Polier-Info (3), November 2016

Der Polier
Herausgegeben von der Gewerkschaft Unia
Das Fachmagazin
für Baupoliere
und Vorarbeiter.
November 2016
Reinhold Boiger baut
einen Weltrekord am Stoos
Seite 8–10
Der Ärger der Poliere – «So kann es nicht weitergehen»
Schlauer Bauen – Die Forderung des Architekten
Bauroboter Hadrian – Ein Haus in zwei Tagen
Inhaltsverzeichnis
Das Manifest
Faires Bauen – Stopp Dumping
Seite 3
Der Zustand der Branche
«So kann es nicht weitergehen»
Seite 4 – 5
Editorial
Das Fundament für gute
Arbeit legen
Das wollen die Baudirektoren
Auftragsvergabe nur an saubere
Firmen
Seite 6
Reden wir mal über gute Arbeit. Ein vielleicht banaler
Begriff, der jedoch in der heutigen Arbeitswelt, insbesondere auf dem Bau, eine ziemliche Sprengkraft besitzt.
Denn gute Arbeit heisst zweierlei.
Der Wunsch des Architekten
Gute Vorbereitung und ein schlaues
Baukonzept
Seite 7
Erstens: eine gute Arbeit machen. Qualität. Ein Produkt
ins Leben rufen, auf das man stolz sein kann. Ein gezieltes
Zusammenspiel von Kraft, Kopf und handwerklichem
Geschick. Trotz Müdigkeit am Abend nach Hause gehen
mit einem zufriedenen Lächeln, da man weiss, was man
gemacht hat.
Die neue Standseilbahn am Stoos
«Wir haben uns an die Steilheit
gewöhnt»
Seite 8 – 10
Der Bauroboter Hadrian
In zwei Tagen steht das Haus
Seite 11
Polier-Porträt: Miladin Velickovic
Es war einmal ein Tellerwäscher
Seite 12
Impressum
Redaktion: Chris Kelley (ck), Roland
Schiesser (rs), Michael Stötzel (ms),
Sina Bühler (sb)
Fotos: Manu Friederich, Michael Schoch,
Chris Kelley, Ivan Steiner
Titelbild: Manu Friederich
Gestaltung und Druck: Printoset
Herausgeber: Unia, Sektor Bau,
Zentralsekretariat, Weltpoststrasse 20,
3000 Bern 15
Redaktionsschluss: 20. Oktober 2016
Auflage: 4000 Exemplare.
Zweitens: Gute Arbeit heisst auch, gute Arbeit zu haben. Das fängt bei der Stimmung im Team an und endet bei der Möglichkeit zur Frühpensionierung. Der
Alltag – innerhalb sowie ausserhalb des Arbeitsplatzes – beinhaltet aber noch viel
mehr. Ein guter Lohn, mit dem man die Familie durchbringen kann. Eine gesunde
Balance zwischen Arbeitszeit und Privatleben. Und nicht zuletzt Sicherheit.
Sicherheit, die Arbeit weitermachen zu können und Sicherheit, dass die eigene
Gesundheit nicht dabei draufgeht.
Das Explosive daran ist, dass das eine nicht vom anderen zu trennen ist. Um gute
Arbeit zu erledigen, braucht es auch gute Arbeitsbedingungen. Und gerade hier
hapert es auf den heutigen Baustellen.
Denn wie soll man Qualität bauen können, wenn ständig ein enormer Druck
herrscht? Wenn immer wieder die Subunternehmer oder Temporärarbeiter
ausgewechselt werden? Wenn nur noch Preis und Geschwindigkeit zählen? Es ist
kein Zufall, dass gerade auf denjenigen Baustellen, bei denen beim Lohn und der
Arbeitszeit geschummelt wird, es auch mit der Qualität nicht so genau genommen wird.
Diese Ausgabe des Poliermagazins ist der aktuellen Kampagne «Faires Bauen»
gewidmet. Im letzten Juni haben 250 Bauarbeiter und Poliere aus der ganzen
Schweiz ein Manifest erarbeitet. Das Manifest «Faires Bauen» ist ein Grundsatzpapier mit konkreten Vorstellungen, wie eine Baubranche der Zukunft aussehen
könnte. Eine gesunde, stabile und faire Baubranche, von der Arbeitnehmer, aber
auch die vielen anständigen Firmen profitieren.
Zugegeben, es ist ein langfristiges Ziel, das wir verfolgen. Wir streben etwas an,
dass nur dann zu erreichen ist, wenn wir gemeinsam an einem Strick ziehen. Aber
dieses Ziel ist es auch wert. Denn wir verbessern nicht nur die Arbeitsbedingungen. Und auch nicht nur die Qualität. Sondern wir legen grundsätzlich das
Fundament für gute Arbeit. Auf beiden Ebenen.
Mit freundlichen Grüssen
Chris Kelley
Mitglied der Sektorleitung Bau der Unia
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Der Polier | November 2016
Faires Bauen –
Stopp Dumping!
Dumping-freie Baustellen!
Q Immer mehr Bauarbeiter arbeiten unter prekären Bedingungen.
Es braucht eine Begrenzung der Temporärarbeit sowie das Recht auf Festanstellung.
Q Berufserfahrung ist wertvoll. Ausländische Diplome gehören anerkannt,
mit 3 Jahren Berufserfahrung muss ein Bauarbeiter in die Lohnklasse B
wechseln und der Anteil an C-Bauarbeitern auf einer Baustelle braucht ein
Maximum.
Q Lohndumping macht den Bau kaputt. Es braucht ein Verzeichnis, damit
korrekte Firmen die Aufträge erhalten.
Mehr Schutz für unsere Gesundheit!
Q Schlechtwetter gefährdet unsere Gesundheit. Es braucht klare
Kriterien für die Arbeitseinstellung, wenn das Wetter gefährlich wird.
