PDF: Das Ebook zur Geschichte

Internat der Helden und Schurken - Blue
von Blue Melody Quill
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Einleitung
Die Geschichte der 10-jährigen Blue. Einem kleinem Mädchen am Internat Universe
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Kapitel 1
Es regnete schon den ganzen Tag und tausende Patienten hatten das Krankenhaus betreten und
verlassen. Bei vielleicht zwanzig hatte sie aufgeschaut, die anderen hatte sie gleich weitergewinkt.
Doch bei dieser Patientin war irgendetwas anders, etwas an Haltung, Aussehen und ihrer Sprechweise
lies sie fremd wirken. Es war undefinierbar doch eindeutig. Diese Frau war anders als die anderen
Hochschwangeren.
?Hallo, bitte helfen sie mir. Das Baby, bitte?, ihre Worte waren nicht ungewöhnlich für Wehen aber
dennoch irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Vielleicht ihre Augen, die tiefblau waren? Oder doch ihre
Art Worte wie Baby oder Hallo zu sagen? Doch so sehr sie diese Frau auch faszinierte, sie brauchte
dringend Hilfe. Ihre Stirn war von einem feinem Schweißfilm überzogen und Panik lag in ihren
Augen. Trotz ihrer schmutzigen Kleider und Haut schien sie noch sehr jung zu sein. ?Ihr erstes
Kind??, lächelte sie die Frau an. Diese nickte nur. Also nahm sie das Mikrofon und fragte einen Arzt
an. Dieser übernahm die Frau und lief sofort los. Nachdenklich schaute die Krankenschwester den
beiden hinterher. In ihrer langjährigen Berufserfahrung hatte sie sich angewöhnt Distanz zu wahren,
um damit leben zu können, falls etwas schief lief. Aber, obwohl sie diese Frau nicht kannte, ging es ihr
nahe, viel näher als gewöhnlich.
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Kapitel 2
Ein halbes Jahr später:
?Hol doch bitte mal die Milch Sarah? ?Ja, Misses? Mit schnellen Schritten lief das Mädchen den Flur
entlang, während die Leiterin des Waisenheims, Misses Deneuve, die Eier kochte. Ein Schrei lies sie
aus ihrer Tätigkeit hochschrecken. Sofort stürmte sie in den Hausflur, wo Sarah völlig aufgelöst stand:
?Da, da vor der Tür. Ei-ein Baby. E-es schwebt? ?Sarah du solltest weniger Filme schauen. Die sind
nicht gut für dich? Energisch den Kopf schüttelnd ging die Heimleiterin zur Tür und blieb wie
angewurzelt stehen, als ihr Blick auf ein kleines blaues Stoffbündel fiel, dass einen Meter vor ihr in
der Luft schwebte. ?Aber... aber...? Wie war das möglich? Babys schwebten nicht! Nachdem sie fünf
Minuten reglos auf das kleine Kind gestarrt hatte, begann diese zu schreien. Augenblicklich erwachte
sie aus ihrer Starre und begann Anweisungen zu verteilen, während sie das kleine Kind aus der Luft
hob und in den Arm nahm. Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Fußmatte auf der heute neben den
Milchflaschen ein verschlossener Umschlag lag. Vorsichtig schaukelte sie das Kind, während sie mit
der freien Hand nach dem Umschlag griff. Auf diesem stand:
An Misses Deneuve, Heimleiterin
Von jemandem, der lieber anonym bleibt
Am Abend, als alle Kinder im Bett waren, setzte sich die Heimleiterin erschöpft auf den Stuhl in der
Küche. Es war anstrengend gewesen heute, auch da sie sich jetzt um ein neues Kind kümmern musste.
Ein Kind, das seltsam war und anders. Ein Kind, vor dem die anderen Kinder Angst hatten. Und wenn
sie ehrlich war, hatte sie auch Angst. Sie könnte schwören, dass die Augen des Kindes beim
Mittagessen grün waren. Doch jetzt hatten sie wieder die selbe Farbe wie heute früh. Ein irritierendes
blau.
