17/6970 - Niedersächsischer Landtag

Drucksache 17/6970
Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode
Unkorrigierter Vorabdruck
Unterrichtung
(zu Drs. 17/6900)
Der Präsident
des Niedersächsischen Landtages
– Landtagsverwaltung –
Hannover, den 24.11.2016
Antworten auf Mündliche Anfragen gemäß § 47 der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages - Drs. 17/6900
Die Antwort auf die Anfrage 1 - einschließlich Zusatzfragen und Antworten darauf - sind im Stenografischen Bericht über die 114. Sitzung des Landtages am 24.11.2016 abgedruckt.
2.
Sechs Eimer voller Geld - Was tut die Landesregierung gegen die verfassungsfeindlichen
Aktivitäten von islamischen Spendensammelvereinen?
Abgeordnete Reinhold Hilbers, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Dr. Max Matthiesen und Annette
Schwarz (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Rekrutieren humanitäre Hilfsorganisationen
in Niedersachsen Terrorkämpfer für den islamischen Staat?“ (Drucksache 17/1996) antwortete die
Landesregierung am 18. November 2014, dass „keinerlei belegbare Informationen darüber vorliegen, dass die Vereine ‚Helfen in Not e. V.‘ und ‚Ansaar International e. V.‘ mit der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) kooperieren, zur Radikalisierung junger Muslime in Deutschland beitragen
und neue Kämpfer für Syrien rekrutieren.“ Auch sei es „nicht möglich zu differenzieren, ob die jeweiligen Spenden als humanitäre Hilfsleistungen der syrischen Bevölkerung zugutekommen oder
ob sie der Unterstützung jihadistischer Gruppierungen dienen.“ Aussagen zu der Frage, ob die beiden Vereine als gemeinnützig anerkannt seien, dürfe man nicht treffen, da dies dem Steuergeheimnis unterliege. Allerdings sei widerlegbar davon auszugehen, dass „die Voraussetzungen für
die Steuerbegünstigung nicht vorliegen, wenn eine Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt ist.“
Sowohl „Helfen in Not e. V.“ als auch „Ansaar International e. V.“ wurden bereits 2013 im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen als extremistische Organisationen aufgeführt
und veranstalten auch in Niedersachsen Spendengalas, so z. B. in der Moschee der „Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft (DMG)“ in Braunschweig. Wie der SPIEGEL in seiner Ausgabe
41/2016 unter der Überschrift „Sechs Eimer voller Geld“ berichtete, verdichten sich die Hinweise,
dass die besagten Hilfsorganisationen mit dem gesammelten Geld Terrorgruppen in Krisengebieten
unterstützen. So gebe es die gesicherte Erkenntnis, dass 2014 neun Krankenwagen zur Unterstützung des IS bzw. der ehemaligen Al-Nusra-Front (jetzt Dschabhat) nach Syrien gebracht, dann
1
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
aber bei der von der Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung eingestuften Rebellenmiliz
Ahrar al-Scham abgegeben wurden.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der im Jahr 2012 in Düsseldorf gegründete Verein „Ansaar International“ unterstützt nach eigenen
Angaben Hilfsprojekte für bedürftige Muslime weltweit und leistet insbesondere humanitäre Hilfe für
die syrische Zivilbevölkerung.
Der Verein sammelt nach eigenen Angaben Spendengelder, um davon Hilfsgüter wie Lebensmittel,
Medizin oder Krankenwagen zu kaufen und diese in die Krisengebiete zu bringen. Nach Aussage
des Vereins unterhält „Ansaar International“ derzeit mehr als 20 Lebensmittellager in Syrien, welche regelmäßig durch deren Mitglieder aufgefüllt bzw. durch Verteilung an die Zivilbevölkerung umgeschlagen werden. Zudem betreibt „Ansaar International“ nach eigenen Angaben ein Krankenhaus in der Stadt Aleppo sowie ein Facharztzentrum in der Stadt Idlib.
Seine Spendengelder generiert „Ansaar International“ u. a. durch sogenannte Benefizveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet und im benachbarten Ausland. Die zu diesen Benefizveranstaltungen eingeladenen Referenten, wie Pierre Vogel oder Sven Lau, sprechen durch ihr Wirken bereits
deutlich für die intensive Einbindung des Vereins in die bundesweite und internationale salafistische
Szene. Die genannten Akteure werden vom Verfassungsschutz beobachtet und sind in Teilen mit
der terroristischen Szene in Deutschland sowie im Ausland verwoben.
Der Verein distanziert sich grundsätzlich vom sogenannten Islamischen Staat. Stattdessen scheint
aber eine Nähe zur al-Qaida Regionalorganisation Dschabhat Fatah asch-Scham, ehemals Jabhat
al-Nusra, zu bestehen. Darauf deuten die Zustimmung zur Befreiung „Idlibs“ und das Betreiben des
Arztzentrums in Idlib hin, da Hilfeleistung in einem von einer jihadistischen Gruppierung kontrollierten Gebiet nach den Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden nicht ohne die Zustimmung und das Einvernehmen der örtlichen Machthaber möglich ist.
Über das Wirken von „Ansaar International“ in Niedersachsen liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass am 08.02.2015 in den Räumlichkeiten der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft (DMG) in Braunschweig die Veranstaltung „Ansaar Benefiz für Gaza/Syrien“ stattgefunden hat. Im Rahmen dieser Spendensammelveranstaltungen sind bekannte salafistische Prediger,
wie Muhamed Ciftci und Ahmad Armih (alias Abul Baraa) aufgetreten.
Darüber hinaus wurden durch polizeiliche Ermittlungen Bezüge von Einzelpersonen aus Niedersachsen zu „Ansaar International“ festgestellt.
Bei der Organisation „Helfen in Not“ handelt es sich um einen im Jahr 2013 in Neuss gegründeten
Verein. Auch dieser Verein bezeichnet sich als Hilfsverein zur Unterstützung notleidender Muslime,
vor allem der vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen in Syrien. Im Namen des Vereins werden regelmäßig Hilfskonvois nach Syrien organisiert. Dabei werden durch Benefizveranstaltungen gesammelte Gelder und Güter, wie Krankenwagen, Medizin, Nahrung und Kleidung, auf dem Landweg in die türkisch-syrische Grenzregion transportiert. Dies geschieht unter Einbindung von Personen aus dem salafistischen Spektrum. Die Feststellung, ob die Zielrichtung eines Konvois die humanitäre Hilfe oder aber eine jihadistische Unterstützung beinhaltet, ist im Einzelfall nur schwer
möglich. Auch die genauen Reiserouten und Endpunkte der Konvois sind kaum aufklärbar, sodass
offen bleiben muss, ob sie Syrien/Irak überhaupt erreicht haben. Unter den niedersächsischen
Ausgereisten befinden sich zwölf Personen, die an Hilfskonvois in Richtung Syrien teilgenommen
haben. Ein Großteil dieser Hilfskonvoiteilnehmer steht in Bezug zu dem salafistischen Brennpunkt
Hildesheim. Allerdings kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob hinter jedem der Konvois der
Verein „Helfen in Not“ steht.
Darüber hinaus liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass einzelne Personen sowohl aus
dem Umfeld als auch aus dem Vorstand des Deutschsprachigen Islamkreis (DIK) Hildesheim Verbindungen zu „Helfen in Not e. V.“ unterhalten. Des Weiteren ist ein Aufruf im Internet zur Unterstützung von „Helfen in Not“ des Braunschweiger Imams Muhamed Ciftci bekannt.
2
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
1.
Drucksache 17/6970
Bleibt die Landesregierung bei ihrer Haltung, dass keinerlei belegbare Informationen
darüber vorliegen, dass die Vereine „Helfen in Not e. V.“ und „Ansaar International
e. V.“ mit der Terrororganisation „Islamischer Staat“ kooperieren, zur Radikalisierung
junger Muslime in Deutschland beitragen und neue Kämpfer für Syrien rekrutieren?
Bezugnehmend auf die Vorbemerkung liegen dem Bundesamt für Verfassungsschutz keine weitergehenden belegbaren Erkenntnisse vor, dass die Vereine „Ansaar International“ und „Helfen in Not“
mit dem sogenannten Islamischen Staat kooperieren, junge Muslime in Deutschland radikalisieren
und neue Kämpfer für Syrien rekrutieren.
Gleichwohl ist davon auszugehen, dass diese Vereine die von ihnen veranstalteten Spendensammelveranstaltungen dazu nutzen, weitere Anhänger für ihre Zwecke zu werben. Die auf den Benefizgalas auftretenden salafistischen Prediger stellen die Situation in den Kriegsgebieten in Syrien
und Irak sehr emotional und in Bezug auf die jihadistischen Terrororganisationen teilweise einseitig
dar. Dies kann weitere Personen von der salafistischen Ideologie überzeugen und eine Radikalisierung innerhalb der Szene fördern. Deshalb stehen solche Veranstaltungen bundesweit im Focus
der Sicherheitsbehörden.
2.
Liegen nach Auffassung der Landesregierung die Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung der beiden Vereine vor?
Wie in der Vorbemerkung erwähnt, haben beide Vereine ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Nach
den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörden dürfte für die Besteuerung der
beiden Vereine daher jeweils ein Finanzamt in Nordrhein-Westfalen zuständig sein. Bereits aus
diesem Grund liegen dem Finanzministerium aus dem Besteuerungsverfahren keine Erkenntnisse
über die persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen oder sonstigen Verhältnisse der beiden Vereine
vor. Im Übrigen wäre das Finanzministerium diesbezüglich nach § 30 der Abgabenordnung (AO)
zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet. Insoweit wird auf die Antwort der Landesregierung vom 18.11.2014 (Drs. 17/2375) auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung zum
Thema „Rekrutieren humanitäre Hilfsorganisationen in Niedersachsen Terrorkämpfer für den ‚Islamischen Staat‘?“ (Drs. 17/1996) verwiesen.
In dieser Antwort wurde ausgeführt, dass § 51 Abs. 3 Satz 1 AO sogenannte extremistische Körperschaften von der Steuerbegünstigung für Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar
gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke (steuerbegünstigte Zwecke) verfolgen, ausschließt. Voraussetzung für die Steuerbegünstigung ist danach, dass die Körperschaft weder nach
ihrer Satzung noch ihrer tatsächlichen Geschäftsführung Bestrebungen i. S. d. § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verfolgt und auch nicht dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider
handelt. Wird eine Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes
ausdrücklich als extremistische Organisation aufgeführt, ist nach § 53 Abs. 3 Satz 2 AO widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung nicht vorliegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 11.04.2012, I R 11/11, BStBl. 2013 II,
146) reicht es für diese Beweislastumkehr allerdings noch nicht aus, dass die Körperschaft im Verfassungsschutzbericht nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet. In einem solchen Verdachtsfall muss das zuständige Finanzamt weitergehende Ermittlungen zur Prüfung des
§ 51 Abs. 3 Satz 1 AO vornehmen.
Seit 2014 enthalten die Verfassungsschutzberichte des Landes Nordrhein-Westfalen eine Liste der
im Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisationen und Bestrebungen. Bei den in dieser Liste
aufgeführten Organisationen liegen dem Verfassungsschutz tatsächliche Anhaltspunkte für den
Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vor. Ausweislich der Erläuterungen im Verfassungsschutzbericht ist hierfür nicht Voraussetzung, dass sich Verdachtsmomente bereits bis zur
Einschätzung als „verfassungsfeindlich“ verdichtet haben. Es gibt vielmehr eine besondere Kennzeichnung in der Liste für Organisationen, bei denen dem Verfassungsschutz darüber hinaus gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme der Verfassungsfeindlichkeit vorliegen. Demnach liegen
dem Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hinsichtlich beider Vereine offenbar keine gewichtigen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor. Allein aufgrund der Er-
3
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
wähnung im Verfassungsschutzbericht oder der Berichterstattung in den Medien kann das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung beider Vereine somit nicht beurteilt werden.
3.
Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um mit den Mitteln des Steuerrechts
die Aktivitäten der Spendensammelvereine zu stoppen oder zumindest einzuschränken?
Die Aufgabe der Finanzbehörden besteht darin, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 AO). Dabei entscheiden die Finanzbehörden auch über das
Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung. Die Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche und damit steuerbegünstigte Zwecke
verfolgen, erhalten verschiedene Steuervergünstigungen (z. B. Körperschaft- und Gewerbesteuerbefreiung von Gewinnen mit Ausnahme von steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben,
Umsatzsteuerbefreiung für bestimmte Umsätze gemeinnütziger Körperschaften und grundsätzliche
Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Umsätze, die nicht dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnen sind, sowie der Empfang steuerbegünstigter Spenden).
Spenden und Mitgliedsbeiträge an steuerbegünstigte Körperschaften sind nach § 10 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Rahmen von Höchstbeträgen als Sonderausgaben steuerlich
abziehbar. Stellt eine nicht steuerbegünstigte (privatrechtliche) Körperschaft vorsätzlich oder grob
fahrlässig Zuwendungsbestätigungen über Spenden und Mitgliedsbeiträge i. S. d. § 10 b EStG aus,
so haftet diese nach § 10 b Abs. 4 EStG für die entgangene Steuer. Weitergehende Sanktionen
gegen nicht steuerbegünstigte Körperschaften - auch im Zusammenhang mit „Spendensammelvereinen“ - sieht das Steuerrecht nicht vor.
Die Finanzbehörden sind gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 AO jedoch befugt und verpflichtet, den Verfassungsschutzbehörden Tatsachen, die den Verdacht von Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder des Zuwiderhandelns gegen den Gedanken der Völkerverständigung begründen, mitzuteilen.
4
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
3.
Drucksache 17/6970
Logistikdrehscheibe Niedersachsen - Wie entwickeln sich die Hafenhinterlandverkehre?
Abgeordneter Gerd Ludwig Will (SPD)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der
Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Niedersachsen steht mit seinen Häfen im direkten Wettbewerb zu den west- und südeuropäischen
Häfen. Deshalb haben die norddeutschen Küstenländer eine engere Zusammenarbeit für die gemeinsamen Nordhäfen verabredet. Ziel ist es, diese abgestimmt weiterzuentwickeln. Dazu gehört
auch eine gemeinsame Verkehrspolitik zur Ertüchtigung der Hafenhinterlandverkehre. Sowohl der
derzeitige Bundesverkehrswegeplan als auch der in der Endabstimmung befindliche zukünftige
Bundesverkehrswegeplan 2016 bis 2030 beschreiben für Straße, Schiene und Wasserstraße eine
Reihe von Projekten, die die Hafenhinterlandanbindungen optimieren sollen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Anbindung an das Hinterland ist ein zentraler Erfolgsfaktor im Wettbewerb der Seehäfen. Aus
dieser Perspektive heraus haben die Küstenländer bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 auf eine Optimierung der Anbindung der deutschen Seehäfen hingewirkt. So
konnte z. B. erreicht werden, dass bei der Bewertung der Projektvorschläge das Kriterium Verbesserung der Anbindungen von intermodalen Drehkreuzen in die Grundkonzeption BVWP 2030 aufgenommen wurde. Der BVWP 2030 wurde am 03.08.2016 vom Bundeskabinett beschlossen. Niedersachsen kann hiermit sehr zufrieden sein. Der Fokus auf Erhalt statt Neubau, die Verlagerung
von Verkehrsanteilen auf die Schiene und die angemessene Berücksichtigung der Hafenhinterlandverkehre sind niedersächsische Anliegen, die Eingang gefunden haben. Niedersachsen ist,
was den finanziellen Umfang betrifft, adäquat beteiligt. Auch das gestiegene Gesamtvolumen des
BVWP mit 269,6 Milliarden Euro trifft die Herausforderungen unserer Zeit.
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 enthält für Niedersachsen eine Vielzahl von Projekten, die für
die Verbesserung der Infrastruktur von wesentlicher Bedeutung sind. Für den Bereich Straße sind
das ausweislich der Darstellungen im BVWP 2030 und im Projektinformationssystem des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum BVWP 2030 der Neubau der A 39 von Lüneburg bis Wolfsburg und der Neubau der Küstenautobahn A 20 (einschließlich A 26, 5. Bauabschnitt) Maßnahmen, die wegen der Hinterlandanbindung der Seehäfen und hoher raumordnerischer Wirkungen als bedeutsam bewertet worden sind. Im BVWP 2030 sind der Neubau der Küstenautobahn und der Neubau der A 39 vom Bund dem prioritären „Vordringlichen Bedarf“ (VB) zugewiesen. Die Bauabschnitte 2 und 3 der A 26 sowie den überwiegend in Hamburg liegenden Abschnitt 4 hat der Bund im BVWP 2030 als „Laufende und fest disponierte Maßnahme“ eingestuft
(Strecke von Horneburg bis zur A 7 in Hamburg). Daneben gibt es eine Reihe von Bundesstraßenprojekten, die die Hinterlandanbindung von Seehäfen unmittelbar verbessern.