Q Unsere Gesundheit ist kein Privileg. Wird die Arbeit bei Schlechtwetter
eingestellt, braucht es volle Lohnfortzahlung.
Q Sichere Arbeit hat keinen Preis. Arbeitsschutzkleider sind vom Arbeitgeber zu bezahlen.
Unsere Zukunft: Faires Bauen
Q Gutes Bauen braucht Zeit. Bauherren – insbesondere die öffentliche
Hand – müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und realistische Termine
akzeptieren.
Q Wir arbeiten fürs Leben. Es braucht Arbeitszeitmodelle, die Arbeit und
Freizeit ins Gleichgewicht stellen.
Q Erfahrene Bauarbeiter tragen den Bau. Langjährige Bauarbeiter
brauchen einen ausgebauten Kündigungsschutz statt Angst vor Entlassung
im Alter.
Der Polier | November 2016
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Drei Basler Poliere zum Zustand ihrer Branche
«So kann es nicht weitergehen!»
Zeitdruck, Kostendruck, Stress, Qualitätsverlust, vernachlässigte Sicherheit. Polier Marcel Mösch arbeitet immer noch
gerne. Aber er weiss, dass viele seiner Kollegen ihren Beruf «nicht mehr mögen».
(ck, Lucien Robischon, ms) Maurizio
Vesco, seit 23 Jahren Polier, sagt: «Ich
bin nicht pessimistisch. Aber in
unserer Branche muss sich etwas
ändern.» Sein Kollege Marcel Mösch,
der «27 Jahre auf dem Bau Gas gegeben» hat, meint: «So kann es nicht
weitergehen.» Und Peter Stebler, der 43
Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel
hat, ist überzeugt, dass es «irgendwann
klöpft». Vesco und Mösch ziehen
Einfamilienhäuser am Rande Basels
hoch. Stebler leitet den Anbau eines
Hotels in der Innenstadt. Die drei
Poliere beklagen den ständig steigenden Druck auf den Baustellen, der
zwangsläufig auf Kosten ihrer Sicherheit gehe und die Qualität ihrer Arbeit
beeinträchtige. Sie sind Schaffer und
alle drei betonen, dass sie ihre Arbeit
gern haben. Eigentlich. «Ich höre von
vielen Kollegen, dass sie nicht mehr
mögen», sagt Mösch. Und auch er
redet ungefragt über seine Frühpensionierung: «Ich bin 56, die vier Jahre
mach ich jetzt auch noch». Stebler
kann mit 59 Jahren schon bald die
Tage zählen, bis für ihn Schluss ist. Die
Erfahrenen würden jetzt nach und
nach pensioniert, sagt er. Und es
schwingt mit: Dann wird es auf dem
Bau noch schlechter.
Maurizio Vesco: «Wenn es so weitergeht,
wird es immer mehr Temporäre geben.»
Foto: Chris Kelley
4
Der Polier | November 2016
Maurer als Subunternehmer. Das Tempo, sagt Peter Stebler, «ist nicht mehr normal».
Foto: Manu Friederich
«Gescheit schaffen»
Dass einiges falsch läuft in ihrer
Branche, das meinten auch die Delegierten der Bauleute auf einer UniaBerufskonferenz im letzten Juni. Sie
erarbeiteten deshalb ihre Vorstellungen
von Veränderungen, das «Manifest
Faires Bauen» (S. 3). Seine entscheidenden Punkte: Einschränkung von
Temporärarbeit und wirksame Massnahmen, um Lohndumping zu
verhindern; realistische Terminplanung, um die Qualität zu verbessern;
klare Regeln zur Arbeitseinstellung,
wenn das Wetter gesundheitsgefährdend wird.
Lohnsicherheit und Bedingungen,
«unter denen wir gescheit schaffen
können», sind auch für Marcel Mösch
entscheidend. Er fügt ein aktuelles
Thema hinzu: Die Überlegungen der
bürgerlichen Parteien zur Erhöhung
des ordentlichen Rentenalters auf 67.
Das hätte zwangsläufig Konsequenzen
für die Frühpensionierung der Bauleute. Und es drohte neuer Ärger. Mösch:
«Die Rente mit 60 ist absolut bedingungslos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Bauleute das noch
einmal nehmen lassen.»
Eine Begrenzung der Zahl der Temporären sehen die drei befragten Poliere als
eine der grössten Herausforderung.
«Wichtig, aber schwierig», sagt Marcel
Mösch. «Wenn es so weitergeht, wird
es im Gegenteil immer mehr geben»,
befürchtet Vesco. Und: «Wir haben als
Poliere zu wenig Einfluss.» Stebler
verweist auf die Geschäftspolitik der
Unternehmen: «Sie wollen nicht mehr
Festangestellte haben. Weniger Leute
sollen die gleiche Leistung bringen,
sonst rentiert es sich nicht.»
Das Problem sei auch nicht ausschliesslich deren Zahl, sondern die Qualität
ihrer Arbeit, fährt er fort. «Zu viele
haben keine genügende Ausbildung
und du musst ihnen jeden Handgriff
erklären. Da fängst du immer wieder
bei Null an, schliesslich bist du
verantwortlich für die Genauigkeit
ihrer Arbeit.» Deshalb möchte Mösch
auch möglichst immer die gleichen
Leute in seinem Team haben. Peter
Stebler hält die verbreitete Kritik an der
Leistung der Temporären für überzogen: Es komme darauf an, wie der
Polier und der Bauführer mit ihnen
umgehe. «Wenn sie die Leute nur
runtermachen, funktioniert es nicht.»
