Aus der Professur für Geotechnik und Küstenwasserbau der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät Thesen der Dissertation Baggergut im Deichbau - Ein Beitrag zur geotechnischen Charakterisierung und Erosionsbeschreibung feinkörniger, organischer Sedimente aus dem Ostseeraum zur Einschätzung der Anwendbarkeit zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock vorgelegt von Dipl.-Ing. Anne-Katrin Große aus Bad Doberan Verteidigung am 09. Dezember 2016 1. Für die Beschreibung feinkörniger Baggergutsedimente aus dem Ostseeraum sind teilweise Anpassungen in der Versuchsdurchführung und der Auswertung einzelner Parameter notwendig, die sich vor allem auf die Parameter Körnung, Anteil der organischen Substanz, Beschreibung der Wasserdurchlässigkeit und der Proctorparameter sowie der Plastizitätsbeschreibung beziehen. 2. Der von Morscheck (1992) dargestellte Einfluss der Zusammensetzung auf die Körnung konnte innerhalb der Versuchsreihe bestätigt werden. Die Körnungsanalyse zur Bestimmung der mineralischen Kornzusammensetzung sollte daher für feinkörnige Baggergutproben mit einer Zerstörung der organischen und carbonathaltigen Bestandteile durchgeführt werden, da es sonst zu einer Verzerrung der tatsächlichen Anteile im Boden kommt, die Fehlinterpretationen nach sich ziehen. Eine Analyse mit Ultraschallbehandlung reicht nicht als alleinige Vorbehandlung aus. Eine zusätzliche Durchführung nach der bodenmechanischen Standardanalyse DIN 18123 ist zur Berücksichtigung der vorhandenen Aggregate und Muschelreste empfehlenswert, aber nicht zwingend notwendig. 3. Zur Bestimmung der organischen Anteile in Form des organischen Kohlenstoffes sollte für feinkörnige Baggergutböden die Elementaranalyse eingesetzt werden, da es bei der Bestimmung über den Glühverlust im Muffelofen zu überhöhten Ergebnissen kommen kann. Diese werden durch das Verglühen der kalkhaltigen Bestandteile im Boden erzeugt. 4. Die Analyse zur Wasserdurchlässigkeit feinkörniger Baggergutböden stellt durch die Kompressibilität der Materialien in Folge von organischen Bestandteilen und hohen Porenvolumina die Anforderung einer langsam gesteuerten und ständig kontrollierten Aufsättigung der Bodenproben (sogenannter „B-Test“). Bei unkontrollierter und zu schneller Sättigungsprozess wird die Luft in der Probe nicht ausreichend mit Wasser aufgefüllt, sodass im Ergebnis eine geringere Wasserdurchlässigkeit vorgetäuscht wird, die Größenordnungen von bis zu einer Zehnerpotenz betragen kann. 5. Die Durchführung des Proctorversuches nach der DIN 18127 bildet für feinkörnige Baggergutböden nur einen groben Rahmen zur Versuchsdurchführung, der bei einzelnen Böden angepasst werden muss. Grundsätzlich sollte der Versuch nach den Vorgaben der DIN für feinkörnige oder organische Böden mit einer maximalen Trocknungstemperatur von 60°C bis zu einem Wassergehalt zwischen der Schrumpf- und Ausrollgrenze getrocknet und dann wiederbefeuchtet werden. Ist die Durchführung der DIN nicht umsetzbar, weil der Boden nach der Trocknung weiterhin zu feucht für eine Wiederbefeuchtung ist, muss eine Trocknung unterhalb der Schrumpfgrenze erfolgen. Eine Trocknung bis zum Farbumschlag sollte aber auf jeden Fall vermieden werden. 6. Neben dem Trocknungspunkt spielt bei der Durchführung des Proctorversuches die Temperatur des Trockungsvorganges bereits unterhalb der vorgegebenen 60°C eine erhebliche Rolle, die zu gravierenden Unterschieden in den Ergebnissen führen kann. Eine genaue Dokumentation der Versuchsdurchführung sowie der Versuchsbedingungen ist daher für feinkörnige Baggergutböden zwingend notwendig. 7. Die Bestimmung der Plastizitätsbereiche von feinkörnigem Baggergut kann sowohl nach der DIN 18122 mit vorheriger Abtrennung der Grobkörner als auch mit dem Fallkegelversuch am gesamten Bodensystem durchgeführt werden (Kreutzfeldt, 2014). Insbesondere bei Böden mit einem Grobkornanteil von über 10 % sollte die Durchführung mit dem Fallkegelversuch bevorzugt 1 werden, da bei diesem Versuch auf die aufwendige Aussiebung der Grobkörner verzichtet werden kann und die Plastizität des gesamten Bodensystems und nicht die eines Bodenausschnittes bestimmt wird (Saathoff et al., 2015). 