Im Bereich Schiene ist der Abschluss des BVWP-Projektes Oldenburg-Wilhelmshaven von großer
Bedeutung für eine verbesserte Anbindung von Wilhelmshaven, da abschließend die Strecke
elektrifiziert wird. Zukünftig wird mit der Umsetzung der Alpha-Lösung die Kapazität für alle Verkehre im Raum Hannover–Hamburg/Bremen deutlich verbessert. Auch die umfangreichen Maßnahmen, die zum Knoten Hamburg gehören, tragen zu einer deutlichen Verbesserung der Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen bei.
Bei den Wasserstraßen sind der Elbe-Seitenkanal, die Mittelweser und der Dortmund-Ems-Kanal
die wichtigsten Hafenhinterlandverbindungen. An allen genannten Wasserstraßenabschnitten sind
Maßnahmen vorgesehen, die die Anbindung an die norddeutschen Seehäfen verbessern, auch
wenn dieser Prozess zum Teil erst in einigen Jahren abgeschlossen sein wird. Wichtigstes Ziel
beim Ausbau der Wasserstraßen ist die Gewährleistung eines Mindeststandards des Großmotorgüterschiffes (GMS), sofern möglich, auch höhere Standards.
5
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Die Planung und Realisierung von Infrastrukturvorhaben hängt von einer Vielzahl von Randbedingungen ab, die vom Planungsträger oftmals nur indirekt gestaltet werden können. Im Rahmen der
örtlichen und gesetzlichen Gegebenheiten schreiten die Bundesfernstraßenprojekte mit unterschiedlichem Zeitbedarf kontinuierlich voran. Dispositionen des zukünftigen Ablaufes - insbesondere über einen Zeitraum von mehreren Jahren - sind daher immer mit Unsicherheiten behaftet. Für
die Projekte des Schienen- und Wasserstraßenverkehrs sind die Vorlaufzeit und die Unsicherheit
noch größer, da diese Projekte nicht vom Land geplant und gebaut werden. Das Land engagiert
sich nach Möglichkeiten, um Beschleunigungen zu erreichen.
1.
Welche Projekte bei Straße, Schiene und Wasserstraße sind derzeit im Bau, und wann
wird mit der Fertigstellung gerechnet?
Straße:
Im Zusammenhang mit den Hafenhinterlandanbindungen im Bau befindliche Bundesfernstraßenprojekte:
–
A 26: Der Abschnitt 2 von der AS Jork bis Buxtehude und der Abschnitt 3 von Buxtehude bis
Rübke (B 3n) befinden sich im Bau. Es ist eine Fertigstellung für das Jahr 2021 disponiert.
–
B 210 - Verlegung südlich Emden: Ende 2022.
–
B 211 - Verlegung von Mittelort bis Brake: Ende 2021.
–
B 212 - Ortsumgehung Berne: Freigabe für den Abschnitt von der L 866 bis zur B 74 am
08.12.2016, Fertigstellung des restlichen Abschnittes Ende 2018.
Schiene:
Im Rahmen des BVWP wird derzeit die Bahnstrecke Oldenburg–Wilhelmshaven ausgebaut. Die
Fertigstellung wird je nach Verlauf des Planfeststellungsverfahrens für die Elektrifizierung und für
Maßnahmen zur Lärmvorsorge im PFA 1 (Oldenburg) für etwa 2022 erwartet. Außerdem ist hinzuweisen auf eine ergänzende Ertüchtigung der Verbindung Bremerhaven–Bremervörde–Rotenburg
(Wümme) im Netz der nichtbundeseigenen Eisenbahnen. Die Inbetriebnahme soll voraussichtlich
im zweiten Quartal 2017 erfolgen. Außerdem werden nach und nach Maßnahmen im Bereich des
Knotens Hamburg umgesetzt.
Wasserstraße:
Am Elbe-Seitenkanal soll das Schiffshebewerk Scharnebeck durch eine neue Schleuse - die
Schleuse Lüneburg - mit 225 m Bauwerkslänge ergänzt werden. Die Landesregierung setzt sich
beim Bund dafür ein, den Neubau der Schleuse bis 2025 abgeschlossen zu haben. Der Neubau
der Schleuse Minden steht kurz vor der Vollendung, die Verkehrsfreigabe für den Verkehr mit GMS
auf der Mittelweser ist für 2017 geplant. Am Dortmund-Ems-Kanal werden fünf Schleusen mit einer
Kammerbreite von nur 10 m durch neue Schleusen mit 140 m Länge und 12,50 m Breite ersetzt.
Diese Baumaßnahmen sollen bis 2025 abgeschlossen sein.
Während die Baumaßnahmen am Hauptkanal des Mittellandkanals nahezu abgeschlossen sind,
befinden sich die Ausbaumaßnahmen an den Stichkanälen Salzgitter (Anpassung der Strecke und
Neubau der beiden Schleusen) und Hildesheim (Anpassung der Brücken) in der Umsetzung.
2.
Welche Projekte befinden sich in der Planung, und wann wird voraussichtlich Baureife
erlangt werden?
Straße:
Im Zusammenhang mit den Hafenhinterlandanbindungen in Planung befindliche Bundesfernstraßenprojekte:
– A 20: Das Gesamtprojekt A 20 in Niedersachsen besteht zum einen aus der länderübergreifenden Elbquerung bei Drochtersen bzw. Glückstadt und der anschließenden Weiterführung als
Küstenautobahn bis zur A 28 sowie den Anschluss der A 26. Das Gesamtprojekt umfasst ins6
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
gesamt elf Teilprojekte. Für den niedersächsischen Teil der Elbquerung ist nach dem aktuellen
Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes der Planfeststellungbeschluss vollziehbar geworden.
Die Abschnitte 1 und 6 der A 20 sowie der 5. Bauabschnitt der A 26 sind in der Planfeststellung.
Die anderen befinden sich in der Planung. Bei einem optimalen Verlauf ist mit einem Baubeginn
des Tunnels im Jahr 2021 zu rechnen; das deckt sich mit den Planungen für die unmittelbar anschließenden Bauabschnitte der A 20 und auf den Nebenstrecken. Für den ersten Bauabschnitt
der A-20-Trasse im Westen zwischen der A 28 und der A 29 liegt Baurecht voraussichtlich 2018
vor, sodass dort dann zügig mit dem Bau begonnen werden kann. Die anderen Abschnitte folgen dann sukzessive nach.
–
A 39: Das Gesamtprojekt des Neubaus der A 39 von der AS Lüneburg-Nord (B 216) bis zur AS
Weyhausen (B 188) umfasst sieben Teilprojekte. Der Abschnitt 7 ist in der Planfeststellung. Die
anderen Abschnitte der A 39 befinden sich in der Planung bzw. Vorbereitung der Planfeststellung. Der Abschnitt 7 wird nach derzeitiger Disposition voraussichtlich im Jahr 2018 baureif
werden. Die anderen Abschnitte folgen dann sukzessive nach.
–
B 73 - Ortsumgehung Cadenberge und Verlegung von Otterndorf bis Cadenberge: 2025.
–
B 210 - Ortsumgehung Aurich und Verlegung von Aurich bis Riepe (A 31): 2023 und 2024.
–
B 212 - Verlegung von Harmenhausen bis Landesgrenze NI/HB: 2024.
Schiene:
Die Deutsche Bahn hat Dank einer Vorfinanzierung des Landes Niedersachsen mit der Planung für
den zweigleisigen Ausbau Rotenburg–Verden begonnen. Für ein Maximum an Transparenz und
Mitgestaltungsmöglichkeit hat die Deutsche Bahn Runde Tische eingerichtet. Der weitere Planungsverlauf bis zum Baurecht ist von den Ergebnissen der Runden Tische und dem weiteren
Planverfahren abhängig. Für den Mega Hub Lehrte besteht bereits Baurecht. Aufgrund von Anpassungen findet derzeit ein Planänderungsverfahren statt.
Wasserstraße:
Während sich die Baumaßnahmen an der Mittelweser und am Dortmund-Ems-Kanal in der Realisierungsphase befinden, läuft die Planung für den Neubau der Schleuse Lüneburg am Elbe-Seitenkanal auf Hochtouren. Es wird angestrebt, die Planungsphase bis 2019 abzuschließen.
Am Stichkanal Hildesheim steht die Planung des Streckenausbaus nach dem Neubau der letzten
Brücken noch bevor. Es wird angestrebt, auch den Streckenausbau beim Stichkanal Hildesheim innerhalb des Zeitkorridors bis 2025 umzusetzen.
3.
Wie gestaltet sich die länderübergreifende Zusammenarbeit bei den zentralen Verkehrsprojekten?
Die Straßenbauverwaltungen der Länder arbeiten in der Auftragsverwaltung für den Bund eng zusammen, um länderübergreifende Bundesfernstraßenprojekte voranzubringen. Die erfolgreiche
Kooperation zeigt sich z. B. bei der Planung der Elbquerung im Zuge der Küstenautobahn A 20 mit
Schleswig-Holstein wie auch bei der Planung der A 39 mit Sachsen-Anhalt.
Beim Schienennetz ist derzeit die Umsetzung der Alpha-Lösung das wichtigste Vorhaben für Norddeutschland. Bereits im vorausgehenden Dialogforum Schiene Nord waren die Länder Hamburg
und Bremen intensiv eingebunden. Bei der Umsetzung der empfohlenen Alpha-E-Lösung werden
von der Deutschen Bahn nicht nur Niedersachsen, Hamburg und Bremen in die Planungsbegleitung einbezogen, sondern auch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Bei den Wasserstraßen kooperieren Niedersachsen und Hamburg bei dem Neubau der Schleuse
Lüneburg eng miteinander und unterstützen den Bund bei der Planung der neuen Schleuse. Für
den Neubau der 5 Schleusen am Dortmund-Ems-Kanal unterstützt das Land Niedersachsen zusammen mit der Region im Emsland länderübergreifend auf der Grundlage einer Planungsvereinbarung mit dem Bund mit eigenen finanziellen Beiträgen.
7
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Darüber hinaus erfolgt eine länderübergreifende Zusammenarbeit auch bei der Erarbeitung des
Gesamtkonzepts Elbe.
Für den Ausbau des Mittellandkanals und seiner Stichkanäle besteht seit 1965 ein Regierungsabkommen mit dem Bund, bei dem mit Niedersachsen auch die Länder Nordrhein-Westfalen, Bremen
und Hamburg Vertragspartner des Bundes sind.
8
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
4.
Drucksache 17/6970
Häusliche Gewalt gegen Frauen
Abgeordnete Elke Twesten (Grüne)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein schwerwiegendes Problem unserer Gesellschaft und
tritt innerhalb der eigenen vier Wände in allen sozialen Schichten auf, ist unabhängig von sozialem
Status, ethnischem Hintergrund, von Bildung und Alter. Mittlerweile jede vierte Frau hat in ihrem
Leben körperliche oder sexuelle Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner erfahren, einer Untersuchung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) aus dem Jahre 2014 zufolge
ist in den Staaten der Europäischen Union jede dritte Frau schon einmal Opfer körperlicher oder
sexueller Gewalt geworden. Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt gegen Frauen ist eine
gravierende Menschenrechtsverletzung, die in allen EU-Mitgliedstaaten anzutreffen ist. Über viele
Jahre ist die Gewalt gegen Frauen auch in Niedersachsen gestiegen. Häusliche Gewalt hat viele
Gesichter mit entsprechend vielfältigen negativen Folgen - im schlimmsten Fall endet sie mit dem
Tod.
Vorbemerkung der Landesregierung
Nach o. g. Studie liegt die Gewaltbetroffenheit von in Deutschland lebenden Frauen im europäischen Vergleich leicht über dem Durchschnitt. 35 % der deutschen Frauen haben körperliche
und/oder sexuelle Gewalt durch einen Partner oder eine andere Person seit ihrem 15. Lebensjahr
erfahren. Im europäischen Durchschnitt sind es 33 %. Die Daten für Niedersachsen entsprechen im
Wesentlichen der bundes- und europaweiten Situation. Häusliche Gewalt ist somit auch in Niedersachsen ein schwerwiegendes Problem.
1.
Welche Kenntnisse und statistischen Angaben besitzt die Landesregierung darüber,
wie viele Frauen in Niedersachsen in den Jahren 2010, 2015 und 2016 Opfer häuslicher
Gewalt in Niedersachsen geworden sind - sowohl im Hell- als auch im Dunkelfeld?
Die Berichterstattung des Ministeriums für Inneres und Sport sowie der Polizeibehörden im Zusammenhang mit der allgemeinen Kriminalitätsentwicklung basiert grundsätzlich auf den validen
Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS).
Die PKS ist eine Ausgangsstatistik, das heißt, eine Straftat wird erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen bei Abgabe an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht erfasst, sodass zwischen Tatzeit und PKS-Erfassung mehrere Monate liegen können. Die entsprechenden Fallzahlen
werden bekanntermaßen erst am Jahresende nach einer Prüfung festgeschrieben. Bis zu diesem
Zeitpunkt können die gemeldeten Fälle durch aktuelle Erkenntnisse Veränderungen unterliegen.
Insgesamt betrachtet sind unterjährige PKS-Fallzahlenveröffentlichungen anfällig für Fehlinterpretationen und nicht geeignet, die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung darzustellen. Kurzfristige Veränderungen sind regelmäßig nicht interpretierbar, weil unklar ist, ob ihnen Besonderheiten zugrunde liegen.
Erst bei Vorliegen der festgeschriebenen PKS-Jahreszahlen können konkrete Interpretationen vorgenommen und fundierte inhaltliche Aussagen getroffen werden.
Auch vor diesem Hintergrund hat sich die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der
Länder (IMK) im Jahr 2002 darauf verständigt, es bei einer jährlichen PKS-Veröffentlichung zu belassen.
Zusammenfassend ist letztendlich festzustellen, dass die PKS-Daten des aktuellen Berichtsjahres
2016 vorläufige, unfertige Daten und auch nur scheinbar aktuell sind. Eine Vergleichbarkeit mit den
9
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Daten des Jahres 2015 ist nur eingeschränkt möglich und unter statistischen Gesichtspunkten
problematisch.
Darüber hinaus wird auf die Anmerkungen des Ministeriums für Inneres und Sport zur Dringlichen
Anfrage der CDU im November-Plenum 2016, Drs. 17/6935, verwiesen.
Ausweislich der PKS wurden im Kontext „Häuslicher Gewalt“ die folgenden Opferzahlen polizeilich
registriert:
Opfer insgesamt
männlich
weiblich
2010
2015
14.069
3.349
10.720
15.355
3.857
11.498
2016
(Stichtag: 22.11.16)
13.729
3.276
10.417
(Tabelle 1: Opfer im Kontext „Häuslicher Gewalt“ für die Jahre 2010, 2015 und 2016 (Stichtag:
22.11.16)
Eine der Fragestellung entsprechende Aufschlüsselung der Daten aus dem Dunkelfeld der Häuslichen Gewalt ist nicht möglich.
Allerdings hat Niedersachsen 2013 als erstes Bundesland in Deutschland mit der Durchführung periodischer Opferbefragungen als Ergänzung zur jährlich erstellten Polizeilichen Kriminalstatistik begonnen, um so eine weitere Erkenntnisquelle zur Kriminalität im Land zu generieren. Alle zwei Jahre werden 40 000 zufällig ausgewählte Einwohnerinnen und Einwohner Niedersachsens im Alter ab
16 Jahren zu Themen wie Kriminalitätserfahrungen und -furcht oder der Bewertung der Polizei und
deren Arbeit befragt.
Bezugszeitraum war jeweils das vor der Befragung liegende Kalenderjahr: also 2012 für die erste
Befragung im März 2013 und 2014 für die zweite Befragung im Frühjahr 2015. Von den 40 000 angeschriebenen Personen nahmen im Jahr 2015 insgesamt 20 468 Personen an der Befragung teil,
was einer Teilnahmequote von 51,17 % entspricht. Die Bereitschaft zur Teilnahme hat sich gegenüber der ersten Befragung nochmals erhöht (damals 47,4 %). Dies führt dazu, dass die Ergebnisse
repräsentativ sind, sowohl allgemein als auch bezogen auf die jeweiligen Gruppen (Alter und Geschlecht).
Bezogen auf Körperverletzungen durch (Ex-)Partner kann festgestellt, dass die Viktimisierungsrate
gegenüber der ersten Befragung gleich geblieben ist, d. h. 0,5 % aller Befragten gaben in den beiden Befragungen 2013 und 2015 an, Opfer geworden zu sein.