Der Stress
Solches Verhalten kann sich Stebler
allerdings auch erklären. Es ist der
Stress, der sowohl den Temporären und
Akkordanten, als auch den Polieren
und Bauführern zusetzt. Das Tempo, in
dem zum Beispiel Maurer oder Schaler
arbeiten, sei «nicht mehr normal».
Doch Bauherren und Firmen forderten
das. Der Zeitdruck beginne bereits bei
den Architekten und werde dann
«Man könnte bei
der Auftragsvergabe
das höchste und
das tiefste Angebot
streichen» Peter Stebler
immer weitergegeben. Bis zu den
Arbeitern. «Die Chefs wissen schon,
dass die Zeitvorgaben nicht einzuhalten sind. Man sieht das verdammte
Gehetze den Bauten an», ergänzt
Mösch. Und Stebler: «Die Qualität ist
katastrophal. Es werden viele Fehler
gemacht, die es früher so nicht gab.»
Die Terminvorgaben und die Kosten
seien nicht realistisch kalkuliert, meint
auch Vesco: «Für die Firmen ist es eben
die Hauptsache, an Aufträge zu
kommen.» Wer da noch Qualitätsarbeit
abliefern wolle, lege zwangsläufig
drauf.
Marcel Mösch: «Die vier Jahre mach ich jetzt noch.» Foto: Chris Kelley
Bauen braucht Zeit
Stebler arbeitet in einem Familiengeschäft und beobachtet seit Jahren die
Änderungen in der Branche. Früher
habe man alles in Ruhe besprechen
und dann gemeinsam organisieren
können. «Heute ist dazu keine Zeit
mehr. Der Polier muss alles selber
machen und manchmal auch noch die
Arbeit von Handlangern erledigen.
Man hat keine Zeit mehr, um zum
Beispiel nach dem Schalen gleich
aufzuräumen. So bleiben Stolperfallen
einfach liegen.»
Das Thema müsse deshalb wieder
sein: Bauen braucht Zeit und Bauen
kostet. Man könnte bei der Auftragsvergabe das höchste und das tiefste
Angebot streichen, schlägt Stebler vor.
Um sich dann gleich wieder zu fragen:
«Aber dann motzen die wieder über
angebliche Eingriffe in den freien
Markt.»
Arbeit bei Hitze: Stundenlang in der prallen Sonne zu arbeiten beeinflusst die Leistungsfähigkeit, sagt Maurizio Vesco. Foto: Manu Friederich
Der Polier | November 2016
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Faires Bauen: Das sagen die Verantwortlichen der Städte
Auftragsvergabe nur an saubere Firmen
Wie verhindern die Städte prekäre Arbeitsbedingungen auf ihren Baustellen? Nachfragen in Zürich, Basel, Bern und
Luzern*.
Subunternehmen und die Verpflichtung zu den GAV-Bestimmungen. Sie
betont ausdrücklich, dass die direkten
Auftragnehmer für die Netto-Mindestlöhne aller Beschäftigten haften.
Strassenbauer bei der Erneuerung von Schienen: Die Baudirektorinnen und -direktoren sind davon
überzeugt, Vertragsverstösse und Lohndumping ausschliessen zu können. Foto: Manu Friederich
(ms) Mit ihrem Manifest zu fairem
Bauen wenden sich die Bauleute der
Unia gegen die verbreiteten prekären
Arbeitsbedingungen. Dazu fordern sie
unter anderem eine Begrenzung der
Temporärarbeit und eine bessere
Kontrolle der Subunternehmerketten.
Temporärarbeit begrenzen?
Das sei als Eignungskriterium bei der
Auftragsvergabe zum Umbau des
Berner Stadttheaters bereits aufgenommen worden, schreibt Ursula Wyss
(SP), die Direktorin des Berner Tiefbau-
Ethik-Charta im Waadtland
Eine Ethik-Charta soll in der Waadt
sicherstellen, dass es bei öffentlichen Bauvorhaben im Kanton nicht
mehr zu Lohndumping und anderen
Vertragsverstössen kommt. Darauf
haben sich Regierung, Gemeinden,
Architekten- und Ingenieursverbände, die kantonalen Sektionen des
Baumeisterverbandes und der Unia
verständigt. Bei Vergaben soll nicht
automatisch das billigste Angebot,
sondern die Offerte mit dem besten
Preis-Leistungs-Verhältnis zum Zug
kommen. Zur Bekämpfung von
Schwarzarbeit müssen Subunternehmen angegeben werden. Diese
müssen sich zur Einhaltung des
GAV verpflichten. Diesbezügliche
Kontrollen sollen durch ein BadgeSystem für alle Bauarbeiter
erleichtert werden.
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Der Polier | November 2016
amtes. André Odermatt (SP), der dem
Hochbauamt der Stadt Zürich vorsteht
hält die Beschränkung von Temporären an sich zwar für eine «verlockende
Überlegung». Sie diskriminiere jedoch
gerade kleinere Firmen, die die Möglichkeit haben müssen, Arbeitsspitzen
mit Temporären bzw. Subunternehmen
auffangen zu können. Grundsätzlich
müssen sich die direkten Auftragnehmer in Zürich jedoch zu eigener
Mindestleistung verpflichten. Der
Beizug von Subunternehmen bedarf
zudem der ausdrücklichen Erlaubnis
und diese dürfen keine weiteren
Subunternehmer beiziehen.
