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FORSCHEN & HEILEN
größer war als die Kapazität.
„Direkt mit der Eröffnung
des Hauses wurden Spenden
für einen Anbau gesammelt“, erinnert sich Simon
Schlattmann.
Drei Mal wurde das Familienhaus bisher erweitert.
Aktuell stehen 40 Appartements, eine Wohnung und
zwei Notzimmer zur Verfügung. Aber genügend Platz
ist trotzdem noch nicht. „Wir
sind immer schon aus allen
Nähten geplatzt“, weiß der
Geschäftsführer. Deshalb ist
bereits ein vierter Abschnitt
geplant. Nun hängt alles von
der Kooperationsbereitschaft
der benachbarten Grundstückseigner ab, ob und
wann mit dem Bau begonnen werden kann. Das wird
der erste Abschnitt werden,
bei dem der Verein eine Vorfinanzierung nutzen wird.
Bisher wurden stets erst ausreichend Spendengelder gesammelt, bevor gebaut wur-
»Wir wissen ganz
genau, in welch einer
schwierigen Lebenslage die Menschen
hier sind.«
Simon Schlattmann
Für Mascha Sapoznikova und ihren krebskranken Sohn Iwan war das Familienhaus eine wichtige Rückzugsmöglichkeit.
Foto: Gunnar A. Pier
vergessen oder zumindest
erträglicher zu machen.
Spielzimmer und gesellige
Abende sollen von Krankenhausfluren und Diagnosen
ablenken.
Doch auch ein wenig Alltag sollen die Angehörigen
behalten. Die Appartements
müssen die Gäste selber putzen, und auch für das Kochen sind alle selbst zuständig. „Unsere Hauptaufgabe
ist es, Ansprechpartner zu
sein“, erklärt Simon Schlattmann. „Wir sind kein therapeutisch ausgebildetes Personal, aber wir arbeiten hier
alle mit Herzblut.“ Und das
hat einen Grund, erklärt
Schlattmann: „Wir wissen
ganz genau, in welch einer
schwierigen Lebenslage die
Menschen hier sind.“ Denn
alle ehrenamtlichen Mitarbeiter waren wie er selber
einmal schwer krank oder
haben als Angehörige im Familienhaus gelebt. Unter den
Bewohnern entsteht so ein
Gemeinschaftsgefühl,
es
werden gemeinsame Feste
de, doch der Bedarf ist riesig.
Deshalb soll der Bau möglichst schnell beginnen.
Das Ziel des Vereins ist
und war schon immer klar:
„Es ging nie nur darum, eine
Unterkunft in Kliniknähe zu
bauen, sondern auch darum,
Abwechslung zu schaffen.“
Und das spiegelt sich auch
im Leitgedanken des Hauses
wider: „Kraft schöpfen und
Nähe spüren“.
Alle Zimmer ermöglichen
einen Blick in den großen
Garten. Dort stehen Sonnenliegen, ein Grill und jede
Menge Spielgeräte. Auch das
Miteinander ist herzlich. Für
alle Fragen, von der frischen
Bettwäsche bis hin zur Wegbeschreibung zum nächsten
Supermarkt, sind die Mitarbeiter offen. „Wir nehmen
das Wort Familie in Familienhaus sehr ernst“, betont
Schlattmann. Der Verein bietet den Familien Raum, die
Klinik und die schweren
Schicksale für einige Zeit zu Simon Schlattmann
Foto: -chr-
mit landestypischen Gerichten aus aller Welt gefeiert.
Und sogar an Heiligabend
oder an Silvester sind viele
Haupt- und Ehrenamtliche
im Haus. „Hier sollen alle die
Klinik einmal Klinik sein lassen“, findet Simon Schlattmann.
Viele, auch die, deren Kinder oder Verwandte gestorben sind, zeigen dem Team
große Dankbarkeit. Einige
bleiben nur für eine oder
wenige Nächte, doch manche Familien leben für mehr
als ein Jahr im Familienhaus. Vor allem bei Kinderkrebspatienten aus dem
Ausland ist das der Fall, weil
das Geld oft nicht reicht, um
in den Behandlungspausen
zurück in die Heimat zu fliegen.
Mascha Sapoznikova hat
das Familienhaus in den
zwei Jahren, in denen sie mit
ihrem krebskranken Sohn
Iwan dort gelebt hat, als
wichtige Basis empfunden.
Dorthin konnte sie sich mit
ihrer Familie zurückziehen,
als ihr Sohn um sein Leben
kämpfte. Geld für ein Hotelzimmer hätten sie ohnehin
nicht gehabt. „Das Familienhaus war für uns immer
ganz wichtig“, sagt sie.
Zusätzlich hilft das Team
um Simon Schlattmann,
Formulare und Dokumente
zu übersetzen, Gespräche
mit Krankenkassen zu führen oder die schwere Zeit für
alle etwas erträglicher zu
machen. „Offene Ohren, eine
warme Schulter zum Anlehnen und eine Packung Taschentücher in der Hinterhand“ – das sei die Haupt-
aufgabe des Familienhauses.
Simon Schlattmann ist
sichtlich stolz auf das, was
der Verein leistet. Dankbar
ist er dafür vor allem seiner
Mutter. 25 Jahre lang hatte
sie neben einem Vollzeitjob
und der Familie mit einem
krebskranken Kind noch immer die Energie für ein solches Ehrenamt. Heute ist sie
Rentnerin, aber noch immer
Vorsitzende und die gute
Seele des Hauses. Jede Woche bringt sie Blumen und
frische Äpfel für alle vom
Markt mit. „Es ist ihr Lebenswerk“, meint ihr Sohn, auch
wenn er selbst das Wort zu
pathetisch
findet.
Aber
schon jetzt, nach drei Jahren
als Geschäftsführer, ist zu sehen, dass auch Simon
Schlattmann viel Energie
und Ehrgeiz für das Familienhaus gibt.
DAS FAMILIENHAUS AM UKM
Die Appartements im Familienhaus sind
für zwei bis vier Personen ausgelegt. Viele Zimmer sind behindertengerecht und
sind mit einem Kühlschrank, einen Fernseher sowie einem Telefon ausgestattet.
Jedes Zimmer hat außerdem ein eigenes
Bad. Die Unterbringung kostet für die
erste Person 30 Euro pro Nacht, jede weitere Person wird mit fünf Euro pro Nacht
berechnet. Eine Wohnküche, Waschmaschinen und Trockner stehen allen kostenlos zur Verfügung. Wenn möglich, ist
eine frühe Anmeldung für einen entsprechenden Termin erwünscht. Das Haus ist
im Jahresdurchschnitt zu 98 Prozent ausgebucht. Doch auch in Notfällen versucht das Team alles, um Angehörigen
ein Bett zu Verfügung zu stellen.