Erfreulich hat sich die Anzeigenquote entwickelt. Diese ist bei Körperverletzungen, die von
(Ex-)Partnern begangen wurden, von 11,6 % auf 14,6 % angestiegen. Diese Steigerung der Anzeigebereitschaft bei häuslicher Gewalt verläuft entgegen dem Trend bei den Körperverletzungsdelikten insgesamt, denn hier sank die Anzeigebereitschaft von 24,1 % auf 22,1 %. Auch bei Drohungen
durch (Ex-)Partner hat sich die Anzeigenquote von 9,3 % auf 10,1 % erhöht.
Die Vermutung, dass der Anstieg der Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik auf eine Dunkelfeldaufhellung zurückgeführt werden kann, ist also begründet.
Diese aus Sicht der Landesregierung erfreuliche Entwicklung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Anzeigenquote bei Partnergewalt insgesamt immer noch auf einem zu niedrigen Niveau befindet und mit Präventions- und Aufklärungsarbeit nicht nachgelassen werden sollte.
2. Wie viele Frauen bzw. Mädchen haben in den Jahren 2010, 2015 und 2016 die Hilfe eines
Frauen- bzw. eines Mädchenhauses bzw. einer Beratungsstelle beansprucht?
Die Anzahl der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen, die in den Einrichtungen
Hilfe suchen, ist kontinuierlich auf hohem Niveau. Wesentliches Instrument zum Schutz von Frauen
vor Gewalt ist die Förderung von Frauenhäusern, Gewaltberatungsstellen sowie Beratungs- und Interventionsstellen bei häuslicher Gewalt (BISS). Die Förderung erfolgt auf Grundlage der „Richtlinie
über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen für Frauen und Mädchen,
die von Gewalt betroffen sind“. Im Rahmen des Zuwendungsverfahrens werden jährliche Statistiken
10
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
erhoben, die jedoch regelmäßig erst im Mai/Juni des Folgejahres vorliegen. Die Zahlen für 2016
liegen somit noch nicht vor.
In den 41 vom Land geförderten Frauenhäusern suchen jährlich durchschnittlich rund 2 200 Frauen
mit etwa 2 000 Kindern Schutz und Unterstützung. Daneben wurden jährlich durchschnittlich 8 000
Frauen ambulant oder während ihres Aufenthaltes im Frauenhaus psychosozial beraten.
Die Zahl der beratenen Frauen in den 38 vom Land geförderten Gewaltberatungsstellen und Notrufen beträgt durchschnittlich rund 8 750 (Beratungsfälle pro Jahr). Insgesamt sind die Zahlen leicht
rückläufig, wobei jedoch der Beratungsaufwand je Fall steigt. Durch die multiplen Problemlagen vieler Betroffener werden die Beratungen insgesamt aufwändiger und nehmen mehr Zeit in Anspruch.
Die 29 BISS beraten jährlich durchschnittlich rund 15 790 Frauen. Bei den BISS steigt die Anzahl
der jährlich Betroffenen erheblich: Von 11 152 in 2007 auf 13 865 Betroffene im Jahr 2010, d. h. eine Zunahme von 24,3 %. Und auch in den folgenden Jahren erhöhte sie sich bis 2015 nochmals
um weitere 18,4 % auf zuletzt rund 16 400.
Frauenhäuser
2010
2015
Frauen
2.256
2.086
Kinder
2.103
1.848
Gewaltberatungsstellen
12.334
8.574
BISS
13.865
16.410
Bei den Mädchenhäusern handelt es sich um ein niedrigschwelliges mädchenspezifisches Angebot. Ihre Arbeit dient der Prävention und Hilfe auch für Mädchen, die von Gewalt betroffen sind. Die
Angebote der Mädchenhäuser orientieren sich an den Bedürfnissen der Mädchen und ermöglichen
eine Stärkung der Mädchen in ihren individuellen Lebenssituationen. Statistische Zahlen zur Inanspruchnahme der Mädchenhäuser durch von Gewalt betroffene Mädchen liegen nicht vor. Den
Sachberichten ist jedoch zu entnehmen, dass ca. 12 % der Beratungsgespräche das Thema Gewalt betreffen.
Beratungszahlen und Inanspruchnahmen der Frauenhäuser für 2016 liegen erst im Mai 2017 vor.
3.
Welche Kenntnisse besitzt die Landesregierung darüber, wie viele Frauen aufgrund
häuslicher Gewalt durch den Partner oder Ex-Partner in den Jahren 2010, 2015 und
2016 getötet wurden?
Im Jahr 2010 wurden sieben vollendete Tötungsdelikte im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt
polizeilich registriert. Opfer waren immer Partnerin oder Partner, bzw. Ex-Partnerin oder Ex-Partner. Aufgrund der Erfassungssystematik der PKS 2010 lässt sich das Geschlecht der Opfer nicht
mehr ermitteln.
Im Jahr 2015 wurden sieben durch ihren Partner oder ehemaligen Partner getötete Frauen im Kontext häuslicher Gewalt polizeilich registriert.
Im Jahr 2016 (Stichtag: 23.11.2016) wurden neun durch ihren Partner oder ehemaligen Partner getötete Frauen im Kontext häuslicher Gewalt polizeilich registriert.
11
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
5.
Drucksache 17/6970
Prognosedaten und statistische Unterrichtsversorgung
Abgeordnete Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns, Christian Dürr, Christian
Grascha, Jan-Christoph Oetjen und Jörg Bode (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Das Kultusministerium hat in seiner Pressemitteilung vom 27. Oktober 2016 erläutert, wie es die
Fachanwendung izn-Stabil-Prognose als Planungsinstrument einsetzt und wie es den Bezugswert
für die Personalplanung (BPP) einordnet. Konkret führt das Ministerium aus:
„Es handelt sich also bei den Bezugswerten für die Personalplanung um Werte, die auf Basis der
bisher bekannten Daten ermittelt werden und die insofern nur eine begrenzte Aussagekraft besitzen. Diese Daten sind nicht vergleichbar mit einem stichtagsbezogenen Unterrichtsversorgungswert.“
Zur Veranschaulichung schließt das Ministerium die folgende Tabelle an:
Tag
06.03.2015
02.04.2015
18.05.2015
19.05.2015
19.05.2015
Schule
KGS
KGS
KGS
KGS
KGS
BPP in %
89,5
92,9
97,0
91,9
97,0
Am Stichtag 15. September 2015 habe die Unterrichtsversorgung an der namentlich nicht näher
spezifizierten KGS 102,2 % betragen.
1.
Um welche Schule handelt es sich bei der von der Landesregierung im Beispiel angegebenen Schule?
Es handelt sich um die KGS Gieboldehausen im Landkreis Göttingen.
2.
Welchen Bezugswert für die Personalplanung (BPP) hatte diese Schule am Stichtag
15. September 2015?
Der BPP dieser Schule am Stichtag 15. September 2015 kann nicht angegeben werden. Im Planungsinstrument izn-Stabil-Prognose gibt es keinen Stichtag. Das Planungsinstrument hat zum
Schuljahresbeginn stets den Prognosetermin 01.08.
3.
Wie und auf welcher Datengrundlage ermittelt die Landesregierung die statistische Unterrichtsversorgung konkret?
Vorab sei hier u. a. auf die Antworten der Landesregierung auf die Anfragen von Abgeordneten der
Fraktion der FDP mit den Drucksachennummern 17/6491 (sowie diverse weitere Anfragen zu den
Landkreisen und kreisfreien Städten in Niedersachsen) und 17/6596 („Aktuelle Statistische Daten“)
verwiesen.
Die Unterrichtsversorgung der öffentlichen allgemeinbildenden Schulen wird im Rahmen der Erhebung zur Unterrichtsversorgung der allgemeinbildenden Schulen zu einem vorgegebenen Stichtag
im ersten Schulhalbjahr durch die Berechnung Ist-Stunden / Soll-Stunden x 100 % auf der Basis
der Schulgliederung bestimmt. Die Bestimmung der Unterrichtsversorgung auf Schulebene erfolgt
über die Addition von Ist-Stunden und die Addition von Soll-Stunden aller an der Schule vorhandenen Schulgliederungen sowie die Formel Ist-Stunden / Soll-Stunden x 100 %.
12
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
13
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
6.
Drucksache 17/6970
Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte und Flüchtlinge im bisherigen Jahr 2016
Abgeordnete Angelika Jahns, Thomas Adasch, Mechthild Ross-Luttmann und Editha Lorberg
(CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Am 5. November 2016 veröffentlichte die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) einen Artikel über den
Anstieg der Zahl von Straftaten gegen Flüchtlings- und Asylunterkünfte.
Inhalt dieses Beitrages war die Steigerung von 637 Angriffen gegen Flüchtlings- und Asylunterkünfte im Zeitraum von Januar bis Oktober 2015 auf 832 solcher Straftaten im gleichen Zeitraum 2016.
Die NOZ beruft sich auf die Antwort einer Anfrage beim BKA.
Von den bis Ende Oktober bundesweit geführten 832 Angriffen sollen 772 Übergriffe politisch
rechts gewesen sein. Bei den restlichen 60 Delikten könne nach Angabe des BKA eine rechte Motivation nicht ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus berichtet die NOZ, dass in den ersten neun Monaten dieses Jahres schon mehr als
1 800 Straftaten gegen Flüchtlinge oder Asylbewerber verübt worden seien. Neben Beleidigung
und Volksverhetzung zählen aber auch 170 Fälle gefährlicher Körperverletzung dazu.
Vorbemerkung der Landesregierung
Mit Aufwachsen der Flüchtlingszahlen und der Anzahl von Unterkünften ist auch in Niedersachsen
eine Zunahme von Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte und deren Bewohner zu verzeichnen.
Sowohl auf Bundesebene, wie die oben zitierten Angriffe belegen, als auch in Niedersachsen registrierte die Polizei einen deutlichen Anstieg einschlägiger Straftaten. Der weitaus überwiegende
Teil dieser Taten ist der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- zuzurechnen.
Nach einem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder
(IMK) wurde bundesweit im Jahr 2001 ein einheitlicher Kriminalpolizeilicher Meldedienst - Politisch
motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) eingeführt, um eine bundeseinheitliche und differenzierte Auswertung und Lagedarstellung zu ermöglichen.
Dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- werden danach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer „rechten“ Orientierung zuzurechnen sind. Dies trifft insbesondere auf Delikte zu, bei denen Bezüge zu völkischem Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für
die Tatbegehung waren.
Niedersachsen gewährleistet hinsichtlich der Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität aufgrund der vereinbarten Erfassungsvorgaben eine ständige Aktualität, auch für bereits zurückliegende Zeiträume. Ergebnisse aus Ermittlungsverfahren oder Gerichtsurteilen finden auch für vergangene Jahre Berücksichtigung in der Statistik. Dies führt dazu, dass Änderungen bzw. Nacherfassungen notwendig werden, welche die Vergleichbarkeit von Daten insbesondere in Abhängigkeit
vom Erhebungszeitpunkt beeinflussen.
Die nachhaltige Bekämpfung der PMK in allen Phänomenbereichen hat für die niedersächsischen
Sicherheitsbehörden einen zentralen Stellenwert. Vor diesem Hintergrund liegt ein besonderer
Schwerpunkt der Sicherheitsbehörden in einer nachhaltigen Prävention und der konsequenten Verfolgung dieser Straftaten.
1.
14
Wie viele Fälle von Angriffen gegen Flüchtlings- und Asylunterkünfte hat es im Zeitraum von Januar bis Oktober 2016 in Niedersachsen gegeben, und wie ist die Entwicklung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum?
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Im Jahr 2015 wurden insgesamt 110 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und deren Bewohnerinnen und Bewohner registriert, denen nach Einschätzung der zuständigen Polizeidienststellen eine
politische Motivation zugrunde lag. 87 der 110 Straftaten wurden dabei dem Phänomenbereich der
Politisch motivierten Kriminalität „-rechts-“ (PMK -rechts) zugerechnet. Von diesen 110 Taten ereigneten sich 65 im Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.10.2015; 56 Straftaten sind der PMK -rechts zuzurechnen.
Auch im Jahr 2016 setzten sich Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Niedersachsen fort. So
wurden bis zum 31.10.2016 bereits 77 Straftaten in diesem Zusammenhang registriert. 69 dieser
Taten wurden seitens der zuständigen Polizeidienststellen als PMK -rechts eingestuft.
2.
Wie viele Angriffe wurden vom Januar bis einschließlich Oktober 2016 gegen Flüchtlingen oder Asylbewerber in Niedersachsen begangen, und wie ist die Entwicklung im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum?
Zur Erstellung von aussagekräftigen Lagebildern im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik
wurden zum 05.11.2015 im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS die Auswertungsmerker „gegen Flüchtlinge“ und „durch Flüchtlinge“ eingeführt. Der Auswertungsmerker „gegen
Flüchtlinge“ wird bei allen Straftaten zum Nachteil eines oder mehrerer Flüchtlinge bedient. Mit dem
Auswertungsmerker „durch Flüchtlinge“ werden alle Straftaten gekennzeichnet, bei denen mindestens ein Flüchtling als Tatverdächtiger ermittelt wird. Sofern Straftaten zum Nachteil von Flüchtlingen durch andere Flüchtlinge begangen wurden, werden beide Auswertungsmerker bedient. Eine
valide Auswertung entsprechender Taten vor dem Zeitpunkt der Einführung des Merkers ist nicht
möglich.
Im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.10.2016 wurden insgesamt 249 Angriffe gegen Flüchtlinge
oder Asylbewerber in Niedersachsen registriert, davon waren 232 rechtsmotiviert.
3.
Inwieweit sind die Fälle gegen Flüchtlings- und Asylunterkünfte und Straftaten gegen
Flüchtlinge/Asylbewerber in Niedersachsen politisch rechts motiviert?
Hinsichtlich der Zuordnung von Straftaten zur PMK -rechts wird auf die Antworten zu den Fragen 1
und 2 verwiesen.
15
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
7.
Drucksache 17/6970
Bewertung von Pflegeheimen durch den MDK
Abgeordneter Ronald Schminke (SPD)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Die Qualität der stationären Pflegeeinrichtung Haus der Heimat in Oberode wurde auf Grundlage
der ab 1. Januar 2014 gültigen Transparenzvereinbarung mehrfach geprüft. Das Gesamtergebnis
der Qualitätsprüfung wurde vom MDK Niedersachsen zuletzt mit der Gesamtnote 3,3 festgesetzt.
Besonders auffällig waren schwere Mängel im Qualitätsbereich 1 bei den Dekubitusprophylaxen,
bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen, bei der Medikamentenversorgung und bei der Körperpflege insgesamt. Im Qualitätsbereich 3 wurden bei der sozialen Betreuung und Alltagsgestaltung
durch das Heim keinerlei Angebote für die Bewohner gemacht, und das Bewertungsergebnis wurde
mit 4,1 festgesetzt. Der Qualitätsbereich 4 schließt mit der Gesamtnote 2,5 ab, obwohl festgestellt
wurde, dass der Gesamteindruck der Einrichtung im Hinblick auf Sauberkeit, Ordnung und Geruch
nicht gut ist.
Vor dieser Prüfung gab es noch viel bessere Bewertungen für das Haus der Heimat in Oberode,
denn die Gesamtnote wurde bei der vorherigen Kontrolle noch mit 1,6 festgesetzt.
Auch das inzwischen insolvente Haus Inselfrieden auf Norderney war mit der Gesamtnote 1,1 bewertet worden, obwohl es in der Einrichtung nach Medienberichten schwere Missstände über einen
langen Zeitraum gegeben haben soll. Es ist somit zu klären, wie aussagefähig die Bewertungen der
Einrichtungen sein können und wie dabei die Gefahr einer Verbrauchertäuschung vermieden werden kann.
Vorbemerkung der Landesregierung
Nach § 114 Abs. 2 Satz 1 SGB XI veranlassen die Landesverbände der Pflegekassen in zugelassenen Pflegeeinrichtungen regelmäßig im Abstand von höchstens einem Jahr eine Prüfung durch
den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), den Prüfdienst des Verbandes der privaten
Krankenversicherung e. V. (PKV-Prüfdienst) oder durch von ihnen bestellte Sachverständige (Regelprüfung). Bei Auffälligkeiten sind Anlass- oder Wiederholungsprüfungen möglich.
Die Prüfung richtet sich nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR), die der Spitzenverband
Bund der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund
der Krankenkassen e. V. (MDS) und des PKV-Prüfdienstes beschließt. Zu beteiligen sind die Verbände der Leistungserbringer, die Verbände der Pflegeberufe, die Träger der Sozialhilfe sowie die
maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen. Die QPR werden vom Bundesministerium für Gesundheit
genehmigt.
Nach § 115 Abs. 1 a SGB XI veröffentlichen die Landesverbände der Pflegekassen die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter
Form (sogenannte Pflegenoten). Die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik werden zwischen den Verbänden der Kostenträger und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Beteiligung des MDS vereinbart (sogenannte Pflegetransparenzvereinbarung).