Bestätigung durch Paritätische
Kommission
Vor einer Auftragsvergabe des Zürcher
Hochbauamtes müssen sich Drittunternehmen die Einhaltung des Bau-GAV
durch die zuständige Paritätische
Kommission (PK) der Sozialpartner
bestätigen lassen. Diese Bestätigung ist
auch in Bern und in Basel entscheidend. Hans-Peter Wessels (SP) von der
Basler Baudirektion verlangt von den
direkten Auftragnehmern, sie auch für
ihre Subunternehmen vorzulegen. Die
Auftragnehmer seien darüber hinaus
verpflichtet, die Vertragsbedingungen
im Hauptvertrag auch auf mögliche
Subunternehmer zu übertragen. Auf
der Grundlage glaubt er, auf eine
Plafonierung der Temporären verzichten zu können. Genau wie Manuela
Jost (Grüne), die Direktorin des
Luzerner Tiefbauamtes. Auch ihr Amt
verlangt schon in den Ausschreibungsunterlagen eine Benennung der
Filippo Leutenegger (FDP), der Direktor
des Zürcher Tiefbauamtes, verweist
darauf, dass die Arbeiten seiner
Behörde «in der Regel» vom Tiefbauamt selbst erledigt und dabei die ortsund branchenüblichen Bedingungen
befolgt werden. Der Anteil der Subunternehmen auf städtischen Tiefbaustellen liege insgesamt unter 10 Prozent.
Auf einzelnen Baustellen dürfe er nicht
über 40 Prozent steigen. Auch in
diesem Amt müssen die Auftragnehmer ihre Subunternehmen zudem
vorab deklarieren und genehmigen
lassen. Schliesslich seien die Projektleitenden des Tiefbauamtes angehalten, einen Verdacht auf Verstösse
gegen Arbeitsschutzbestimmungen
und den GAV beziehungsweise die
branchenüblichen Vorschriften zu
melden.
Kein Termindruck
Viele Poliere klagen darüber, dass der
Termindruck auf Kosten der Gesundheit der Bauleute und der Qualität
ihrer Arbeit gehe (vgl. das Gespräch
mit Basler Polieren S. 4–5). Auf städtischen Baustellen werde jedoch genügend Zeit eingeplant. Davon sind alle
befragten Baudirektorinnen und
-direktoren überzeugt. Auch wenn sie,
zum Beispiel bei Schulbauten, in der
Planung selbst an genaue Vorgaben
gebunden sind. Oder wenn sie, etwa
bei Quartiersanierungen, die Belastungen für Anwohnerinnen und Geschäfte
in möglichst engen Grenzen halten
müssen. Ursula Wyss schreibt, dass bei
intensiver, also mehrschichtiger und
sechstägiger Bauweise die Unternehmer den Nachweis erbringen müssen,
dass die arbeitsrechtlichen Bedingungen eingehalten werden. Und dass die
Schichtpläne vorab der Paritätischen
Kommission und der Gewerkschaft
Unia vorgestellt werden müssen.
*Die Baudirektionen aus St. Gallen,
Winterthur und Biel beantworteten
unsere Fragen nicht.
Faires Bauen beginnt beim Architekten
Gut vorbereitet mit einem schlauen Konzept
Der Architekt Jürg Sollberger ist davon überzeugt, dass auch ohne Lohn- und Termindruck gut und günstig gebaut werden
kann.
(rs/ms) Der Polier: Herr Sollberger,
Ihr Büro plant Bauvorhaben und führt
sie auch aus. Sie sollten deshalb
wissen, wie viel die einzelnen Arbeitsleistungen beim Bau mindestens
kosten müssen. Und Sie sollten
erkennen, wenn bei der Ausführung
Arbeitende betrogen werden.
Sollberger: Wir sind ein stark lokal und
regional tätiges Architekturbüro und
ja, wir bieten alle Leistungen von der
Planung bis zur Bauführung an. Da
wissen wir, was zum Beispiel Gipserarbeiten wert sind, damit sie qualitativ
gut gemacht werden können.
Wie können Sie Ihren Einfluss bei der
Auftragsvergabe wahrnehmen?
Wir wollen, wenn immer möglich, bei
den Vergabeverhandlungen dabei sein.
Denn als bauführende Architekten sind
wir interessiert an guter Arbeit,
effizienten Abläufen und guter Stimmung auf der Baustelle. Deshalb
definieren wir in Absprache mit der
Bauherrschaft Ausschreibungsbedingungen.
Welche Bedingungen stellen Sie?
Der Unternehmer, der bei der Offerte
respektive beim Verhandlungsgespräch
einen Preis für sein eigenes Team
offeriert, kann zum Beispiel nicht
plötzlich ohne Begleitung durch den
Verantwortlichen drei ungarische
Gipser auf den Bau schicken und der
Chef ist nirgends.
Verbieten Sie demnach die
Weitergabe von Aufträgen an
Subunternehmer?
Nein. Aber sie müssen deklariert
werden. Das wird bereits in der
Der Genossenschafter
Der Architekt Jürg Sollberger, 60,
gehört zur Geschäftsleitung des
Berner Architektur- und Planungsbüros Reinhardpartner. Zugleich ist
er Präsident des Regionalverbandes Bern-Solothurn der Wohnbaugenossenschaften Schweiz.
Ausschreibung verlangt. Wenn später
andere Firmen dazu kommen sollen,
muss das vorab von der Bauherrschaft
oder von uns genehmigt werden.
Können Sie auf diese Weise
zumindest Subunternehmerketten
ausschliessen?
Solche Kaskaden haben wir bis jetzt
noch nicht erlebt; das hängt wahrscheinlich mit unseren überschaubaren
Aufträgen und Bauherrschaften
zusammen. Ein Subunternehmer, das
gibt es. Das sind meistens aber Firmen,
die sich kennen und sich im Raum
Bern bei Termindruck oder Kapazitätsproblemen gegenseitig aushelfen. So
erleben wir das. Aber auch so ein
Subunternehmen muss von der
Bauherrschaft akzeptiert werden sowie
Konstanz und Qualität garantieren.
Und das schaffen Sie trotz der vielen
Temporärarbeiter auf dem Bau?