Sie seufzte. Was hatte das nur zu bedeuten? Vielleicht waren ja Antworten in dem Brief, der bei dem
Kind lag. Ja, ganz sicher waren sie das. Niemand setzte sein Kind einfach so aus. Schnell stand sie auf
und lief in ihren Raum. Dort auf dem Schreibtisch lag er, der Brief, der hoffentlich alles erklären
würde. Es musste so sein. Es ging nicht anders. Sie nahm den Brieföffner und schlitzte den Umschlag
auf. Sie zog das Papier heraus, es stammte aus einem normalen Collegeblock und war mehrmals
gefalten.
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Kapitel 3
?Sehr geehrte Miss Deneuve,
Sie werden sich sicher fragen, was das alles zu bedeuten hat und werden sich in diesem Brief
Antworten auf ihre Fragen zu erhoffen, doch muss cih sie leider enttäuschen. Ich kann Ihnen nur
verraten, dass es für Blue sicherer ist, wenn sie nicht bei mir bleibt. Auch muss ihn sagen, dass sie
besonders ist. Sie werden schon merken, was ich meine. Alles, was ich noch tun kann, ist Sie zu bitten,
Blue bei sich aufzunehmen. Anbei haben ich alle nötigen Papiere gelegt. Zudem ein Brief an Blue, den
sie bitte erst bekommen soll, wenn sie neun ist.
Viele herzliche Grüße
Eine Frau, die Hilfe sucht?
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Kapitel 4
5 Jahre später, Weihnachten:
?Wieso sind alle so gemein zu mir, Misses?? ich saß vor dem Kamin auf einem Hocker und starrte in
die knisternden Flammen, während Misses Deneuve meine Haare kämmte. ?Sie haben Angst vor dir,
Blue.? ?Aber ich habe ihnen gar nichts getan und es ist auch schon ewig nicht mehr passierte? Tränen
sammelten sich in meinem Augenwinkeln. Ich wollte doch normal sein, so wie die anderen. Oder
Freund haben, aber keiner wollte etwas mit mir machen. ?Das ist es doch auch gar nicht.? beruhigend
strich sie mir über die Haare ?Sie haben Nagst, weil du anders bist, weil sie wissen, was du kannst.?
?Aber das ist unfair, deshalb müssen sie nicht so gemein sein, ich kann doch gar nichts dafür!? schon
wieder liefen wir Tränen über die Wangen, doch diesmal nicht aus Angst oder Schmerz, wie sonst.
Diesmal war ich wütend. ?Ich weiß, aber so sind Menschen halt? sanft zog Misses Deneuve mich auf
die Füße und drehte mich, so dass sie mein Gesicht sehen konnte. ?Das wird besser, wenn du älter bist,
und bis dahin ist es gar nicht mehr so lange, sobald du deinen ersten Wackelzahn hast, bist du schon
fast aus der Grundschule raus und dann bist du auf einer neuen Schule? sie versuchte mich zu
beruhigen und ich spielte mit, tat so, als ob ich ihr glaubte, einfach, weil ich es glauben wollte. Ich
nickte und schniefte, um weitere Tränen zurückzuhalten. ?Gut, dann zeig mir jetzt deinen Arm? Ich
hielt ihr den Arm hin, den ein neuer blauer Fleck zierte. Ich wusste, wie besorgt sie war und hielt den
Blick gesenkt, um es nicht zu sehen. Ich wollte es nicht in ihrem Blick sehen, ich wollte ein normales
Kind, wie alle anderen auch sein, auch wenn ich wusste, dass das nicht ging.