Die Pflegenoten setzen sich aus insgesamt 77 Einzelbewertungen (Transparenzkriterien) zusammen, die fünf Qualitätsbereichen zugeordnet sind:
16
1.
Pflege und medizinische Versorgung (32 Kriterien),
2.
Umgang mit demenzkranken Bewohnerinnen und Bewohnern (9 Kriterien),
3.
soziale Betreuung und Alltagsgestaltung (9 Kriterien),
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
4.
Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene (9 Kriterien),
5.
Befragung der Bewohnerinnen und Bewohner (18 Kriterien).
Drucksache 17/6970
Für die Qualitätsbereiche werden jeweils Einzelnoten berechnet; in die Berechnung der Gesamtnote gehen nur die Bewertungen aus den Bereichen 1 bis 4 ein.
1.
Wie lässt sich erklären, dass bei den Prüfungen des MDKN im Haus der Heimat in
Oberode im Zeitraum 12. bis 15.07.2016 schwerste Pflegemängel und menschenunwürdige Zustände festgestellt wurden, wenn für den Zeitraum vor dieser unangemeldeten
Prüfung die Heimbewertung noch mit der Gesamtnote 1,6 festgeschrieben war?
Die Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) sehen vor, dass die Prüfung schwerpunktmäßig anhand
der Auswertung der Dokumentation, der Befragungen der Bewohnerinnen und Bewohner, ihrer Angehörigen und der Beschäftigen, und der Beobachtungen in der stationären Einrichtung sowie der
Erhebung der personenbezogenen Pflegequalität bei ausgewählten Bewohnerinnen und Bewohnern erfolgt. Die Bewertung bezieht sich auf den aktuell vorgefundenen Zustand sowie retrospektiv
auf die dokumentierten Sachverhalte und die Berichte der befragten Personen.
Die Bewohnerinnen und Bewohner, bei denen die personenbezogene Pflegequalität geprüft wird,
werden gemäß QPR als zufällige Stichprobe ausgewählt. Bei zwei aufeinander folgenden Prüfungen werden somit in der Regel unterschiedliche Bewohnerinnen und Bewohner in Augenschein genommen. Zudem sind nicht alle Kriterien auch bei allen einbezogenen Bewohnerinnen und Bewohnern prüfbar (z. B. die Dekubitusprophylaxe nur bei Bewohnerinnen und Bewohnern, die dekubitusgefährdet sind).
Es handelt sich bei den vergebenen Noten somit zeitlich und inhaltlich nur um einen Ausschnitt der
tatsächlichen Versorgungsqualität. Keinesfalls können auf der Basis der Prüfergebnisse Prognosen
zur weiteren Entwicklung des Qualitätsniveaus in der Einrichtung abgegeben werden. Dass es in
den folgenden Monaten zu einer massiven Verschlechterung der Versorgungsqualität im Haus der
Heimat kommen würde, war für die Prüferinnen und Prüfer am 23.02.2016 deshalb nicht absehbar.
Mittels eines Vergleichs der Ergebnisse der Prüfungen vom 23.02.2016 und 12.07.2016 lässt sich
dies in der rückwirkenden Betrachtung jedoch ablesen: Die Gesamtnote im Qualitätsbereich 1 hat
sich - insbesondere aufgrund der deutlich schlechteren Bewertungen bei der Dekubitusprophylaxe
und -versorgung, bei der Überprüfung der freiheitsentziehenden Maßnahmen und der Körperpflege
- von 2,1 auf 3,8 verschlechtert. Im Qualitätsbereich 4 führte der Wegfall von Angeboten der sozialen Betreuung dazu, dass die Note von 1,7 auf 2,5 sank.
2.
Wie ist eine Gesamtnote von 3,3 in der Bewertung durch den MDKN zu erklären, obwohl
schwere Mängel im Qualitätsbereich 1 bei den Dekubitusprophylaxen, bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen, bei der Medikamentenversorgung und bei der Körperpflege
insgesamt festgestellt wurden, im Qualitätsbereich 3 bei der sozialen Betreuung und
Alltagsgestaltung durch das Heim keinerlei Angebote für die Bewohner gemacht wurden, obwohl im Qualitätsbereich 4 festgestellt wurde, dass der Gesamteindruck der
Einrichtung im Hinblick auf Sauberkeit, Ordnung und Geruch nicht gut ist und obwohl
der Bericht selbst an drei Stellen von mit der Menschenwürde nicht vereinbaren Zuständen spricht?
Die Bewertungssystematik der Qualitätsprüfungen sieht keine Gewichtung einzelner Kriterien vor.
Die Gesamtnote wird aus dem arithmetischen Mittel aller bewerteten Kriterien der Qualitätsbereiche
1 bis 4 gebildet. Gute Bewertungen für aus pflegerischer Sicht weniger relevante Kriterien (z. B. gut
lesbarer Speiseplan) können somit schlechte Ergebnisse bei Kriterien aus dem Kernbereich der
Pflege (z. B. Dekubitusprophylaxe) ausgleichen.
Im Vergleich zum Landesdurchschnitt, der bei 1,3 liegt, ist die bei der Prüfung am 12.07.2016 vergebene Gesamtnote von 3,3 allerdings keinesfalls als befriedigende Qualität zu werten, wie dies
die Anlehnung an Schulnoten vermuten lässt. Die Einzelnoten in den wichtigen Qualitätsbereichen
„Pflege und medizinische Versorgung“ (3,8) sowie „Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung“ (4,1)
17
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
lassen noch deutlicher erkennen, dass die Versorgungsqualität zum Prüfzeitpunkt weit unterdurchschnittlich war.
3.
Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung, und welche möglichen Planungen
gibt es, um zukünftig eine aussagefähige Bewertung der Pflegeheime für Verbraucher
zu ermöglichen, die den tatsächlichen Verhältnissen entspricht?
Die Überprüfung der Pflegequalität und die Herstellung der Transparenz für Pflegebedürftige und
ihre Angehörigen sind im Sinne des Verbraucherschutzes wichtig. Die Pflegenoten (auch PflegeTÜV genannt) sind jedoch zunehmend in die Kritik geraten, da sie keine verlässlichen Aussagen
über die Qualität einer Pflegeeinrichtung ermöglichen. Die Kriterien und ihre Bewertung sind nicht
dazu geeignet, gute von weniger guten Einrichtungen zu unterscheiden. Es ist unwahrscheinlich,
dass nahezu alle Pflegeheime sehr gute oder gute Qualität aufweisen, wie der Landesdurchschnitt
von 1,3 dies suggeriert. Unter allen Beteiligten besteht Einigkeit, dass Verfahren, Inhalte und Ergebnisdarstellung der Qualitätsprüfungen nach SGB XI verbessert werden müssen.
Mit dem Pflegestärkungsgesetz II wurden die Regelungen zur Qualitätssicherung, -prüfung und
-darstellung in Pflegeeinrichtungen deshalb grundlegend überarbeitet und die Entscheidungsstrukturen der Selbstverwaltung in diesem Bereich gestrafft. Die Schiedsstelle Qualitätssicherung nach
§ 113 b SGB XI wurde zu einem Qualitätsausschuss und damit zu einem effizienten Verhandlungsund Entscheidungsgremium umgebildet. Der Qualitätsausschuss ist mit jeweils bis zu zehn Vertreterinnen und Vertretern der Kostenträger und der Leistungserbringer besetzt. Die konstituierende
Sitzung fand im Mai 2016 in Berlin statt. Eine wichtige Aufgabe des Qualitätsausschusses ist die
Entwicklung (neuer) Instrumente für die Prüfung der Qualität von Pflegeleistungen und für die Qualitätsberichterstattung und eines bundesweiten datengestützten Qualitätssicherungsverfahrens in
der stationären Pflege, wobei vor allem die Ergebnisqualität eine größere Rolle spielen soll. Dies
soll bis zum 31.03.2017 erfolgen; entsprechend wurden am 01.09.2016 die Vergabeverfahren zur
Beauftragung fachlich unabhängiger wissenschaftlicher Einrichtungen durch den Spitzenverband
Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe,
die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene eingeleitet.
Mit den gesetzlichen Neuregelungen wurden die langjährigen Forderungen der Länder weitgehend
umgesetzt. Mit der wissenschaftlichen Begleitung kann besser als bislang sichergestellt werden,
dass die Qualitätsanforderungen nicht nur den Minimalkonsens der Selbstverwaltungspartner abbilden. Die inhaltliche Neuausrichtung in Richtung der Ergebnisqualität und Lebensqualität ist zu
begrüßen. Die Landesregierung wird sorgfältig im Blick behalten, welche Ergebnisse die beauftragten Institute vorlegen und wie diese umgesetzt werden.
18
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
8.
Drucksache 17/6970
NDR-Bericht: Heimleiter Haus Inselfrieden (Norderney) ohne Qualifikation. Welche Qualifikation hatten die Heimleiter des Hauses der Heimat in Oberode?
Abgeordneter Ronald Schminke (SPD)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Der NDR berichtet am 2. November 2016 erneut über das insolvente Haus Inselfrieden auf Norderney. Die Betreiberin aus Bersenbrück soll die Heimleiterfunktion seit 2009 mit einem Heilerziehungspfleger besetzt haben, dem allerdings jegliche Befähigung und Qualifikation als Heimleiter
gefehlt habe. Auch im Prüfbericht 2010 des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherungen) war der Mann als Heimleiter angegeben, und erst im Sommer 2011 wurde durch die Kontrollbehörde das Fehlen des Befähigungsnachweises festgestellt.
Der Landkreis Aurich erklärte auf Nachfrage des NDR, der Betroffene hätte die Funktion des Heimleiters erst nach Abschluss einer Qualifizierungsmaßnahme im November 2011 übernommen, vorher habe ihm eine externe Fachberatung zur Seite gestanden. Das niedersächsische Sozialministerium widerspricht der Darstellung der Heimaufsicht und erwidert, dass die Heimleitung durch eine
andere Person wahrgenommen worden sei. Die Heimleiterin sei nicht jeden Tag in der Einrichtung
präsent gewesen, hätte aber die Entscheidungskompetenz innegehabt, heißt es.
Von der Betreiberin wurde die Funktion des Mannes in den Jahren 2011 bis 2014 als Heimleiter
bezeichnet.
Wechselnde Heimleitungen hatte die Betreiberin aus Bersenbrück auch im Haus der Heimat im
südniedersächsischen Oberode. Dort waren bei Kontrollen schwerste Pflegemissstände festgestellt
worden, und der Landkreis Göttingen verfügte einen Belegungsstopp. Gegen die Betreiberin liegen
sechs Strafanzeigen vor; es wird u. a. wegen Veruntreuung von Geldern, Abrechnungsbetrug und
Körpermisshandlung ermittelt.
1.
Welche Personen waren im Haus der Heimat in den Jahren 2014 bis 2016 laufend als
Heimleiter tätig und ordnungsgemäß in der Funktion angemeldet?
Im Haus der Heimat sind in den Jahren von 2014 bis 2016 die in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Personen ordnungsgemäß bei der zuständigen Heimaufsichtsbehörde als Heimleiterin bzw.
Heimleiter gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen (NuWG) angezeigt worden. In Zeiträumen, in denen keine der unten genannten Personen als Heimleiterin bzw. Heimleiter tätig war, ist diese Aufgabe durch die stellvertretende
Heimleitung wahrgenommen worden.
Zeitraum
08.09.2011 bis
31.07.2014
ab 01.08.2014
bis 01.10.2014
Person
Herr A)
ab 01.10.2014
bis 12.12.2014
Frau C)
ab 01.04.2015
bis 08.06.2015
Frau D)
Frau B)
Qualifikation
Altenpfleger mit Weiterbildungen zur Pflegedienst- und Heimleitung
Juristin
7 Jahre 4 Monate Leiterin der Verwaltungsabteilung eines Senioren- und Pflegezentrums mit stationären Einrichtungen
Altenpflegerin
Lehrkraft für Pflege
Weitere Fortbildungen
1 Jahr 7,5 Monate Pflegedienstleitung (PDL) und Heimleitung,
weitere 2 Jahre 3,5 Monate Heim- und Einrichtungsleitung
Diplom-Sozialarbeiterin und Weiterbildung zur Sozialbetriebswirtin
mehrere Jahre Leitungserfahrung als Einrichtungs- und Heimleitung in verschiedenen Einrichtungen
19
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Zeitraum
ab 01.08.2015
bis 25.10.2015
Person
Frau E)
ab 26.10.2015
bis 09.12.2015
Frau F)
ab 10.12.2015
bis 16.05.2016
Herr B)
ab 13.04.2016
bis 16.05.2016
Zusätzlich
Frau G)
ab 17.05.2016
bis
heute
Herr C)
2.
Drucksache 17/6970
Qualifikation
Krankenschwester
Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege
Bachelor of Business Administration (BBA)
Master-Studiengang Organization studies: Führungs-Qualifikation & Organisations-Management
4 Jahre und 3 Monate PDL und stellv. Heimleiterin in einer vergleichbaren Einrichtungen
Kinderkrankenschwester
Dipl. Pflegewirtin (FH)
6 Jahre und 10 Monate Einrichtungsleitung verschiedener Pflegeeinrichtungen,
4 Jahre selbständig als Projektleiterin Pflegemanagement und
externe Beraterin,
8 Jahre PDL in einem Krankenhaus
Dipl. Betriebswirt
10 Jahre 5 Monate Geschäftsführer von ambulanten und stationären Einrichtungen
1 Jahr 8 Monate Einrichtungsleiter in vollstationären Einrichtungen
Wirtschaftskauffrau
Weiterbildung Heimleitung
4 Jahre 6,5 Monate Heim- und Einrichtungsleitung in verschiedenen vollstationären Einrichtungen
Krankenpfleger
Pflegefachkraft im mittleren Leitungsbereich
Studium der Theologie
Ausbildung zum Wirtschaftsberater
6 Jahre 8 Monate Heim- und Einrichtungsleitung im verschiedenen vollstationären Einrichtungen
Über welche Qualifikation verfügten die jeweilig eingesetzten Personen in der Heimleiterfunktion, und in welcher Weise wurden bei den im Haus der Heimat eingesetzten
Heimleitern Befähigungen und Qualifikationen durch die Behörden kontrolliert?
Zu den Qualifikationen der jeweils eingesetzten Personen wird auf die Beantwortung zu Frage 1
verwiesen.
Die Heimaufsichtsbehörde hat sich ausnahmslos die Nachweise über die berufliche Qualifikation
und die hauptberuflichen Tätigkeiten im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach § 7 NuWG bei der
Aufnahme der Tätigkeit als Heimleiter/in vorlegen lassen.
3.
Welche Anforderungen und Qualifikationen werden an einen Heimleiter gestellt, der in
einem Pflegeheim mit psychisch kranken Menschen beschäftigt werden soll?
Eine Heimleiterin bzw. ein Heimleiter, die bzw. der in einem Pflegeheim mit psychisch kranken
Menschen beschäftigt wird, muss gemäß § 2 Abs. 1 der Heimpersonalverordnung (HeimPersV)
hierzu persönlich und fachlich geeignet sein. Diese müssen nach ihren Persönlichkeiten, ihren
Ausbildungen und ihren beruflichen Werdegängen die Gewähr dafür bieten, dass das jeweilige
Heim entsprechend den Interessen und Bedürfnissen seiner Bewohnerinnen und Bewohner sachgerecht und wirtschaftlich geleitet wird.
Als Heimleiterin bzw. Heimleiter ist gemäß § 2 Abs. 2 HeimPersV fachlich geeignet, wer
20
1.
eine Ausbildung zu einer Fachkraft im Gesundheits- oder Sozialwesen oder in einem kaufmännischen Beruf oder in der öffentlichen Verwaltung mit staatlich anerkanntem Abschluss
nachweisen kann und
2.
durch eine mindestens zweijährige hauptberufliche Tätigkeit in einem Heim oder in einer vergleichbaren Einrichtung die weiteren für die Leitung des Heims erforderlichen Kenntnisse und
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Fähigkeiten erworben hat. Die Wahrnehmung geeigneter Weiterbildungsangebote ist zu berücksichtigen.
21
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
9.
Drucksache 17/6970
War die Verpflegung der Polizeieinsatzkräfte beim Derby in Braunschweig in Ordnung?
Abgeordnete Thomas Adasch und Angelika Jahns (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Am 6. November 2016 spielten die Fußballvereine Hannover 96 und Eintracht Braunschweig gegeneinander in Braunschweig. Da dieses Spiel als ein Risikospiel eingestuft wurde, sicherten laut
Presseberichten bis zu 3 000 Polizeieinsatzkräfte das Stadion und die An- und Abreise der Zuschauer.