Temporäranstellungen sind eine
Realität, die wir nicht ausschliessen
wollen. Aber auch das ist in unserem
eigenen Interesse bei den Verhandlungen stets ein Thema. Wir wollen
nicht jeden Tag neue Leute instruieren
müssen. Wir legen deshalb den
Bauherren nahe, darauf zu achten, dass
die Zuständigkeiten klar definiert sind.
Mit einem eingespielten Team und
klaren Verantwortlichkeiten erhalten
wir die verlangte Qualität.
Überzeugt das auch die Bauherren?
Wir sprechen es jedenfalls immer an.
Ein stabiles Team ist die Voraussetzung
für gute Qualität und damit auch
kostensparend. Aber durchsetzen
können wir uns nicht immer.
Letztlich entscheidet also doch der
Preis?
Ja, der Preis ist selbstverständlich ein
sehr wichtiges Argument, schliesslich
wollen wir für den Bauherrn das beste
Kosten- und Nutzenverhältnis erreichen. Aber gute Vorbereitung und
Planung eines schlauen Baukonzeptes
und des Bauablaufes sind viel wichtiger
für den Endpreis als Drückerei gegenüber dem Unternehmer auf der
Baustelle. Günstige Häuser sind
diejenigen, die langfristig in der
Jürg Sollberger: «Wir haben einen äusserst
attraktiven Beruf, in dem es offenbar kein
Problem ist, auch mit relativ tiefen Löhnen
Nachwuchs zu finden.» Foto: Manu Friederich
Gesamtbetrachtung mit Investitionsund Betriebskosten über 20 bis 30
Jahre günstig sind und nicht diejenigen, die die tiefsten Anfangsinvestitionen haben. Diese Erkenntnis setzt
sich bei den Bauherrschaften zum
Glück immer mehr durch.
Auch Sie sind mit Ihrem Büro der
starken Preis-Konkurrenz ausgesetzt
und müssten Ihre eigenen Angestellten unter Druck setzen.
Es gibt eben viele Büros, die Arbeit
suchen. Wir stellen in letzter Zeit
teilweise bei unseren Offerten Differenzen in einem Ausmass fest, die schlicht
nicht mehr erklärbar sind. Es kommt
vor, dass wir um die Hälfte teurer als
Mitbietende sind. Da ist uns unbegreiflich, wie eine Aufgabe so verschieden
beurteilt werden kann. Wahrscheinlich
werden Aufträge einfach «eingekauft»,
nach dem Motto: ein Auftrag ist besser
als nichts.
Das kann doch nur funktionieren, weil
in der Branche teilweise immer noch
schlechte Löhne bezahlt werden.
Braucht Ihre Branche also einen GAV?
Ja. Und es erstaunt mich schon, dass
ausser uns nur ein weiteres Büro in der
Region einen GAV hat. Aber wir haben
eben einen äusserst attraktiven Beruf,
in dem es offenbar kein Problem ist,
auch mit relativ tiefen Löhnen Nachwuchs zu finden.
Der Polier | November 2016
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Weltrekord: Die neue Stoosbahn und ihre Erbauer
«Wir haben uns Stück für Stück an die
Steilheit gewöhnt»
Rund 150 Menschen leben auf dem Stoos im Kanton Schwyz. Bald werden sie über die weltweit steilste Standseilbahn
versorgt.
(ck/ms) Schon der Blick hinauf ist
atemberaubend: Ausgerechnet den
steilsten Hang des Stoos soll die neue
Standseilbahn künftig hochklettern.
Um das Dörfchen oben mit der Strasse,
die von Schwyz ins Muotathal führt,
zu verbinden. Eine neue Talstation,
eine Brücke und dann geht’s schnurgerade hoch. Mit Steigungen von bis zu
47 Grad und durch drei Felsbänder, die
untertunnelt werden. Der erste
Eindruck: Ein bisschen verrückt ist das
ganze Projekt schon.
Reinhold Boiger, der Baustellenchef für
die drei Tunnel, kennt solche Zweifel.
Als Bauingenieur, leidenschaftlicher
Kletterer und ehrenamtlicher Bergretter bringt er alles mit, um es trotzdem
«Bei uns steht
niemand unter dem
offenen Fels.»
zu schaffen. Und für einen Weltrekord
zu sorgen: Die steilste Standseilbahn,
die je gebaut wurde.
Sicherheit geht vor
Die erste Sprengung am obersten der
drei Tunnel erfolgte im Mai 2014. Es
geht talwärts voran, die Arbeiter sind
so vor dem ausgebrochenen Geröll
besser geschützt als bei Sprengungen
von unten nach oben. Diese Bauweise
ist zwar aufwendiger, schon aufgrund
der umständlichen Materialzufuhr und
Gesteinsräumung. Doch Sicherheit
geht vor: Die Arbeitsgemeinschaft von
Implenia und Vetsch-Klosters erhielt
den Bauauftrag, obgleich sie nicht das
billigste Angebot gemacht hatte.
Implenia ist dabei für die Tunnel und
die Baustellenversorgung zuständig,
Vetsch-Klosters vornehmlich für die
Hangsicherung, die beiden Brücken
und das Trasse.
Am Stoos: ein erster Tunnelblick hinab.
Fotos: Manu Friederich
8
Der Polier | November 2016
Das oberste Teilstück ist noch vergleichsweise flach. «Wir haben uns
an einem beweglichen Bagger-Arm
eine Baggerschaufel montiert. Nach der
Räumung wird die Schaufel durch eine
Düse ersetzt, welche Trockenspritzbeton zunächst an die Decke der neu
aufgebrochenen Strecke spritzt. Boiger:
«Erst wenn dieser Kopfschutz gespritzt
ist, gehen die Leute runter und sichern
mit Ankern und Stahlnetzen die
Wände. Bei uns steht niemand unter
dem offenen Fels.»
