
Moderne.
Weiß lackierte und damit völlig fremd wirkende
Schwimmflügel sind unter seinen Werken, ein allzu bekanntes Schreibtischchaos, beliebig wirkende
Party-Reste oder auf den zweiten Blick befremdlichverfremdete Barock-Szenen.
Christoph Scholter, 1982 geboren, studierte an der
Universität Regensburg Pädagogik, Kunstgeschichte
und Kunsterziehung und anschließend freie Malerei
in Nürnberg. Er gewann den Kunstförderpreis der Stadt Lauf, erhielt ein
Stipendium an der Universität für
angewandte Kunst in Wien, machte
aber auch sein Staatsexamen für
Kunst im Lehramt. Seit ganz kurzer
Zeit trägt der Künstler auch einen
Christoph Scholter stellte schon in Regensburg,
Stuttgart und Wien aus und nun zum ersten Mal
in Pfaffenhofen. Er kannte die Städtische Galerie,
schätzt den „White Cube“ der Galerie ohne Bilder,
die Beleuchtungsmöglichkeiten. Zur Ausstellungseröffnung kamen natürlich auch viele Schrobenhausener Künstler und Freunde.
Er malt Alltagsgegenstände, die wie zufällig zusammengewürfelt wirken, doch sie sind vielfältig arrrangiert, oft nur Ausschnitte. Es sind seine eigenen Gegenstände, mit denen er sich umgibt, die er anordnet,
fotografiert und malt. „Man braucht viel Erfahrung“,
einfach so entstehen diese akribischen Werke keinesfalls. Sie sind meist ohne Titel, tragen nur Nummern,
das lässt dem Betrachter jede Freiheit.
Manche Bildoberflächen sind mit Autolack versiegelt, direkt in der Werkstatt, zusammen mit den
Kotflügeln. Vom „Autolackierer meines Vertrauens“, so der Künstler lachend.
Kotflügel brauchen etwa drei Lackschichten, seine Bilder bis zu acht, um so
glatt zu wirken und jeden Pinselstrich
auszugleichen.
Die Bilder sind empfindlich, sie müssen
temperiert gelagert werden, auf den
klaren Oberflächen wäre jeder kleine Kratzer störend. Seine Stillleben
wirken durch die Alltagsgegenstände banal und modern, teils erschreckend in ihrer Klarheit,
sie entwickeln Tiefe und überraschen beim weiteren Betrachten.
Eine Ausstellung, die wieder zeigte,
dass die Öffnung für weitere Künstler einen großen Gewinn für die Stadt
darstellt.
www.scholter.net
Doktortitel, seit zwei Jahren unterrichtet
er zudem Kunst an einem Schrobenhausener Gymnasium. In seiner Dissertation
analysierte er historische Kinderzeichnungen.
„Das gibt mir viel Freiheit“, bekennt
der Lehrer und Künstler, der nie plante,
nur von seinen Gemälden zu leben.
So kann er mit dem gesicherten
Einkommen ganz ohne Zeitdruck
malen, dabei nur seiner eigenen
Kreativität folgen. Und das tut er
intensiv, rund zehn Stunden pro
Woche im eigenen Atelier. Als
Künstler hat er sich mit seinem ganz eigenen Stil damit
weit über regionale Grenzen
hinaus einen Namen gemacht.
Freitag, 25. November 2016