In persönlichen Gesprächen berichteten Polizeibeamte, dass Maden in einer den Einsatzkräften
angebotenen Mahlzeit gefunden worden sein. Dies soll auch in der Einsatzdokumentation festgehalten worden sein. Bereits beim Besuch des amerikanischen Präsidenten in Hannover im Frühjahr
bemängelten Polizeieinsatzkräfte aus anderen Bundesländern ihre Unterbringung in einer Unterkunft des Landkreises Hameln als verdreckt.
1.
Trifft es zu, dass es Beschwerden von Polizeieinsatzkräften über die angebotene Verpflegung rund um den Einsatz beim Fußballderby am 6. November 2016 gab?
Es gab aus dem Kreise der weit über 2 000 eingesetzten Kräfte zwei Beschwerden.
2.
Stimmen entsprechende Berichte, und wie wurden diese dokumentiert?
Im Verlauf des Einsatzgeschehens am 06.11.2016 wurden während einer Essensausgabe in der
Braunschweiger Innenstadt zwei mutmaßliche Obstmaden auf Tellern festgestellt. Dieser Sachverhalt wurde sofort von der Gesamteinsatzleitung aufgenommen und an die Einsatzabschnitte kommuniziert. Eine entsprechende Dokumentation ist elektronisch erfolgt. Es wurden umgehend Proben entnommen und eine entsprechende Untersuchung beim Institut Nehring in Braunschweig in
Auftrag gegeben. Jeweils zwei Proben der Gulaschtherme aus dem Einsatzgebiet sowie eine Probe aus der Kochstelle der Einsatzküche in der Liegenschaft „Friedrich-Voigtländer-Straße“ wurden
auf Rückstände von Insekten untersucht. Im Ergebnis waren die Proben von einwandfreier Beschaffenheit und nicht zu beanstanden. Ein Insekten-, Schädlings- oder Madenbefall war nicht feststellbar. Die Obstmaden müssen demnach im Nachgang zum Kochvorgang bei der Außenausgabe
der Mittagsverpflegung in die jeweiligen Essen gelangt sein. Wie dies geschehen konnte, ist nicht
bekannt, dennoch handelt es sich um einen bedauerlichen Vorfall. Neben der Untersuchung der
Proben ist bereits am frühen Morgen des 07.11.2016 eine Begutachtung der Einsatzküche durch
das Veterinäramt der Stadt Braunschweig veranlasst worden. Hierbei haben die Vertreter der Stadt
Braunschweig nach Inaugenscheinnahme der gefertigten Fotos den Verdacht auf Obstmaden bestätigt. Darüber hinaus sind die Sauberkeit und der hygienische Zustand der Einsatzküche überaus
positiv bewertet worden.
3.
Was tut die Landesregierung, um Polizeieinsatzkräften aus Niedersachsen und anderen
Bundesländern bei Großeinsätzen eine angemessene Verpflegung und Unterbringung
zu gewährleisten?
Diese Thematik wurde bereits ausführlich im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung in der Drs. 17/5879 vom 01.06.2016 („Unzumutbare Unterbringung und Verpflegung der Polizei beim Besuch von Präsident Obama?“) beantwortet und hat sich seitdem auch
nicht geändert. Bezogen auf den aktuellen Einsatz wird ergänzend mitgeteilt, dass über Umfang
und Qualität der Gesamtverpflegung außerordentlich positive Rückmeldungen seitens der Einsatzkräfte eingegangen sind. Dieses gilt auch für die Unterbringung der Einsatzeinheiten.
22
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
23
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
10. Wie ist die Belegungssituation für die Untersuchungshaft in Niedersachsen?
Abgeordnete Otto Deppmeyer, Hans-Heiner Ehlen und Heinz Rolfes (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Laut Justizministerium ist in den letzten Jahren die Belegung in der Strafhaft deutlich gesunken. Zuletzt soll hingegen die Belegung für die Untersuchungshaft in den Justizvollzugsanstalten Niedersachsens gestiegen sein.
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Frühjahr 2016 waren in einzelnen Einrichtungen die Kapazitäten in den Abteilungen für den
Vollzug der Untersuchungshaft an erwachsenen Männern nahezu ausgeschöpft. Um freie Kapazitäten im Jugend- und Jungtätervollzug zur Entlastung zu nutzen, wurden am 01.09.2016 insgesamt
56 Haftplätze für den Vollzug der Untersuchungshaft an erwachsenen Männern bis zur Vollendung
des 23. Lebensjahres in der Jugendanstalt Hameln und der JVA Vechta geschaffen.
1.
Wie ist die Belegungssituation für die Untersuchungshaft in den niedersächsischen
Justizvollzugsanstalten?
In dem Zeitraum Januar bis Oktober 2016 war der Jugend- und Erwachsenenvollzug durchschnittlich mit 734 Untersuchungsgefangenen belegt. Am 30. April 2016 war der Höchststand mit 780 Untersuchungsgefangenen erreicht. Derzeit ist der Bestand wieder auf 719 Untersuchungsgefangene
(Stand: 31. Oktober 2016) gesunken.
Unter Hinweis auf die in der Vorbemerkung genannten Maßnahmen (Schaffung von zusätzlichen
56 Untersuchungshaftplätzen) in Verbindung mit dem Rückgang der Belegungszahlen (um rund
60 Untersuchungsgefangene) hat sich die Auslastungsquote mittlerweile wieder normalisiert.
2.
Was tut die Landesregierung, um zusätzliche Untersuchungshaftplätze zu schaffen?
Siehe Vorbemerkung.
3.
Hält die Landesregierung an ihren Plänen zur Schließung der Abteilung Braunschweig
der JVA Wolfenbüttel fest?
Ja. Die Abteilung Braunschweig der JVA Wolfenbüttel wird nach Abschluss der Sanierung des sogenannten Grauen Hauses der JVA Wolfenbüttel geschlossen. Dies wird nach jetzigem Planungsstand voraussichtlich im November 2018 der Fall sein.
24
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
11. Unterstützung für Schülerinnen und Schüler mit einer Autismus-Spektrum-Störung durch
Mobile Dienste
Abgeordneter Axel Miesner (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Bei der Inklusion an den niedersächsischen Schulen kommt den sogenannten Mobilen Diensten eine wichtige Rolle zu. Sie tragen dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrem Förderbedarf angemessen unterstützt werden. Das gilt auch für Schülerinnen und Schüler mit einer
Autismus-Spektrum-Störung.
In einer Handreichung der Landesschulbehörde mit dem Titel „Schüler und Schülerinnen mit Autismus-Spektrum-Störung im gemeinsamen Unterricht“ (Download unter www.landesschulbehoerde-niedersachsen.de/themen/projekte/autismus) heißt es dazu:
„Die Schüler, ihre Erziehungsberechtigten sowie die zuständige Schule erhalten auf Anfrage Beratung durch Mitarbeiter der Mobilen Dienste der Förderzentren. Dabei kann die Arbeit in der Beratung an seinem institutionellen oder familiären Bezugssystem ansetzen. Sie erfolgt sowohl präventiv als auch begleitend. Der Einsatz des Mobilen Dienstes ist nicht an die Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung gebunden.
Zu den Angeboten des Mobilen Dienstes gehören:
–
Informationen über die Aspekte der Autismus-Spektrum-Störung,
–
Beratung bei der Schaffung förderlicher Bedingungen,
–
Unterstützung bei der Förderplanung,
–
Beratung bei der Festlegung der Nachteilsausgleiche,
–
Teilnahme an Runden Tischen/Förderkommissionen.“
Im Oktober 2016 haben sich Elternvertreter schriftlich an Kultusministerin Frauke Heilgenstadt
(SPD) gewandt und ihre Befürchtungen dargestellt, dass der Mobile Dienst für Autismus-SpektrumStörungen möglicherweise reduziert oder eingestellt werden könnte.
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Rahmen der vom Gesetzgeber beschlossenen Einführung der inklusiven Schule gilt es auch, die
Beratung und Unterstützung der Schulen in ihrer Weiterentwicklung in bewährter Weise fortzuführen. Dabei kommen den vorhandenen sonderpädagogischen Ressourcen wie dem Mobilen Dienst
auch in Zukunft wichtige Aufgaben zu.
Die Landesregierung sieht grundsätzlich den Erhalt und - nach den vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Ressourcen - weiteren Ausbau sonderpädagogischer Versorgung in der inklusiven
Schule vor. Dazu gehört auch der Mobile Dienst.
1.
In welchem personellen Umfang sind derzeit Mitarbeiter Mobiler Dienste im Bereich von
Autismus-Spektrum-Störungen in Niedersachsen tätig?
In Niedersachsen gibt es laut aktueller Statistik Mobile Dienste zu den Förderschwerpunkten „Körperliche und motorische Entwicklung“, „Emotionale und soziale Entwicklung“, „Hören“, „Sehen“ im
Umfang von insgesamt 5 213 Lehrerwochenstunden, die von 561 Lehrkräften geleistet werden
(Stand: 18.08.2016). Es wird darauf hingewiesen, dass diese Angaben bisher nicht abschließend
geprüft sind.
25
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Im Rahmen dieser Mobilen Dienste ist auch der Bereich „Autismus-Spektrum-Störung“ als Beratungsschwerpunkt enthalten. In der Regel wird dieser Bereich an den Förderschwerpunkt „Emotionale und soziale Entwicklung“ gekoppelt, dieses ist aber nicht zwingend.
Eine Besonderheit besteht in der Regionalabteilung Lüneburg der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB): Dort haben sich acht Förderschullehrkräfte (mit insgesamt 70 Lehrerwochenstunden) der o. a. Mobilen Dienste auf die Beratung im Bereich „Autismus- Spektrum-Störung“ spezialisiert.
Darüber hinaus verfügt die NLSchB über insgesamt 300 Lehrerstunden - ca. 60 Förderschullehrkräfte - für die Fachberatung Sonderpädagogische Förderung und Inklusion. Auch hier kann die
NLSchB auf die Fachexpertise „Autismus-Spektrum-Störung“ zurückgreifen, einige Fachberaterinnen und Fachberater haben sich auf den Beratungsschwerpunkt Autismus-Spektrum-Störung spezialisiert.
2.
Kann damit der Bedarf an Unterstützung, den insbesondere Eltern betroffener Schülerinnen und Schüler bei den Schulbehörden nachfragen, in vollem Umfang gedeckt werden?
Ja, die derzeitige Ausstattung ist dafür in allen Regionalabteilungen der Niedersächsischen Landesschulbehörde ausreichend.
3.
Welche Veränderungen sind kurz- oder mittelfristig bei der Personalausstattung der
Mobilen Dienste im Bereich von Autismus-Spektrum-Störungen geplant?
Im Rahmen von Fortbildungen und Fachdienstbesprechungen bildet sich das Beratungspersonal
der NLSchB fort.
Für die Steuerung und Qualifizierung der Lehrkräfte, die im Mobilen Dienst tätig sind, ist die Schulleitung im Rahmen ihrer Verantwortung zuständig. Im Rahmen der Konzeptionierung von „Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren Inklusive Schule“ (RZI) soll nach der Implementierung
erster RZI auch die Frage nach der Entwicklung von Standards und Rahmenvorgaben für den Mobilen Dienst in den Focus genommen werden.
26
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
12. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der BDS-Affäre um einen Lehrer in
Oldenburg?
Abgeordnete Karin Bertholdes-Sandrock (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Die Jüdische Allgemeine schreibt in ihrer Ausgabe aus November 2016 auf Seite 3: „In einer niedersächsischen Universitätsstadt hat die örtliche Bildungsgewerkschaft den antiisraelischen Boykottaufruf eines Lehrers in ihrer Mitgliederzeitschrift veröffentlicht. Nach Protesten und einigem Hin
und Her erfolgte schließlich eine Distanzierung des Kreisverbands.“ Dabei geht es um eine Veröffentlichung eines Oldenburger Lehrers in der regionalen Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft. Auch die Jerusalem Post berichtete bereits mehrmals über den Fall.
In dem Beitrag der Zeitschrift PaedOL soll der Lehrer laut Medienberichten den Staat Israel u. a.
ethnischer Säuberungen sowie anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen bezichtigen. Medienberichten zufolge ist er Aktivist bei der propalästinensischen Organisation BDS (Boycott, Divestment and Sanctions). Laut eigener Website basiert die „Internationale BDS-Kampagne für Palästina“ „auf dem Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel, bis es internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nachkommt.“
Das American Jewish Committee Berlin, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Oldenburg und die
frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch äußerten sich kritisch zu der Veröffentlichung des Lehrers.
Regierungssprecherin Anke Pörksen sagte laut Nordwest-Zeitung vom 3. November 2016, die Ereignisse in Oldenburg würden untersucht.
Vorbemerkung der Landesregierung
Das Kultusministerium nimmt die gegen die Lehrkraft erhobenen Vorwürfe sehr ernst. Diese hatte
sich in einem Artikel einer GEW-Zeitschrift kritisch mit der Politik des Staates Israel auseinandergesetzt und insbesondere Einzelfälle des Umgangs mit dort lebenden Palästinensern für unangemessen erachtet.
Die Landesschulbehörde hat in Abstimmung mit dem Kultusministerium die bekanntgewordenen
Vorwürfe eingehend und sehr sorgfältig geprüft. Dabei sind rechtsstaatliche Prinzipien wie u. a. die
schutzwürdigen persönlichen Belange der Betroffenen und die Fürsorgepflicht gegenüber Landesbediensteten zu beachten gewesen. Abwägungen im Spannungsfeld zwischen den Pflichten von
Beamten wie dem Mäßigungsgebot und der politischen Neutralität einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits waren hier vorzunehmen.
In dem in Rede stehenden Artikel sind Aussagen zum Judentum nicht enthalten. Weiteren vermeintlich antisemitischen Vorwürfen ist, soweit in ihrer Pauschalität möglich, nachgegangen worden.
Die Prüfung hat ergeben, dass die gegen die Lehrkraft erhobenen Vorwürfe sich bislang als nicht
substantiiert erwiesen haben. Gleichwohl sind mit der Lehrkraft angesichts der politischen Komplexität und der historischen Bedeutsamkeit gerade des Nahostkonflikts sensibilisierende Personalgespräche geführt worden. Dabei wurde ausdrücklich auf die beamtenrechtlichen Pflichten zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung wie zum Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung hingewiesen. Die Gespräche verliefen nach Einschätzung der Behörde sehr
sachlich und offen.
Es ist anzumerken, dass es bisher weder seitens der Schulleitung bzw. Schulverwaltung noch seitens der Schüler- und Elternschaft Beschwerden gegeben hat, die betreffende Lehrkraft habe sich
politisch unangemessen geäußert oder verhalten. Die Lehrkraft wird durch die Kolleginnen und Kollegen der Schule geschätzt.
27
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Auch das Engagement der Lehrkraft für die Graswurzelbewegung BDS (Boycott, Divestment und
Sanctions) ist in die Prüfung einbezogen worden. Für die Recherche der Frage, inwiefern die BDSKampagne als antisemitisch charakterisiert werden kann, wurden verschiedene wissenschaftliche
Studien und journalistische Artikel, sowie öffentlich zugängliche Stellungnahmen und Verlautbarungen der deutschen und internationalen Webpräsenz der BDS-Kampagne herangezogen. Zudem
wurde Kontakt mit dem Auswärtigen Amt, der Bundeszentrale für Politische Bildung und dem Niedersächsischen Verfassungsschutz aufgenommen, um deren Meinungsbilder in Erfahrung zu bringen, mit den eigenen Erkenntnissen abzugleichen und sich so ein differenziertes eigenes Bild zu
machen können.
Nach dieser Recherche ergibt sich ein vielschichtiges Bild zur BDS-Kampagne. Deren heterogene
Anhängerschaft könne nicht pauschal als antisemitisch bezeichnet werden, gleichwohl trage diese
teilweise äußerst problematische bzw. kontroverse Züge. Diese Einschätzung teilt die Landesregierung mit dem Auswärtigen Amt, der Bundeszentrale für Politische Bildung und dem Niedersächsischen Verfassungsschutz. Auch die Bundesregierung hat im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage mehrerer der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs.
18/4173) verdeutlicht, dass ihr keine Erkenntnisse vorliegen, die eine Beobachtung der BDSKampagne durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ermöglichten.
Die BDS-Kampagne wurde 2005 von 170 palästinensischen Nichtregierungsorganisationen initiiert
und weist eine breite internationale Unterstützungsstruktur auf. Es handelt sich um eine Bewegung
mit sehr heterogenem Charakter. Sowohl auf der internationalen als auch der deutschen Webpräsenz wird zu einem gegen Israel gerichteten akademischen, kulturellen und ökonomischen Boykott
(Verbraucher-Boykott) aufgerufen. Im Zentrum der Kampagne steht ein 2005 im Namen der palästinensischen Zivilgesellschaft formulierter Boykottaufruf. Der Aufruf kritisiert scharf und einseitig die
israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik. Aufgerufen wird zu gewaltlosen Strafmaßnahmen
gegen Israel.