Pech und Pannen
Wenn alles gut läuft, schafft das Team
vier Sprengungen pro Woche und
bricht dabei insgesamt 12 Meter aus.
Mit dem Durchstich auch dieses
letzten Tunnels ist je nach den Witterungsverhältnissen im Winter zu
rechnen. Diverse technische und
geologische Probleme hatten den
Tourismusdestination Stoos mit dem Verlauf der alten (rechts) und der neuen Standseilbahn.
Karte: Stoosbahnen AG.
Stück für Stück an die Steilheit gewöhnt», erzählt Boiger. Wobei seine
Mineure, zur Zeit sind es 18 Mann,
überwiegend mit langen Erfahrungen
im Tunnel, vieles neu lernen mussten.
Vor allem, wie sie sich gegen Abstürze
sichern konnten. Bereits der zweite
Tunnel ist so steil, dass sie nur noch
angebunden an einem Seil arbeiten
konnten, um im Falle eines Ausrutschers sofort aufgefangen zu werden.
Boiger vergleicht es mit den Sicherungsmassnahmen von Dachdeckern.
«Inzwischen bewegen sich die Jungs
sehr sicher. Bis auf kleine Blessuren hat
es keine Unfälle gegeben. Und das soll
auch so bleiben. Sicherheit geht bei
uns absolut vor.»
Artisten im Tunnel
In der Tat hat es etwas Artistisches, wie
die Mineure in aller Ruhe arbeiten und
scheinbar ganz ohne Anstrengung
auch die steilsten Treppen hinauf- und
hinabgehen. Zum Schichtwechsel
fahren wir mit einer elektrisch-hydrau-
Und vor dem Gefälle hat uns Boiger
dringend gewarnt: Wir sollten unbedingt die Fahrt abbrechen, wenn es uns
zu mulmig würde.
Der erste Tunnel: fast noch gemütlich.
Der zweite: gut, dass wir so langsam
fahren. Der dritte: besser nicht nach
vorne schauen. Wir halten hinter der
Vortriebsmaschine, von hier aus geht
es für Mutige und Schwindelfreie auf
steilen Stufen weiter runter zur
Ortsbrust. Dort wird gerade das nach
der letzten Sprengung gelöste Gestein
durch ein Schutterloch nach unten
geschickt.
Dazu hat die speziell für die engen
Tunnel entwickelte Vortriebsmaschine,
ein 60 Tonnen schweres Stahlgebilde,
«Die Jungs freuen
sich alle wieder auf
einen normalen
Tunnelbau.»
Zeitplan des ganzen Unternehmens
zunächst durcheinander gebracht.
Andererseits mussten im Steilgelände
mehr Sicherungsmassnahmen eingebaut werden, als ursprünglich geplant.
In der Folge brauchten die Spezialisten
von Vetsch-Klosters, die vielfach am
Seil hängend den Hang befestigen
mussten, mehr Zeit als ursprünglich
vorgesehen. Die Arbeiten am letzten
Tunnel konnten deshalb nicht vor
diesem Frühjahr starten. Jedenfalls sind
die Hauptarbeiten jetzt bald getan. Die
«Damit entsteht im
Stoos die steilste Standseilbahn der Welt, ein
Rekord, der alle Beteiligten stolz macht»
lisch angetriebenen Windenbahn
hinab, bis zum dritten und steilsten
Tunnel, der in diesen Wochen ausgebrochen wird. Das Sicherheitsgeschirr,
mit dem wir uns anseilen können,
erschwert schon das Laufen geradeaus.
Die Abfahrt: Bevor die drei Felsbänder untertunnelt wurden, mussten die Hänge gesichert werden.
Foto: Ivan Steiner
Der Polier | November 2016
9
neue Bahn wird dann voraussichtlich
im Winter nächsten Jahres den Betrieb
aufnehmen.
Verkehr abgeschlossen. Deshalb die
Entscheidung, etwas komplett Neues
zu bauen.
Strecke sind so weit gesichert, dass ein
Steinschlag so gut wie auszuschliessen
ist, meint auch Boiger.
Dann hat die alte Stoosbahn endgültig
ausgedient, ihre Konzession ist abgelaufen. 83 Jahre war sie die Lebensader
für die etwa 150 Dörflerinnen und Dörfler auf dem Berg. Alles was dort oben
benötigt wurde, schaffte sie rauf,
jährlich etwa 7000 Tonnen. Hinzu
kamen die Besucherinnen und Besucher, die Wanderer im Sommer, die
Skifahrerinnen im Winter.
Touristische Attraktion
Bleibt allerdings die Frage, warum es
ausgerechnet genau an dieser Stelle des
Bergs sein musste. «Damit entsteht im
Stoos die steilste Standseilbahn der
Welt, ein Rekord, der alle Beteiligten
stolz macht», meint Boiger schmunzelnd. Die neue Bahn ende direkt im
Dorf und nahe bei den Skiliften, das sei
sicher ein weiterer Vorteil. Bruno
Lifart, der Gesamtprojektleiter der
neuen Stoosbahn, hält die gerade
Strecke auch für sicherer. Bei der alten
Strecke schräg zum Hang habe immer
die Gefahr bestanden, dass der Zug
seitlich von Lawinen oder Steinschlag
getroffen wird. Die Hänge der neuen
Auch er anerkennt aber den wohl
entscheidenden Grund für die Streckenwahl: Die Entwicklung des
Tourismus auf dem Stoos. «Das
Weltrekordprojekt wird zweifellos viele
Neugierige anziehen.»
Die alte Strecke führt in einem Bogen
quer zum Hang hinauf, auch so muss
sie beachtliche Steigungen bis zu 38
Grad schaffen. Auf diesem Trasse eine
neue Bahn zu bauen, hätte das Dorf
während der ganzen Bauzeit vom
Klar, dass auch die Erbauer ganz neue
Erfahrungen machen konnten und
künftig mit berechtigtem Stolz auf ihr
Werk verweisen können. Werden sie
ihr Wissen um die waghalsige Bauweise
anderenorts wieder nutzen können?