8. Eine Beschreibung der Erosionsbeständigkeit feinkörniger Baggergutböden über die vorgestellten Zerfallsversuche nach Endell und Weißmann sind in der bestehenden Form nicht für Baggergut geeignet. Neben einigen Randbedingungen sind auch Teile der Versuchsdurchführung und Auswertung dafür verantwortlich. 9. Ein grundsätzliches Problem besteht beim Weißmann-Versuch in der geringen Maschenweite des Drahtkorbes. Ein Teil der abgefallenen Aggregate kann so aufgrund ihrer Größe die Maschen nicht passieren, was in der Folge nicht als Gewichtsverlust aufgezeichnet wird. In Verbindung mit einer variablen Aggregatgröße gestaltet sich die Festlegung der richtigen Maschenweite aber als äußerst schwierig, da auch der Probekörper eine ausreichende Stabilität im Korb erhalten muss. 10. Im Endell-Versuch wird die Wiederholung des Zerfallsversuches für den Fall von im Korb verbleibenden Aggregaten empfohlen, welches aufgrund der großen Aggregate von Baggergutmaterialien aber keine ausreichende Lösung des Problems darstellt. 11. Die notwendige Probenvorbereitung zur Einstellung der verschiedenen Versuchszustände mit verschiedenen Wassergehalten, die über eine Trocknung oder Wasserzugabe realisiert werden, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Erosionsstabilität von Baggergut, die sich in der Regel negativ auswirkt. Eine vollständige Austrocknung bzw. eine Trocknung bis zum Farbumschlag sollte in der Probenvorbereitung vermieden werden. 12. Die Probenvorbereitung muss an die Besonderheiten von feinkörnigem, organischem Baggergut angepasst werden. 13. Sowohl in dem Zerfallsversuch nach Endell als auch im Versuch nach Weißmann konnte keine Abhängigkeit zwischen Wassergehalt und Zerfallszeit innerhalb der einzelnen Versuchszustände beobachtet werden. Vielmehr wurde bei dem Versuchszustand „Ofentrocknung“ eine deutliche Gewichtszunahme trotz abfallender Bodenteilchen registriert. Einzig beim Vergleich verschiedener Teilproben eines Materials bei natürlichem Wassergehalt zeigt sich die erwähnte Abhängigkeit. Eine Anpassung der einzelnen Versuchszustände an die Besonderheiten von Baggergut sollte weiter eruiert werden. 14. Qualitative Aussagen zu Unterschieden zwischen einzelnen Baggergutmaterialien bei natürlichem Wassergehalt sind aber bei beiden Zerfallsversuchen möglich, wobei der Zerfallsversuch nach Weißmann aufgrund der Probengröße und der dreimaligen Wiederholungen geeigneter als der Endell-Versuch mit nur einer Probe von geringerer Größe erscheint. Eine quantitative Aussage mit Bewertung der Materialien nach vorgegebenen Grenzwerten ist zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund fehlender Anpassungen der Grenzwerte für Baggergut aber nicht möglich. 2 15. Unterschiede zwischen Baggergutmaterialien ähnlicher Zusammensetzung mit gleichen Ton, Sand, Organik- und Kalkgehalten können durch eine unterschiedliche Organik-struktur verursacht werden. Diese kann beispielsweise über Pyrolyse-Feldionisation-Massenspektrometrie (Py-FIMS) bestimmt werden. Als Ursache für eine vergleichsweise höhere Zerfallsstabilität können ein höherer Lipidanteil sowie eine höhere Thermostabilität in Verbindung mit einer erhöhten biologischen Stabilität genannt werden. 16. Die direkte Prüfung nach Herstellung der Probekörper durch Verdichtung sollte aufgrund der aufgebauten Porenwasserdrücke vermieden werden. Eine Ruhephase zwischen Herstellung und Prüfung von mindestens 24 h kann das Zerfallsverhalten der Bodenproben deutlich verbessern und sollte daher in Erwägung gezogen werden. 17. Die Ergebnisse der angepassten Zerfallsversuche zeigen gute Korrelationen zu den Ergebnissen aus einer Laborströmungsrinne. Qualitative Beurteilungen zur Gefügestabilität von Baggergutböden bei natürlichem Wassergehalt (insbesondere im Vergleich verschiedener Baggergutmaterialien) können daher durchaus über die Zerfallsversuche vorgenommen werden. Untersuchungen mit dem Siebtauchverfahren nach DIN 19683-16 zur Bestimmung der Aggregatstabilität zeigen dagegen nur geringfügig Korrelationen auf. Auch die Verwendung des Erodierbarkeitsfaktors K aus der Bodenabtragsgleichung kann aufgrund der fehlenden Kausalität zu Wasser nicht zum Vergleich herangezogen werden. 