Die Einschätzung der BDS-Kampagne ist vielschichtig. Die Friedrich Naumann Stiftung bezeichnet
die BDS-Kampagne in einer im Oktober 2015 veröffentlichten Studie „Boykott des Friedens: Die
BDS-Bewegung und der Westen“ als eine „ideologisch geprägte und auf überzogene Rhetorik und
Symbolik setzende Bewegung“, die eine äußerst einseitige, gegen Israel gerichtete Interpretation
im israelisch-palästinensischen Konflikt betreibe und eine absolute Aufteilung in Gut und Böse vornehme.
Lidia Averbukh, Israelexpertin der unabhängigen Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, warnt
einem HAZ-Bericht zufolge vor „undifferenzierten Wertungen der umstrittenen BDS Gruppierung“.
Das sei „ein Pool von verschiedenen Auffassungen, die divergieren“. Es gebe „Gruppen die das
Existenzrecht Israels anzweifeln und Gruppen, die sich gegen die Okkupation der West Bank wenden“. Um Antisemitismus zu identifizieren müsse man sich jeden Fall sehr genau anschauen.
Prof. Dr. Samuel Salzborn, Antisemitismus- und Rechtsextremismusforscher an der Universität
Göttingen, stellt in einem 2013 in der Zeitschrift „Kirche und Israel“ veröffentlichten Beitrag „Israelkritik oder Antisemitismus? Kriterien für eine Unterscheidung“ fest, dass die BDS-Kampagne das
Ziel verfolge, „Israel international zu diskreditieren und zu delegitimieren“. Die Kampagne sei nicht
um Kritik bemüht, sondern „ihrer Intention nach antisemitisch“.
Bezugspunkt solcher und anderer Einschätzungen der BDS-Kampagne als antisemitisch ist das
Konzept eines „antizionistischen“ oder „israelbezogenen Antisemitismus“, der auf die Ablehnung
des Existenzrechts des Staates Israel bezogen ist.
Eine solche Einschätzung der BDS-Kampagne ist allerdings nicht unumstritten, sondern wird äußerst kontrovers diskutiert. Es ist zu beachten, dass es keine allgemein geteilte Definition des Begriffes Antisemitismus und seiner unterschiedlichen Ausprägungen gibt. In dem 2011 vorgelegten
Bericht „Antisemitismus in Deutschland“ des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, der
vom Bundesministerium des Inneren eingerichtet wurde, wird etwa betont: „Nicht jede einseitige
oder undifferenzierte Kritik an Israel ist (…) antisemitisch.“
1.
28
Zu welchem Ergebnis ist die Landesregierung bei der Überprüfung gelangt?
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
2.
Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Vorgang, insbesondere in
Bezug auf den Oldenburger Lehrer?
Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
3.
Teilt die Landesregierung die Auffassung des Grünen-Bundestagabgeordneten Volker
Beck, und hält sie den BDS für antisemitisch?
Die Landesregierung kommentiert grundsätzlich keine Äußerungen von Abgeordneten. Im Übrigen
wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
29
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
13. Wie viele Lehrerstellen fehlen an den berufsbildenden Schulen?
Abgeordnete André Bock und Kai Seefried (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Nach Angaben der Landesregierung betrug im Schuljahr 2015/2016 die landesweite durchschnittliche Unterrichtsversorgung der öffentlichen berufsbildenden Schulen 88,6 %. Im Theoriebereich lag
diese bei 88,6 %, im Fachpraxisbereich bei 88,8 % (Stichtagswerte vom 15. November 2015 laut
Drucksache 17/6221).
Zur Berechnung des Lehrerstundenbedarfs an den berufsbildenden Schulen hat das Kultusministerium jüngst ausgeführt (Drucksache 17/6277), es werde „im berufsbildenden Bereich vom Budgetierungsgedanken ausgegangen. Jeder Schule wird ein bestimmtes Lehrkräfte-Sollstunden-Budget
zugewiesen. Die Zuweisung basiert auf den sich aus den Stundentafeln ergebenden Lehrkräftestunden der einzelnen Bildungsgänge und der gesetzten Klassensollstärke. Dieses Budget an Sollstunden muss als Obergrenze von der Schule eingehalten werden. Innerhalb des Budgets kann die
Schule unter Berücksichtigung der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften für berufsbildende Schulen ihre Klassen- und Gruppenbildung eigenverantwortlich mittels der zur Verfügung
stehenden Lehrkräfte-Iststunden gestalten.“
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Rahmen der Beantwortung verschiedener Kleiner Anfragen hat die Landesregierung bereits darauf hingewiesen, dass sich die guten Erfahrungen des Modellversuchs ProReKo in der Folgezeit
nicht in allen Teilbereichen für alle berufsbildenden Schulen bestätigt haben. Die Auslastung des
den Schulen zur selbstständigen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellten Beschäftigungsvolumens ist von 2011 bis 2014 kontinuierlich gesunken. Dies bedeutet, dass die vom Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellten Ressourcen nicht hinreichend genutzt wurden. Insbesondere
die sehr geringen Einstellungszahlen in den Jahren 2011 (174 Einstellungen an öffentlichen berufsbildenden Schulen) und 2012 (308 Einstellungen an öffentlichen berufsbildenden Schulen) haben bis heute spürbare Auswirkungen auf die Unterrichtsversorgung.
Die Umsetzung der Vorschläge einer Arbeitsgruppe zur Optimierung der Stellenausnutzung, die bereits im Jahr 2012 von der Vorgängerregierung eingesetzt wurde, hatte nicht die erhoffte bessere
Ausnutzung der vom Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellten Stellen gebracht. Aufgrund
der dargestellten Entwicklung im Bereich der Personalbewirtschaftung wurde daher die Bewirtschaftung von freien Stellen und Stellenanteilen ab dem 30.07.2014 vorübergehend im Kultusministerium durchgeführt, um so die Auslastung der Stellen und Mittel (z. B. durch Zusammenfassung
freier Stellenanteile und durch Nutzung bisher nicht genutzter Stellen) zu optimieren. Der Kern des
ProReKo-Gedankens blieb bei dieser Maßnahme erhalten: Die Schulen sind weiterhin unter Beachtung der (haushalts-)rechtlichen Vorgaben verantwortlich für die Personalplanung sowie für die
Auswahl und die Entscheidung über das einzustellende Personal. Das Stellenausgleichsverfahren
bleibt als transparentes Instrument der Stellenplanung bestehen.
Festzustellen ist, dass nach den Veränderungen bei der Stellenbewirtschaftung, die im Jahr 2014
vorgenommen wurde, die vom Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellten Ressourcen stärker
ausgelastet und in den Haushaltsjahren 2014 und 2015 mit 546 bzw. 511 Einstellungen an den öffentlichen berufsbildenden Schulen die beiden eindeutig höchsten Einstellungszahlen der vergangenen Dekade erreicht werden konnten.
Ein weiteres gravierendes Absinken der Unterrichtsversorgung konnte gestoppt werden, obwohl
zum Stichtag 15.11.2015 das Lehrkräfte-Soll, auch durch die Beschulung nach Niedersachsen geflohener Jugendlicher, merklich gestiegen ist.
Im laufenden Haushaltsjahr 2016 konnte mit bereits über 450 Einstellungen ein überdurchschnittliches Einstellungsergebnis erzielt werden. Es ist damit in den zurückliegenden drei Haushaltsjahren
30
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
(2014 bis 2016) gelungen, im Durchschnitt mehr als 500 Lehrkräfte dauerhaft für das Land zu gewinnen und damit deutlich mehr als in den Zeiten der Vorgängerregierung.
1.
Wie hoch war die landesweite durchschnittliche Unterrichtsversorgung der öffentlichen
berufsbildenden Schulen im Schuljahr 2016/2017 zum Stichtag 15. November 2016?
Die aggregierte Unterrichtsversorgung an den öffentlichen berufsbildenden Schulen im Schuljahr
2016/2017 wurde zum Stichtag 15.11.2016 erhoben. Wie in den Vorjahren, ist die Statistik zum
Stichtag der Erhebung 15.11. rund eine Woche nach Statistikstichtag durch die berufsbildenden
Schulen abzugeben. Im Schuljahr 2016/2017 erfolgte dies am 22.11.2016. Nach Abgabe der Statistik folgt die eingehende Prüfung der übermittelten Daten durch die Niedersächsische Landesschulbehörde und das Kultusministerium, sodass die geprüften Zahlen der Statistik ebenfalls wie in den
Vorjahren voraussichtlich Mitte Februar des Folgejahres vorliegen werden.
2.
Wie viele Lehrer-Soll-Stunden fehlen im Schuljahr 2016/17 an den öffentlichen berufsbildenden Schulen zum Erreichen von 100 % Unterrichtsversorgung, bzw. welchem
„Budget an Sollstunden“ gemäß der Erläuterung in Drucksache 17/6277 entsprach dieses Fehl (bitte die Antwort in Lehrerstunden und Lehrerstellen angeben; falls die Daten
des Schuljahrs 2016/2017 noch nicht vorliegen, bitte hilfsweise die Daten aus dem
Schuljahr 2015/2016 angeben)?
Die Frage nach dem Unterrichtsfehl unterstellt das Ziel einer 100-prozentigen Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen in Niedersachsen. Dass die Unterrichtsversorgung an berufsbildenden Schulen anderen Gesetzmäßigkeiten folgt als an allgemeinbildenden Schulen, ist
weithin - und gewiss auch den Fragestellern - bekannt. Ein Unterrichtsversorgungsgrad von 100 %
an den berufsbildenden Schulen war in der Zeit der verfügbaren Aufzeichnungen landesweit zu
keiner Zeit gegeben.
Das Kultusministerium hat im Übrigen bereits im Jahr 2012, also vor dem Regierungswechsel, im
Zusammenhang mit einer ähnlich lautenden Anfrage ebenfalls auf diesen Sachverhalt verwiesen
und betont, dass die Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen nicht vergleichbar mit
der Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen sei.
In Bezug auf die gestellte Frage ist festzustellen, dass die Unterrichtsversorgung eine Verhältnisrechnung aus „Ist“ im Vergleich zum „Soll“ ist. Es wird davon ausgegangen, dass das rein rechnerisch benötigte „Ist“ gemeint ist.
Da die Daten für den Stichtag 15.11.2016 aus den zuvor genannten Gründen noch nicht vorliegen,
können die gewünschten Zahlen nur für den Stichtag 15.11.2015 mitgeteilt werden. Dieser rein
rechnerische Wert belief sich in Stunden auf insgesamt (Theorie und Fachpraxis) rund 29 500 und
in Lehrkräften 1 180. Er liegt damit - trotz der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Beschulung von nach Niedersachsen geflohenen jugendlichen Flüchtlingen - auf dem Niveau des Jahres des Regierungswechsels.
3.
In welchem Umfang werden im Haushaltsplanentwurf 2017/2018 Stellen an den berufsbildenden Schulen neu geschaffen werden oder gestrichen?
Mit dem Stellenplan zum Haushaltsplanentwurf 2017/2018 werden an den berufsbildenden Schulen
für das Jahr 2017 163 neue Planstellen ausgebracht (160 für die Sprachförderung, drei aufgrund
einer Änderung des § 95 NPersVG).
Demgegenüber werden im Jahr 2017 173 Planstellen in Abgang gestellt (120 Stellen wegen Rückführung der zusätzlichen Stellen für die Arbeitszeitkonten aus dem Jahr 2016, 22 Stellen durch Beschluss der Landesregierung zur Begrenzung der Personalzuwächse, 21 Stellen durch Rückverlagerung nach Kapitel 07 18, zehn kostenneutrale Stellenhebungen). Darüber hinaus werden für das
Jahr 2018 23 Planstellen aufgrund des Beschlusses der Landesregierung zur Begrenzung der
Personalzuwächse in Abgang gestellt.
31
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Die letzte Tranche zur Rückführung von 120 Planstellen zum Ausgleich von Arbeitszeitkonten aus
dem Jahr 2017, die aus haushaltsrechtlichen Gründen erst im Jahr 2018 vollzogen werden kann,
wird zurückgestellt und bis zum 31.07.2021 ausgesetzt. Die Stellen werden somit erst zum
01.01.2022 in Abgang gestellt. Damit stehen diese Planstellen den berufsbildenden Schulen für
weitere vier Jahre für eine Beschäftigung von Lehrkräften zur Verfügung. Die Anpassung des
Haushaltsplanentwurfs wird im weiteren Aufstellungsverfahren erfolgen.
32
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
14. Status quo der niedersächsischen Oberschulen
Abgeordneter Kai Seefried (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Im laufenden Schuljahr 2016/2017 arbeiten dem Kultusministerium zufolge landesweit 256 öffentliche Oberschulen und etwa 20 Oberschulen in freier Trägerschaft. Das Ministerium geht von rund
93 000 Schülerinnen und Schülern an den niedersächsischen Oberschulen aus. Die Arbeit in der
Oberschule kann auf unterschiedliche Weise flexibel organisiert werden - z. B. mit oder ohne Ganztagsangebot und mit oder ohne gymnasiales Angebot.
Dem Kultusministerium zufolge kann der Unterricht an Oberschulen nach Entscheidung der Schule
im Rahmen der Vorgaben jahrgangsbezogen (in den Schuljahrgängen 5 und 6), jahrgangsbezogen
in Verbindung mit Fachleistungsdifferenzierung auf zwei oder drei Anforderungsebenen in den
Kernfächern (Deutsch, Mathematik und Englisch) oder überwiegend schulzweigbezogen (mehr als
50 % des Unterrichts werden schulformbezogen unterrichtet) erteilt werden.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Erhebung zur Unterrichtsversorgung an den allgemeinbildenden Schulen erfolgte im 1. Schulhalbjahr 2016/2017 zum Statistiktermin am 18.08.2016. Nach diesem Datum haben die Schulen einige Tage Zeit, ihre Daten abzugeben. Frist für die Abgabe der Daten war in diesem Schuljahr
2016/2017 der 22.08.2016. Bei Vorlage der Daten ist - wie in jedem Jahr - eine aufwändige Prüfung
durch die Landesschulbehörde und das Kultusministerium notwendig. Es handelt sich daher im
Folgenden um noch nicht abschließend geprüfte Daten. Die geprüften Ergebnisse der Erhebung
zur Unterrichtsversorgung an den allgemeinbildenden Schulen zum Stichtag 18.08.2016 liegen voraussichtlich erst im Dezember 2016/Januar 2017 vor.
1.
Wie viele Oberschulen führen ein gymnasiales Angebot?
Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen.
Nach dem gegenwärtigen Stand der noch nicht abschließend geprüften Daten aus der Erhebung
zur Unterrichtsversorgung an den allgemein bildenden Schulen zum Stichtag 18.08.2016 gibt es im
Schuljahr 2016/2017 insgesamt 39 Oberschulen (OBS) mit gymnasialem Angebot, davon eine OBS
in freier Trägerschaft.
2.
Wie viele Oberschulen unterrichten jahrgangsbezogen (Schuljahrgang 5 und 6), wie viele jahrgangsbezogen in Verbindung mit Fachleistungsdifferenzierung und wie viele
überwiegend schulzweigbezogen?
Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen.
Nach Angaben der Landesschulbehörde unterrichten derzeit zwölf Oberschulen ab dem Schuljahrgang 5 überwiegend schulzweigbezogen, alle anderen unterrichten in den Schuljahrgängen 5 und 6
jahrgangsbezogen. Von letzteren führen 41 Schulen ab dem Schuljahrgang 5 eine Fachleistungsdifferenzierung im Fach Mathematik und 43 Schulen eine Fachleistungsdifferenzierung im Fach
Englisch durch. Ab dem Schuljahrgang 6 unterrichten 125 Schulen fachleistungsdifferenziert in Mathematik und 127 Schulen fachleistungsdifferenziert in Englisch.
3.
Wie viele Oberschulen sind jeweils ein- bis zweizügig, dreizügig, vier- oder mehrzügig?
Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen.
33
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Oberschulen - Stichtag 18.08.2016
- nicht abschließend geprüfte Daten Zügigkeit
Öffentliche
Schulen in freier
Schulen
Trägerschaft
unter 1-zügig
1
3
1- bis unter 2-zügig
12
3
2- bis unter 3-zügig
105
3
3- bis unter 4-zügig
72
5
4-zügig und größer
66
6
Drucksache 17/6970
Summe
4
15
108
77
72
Die Übersicht berücksichtigt die Schuljahrgänge 5 bis 10. Sprachlernklassen sind hier nicht einbezogen.