Boiger: «Es gibt Überlegungen, aber
noch nichts Konkretes. Die Jungs
freuen sich alle wieder auf einen
normalen Tunnelbau.»
Sicherheit zuerst: Das obligatorische Geschirr für alle Mineure.
Schichtwechsel: Mineure auf der Fahrt zu ihrem Arbeitsplatz.
Blick aus der Vortriebsmaschine: Das letzte ausgebrochene
Tunnelstück.
Die Ortsbrust: Nach der Sprengung wird das gelöste Gestein durch ein
Schutterloch nach unten geschickt.
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Der Polier | November 2016
Hadrian: schneller, genauer, sauber und sicher?
In zwei Tagen steht das Haus
Ein australisches Unternehmen hat einen Bauroboter entwickelt.
Er soll die Branche revolutionieren.
(ms) Der Name ist irreführend. Denn
es geht nicht um Altertümliches aus
römischen Zeiten. Hadrian, Kaiser des
Imperiums zu Beginn des zweiten
nachchristlichen Jahrhunderts, liess im
Norden Britanniens eine 117 Kilometer
lange Grenzbefestigung bauen. Jetzt ist
er der Namensgeber für einen grossen
Coup in der Bauindustrie: Für einen
fahrbaren Roboter, der bis zu 1000
Steine pro Stunde vermauern kann.
Gut zehn Jahre hat das Bauunternehmen Fastbricks Robotics aus dem westaustralischen Perth gerechnet, geschraubt, experimentiert und dabei
rund 7 Millionen US-Dollar versenkt.
Dafür soll Hadrian «die Geschwindigkeit, Genauigkeit und Sicherheit der
weltweiten Bauindustrie erheblich
verbessern», wie ein Firmensprecher
erklärt.
Schicht für Schicht
Der Roboter arbeitet nach einem
digitalisierten dreidimensionalen
Bauplan, der ihm die Position jedes
einzelnen Bausteins angibt. Mit seiner
Hadrian fährt den Greifarm aus: Jetzt kann er im Radius von 28 Metern Steine stapeln.
Foto: Fastbricks Robotics
Greifhand packt er die Ziegel, kürzt sie
gegebenenfalls, lässt Mörtel oder
Kleber darauf fliessen und legt sie an
die richtige Stelle. So baut er wie ein
3D-Drucker: Schicht für Schicht
entsteht der Rohbau. Die Greifhand
sitzt an einem Teleskoparm, der bis zu
28 Meter ausfahrbar ist. In diesem
Radius kann er bauen, und das auf 0,5
Millimeter genau.
Eine Villa aus dem Drucker
Seine australischen Entwickler sprechen beim Bauroboter Hadrian davon, dass er
Häuser «drucke». Genau das macht eine chinesische Konkurrentin.
Gut sechs Meter hoch, 10 Meter breit und 150 Meter lang. Das sind die Abmessungen eines «Druckers», mit dem das chinesische Unternehmen Winsun seit
bald zwei Jahren Bauteile aus recyceltem Bauschutt produziert. Nach eigenen
Angaben schaffte der Drucker bereits 2014 pro Tag die Teile für 10 einfache
Häuser. Mittlerweile ist Winsun in der Lage, dreistöckige «Luxusvillen» herzustellen, die dann von 8 Personen in einem Monat zusammengesetzt werden. Die
britische Tageszeitung «Guardian» schreibt, dass dank des Druckverfahrens die
Baukosten «mindestens halbiert» werden.
Das Programm, dem der Drucker folgt, basiert genau wie beim australischen
«Hadrian» auf einem digitalisierten dreidimensionalen Modell. Der Unterschied:
Winsun lässt die Bauteile wirklich drucken. Die «Tinte» dazu besteht laut dem
«Guardian» aus einem körnigen Teig aus Schutt, Glasfasern, Stahl, Zement und
Bindemitteln, dem «Crazy Magic Stone» (verrückter Wunderstein). Er braucht 24
Stunden, um zu trocknen.
Winsun plant, weltweit 3D-Druckerwerke zu errichten, unter anderem in Dubai,
Britannien und in Frankreich. In China selbst sollen an die hundert Fabriken
entstehen. Auch ein erster Grossauftrag wurde bereits gemeldet. Danach will
sich Ägypten 20000 eingeschossige Wohnungen drucken lassen. Dazu liefert
das Unternehmen den Drucker und die Formel für die Tinte.
Dabei soll Hadrian mit minimaler
menschlicher Unterstützung auskommen: Mit Maschinisten zur Steuerung
und ehemaligen Maurern, die den
ganzen Prozess beaufsichtigen. Der
geringe Personalbedarf sei «einer der
wichtigsten Gründe zur Entwicklung
des Roboters» gewesen, sagt Firmenchef Marc Pivac.
Noch veröffentlicht Pivac keine
genaueren Daten zum Preis von
Hadrian. Dank geringerer Lohnkosten
einerseits, massiv verkürzter Bauzeit
andererseits soll Hadrian sich in der
Anschaffung rechnen. Für Bauunternehmen wie für künftige Hauskäufer.
Ob diese Rechnung aufgeht, muss sich
allerdings erst noch zeigen. Die
Maschine ist zwar bereits in allen
westlichen Industriestaaten und in
China patentiert. Ihre Vermarktung ist
jedoch noch nicht angelaufen.
Viele Fragezeichen
Viele Fragen bleiben offen. Wie steht es
mit der Qualität solcher in zwei Tagen
hingeklotzten Bauten? Dann: Rechnet
sich eine solche Maschine in einer
Branche mit vielen kleinen Firmen, die
grundsätzlich Unikate herstellen will?