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Kapitel 5
Nächster Sommer:
Schwimmstunde. Ich hatte mich schon ewig darauf gefreut. Und heute ging es los. Ich war wie alle
anderen Heimkinder viel zu früh hier. Aber weil die älteren mitgegangen waren, durften wir schon ins
Wasser. Auch wenn ich alleine war, hatte ich Spaß. Solange bis die anderen zu mir kamen. Ich
verstehe bis heute nicht, wieso sie das getan haben. Das ging nämlich weit über jeden Spaß hinaus.
Sie folgten mir in die Ecke, in der ich war und kreisten mich ein. Erst bemerkte ich die anderen gar
nicht, doch nach einer halben Minute bemerkte ich sie. Rückwärts ging ich so weit zurück bis ich an
der Kante zum Schwimmerbecken stand. Ich spürte, wie die Kante unter meinen Füßen nach unten
ging. Gerade so hielt ich mich aufrecht, als Mike auf mich zu kam: ?Was machst du denn so weit
draußen? Du weißt genau, dass ihr nicht hierher gehen sollt.? Stumm beobachtete ich, wie die anderen
den Kreis um mich herum enger zogen. ?Sag schon?, bei diesen Worten stupste er mich gegen die
Schulter. Ich ruderte mit den Armen, um nicht abzustürzen. ?Mike, bitte, lass mich wieder nach
vorne?, ich wusste, dass er mich gehört hatte, denn ich sah das Grinsen in seinem Gesicht. Doch er
blieb hart: ?Sag mir erst, was du hier machst? ?Was soll ich dir denn sagen? Ihr habt mich doch
abgedrängt..?, anscheinend wollte er das nicht hören, denn jetzt stieß er mich ins Schwimmerbecken.
Ich hatte keine Chance. Durch die Energie in seinem Stoß wurde ich fast 5 Meter ins Becken und
einen halben unter Wasser gedrückt. Erschrocken riss ich Mund und Augen weit auf. Sofort schloss
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ich sie wieder, als ich die hellen Blasen bemerkte, die aufstiegen. Wie viele waren das gewesen? Zu
Panisch schlug ich um mich, doch anstatt nach oben zu kommen, drückte ich mich nur noch tiefer
unter Wasser. Ich merkte, dass ich nur noch wenig Luft hatte. Ich würde bald atmen müssen, aber
was? Nur noch ganz kurz, spornte ich mich selbst an, du bist gleich wieder oben. Trotz meiner
Bemühungen begannen schwarze Pünktchen vor meinen Augen zu tanzen. Wie ich wieder oben
ankam, merkte ich nicht mehr. Ich hatte das Bewusstsein verloren.
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Kapitel 6
Später:
Aufgewacht bin ich dann kurz im Krankenwagen. Aber halt nur kurz, irgendwer hat etwas zu mir
gesagt, das allerdings nur verschwommen an meine Ohren drang. Richtig wach geworden bin ich dann
erst im Krankenhaus. Dort stand ein Arzt, der mich untersucht hat und Misses Deneuve. Im
Nachbarbett lag ein blondes Mädchen, das mich ohne jedes Anzeichen von Scham beobachtete. Der
Arzt redete kurz mit der Heimleiterin, dann ging er wieder. Misses Deneuve redete noch eine Weile
auf mich ein. Bei dem Gespräch kam allerdings nur raus, dass ich zur Beobachtung über Nacht bleiben
musste. Kurze Zeit später ist sie dann auch gegangen.
Das Mädchen hat mich eine Weile ausgefrat, aber sich dann einem Buch zugewandt. Ihren Namen
verrate ich nicht und auch nicht, wieso sie im Krankenhaus war. Sie ist nur eine auf einer langen liste
von Leuten, die nicht wirklich nett zu mir waren.
Seitdem kann ich kein Wasser mehr sehen, ohne dass mir komplett schlecht wird. Auch habe ich alle
Schwimmstunden geschwänzt. Folglich kann ich bis heute immer noch nicht schwimmen.