18. Für eine zukünftige Verwendung von Zerfallsversuchen für feinkörniges Baggergut müssen weitere Anpassungen sowohl in den Randbedingungen als auch in den Versuchs-zuständen vorgenommen werden, die den besonderen Eigenschaften des Materials ausreichend Rechnung tragen. Dazu gehört auch die Lösung des Aufbereitungsproblems, da ein alleiniger Vergleich bei natürlichem Wassergehalt für eine umfassende Erosions-bewertung nicht ausreichend ist. Dennoch ist der Zerfallsversuch -bei entsprechender Umsetzung und Weiterführung der vorgeschlagenen Anpassungen- eine gute Alternative für aufwendige und kostspielige Versuche zur Bestimmung der Erosionsneigung eines Bodengefüges. 19. Feinkörnige Baggergutmaterialien zeigen trotz hoher Wassergehalte in der Regel gute Einbaueigenschaften selbst bei zeitlich begrenzten Regenfällen während der Baumaßnahme. Dafür ist aber ein im Vorfeld gut aufbereitetes Material mit Wassergehalten auf dem nassen Ast der Proctorkurve, der aber unterhalb der Fließgrenze liegt, notwendig. Außerdem ist die Strukturbildung des Materials während der Entwässerungszeit (Reifezeit) durch ausreichende Belüftung (z.B. in Mietenform) sicherzustellen. 20. Die vergleichsweise höchste und gleichmäßigste Verdichtungswirkung kann bei der Schaffußwalze mit Vibration beobachtet werden, die bei Einbaulagen von 30 cm im eingebauten Zustand etwa vier bis sechs Überfahrten zur Verdichtung benötigt. Der Einsatz von Vibration gewährleistet dabei eine ausreichende Tiefenwirkung in jeder Lage. Zudem ermöglichen die großen Stampffüße der großen Walze eine gute Verzahnung der einzelnen Einbaulagen, die damit einen Abfluss innerhalb einzelner Einbauschichten vermeiden und den Durchfluss so insgesamt verringern. 21. Die vergleichsweise schlechteste Verdichtungswirkung kann bei der Verdichtung mit der Baggerschaufel beobachtet werden. Für steile Böschungen ist daher ein anderes Verdichtungsverfahren oder eine Anpassung der Böschungsneigung notwendig. Ein Einsatz von 3 Grabenwalze, Glattmantelwalze oder Raupenketten als Verdichtungsgerät ist für feinkörniges Baggergut ebenfalls möglich, wobei im Vergleich zur Schaffußwalze eine geringere Verdichtungsleistung mit größerer Streuung auftritt. Daneben sollte bei der Verdichtung mit Raupenketten eine geringere Lagenmächtigkeit von 10 – 20 cm sowie eine häufigere Überfahrt der einzelnen Einbaulagen umgesetzt werden. Trotz dieser Erkenntnisse sollte für zukünftige Bauprojekte mit feinkörnigem Baggergut ein Versuchsfeld im Vorfeld der Baumaßnahme errichtet werden, um den Einbau und die Verdichtungswirkung der gewählten Baugeräte auf das jeweilige Baggergut zu überprüfen und zu bewerten. 22. Zur Bewertung der erreichten Verdichtung sollte die undränierte Scherfestigkeit c u mit der Feldflügelsonde ermittelt werden. Aufgrund der geringen Prüfdauer und der guten Handhabbarkeit ermöglicht sie eine Vielzahl an störungsfreien Untersuchungen in unterschiedlichen Tiefen der Deckschicht, um ein flächendeckendes Bild der Gesamtverdichtung zu erhalten. Taschenpenetrometer sollten aufgrund der ungenauen Messergebnisse und hohen Streuung nur für Zwischenprüfungen und unter Berücksichtigung des Abminderungsfaktors µ nach DIN 4094-4 eingesetzt werden. Die Bestimmung der Bauwerksfestigkeit über den Verdichtungsgrad mit Stechzylindern sollte für Deichdeckschichten aus Baggergut dagegen nur noch als stichprobenartige Prüfung zusätzlich zur Scherfestigkeitsermittlung durchgeführt werden. Sie dienen damit eher einer Kontrollfunktion zur erreichten Scherfestigkeit. 