Und nicht zuletzt: Was wird aus den
Beschäftigten und ihren Berufskenntnissen, wenn sich langfristig solche
Automatisierungsschritte in der
Branche durchsetzen? All diese Fragen
müssen sich in nächster Zeit gerade
auch die Beschäftigten der Branche
stellen – insbesondere die Maurer von
heute.
Der Polier | November 2016
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Polier-Porträt: Miladin Velickovic
Es war einmal ein Tellerwäscher
Miladin Velickovic hat auf dem Bau
eine märchenhafte Karriere hingelegt.
Man müsse seine Arbeit lieben, meint
dazu der St. Galler Polier.
(sb) «Als ich bei der Firma anfing, war
das unser grösster Kran», sagt Miladin
Velickovic und zeigt nach oben. Zwölf
Jahre später ist er mit 45 Metern der
Kleinste im Kranpark der Keller
Bauunternehmung. Ihm selber ging es
irgendwie ähnlich. Als er 2001 aus
Serbien in die Schweiz kam, wo seine
Eltern schon lange lebten, war seine
Ausbildung in der Schweiz nicht
anerkannt. Heute ist er Polier und hat
die wichtigsten Baustellen des Unternehmens unter sich.
Drei Ordner
Velickovic hatte Werkzeugmacher
gelernt, im vierten Lehrjahr war er der
beste Lehrling im Land. «In der
Schweiz arbeitete ich zuerst bei
McDonald’s». Nach ein paar Monaten
konnte er aber als Arbeiter zu einer
Recyclingfirma wechseln, kurze Zeit
später hatte er bereits die Prüfung zum
Maschinisten im Sack. 2004 wechselte
er auf den Bau und stieg Jahr für Jahr
höher auf. Angefangen habe er als
einfacher Arbeiter, doch bald schon
war er Kranführer. Er lernte mauern
und büffelte Theorie. «Drei Ordner!»,
lacht er. «Die Polierprüfung habe ich
trotzdem nicht machen können, dazu
fehlte mir die Schweizer Lehre in
einem Bauberuf.» ˛
Schlimm fanden das weder der Firmenbesitzer noch er selber. Als der JuniorChef ins Militär musste, übernahm er
versuchsweise dessen Baustelle. «Eine
abgebrannte Fabrik, die zuerst rückund dann neugebaut werden sollte»,
erklärt er. Einen ganzen Kilometer
Spannkabel hätten sie verlegen
müssen, das Schweissen sei für ihn
eine grosse Freude gewesen. Ein paar
weitere Baustellen übernahm er
probeweise, dann bekam er seine erste
eigene.
Zurzeit sind es zwei Projekte, allerdings
eher unübliche: Eine Luxusvilla im
Vorarlberg und eine weitere hoch oben
im Appenzellerland, mit Sicht vom
Bodensee bis zum Alpstein. «Beides
sind kleinere Baustellen, aber hier bin
ich der ideale Mann.» Weil es vier
Stockwerke in die Tiefe geht, musste
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Der Polier | November 2016
Miladin Velickovic: «Manchmal ist es schon stressig. Vor einigen Jahren hatte ich deswegen einen
leichten Herzinfarkt.» Foto: Michael Schoch
die Schalung mit Stahlplatten gemacht
werden und da brauchte es seine
Schweisskenntnisse.
Fachlich ist Miladin Velickovic auf eine
andere Baustelle wirklich stolz: Bei
seinem grössten Einsatz, einer Rheinta-
Meine erste Baustelle: «Eine abgebrannte
Fabrik, die zuerst rückund dann neugebaut
werden sollte.»
ler Dosenfabrik, verbaute er 22 Millionen Franken, 1850 Tonnen Armierungsstahl, Beton für 22 500
Quadratmeter. Er rattert noch einige
Kennzahlen herunter, grinst dann und
sagt: «Man muss seine Arbeit einfach
lieben.»
Der Stress
Obwohl: «Manchmal ist es schon
stressig, vor einigen Jahren hatte ich
deswegen einen leichten Herzinfarkt»,
gibt der 38-Jährige Velickovic zu.
Inzwischen gehe es ihm gut, er wisse,
wie er mit Druck umgehen muss. Seine
Gesundheit und überhaupt seine
Karriere verdanke er ohnehin der
Unterstützung seiner Frau. Auch sie
kommt aus Ex-Jugoslawien, eine
serbische Bosnierin. «Ich habe sie in
der Migros kennengelernt», lacht er.
Typisch Schweiz. Damals lebte er noch
in Serbien und besuchte nur seine
Eltern in der Schweiz. Kurze Zeit später
zog er aber in das St. Galler Rheintal
nach Marbach. Sie heirateten und
haben inzwischen zwei Kinder: Die
neunjährige Tochter wäre im Moment
am liebsten Sängerin und der zwölfjährige Sohn wolle Arzt werden. «Sie sind
beide sehr gut in der Schule», sagt der
stolze Vater.
Der Stolz
Stolz ist er auch auf die Firma, in der er
arbeitet. Ein Familienunternehmen, in
dem auch der Firmenchef mit anpacke,
wenn Not am Mann sei. Wie alle
Angestellten trage er täglich das grüne
T-Shirt mit dem Slogan «besser,
schneller – Keller». Er sei ein strenger,
aber sehr fairer Mann. Wenn er ihn
zum Beispiel um eine Lohnerhöhung
für einen Arbeiter im Team bitte, weil
dieser sehr gute Arbeit leiste, dann
bekomme er sie. Und auch Miladin
Velickovic selber ist zufrieden mit
seinem Lohn. Und der ist sicher.
Nachdem ihn sein Chef zum Polier
ernannt hat, untersteht er dem
Poliervertrag.