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Kapitel 7
2 Jahre später:
Aufgeregt riss ich die Tür auf und rannte gleich in die Küche, um Misses Deneuve zu erzählen, was
passiert war. ?Miss Deneuve? Miss Deneuve??, rief ich. ?Ja Blue? Was ist denn?? sie streckte ihren
Kopf durch die Tür zur Küche. Da fielen mir zum ersten Mal die grauen Strähnen in ihren Haaren auf,
auch mehr Falten zierten ihr Gesicht. ?Mein Zahn ist rausgefallen!? aufgeregt hielt ich ihr den kleinen
weißen Zahn hin. ?Das ist aber sehr schön, den legen wir gleich unter dein Kissen.? sie nahm meine
Hand und zog mich in mein Zimmer. Dort stellte ich meine Schultasche ans Fenster und dann half die
alte Dame mir den Zahn so zu verstecken, dass man ihn nicht mehr sah. Rasch setzte ich mich auf
mein Bett. ?Bin ich jetzt alt genug? Sind die anderen jetzt nett?? ?Das weiß ich nicht, aber komm
erstmal essen. Es gibt Bohneneintopf.? ?In Ordnung.? Schnell sprang ich auf die Bein und lief zurück
in die Küche. Dort fiel mir auf, dass Misses Deneuve langsamer war, viel langsamer als früher. Als sie
endlich kam, hatte ich den Tisch schon für alle gedeckt. Da klingelte es an der Tür.
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Kapitel 8
?Ich gehe schon!?, schnell rannte ich zur Tür und machte auf. Es waren die anderen Kinder. Der
größte von ihnen, Mike, schubste mich zur Seite. Doch ich war es ja gewohnt, also wollte ich schnell
zurück in die Küche huschen, um mich an den Tisch zu setzen. Aber Mike hielt mich am Handgelenk
fest. Die anderen sammelten sich um uns herum. Panik begann in mir aufzusteigen, ich kannte dieses
Muster, so war es auch gewesen kurz bevor sie mich beim Schwimmen untergetaucht hatte, bis ich
bewusstlos geworden war. Ich schluckte hart. ?Warum hattest du es nach der Schule so eilig hierher zu
kommen? Du hättest auch mit uns gehen können.? seine Stimme war eisig. ?Ich wollte zu Misses
Deneuve und ihr von meinem Zahn erzählen?, er genoss es, dass ich Angst hatte. Ich sah es in seinem
Blick. ?Wieso macht dir das Spaß??, panisch versuchte ich mich loszureißen. ?Wir sprechen nach dem
Essen weiter, okay?, es war keine Frage sondern eine Feststellung. Er wartete bis ich nickte bevor er
meinen Arm loslies. Sofort gingen die anderen laut redend zum Essen. Nicht einmal Misses Deneuve
fiel auf, was los war.
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Kapitel 9
Ich bekam nicht viel runter. Kaum ein paar Löffel. Dann war mir so schlecht, dass nichts mehr ging.