34
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
15. Wo nimmt die Landesregierung das Geld für die soziale Wohnraumförderung her?
Abgeordneter Dr. Max Matthiesen (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) in ihrer Ausgabe vom 11. November 2016 berichtete, möchte die Landesregierung den Mietwohnungsbau ankurbeln, da viele Haushalte Probleme
hätten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Ministerpräsident Stephan Weil wird in der HAZ dazu
wie folgt zitiert: „Wir haben die Wohnraumförderung um das Zehnfache aufgestockt, um die Situation für Bürger mit geringem Einkommen zu entspannen. Da durch den Zuzug von Flüchtlingen die
Lage noch verschärft werde, stelle man noch einmal 400 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land
beteilige sich zudem bis 2019 weiterhin an der Kofinanzierung der Bundesmittel für den sozialen
Wohnungsbau mit jeweils rund 40 Millionen Euro.“
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Auszug des betreffenden Berichts in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung in ihrer Ausgabe
vom 11. November 2016 wird im Text der Anfrage unzutreffend zitiert. Richtig lautet der Text wie
folgt: „‚Wir haben die Wohnraumförderung um das Zehnfache aufgestockt, um die Situation für
Bürger mit geringem Einkommen zu entspannen.‘ Da durch den Zuzug von Flüchtlingen die Lage
noch verschärft werde, stelle man noch einmal 400 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land beteilige sich zudem bis 2019 weiterhin an der Kofinanzierung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau mit jeweils rund 40 Millionen Euro.“ Der nicht als direkte Rede kenntlich gemachte Teil
des Textes ist insofern eine Darstellung des verantwortlichen Redakteurs.
Die Landesregierung hatte sich im Rahmen ihrer Kabinettsklausur am 20. und 21. Juli 2015 darauf
verständigt, den sozialen Wohnungsbau stärker zu fördern und hierfür weitere 400 Millionen Euro
zur Verfügung zu stellen. Die 400 Millionen Euro werden entsprechend den Bestimmungen des
Niedersächsischen Wohnraumfördergesetzes (NWoFG) und des Gesetzes über die Investitionsund Förderbank Niedersachsen von der NBank am Kapitalmarkt aufgenommen und fließen dem
Wohnraumförderfonds als Einnahmen zu. Die Mittel sollen den Investorinnen und Investoren über
einen Zeitraum bis 2019 im Rahmen des Wohnraumförderprogramms zur Verfügung gestellt werden. Die Refinanzierungsmittel verstärken die auf Niedersachsen entfallenden Beträge nach § 3
Abs. 2 und § 4 Abs. 4 des Entflechtungsgesetzes, die dem Wohnraumförderfonds nach § 13 Nr. 1
NWoFG als Einnahmen zufließen. Insgesamt stehen für die soziale Wohnraumförderung bis 2019
rund 800 Millionen Euro zur Verfügung.
1.
Von welcher Summe ausgehend, hat die Landesregierung die soziale Wohnraumförderung um das Zehnfache aufgestockt, und stellt sie tatsächlich „noch einmal 400 Millionen Euro zur Verfügung“?
Die Landesregierung hat die soziale Wohnraumförderung zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung ausgehend von den 39,86 Millionen Euro, die der Bund nach den Bestimmungen des Entflechtungsgesetzes in der Fassung vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2401) infolge des Wegfalls der früheren Bundesfinanzhilfen für die soziale Wohnraumförderung als Kompensationsmittel im Jahr 2015 an das
Land gezahlt hat, um das Zehnfache aufgestockt. Im Weiteren wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
2.
In welcher Höhe hat sich die rot-grüne Landesregierung bislang mit Landesmitteln an
der Kofinanzierung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau beteiligt?
Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.
35
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
3.
Drucksache 17/6970
Wo sind im Haushaltsplanentwurf 2017/2018 die vom Ministerpräsidenten zugesagten
jeweils rund 40 Millionen Euro Landesmittel veranschlagt, die das Land bis 2019 als
Kofinanzierung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt?
Die 400 Millionen Euro fließen dem Wohnraumförderfonds als Einnahmen zu und sind im Einzelplan 05 - Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - in der Anlage zu Kapitel 05 07
im Finanzplan des Wohnraumförderfonds veranschlagt. In den aufgeführten Deckungsmitteln werden unter Ziffer 2 die Darlehensaufnahmen zur Finanzierung der Wohnraumförderung ausgewiesen. Im Einzelnen: 2016: 30 Millionen Euro, 2017: 190 Millionen Euro, 2018: 100 Millionen Euro,
2019: 35 Millionen Euro, 2020: 55 Millionen Euro. Die dargestellte Aufnahme der Refinanzierungsmittel beruht auf Planrechnungen. Sie erfolgt nach Bedarf, um die Refinanzierungskosten möglichst
gering zu halten. Auszahlungen werden zunächst aus der Liquidität des Wohnraumförderfonds vorgenommen. Im Weiteren wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
36
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
16. Prävention gegen Einbruchsdiebstähle - Was tut die Landesregierung?
Abgeordnete Editha Lorberg, Angelika Jahns und Thomas Adasch (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Die Einbruchskriminalität ist im Jahr 2015 stark angestiegen. Zahlen zur Entwicklung im Jahr 2016
gibt die Landesregierung nach eigener Aussage gegenwärtig nicht heraus. In der politischen Diskussion werden allgemein zur Bekämpfung des Einbruchsdiebstahls der Ausbau der Prävention
und die stärkere Sicherung von Gebäuden gefordert. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage zur
schriftlichen Beantwortung im Jahr 2015 (Drucksache 17/3483) berichtete die Landesregierung,
dass in der Polizeidirektion Hannover die durchschnittliche Wartezeit auf eine Präventionsberatung
im Jahr 2014 ca. 73 Tage gedauert habe. Die längste Wartezeit soll jedoch im Jahr 2014 sogar 405
Tage betragen haben. Hintergrund sei laut Landesregierung hierbei ein deutlicher Anstieg der Beratungsanfragen aufgrund intensiver Werbemaßnahmen gewesen.
Weiterhin fordert insbesondere Innenminister Pistorius die Bürgerinnen und Bürger auf, ihre Wohnungen stärker zu sichern. Dazu befürwortet er auch Fördermaßnahmen des Staates. NordrheinWestfalen, Sachsen und demnächst Schleswig-Holstein legen oder legten entsprechende Förderprogramme für moderne Sicherheitstechnik auf. Auch der Bund wird im nächsten Jahr über die
Kreditanstalt für Wiederaufbau entsprechende Maßnahmen weiter fördern.
1.
Wie hat sich die Wartezeit auf Beratungsangebote zur Prävention des Einbruchsdiebstahls in den einzelnen Polizeidirektionen in den Jahren 2015 und 2016 entwickelt?
Angesichts der anhaltenden landes- und bundesweiten Berichterstattung über Wohnungseinbruchkriminalität und entsprechender Öffentlichkeitsarbeit für kostenfreie und produktneutrale Beratungen der Polizei ist das Beratungsinteresse der Bevölkerung deutlich gestiegen.
Unter Hinweis auf die Ausführungen in der Drucksache 17/3483 sind die durchschnittlichen „Wartezeiten“ der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Hierzu ist anzumerken, dass es sich hierbei häufig um Terminvereinbarungen handelt, die nicht zwingend die früheste Beratungsmöglichkeit abbilden, sondern um Termine, die sich auch an den zeitlichen Kapazitäten bzw. Vorstellungen der Interessenten orientieren. Termine für Personen, bei denen eingebrochen wurde, werden im Vergleich
zu anlassunabhängigen Beratungen grundsätzlich priorisiert behandelt.
Polizeidirektion
Braunschweig
Polizeidirektion
Göttingen
Polizeidirektion
Hannover
Durchschnittliche
Wartezeit 2014
ca. 8 Tage
Durchschnittliche
Wartezeit 2015
ca. 14 Tage
Durchschnittliche
Wartezeit 2016
ca. 14 Tage
ca. 11 Tage
ca. 14 Tage
ca. 14 Tage
ca. 73 Tage
ca. 9 Tage (Einbruchsopfer oder in Planung
eines Neu- oder Umbaus)
ca. 27 Tage (anlassunabhängige Beratung)
ca. 10 Tage (Gruppenberatung)
bis zu 28 Tage (Individualberatung vor Ort)
ca. 15 Tage*
ca. 3 Tage**
Polizeidirektion
Lüneburg
ca. 14 Tage
Polizeidirektion
Oldenburg
Polizeidirektion
Osnabrück
ca. 15 Tage
ca. 20 Tage (Einbruchsopfer oder in
Planung eines Neuoder Umbaus)
ca. 48 Tage (anlassunabhängige Beratung)
ca. 10 Tage (Gruppenberatung)
bis zu 28 Tage (Individualberatung vor Ort)
ca. 17 Tage*
ca. 3 Tage
ca. 3 Tage**
37
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
*
Drucksache 17/6970
In einer Inspektion kam es aufgrund von Personalwechseln zu deutlich längeren Wartezeiten von bis zu drei
Monaten (2015) bzw. bis zu 63 Tagen (2016); dieser Sonderfall ist im angegebenen Durchschnittswert der
PD Oldenburg nicht enthalten. Akutfälle wurden sehr kurzfristig innerhalb von 0 bis 2 Tagen beraten.
** Für den Zeitraum einiger Monate kam es aufgrund eines Personalwechsels zu einzelnen Wartezeiten von
bis zu vier Wochen. Geschädigte von Einbrüchen wurden allerdings weiterhin schnellstmöglich beraten.
2.
Überlegt die Landesregierung, ein eigenes Förderprogramm zur verbesserten Einbruchssicherheit in Niedersachsen aufzulegen? Wenn ja, in welcher Höhe und wann?
Wenn nein, warum nicht?
Baumaßnahmen, die mit Mitteln der Wohnraumförderung gefördert werden, sollten nach den geltenden Wohnraumförderbestimmungen die darin näher bezeichneten sicherungstechnischen Mindeststandards zum Einbruchschutz erfüllen. So sollten alle Fenster, Fenstertüren, Wohnungsabschluss- und Außentüren, die ebenerdig oder ohne Aufstiegshilfe zu erreichen sind, mindestens in
der Widerstandsklasse (RC) 2 gemäß DIN EN 1627 oder gleichwertig erstellt sein. Fenster und
Fenstertüren, die erhöht eingebaut und nur mit einer Aufstiegshilfe ohne Standfläche zu erreichen
sind, sollten mindestens in der Widerstandsklasse (RC) 1 gemäß DIN EN 1627 oder gleichwertig
erstellt sein. Die jeweilige Verglasung sollte mindestens der Durchwurfhemmung P2-A gemäß DIN
EN 345 entsprechen.
Isolierte Maßnahmen zum Einbruchschutz sind hingegen nicht Bestandteil der sozialen Wohnraumförderung. Fördermöglichkeiten für diesbezügliche Maßnahmen bestehen auf Bundesebene bei der
Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Landesregierung beabsichtigt derzeit nicht, ein Förderprogramm aufzulegen.
3.
Setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass in die Landesbauordnung das Erfordernis höherer Widerstandsklassen für Fenster und Türen aufgenommen wird, wie es die
SPD-Innenminister am 7. November 2016 gemeinsam forderten?
Bauministerkonferenz und Innenministerkonferenz befassen sich mit dem Schutz vor Wohnungseinbrüchen. Dabei geht es auch um den Vorschlag, das Bauordnungsrecht anzupassen. Die Landesregierung wird nach Abschluss dieser Diskussion prüfen, ob Änderungen der Niedersächsischen Bauordnung geboten sind.
38
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
17. Integrationsförderung durch „Rechtsstaatsklassen“
Abgeordnete Petra Joumaah (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In Hessen ist im Mai 2016 von der dortigen Landesregierung das Integrationsprojekt „Fit für den
Rechtsstaat“ etabliert worden. Auf ehrenamtlicher Basis engagieren sich in dem Projekt Richter,
Staatsanwälte und Rechtspfleger, um interessierten Asylsuchenden die Grundlagen des deutschen
Rechtsstaates zu vermitteln. Behandelt werden Themen wie die Gleichberechtigung von Mann und
Frau, die sexuelle Selbstbestimmung, Familienrecht, Vertragsrecht oder das deutsche Straf- und
Asylrecht. Das Interesse ist groß: Bis Anfang Oktober 2016 haben bereits 5 708 Asylsuchende an
den an 38 Standorten in Hessen stattfindenden Kursen teilgenommen. Die Hessische Landesregierung will das Projekt im kommenden Jahr fortführen und plant dafür 200 000 Euro ein.
1.
Wie beurteilt die Landesregierung den Wert dieses Projekts für die Integration?
Menschen, die sich in Deutschland vorübergehend aufhalten oder längerfristig hier leben und die
deutsche Sprache ebenso wie das deutsche Recht nicht kennen, sind im Alltag und in der Integration benachteiligt. Die Forderung, sich an bestimmte, hier geltende Regeln zu halten, impliziert die möglichst frühzeitige - Vermittlung der Kenntnis dieser Regeln. Dies gilt in besonderem Maße für
die in Gesetzen festgelegten Regeln des täglichen Miteinanders und der strafbewehrten Verbote.
Für die Kinder ist dies durch den Besuch von Kindertageseinrichtungen und die geltende Schulpflicht in höherem Maße gewährleistet. Für Jugendliche und Erwachsene gilt dies hingegen nicht.
Deshalb ist grundsätzlich ein Konzept erforderlich, mit dem die Informationen zum deutschen Recht
insbesondere für Flüchtlinge unterschiedlichster Herkunft kultursensibel und niedrigschwellig vermittelt werden. Dies dient unmittelbar der Erleichterung des alltäglichen Zusammenlebens in der
Gesellschaft und damit letztlich auch der Integration.
Die Justizministerkonferenz hat dies in ihrer Frühjahrskonferenz vom 1. und 2. Juni 2016 einstimmig bestätigt und den Beschluss zur Rechtsbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber dahin gehend
gefasst, dass Konzepte, Flüchtlinge und Asylbewerber frühzeitig und direkt zu Grundprinzipien unseres freiheitlich-demokratischen Staatswesens und unseres Straf- und Zivilrechts zu unterrichten,
zur gelingenden Integration einen wesentlichen Beitrag leisten können. Das in der Ausgangsfrage
beschriebene Projekt steht mit dieser Beschlusslage in Zusammenhang.
2.
Gibt es vergleichbare flächendeckende Angebote in Niedersachsen, in denen Fachleute
aus dem Justizbereich ehrenamtlich aus erster Hand juristisches Fachwissen in verständlicher Form an Menschen aus anderen Kulturkreisen vermitteln?
Ein flächendeckendes vergleichbares Angebot wird durch das Justizministerium nicht vorgehalten.
3.
Falls nein zu 2.: Wird die Landesregierung ein solches vom ehrenamtlichen Engagement getragenes Projekt ins Leben rufen?
Das Programm „Fit für den Rechtsstaat - Fit für Hessen!“ versteht sich als Ergänzung zu den derzeit bestehenden Integrationsangeboten und zielt auf Flüchtlinge und Asylsuchende ab. Es ist auf
Freiwilligkeit angelegt und lebt vom persönlichen Austausch der Menschen. Inhaltlich werden die
wichtigsten Grundrechte wie die Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung, Demokratie und Rechtsstaat dargestellt sowie ganz praktische Elemente, etwa Erwartungshaltungen beim Einkaufen, die
Schulpflicht oder Fragen der Gültigkeit der Ehe dargestellt. Es wurden auch sensible Themen in
den Lehrplan aufgenommen. So etwa die Ereignisse in Köln und das dahinter stehende Frauenbild,
das Thema Familienehre, Homosexualität und Anwerbungsversuche von Salafisten.
39
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Die Planung und Umsetzung eines neuen vergleichbaren Projektes in Niedersachsen würde einen
entsprechenden, auf längere Zeit ausgerichteten Bedarf voraussetzen. Die im hessischen Projekt
vermittelten Inhalte finden sich jedoch in dem Curriculum für einen bundesweiten Orientierungskurs
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und hier insbesondere in der überarbeiteten und
erweiterten Fassung, die 2017 in Kraft tritt, wieder.
In § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes wird „ein Orientierungskurs zur Vermittlung von
Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland“ gefordert. Die Integrationskursverordnung (IntV) präzisiert diese Vorgabe und definiert in § 3 Abs. 1 Nr. 2 IntV als
Ziel des Kurses die „Vermittlung von Alltagswissen sowie von Kenntnissen der Rechtsordnung, der
Kultur und der Geschichte in Deutschland, insbesondere auch der Werte des demokratischen
Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland und der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit.“
Mit der Erweiterung des bundesweiten Orientierungskurses geht eine Erhöhung der Stundenzahl
von 60 auf 100 Unterrichtseinheiten (UE) einher. Die wichtigsten Eckpunkte des neuen Curriculums
sind:
–
systematische Hervorhebung der Bedeutung der Verfassungsprinzipien, Grundrechte und Werte für ein gedeihliches gesellschaftliches Miteinander an allen relevanten Stellen des Curriculums,
–
durchgehende Ausrichtung auf eine wertebasierte politische Bildung und Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe,
–
tiefere Identifikation der Teilnehmenden mit den Lerninhalten durch Bezug und Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenswirklichkeit und der deutschen Gesellschaft,
–
Grundrechte und demokratische Prinzipien als Maßstab und Rahmen für die eigenständige Bewertung und individuelle Verortung der Teilnehmenden.