23. Feinkörniges Baggergut kann durch die in der Regel hohen Einbauwassergehalte die von der EAK 2002 festgelegten Mindestanforderungen an den Verdichtungsgrad für bindige Deichdeckschichten nicht immer sicherstellen. Dennoch wurde an den Versuchsfeldern eine ausreichende Festigkeit des eingebauten Materials flächenhaft beobachtet, was die durchgängig hohen Scherfestigkeiten von über 50 kN/m², insbesondere bei der Verdichtung mit der Schaffußwalze, belegen. 24. Die Beurteilung der Eignung feinkörniger Baggergutmaterialien für den Deichbau ist nach den Vorgaben der EAK 2002 für Baggergutböden aus dem Ostseeraum ungenügend. Das zeigen die als größtenteils „nicht geeignet“ bewerteten Baggergutmaterialien aus dem Untersuchungsprogramm, die sowohl in Feldversuchen als auch in anderen Bewertungsverfahren eine gute Eignung für den Deichbau vorweisen. Bei dem Verfahren der EAK führen insbesondere die strengen Vorgaben zum maximalen Sandanteil häufig zum Ausschluss eigentlich gut geeigneter Böden. 25. Die Vorgaben zum maximal zugelassenen Anteil an organischer Substanz müssen in der EAK 2002 ebenfalls den besonderen Merkmalen von Baggergut angepasst werden. Aufgrund der Beeinträchtigung des Glühverlust-Wertes durch den Kalkanteil sind Vorgaben zum OS- oder TOCWert zu bevorzugen. 26. Eine Adaption der Richtwerte für Klei als Deichdeckschicht aus der EAK 2002 für Ostseebaggergut ist nicht sinnvoll. Neben den angesprochenen Einschränkungen durch die Vorgaben zur Kornzusammensetzung wird vor allem die Einteilung der erhobenen Eigenschaften in die einzelnen Wertebereiche insbesondere für den ungeübten Anwender schwierig. Zudem ist die Auswahl einzelner Bewertungsparameter für Baggergut unpassend. 4 27. Das Bewertungsverfahren nach Weißmann schafft mit den Beurteilungskriterien Plastizitätszahl, Schrumpfmaß, Wasserdurchlässigkeit und Zerfallszeit eine gute Beschreibung des Materialverhaltens im späteren Deichkörper. Zudem werden anstelle von Grenzwerten Bewertungsfaktoren unterschiedlicher Wichtung einzelner Parameter eingesetzt, die den Ausschluss eines Materials anhand der Über- bzw. Unterschreitung eines Parameters verhindern. Somit ist die Anwendung dieses Bewertungsverfahrens für Baggergut passender als die Verfahren der EAK. Problematisch bei der Anwendung für Baggergut ist aber der Bewertungsfaktor „Zerfallszeit“, der für Baggergut zum jetzigen Zeitpunkt nur bei natürlichem Wassergehalt ermittelt werden kann und damit nicht den Vorgaben nach Weißmann entspricht. 28. Das Bewertungsverfahren der niederländischen Vorschrift VTV kann für Baggergut nicht angewendet werden. Aufgrund der relativ hohen Fließgrenzen bei dazu im Vergleich geringen Plastizitätszahlen kann eine Einteilung aller Baggergutmaterialien nur in die Erosionsklasse c3 „wenig erosionsbeständig“ vorgenommen werden, dessen Ergebnis nicht den Erfahrungen aus zahlreichen Labor- und Feldversuchen zur Erosionsbeständigkeit von Baggergut entspricht. 29. Die Beurteilung der Verdichtungswirkung von feinkörnigem Baggergut während einer Deichbaumaßnahme kann mit dem Bewertungsverfahren der NLWKN durchgeführt werden. Allerdings sind geringfügige Anpassungen der Bewertungskriterien für Baggergut notwendig. Zudem ist die Beurteilung der Einbauqualität über die Scherfestigkeit sinnvoller als über den Verdichtungsgrad. 30. Ein für Ostseebaggergut ausgewähltes Bewertungsverfahren muss nach den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit die Bewertungsfaktoren organischer Kohlenstoffgehalt (TOC), Plastizitätsindex IP, Konsistenzzahl IC, undränierte Scherfestigkeit cu und das Volumenschrumpfmaß VS berücksichtigen. Die einzelnen Grenzwerte unterscheiden sich dabei nach dem Einsatz von Baggergut als Deckschichtmaterial in Flussdeichen und Seedeichen bzw. zur Verwendung als Stützkörper oder in homogenen Deichquerschnitten. Dennoch ersetzen die ausgewählten Bewertungsparameter nicht eine grundsätzliche geotechnische Untersuchung des Materials, zu denen neben der Kornzusammensetzung auch Kalkgehalt, Plastizitätsbereiche und die Wasserdurchlässigkeit zählen. Nur so ist eine umfangreiche Bewertung des Materials möglich. 5
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