?Ich geh Hausaufgaben machen?, schnell sprang ich auf und räumte meinen Teller weg. Als ich gerade
in der Tür war, ertönte Mikes Stimme: ?Bitte, Misses Deneuve, lassen Sie mich Blue helfen. Sie hatte
letztes Mal Schwierigkeiten mit HSU. Ich wimmerte leise doch das Gräusch wurde vom allgemeinen
Lärm übertönt. ?Aber gerne doch Mike?, Misses Deneuve hatte keine Ahnung, sie wusste nicht, dass
er mich damals getaucht hatte. Sie wusste nicht, dass ich Angst vor ihm hatte. Doch, was sollte ich
sagen, damit er nicht mitkonnte? Mir fiel nichts ein also rannte ich so schnell ich konnte in mein
Zimmer und versuchte die Tür hinter mir abzuschliesen. Doch zu spät, er drückte gegen die Tür. Er
war stärker, was hatte ich für eine Chance? Aber dennoch versuchte ich die Tür zu schließen. ?Sei
nicht albern, Blue?, mit einer Bewegung hatte er die Tür offen. ?Du weißt genau, dass ich viel stärker
bin, als du? Ich drückte mich in die Nische zwischen Wand und Bett, während er die Tür hinter sich
abschloss. ?Was hab ich denn getan, Mike??, mein Flüstern war so leise, dass ich dachte, er habe es
nicht gehört. ?Was du getan hast? Du benspruchst Misses Deneuve für dich! Ständig heißt es: Seit nett
zu Blue, sie hat es nicht einfach., Achtet darauf, dass Blue nicht an die falschen Leute gerät! Du planst
doch irgendwas! Und das sagst du mir jetzt!? Drohend kam er mir näher. ?Aber das stimmt gar
nicht!?, verzweifelt versuchte ich mich noch kleiner zu machen, als ich schon war. Als plötzlich eine
Stimme von draußen mich rettete
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Kapitel 10
?Was ist da los, Mike? Wieso ist die Tür abgesperrt??, es war Misses Deneuve. Schnell bückte er
sich zu mir und hielt mir den Mund zu. ?Wir spielen nur, Misses Deneuve. Nicht wahr Blue??, er gab
meinen Mund frei, doch griff nach meinem Handgelenk und starrte mir drohend in die Augen. Die
Botschaft war ja wohl klar. Wenn ich etwas falsches sagen sollte, wäre seine Rache schrecklich.
Schnell beeilte ich mich zu sagen:?Ja, Misses Deneuve. Alles in Ordnung.? ?Wie schön, dass ihr zwei
euch jetzt doch versteht. Aber lasst doch bitte die Tür offen, falls etwas passiert.? ?In Ordnung?,
widerwillig ließ Mike mich los und ging zur Tür ?Wir sind sowieso schon fertig, Misses. Ich glaube
Blue versteht es jetzt.? Bei seinen letzten Worten drehte er sich noch einmal zu mir und sah mir in die
Augen. ?Ja, ich verstehe es jetzt.?, ich sah keinem von beiden in die Augen. Angespannt starrte ich auf
den Boden. So blieb ich stehen bis ich hörte, wie die Tür zuging. Dann lies ich mich auf mein Bett
fallen und starrte ins Nichts. Es würde niemals besser werden.
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Kapitel 11
2 Jahre später, 2 Wochen bevor Blue ins Internat kommt
?Misses Deneuve??, ich hatte eine Stunde früher Schluss als die anderen. Der Vorteil an Freitagen in
der 4. Klasse. Man hatte schon um 12 Schluss. Ich lies meine Tasche im Flur liegen, um beim Kochen
zu helfen wie jeden Freitag. Aber irgendwas war anders als sonst. Die Heimleiterin hatte noch gar
nicht zurückgerufen. Schnell lief ich in die Küche und blieb abrupt stehen. Misses Deneuve lag
regungslos am Boden. Sie war kalkweiß. Entsetzt sank ich neben ihr auf die Knie und schüttelte ihre
Schulter. ?Misses Deneuve? Bitte wachen Sie auf!?, meine Stimme klang zu hoch und schrill. Ich
wartete darauf, dass sie aufsprang und ?Scherz!? rief. Doch nichts passiert und sie hatte mich noch nie
Angst haben lassen. Diese Tatsache war es, die mich erkennen ließ, dass sie nicht aufstehen würde.
Was sollte ich jetzt nur tun? Zittrig stand ich auf und rannte zum Telefon. Schlechte Idee: Auf halbem
Weg stolperte ich über meine Füße und fiel hin. Ich ignorierte denn Schmerz und drückte mich wieder
auf die Beine. Schnell nahm ich den Hörer und wählte den Notruf. Jedes Wahlzeichen zog sich
solange in die Länge, dass ich dachte in einer Zeitschleife zu hängen. Es musste doch schnell gehen.
Endlich meldete sich jemand am anderen Ende der Leitung: ?Hier die Rettungszentrale, wer ist denn
da?? ? I-ich bin Blue aus dem Waisenheim. Mi-misses Deneuve liegt in der Küche und bewegt sich
nicht. Bitte helfen Sie mir.?, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen. Doch
jetzt, wo ich sprach, war es deutlich zu hören. ?Ich schicke gleich einen Krankenwagen vorbei. Machst
du die Tür auf?? ?Ja, natürlich? Die Frau am anderen Ende der Leitung legte auf. Ich lief zur Tür und
wartete auf den Rettungswagen. Als ich die Sirenen hörte, öffnete ich die Tür und lehnte mich an die
Wand. Drei Sanitäter kamen die Treppe hinaufgelaufen. Zwei rannten sofort in die Küche und
kümmerten sich um Misses Deneuve, der andere blieb bei mir stehen und fragte mich nach meinem
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Namen, meinem Alter, meiner Lieblingsfarbe. Ich weiß, dass er es nur gut meinte, doch es hätte mir
geholfen, wenn er still gewesen wäre. Nachdem ich dann fast auf seine Schuhe gespuckt hatte, nahm
er mich mit zum Rettungswagen. Dort setzte er mich auf die Treppe und legte mir eine Decke um die
Schultern. Ausgerechnet jetzt kamen auch die anderen von der Schule.
Ich weiß nicht mehr viel von den Stunden und Tagen, die darauf folgten. Das einzige, das ich sicher
weiß ist, dass mich Mikes Gesichtsausdruck noch jetzt im Schlaf verfolgt.
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Kapitel 12
2 Tage bevor Blue ans Internat kommt:
Ich saß wieder auf meinem Bett und starrte ins Nichts, als es an der Tür klopfte. In der Erwartung,
dass es wieder ein Psychologe war, der uns bei der Verarbeitung von Misses Deneuves Tod helfen
sollte, schrie ich genervt die Tür an: ?Mir geht es verdammt noch einmal am besten, wenn Sie mir
meine Ruhe lassen!? Dieses Mal war es kein Psychologe, der meine trüben Gedanken störte.
Schlimmer noch, es war mein Dad, der sich bis jetzt nie für mich interessiert hatte. Den ich zu dem
Zeitpunkt noch gar nicht kannte.
Ein fremder Mann steckte den Kopf durch meine Zimmertür. ?Ähm.. Hi? Ich bin Peter Quill und man
hat mir gesagt, dass du meine Tochter bist? Baff starrte ich ihn an. Diese Psychologen liesen sich auch
immer neue Sachen einfallen, um mich zu überzeugen. Er schien meinen Unglauben zu spüren, denn
er wühlte in seiner Tasche und zog ein zerknülltes Papier heraus. Das gab er mir. Ich will nicht sagen,
was es war, aber es hat mich überzeugt, dass er wirklich mein Dad ist.
Eine Weile redeten wir, aber er schien nicht zu verstehen, dass nur, weil er sich bei mir gemeldet
hatte, alles gut war. Ich hatte immerhin 10 Jahre allein in diesem Waisenheim verbringen müssen. Am
Ende sagte er, dass ich auf ein Internat müsse. Dort wären Menschen, die wie ich waren. Ich sagte
einfach nichts dazu, weil ich sonst nicht gewusst hätte, ob ich mich hätte beherrschen können. 10
Jahre, einen beinahe Tod und eine Tote hatte es gebraucht, damit er sich bei mir meldete. Und dann
schickte er mich auf ein Internat.
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Kapitel 13
Heute kann ich nur sagen, dass ich ihm dankbar bin, dass er mich hergeschickt hat. Es ist echt schön
hier. Auch Freunde habe ich gefunden. Zum ersten Mal in meinem Leben. Auch, wenn es nicht perfekt
sind und es auch so Leute, wie die im Heim gibt, ist es viel besser als dort.
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