Der im Vergleich zum bisherigen Curriculum mehr als doppelt so große Umfang des Moduls
„Mensch und Gesellschaft“ trägt der zunehmenden Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher, kultureller und religiöser Vielfalt und des damit einhergehenden Ziels eines friedlichen
Zusammenlebens der Menschen Rechnung. Dies betrifft insbesondere die Themenbereiche religiöse Toleranz und Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Die vorgegebenen Themenbereiche zu Geschichte, Rechtsordnung und Kultur werden so ausgelegt, dass sie sich auf der Basis der zuvor von den Migrantinnen und Migranten gemachten Erfahrungen in Deutschland vermitteln lassen und diesen bei der gegenwärtigen und zukünftigen Orientierung im Alltag zugutekommen. Alle drei Themenbereiche des Curriculums verfügen über eine
wertebasierte Ausrichtung. Im Vordergrund steht dabei die Bedeutung der Verfassungsprinzipien
und Grundrechte im Grundgesetz für ein selbstbestimmtes Leben und ein konstruktives gesellschaftliches Miteinander.
Unter Berücksichtigung der in § 44 des Aufenthaltsgesetzes festgelegten Zulassungsvoraussetzungen hat der überwiegende Teil der als Flüchtlinge oder Asylsuchende zugewanderten Menschen mit dauerhafter Aufenthaltsperspektive Zugang zu den Integrations- bzw. Orientierungskursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die Landesregierung setzt sich darüber hinaus
auf Bundesebene u. a. mit einem Beschlussvorschlag zur Integrationsministerkonferenz 2017 für
eine weitergehende Öffnung der Integrationskurse für Asylbewerberinnen und -bewerber unabhängig vom Herkunftsland bzw. von der Bleibeperspektive ein.
Die Etablierung eines gesonderten Projektes zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung,
der Kultur und der Geschichte in Deutschland, insbesondere auch der Werte des demokratischen
Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland und der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit würde zu Parallelstrukturen führen und wird daher seitens der Landesregierung nicht befürwortet.
Sollte sich ein gesonderter Informationsbedarf für besondere Gruppen von Geflüchteten zu Fragen
der Rechtsordnung ergeben, wird die Fachstelle Opferschutz im Justizministerium unter dem Gesichtspunkt der Prävention ein entsprechendes Konzept fertigstellen.
40
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
41
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
18. Ausbildung für Niederländisch-Lehrkräfte an niedersächsischen Studienseminaren
Abgeordneter Reinhold Hilbers (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Niederländisch ergänzt insbesondere im Westen Niedersachsens das Fremdsprachenangebot der
niedersächsischen Schulen. Die Fremdsprache wird an verschiedenen Schulformen unterrichtet, im
Grenzgebiet zu den Niederlanden auch im Grundschulbereich. Niederländisch wird im Abitur als
Prüfungsfach angeboten: Im Schuljahr 2015/2016 belegten der Statistik des Kultusministeriums zufolge 281 Schülerinnen und Schüler in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe das
Fach Niederländisch in insgesamt 18 angebotenen Kursen.
Die Ausbildung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst findet für das Fach Niederländisch ausweislich der Übersichten auf der Internetseite des Kultusministeriums für das Lehramt an Gymnasien an
den Studienseminaren in Leer und Meppen, für die Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen
an den Studienseminaren in Nordhorn und Aurich statt.
In meiner Anfrage „Entwicklung der Ausbildungssituation für angehende Lehrkräfte für die Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen in Niedersachsen“ (Drucksache 17/5534) hatte ich gefragt,
ob in 2016 oder 2017 für die Standorte der Studienseminare für alle Lehrämter oder in Bezug auf
deren regionale Zuständigkeiten Veränderungen geplant seien. Die Landesregierung antwortete im
April 2016: „Eine Veränderung der Standorte ist nicht geplant, folglich sind auch keine Änderungen
der mit diesen Standorten verbundenen Zuständigkeiten vorgesehen.“
Nunmehr soll das Angebot am Standort Nordhorn eingestellt werden.
1.
Warum wird entgegen der Aussage in der Drucksache 17/5534 eine Änderung des Ausbildungsangebots in Nordhorn vorgenommen?
Die Aussage, dass eine Veränderung der Standorte nicht geplant ist, folglich auch keine Änderungen der mit diesen Standorten verbundenen regionalen Zuständigkeiten vorgesehen sind, ist nach
wie vor zutreffend. Die für die landesweit 50 Studienseminare und deren Ausbildungsschulen in
den Regionalabteilungen der Niedersächsischen Landesschulbehörde verankerte Zuständigkeit
bleibt unverändert. Die Frage, welche Fächer landesweit an welchen Studienseminaren ausgebildet
werden, ist hingegen eine Frage landesweiter Ausbildungskapazitäten. Gemäß § 2 Abs. 3 der Verordnung über die beschränkte Zulassung zum Vorbereitungsdienst für Lehrkräfte (ZulassVO-Lehr)
vom 15.03.2010 (Nds. GVBl. S. 149) richten sich die Ausbildungsmöglichkeiten an einem Studienseminar nach der Zahl der Leiterinnen und Leiter für fachdidaktische Seminare. Jede Leiterin und
jeder Leiter kann zehn Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst ausbilden. Diese Zahl kann im Bedarfsfall
weiter erhöht werden, wenn Bewerbungen wegen fehlender Ausbildungskapazität abgewiesen
werden müssten. Die Erhöhung soll zwei Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst nicht überschreiten.
Das Kultusministerium oder eine von diesem bestimmte Stelle hat bei der Einrichtung von Ausbildungsmöglichkeiten in den fachdidaktischen Seminaren zu berücksichtigen, wie sich die Bewerbungen auf die fachdidaktischen Seminare voraussichtlich verteilen werden.
In Fächern, in denen es regelmäßig zu wenige Bewerberinnen und Bewerber landesweit gibt, kann
eine Gruppengröße von zehn Auszubildenden leider nicht immer erreicht werden. Da die Ausbildenden eine Stellenzulage und Anrechnungsstunden erhalten, ist es aus haushalterischen Gründen nicht immer vertretbar, an allen Studienseminaren Fachseminare für beliebige Fächer einzurichten. Kleine Gruppen von Auszubildenden in einem Fach verbrauchen überproproportional viele
Anrechnungsstunden - dies würde zulasten der Unterrichtsversorgung gegebenenfalls sogar des
betreffenden Faches in den Schulen der Ausbildenden gehen.
Wenn am Studienseminar Nordhorn für die Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen eine Leiterin oder ein Leiter für ein fachdidaktisches Seminar des Faches Niederländisch im Jahr 2017 voraussichtlich in den Ruhestand eintreten wird, ist zu prüfen, ob die Anzahl zu erwartender Auszubildender in dem Fach und die Anzahl der sich zurzeit in der Ausbildung befindenden Auszubildenden
42
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
dafür spricht, das Fachseminar des Studienseminars aufrechtzuerhalten und nachzubesetzen.
Nach derzeitigem Sachstand hat sich im laufenden Bewerbungsverfahren leider nur eine auszubildende Lehrkraft beworben, die in Niedersachsen im Fach Niederländisch in einem Studienseminar
für die Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen auszubilden sein wird. Die Anzahl der Auszubildenden wird nach derzeitigem Sachstand weiterhin so gering bleiben, dass das dafür weiter
bestehende Fachseminar am Studienseminar Aurich kapazitär vollkommen ausreicht; nicht einmal
hier wird es die für Ausbildungsdidaktik ideale Größe von zehn bis zwölf Auszubildenden geben
können.
2.
Welche Bedeutung misst die Landesregierung dem Fach Niederländisch im Unterricht
aller Schulformen bei, insbesondere in Bezug auf die deutsch-niederländische Grenzregion?
Auch wenn im Regelfall Französisch als zweite Pflichtfremdsprache bzw. Wahlpflichtfremdsprache
in niedersächsischen Schulen anzubieten ist, wird den Schulen auf Antrag beim Kultusministerium
die Möglichkeit gegeben, eine andere Sprache als zweite Fremdsprache zu unterrichten.
Damit wird den Schulen - insbesondere im deutsch-niederländischen Grenzraum - die Möglichkeit
des Angebots des Faches Niederländisch als zweiter Fremdsprache eröffnet. Mit dem Erlernen der
Nachbarsprache Niederländisch wird den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit gegeben, eine besondere Qualifikation für die Berufs- und Arbeitswelt zu erwerben. Darüber hinaus kann auch
eine Stärkung der regional geprägten Identität unterstützt werden.
3.
Wie wird es sich nach Ansicht der Landesregierung in der Region um Nordhorn auswirken, wenn dort künftig keine Lehrerinnen und Lehrer für das Fach Niederländisch
mehr ausgebildet werden?
Für das Fach Niederländisch wird in Niedersachsen zurzeit an Studienseminaren für die Lehrämter
an Grund-, Haupt- und Realschulen an den Standorten Aurich und Nordhorn ausgebildet. Ebenso
wird für das Fach Niederländisch an den Studienseminaren für das Lehramt an Gymnasien an den
Standorten Leer und Meppen ausgebildet. Ausbildungsplätze sind für dieses Fach im Bereich der
deutsch-niederländischen Grenze folglich nach wie vor vorhanden. Die Anzahl der Auszubildenden,
die einem Studienseminar in einem Fach zuzuweisen sind, hängt insbesondere von der Anzahl der
Bewerberinnen und Bewerber in dem betreffenden Fach ab. Wie bereits in der Antwort zu 1 ausgeführt wird, sind Ausbildenden für kleine Gruppen von Auszubildenden in einem Fach überproproportional viele Anrechnungsstunden zu gewähren - dies würde zulasten der Unterrichtsversorgung
in den Schulen der Ausbildenden gehen. Wenn z. B. in einem Fach nur eine Auszubildende oder
ein Auszubildender an einem Studienseminar ausgebildet wird, so erhält die oder der Ausbildende
dafür vier Anrechnungsstunden. Die Anrechnungsstunden der Ausbildenden, die selber das Fach
Niederländisch an Schulen erteilen, würden an der betreffenden Schule der Lehrkraft nicht für die
Unterrichtsversorgung zur Verfügung stehen. Die aktuelle Anzahl von Bewerbungen für die Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen war zum Einstellungstermin 27.07.2016 hoch, dennoch
gab es darunter nur die eine genannte Bewerbung für das Fach Niederländisch. Die Frage nach
der Auswirkung bezieht sich auf einen Personenkreis von einzelnen Personen, für die nicht vorab
feststeht, an welchen Schulen sie sich nach dem erfolgreich absolvierten Vorbereitungsdienst um
Einstellung in den Schuldienst bewerben werden. Gleiches gilt für den beruflichen Werdegang der
Auszubildenden der anderen genannten Studienseminare, die das Fach ausbilden. Vor diesem
Hintergrund kann eine Aussage, die sich auf belastbare Daten und auf die Zukunft einer Region
bezieht, nicht gemacht werden.
43
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
19. Der Finanzminister und seine Aussagen zu ÖPP: Echter Sinneswandel oder lediglich Muster
ohne Wert?
Abgeordnete Karl-Heinz Bley und Reinhold Hilbers (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Entgegen bisherigen Aussagen der Landesregierung hat Finanzminister Peter-Jürgen Schneider
(SPD) am 7. November 2016 in einem Interview mit der hannoverschen Tageszeitung Neue Presse
ausgeführt, die Finanzierung künftiger Großbauprojekte im Zuge sogenannter ÖPP (öffentlichprivater Partnerschaften) realisieren zu wollen. Minister Schneider führte in diesem Zusammenhang
aus, dass die Frage, die sich künftig stelle, sei, ob „mit ÖPP oder gar nicht“ gebaut werde.
Vorbemerkung der Landesregierung
Anlass und Hintergrund der in dem o. a. Interview gegebenen Aussagen sind die absehbaren Herausforderungen der öffentlichen Auftraggeber, investive Großvorhaben ab Inkrafttreten des Nettoneuverschuldungsverbots im Jahr 2020 in konventioneller Art und Weise aus dem Haushalt
finanzieren zu können. Neben dem o. a. Zitat hat Finanzminister Schneider weitere Aussagen getroffen. So hat er insbesondere auch auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit hingewiesen, der bei
der Prüfung einer eventuellen ÖPP zu berücksichtigen ist. Daher wird auch zukünftig in jedem Einzelfall zu prüfen sein, auf welchem Wege ein angestrebtes Ziel unter Beachtung dieses Grundsatzes zu erreichen ist.
1.
Gibt die in dem Interview geäußerte Auffassung des Finanzministers zu ÖPP die Meinung der Landesregierung wieder?
Ja.
2.
Für welche Bauvorhaben plant die Landesregierung vor dem Hintergrund der Aussagen
von Finanzminister Schneider eine Realisierung mittel ÖPP bereits konkret?
Für keines.
3.
Für welche Bauvorhaben kommt nach Auffassung der Landesregierung vor dem Hintergrund der Aussagen von Finanzminister Schneider eine Realisierung mittels ÖPP in
Betracht (bitte konkrete Bauvorhaben in Niedersachsen benennen)?
Zurzeit ist kein konkretes eigenes Bauvorhaben bekannt, das für eine Umsetzung als ÖPP ab dem
Jahre 2020 geeignet ist.
44
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
20. Können Landwirte im kommenden Jahr das Programm Agrarförderung Niedersachsen
Digital auf ihren Apple-Geräten öffnen?
Abgeordneter Hans-Heinrich Ehlen (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Das Servicezentrum für Landentwicklung und Agrarförderung bietet auf seiner Internetplattform den
Download des Programms Agrarförderung Niedersachsen Digital (Andi Version 8.1.0) an. Das Programm ermöglicht die Bearbeitung des Agrarantrages auf digitale Art und Weise. Es erreichten den
Fragesteller Anfragen von Landwirten, die das Programm auf ihrem Apple-Gerät (Mac) erneut auch
in diesem Jahr nicht öffnen konnten.
Vorbemerkung der Landesregierung
Das Programm Agrarförderung Niedersachen Digital (ANDI) wird bereits seit 2009 als elektronisches Antragsverfahren zur Erstellung des Sammelantrags Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen angeboten und wurde in den letzten Jahren von ca. 98 % der Landwirte für die Antragstellung genutzt. Wegen der gemäß Vorgaben der EU notwendigen Einführung der sogenannten geobasierten Antragstellung war ab dem Jahr 2016 die Antragstellung ausschließlich über ANDI möglich. Jeder Antragsteller hat dafür - wie in den vergangenen Jahren - eine DVD mit der Antragssoftware erhalten. Aktualisierte Programmversionen wurden auf der Internetseite des Servicezentrums
Landentwicklung und Agrarförderung (SLA) zum Download angeboten. Aufgrund der großen Vielvielfalt kann dabei allerdings nicht sichergestellt werden, dass alle möglichen Betriebssysteme und
Geräte unterstützt werden. Auf der Internetseite des SLA wurde am 22.04.2016 u. a. auch eine
Vollversion ANDI_8.1.0_MacOS für Apple-Geräte sowie die Anleitung zur Verwendung dieser Version angeboten, die auch von ca. 300 Antragstellern genutzt wurde.
1.
Warum lässt sich die ANDI Version 8.1.0 nicht auf Apple-Geräten öffnen?
Wie bereits dargestellt, stand eine ANDI-Version für Apple-Geräte zur Verfügung und wurde auch
genutzt. Darüber hinaus wird regelmäßig während der Phase der Antragstellung eine telefonische
technische Hilfe zur Installation von ANDI angeboten.
Warum im Einzelfall ein Öffnen von ANDI 2016 nicht möglich gewesen sein soll, kann aufgrund der
vielen verschiedenen Betriebssystemvarianten und der unterschiedlichen verwendeten Gerätetypen von der Landesregierung nicht nachvollzogen werden.
2.
Was will die Landesregierung bezüglich der Problematik unternehmen?
Für das Antragsjahr 2017 wird erneut eine ANDI-Version für Apple-Geräte zur Verfügung gestellt.
3.
Wie sollen Landwirte ihre Agraranträge bearbeiten, wenn ihnen im Betrieb nur AppleGeräte zur Verfügung stehen?
Grundsätzlich war 2016 eine Antragstellung mit Apple-Geräten möglich (s. o.).
Alternativ wurden bei den Bewilligungsstellen der Landwirtschaftskammer Niedersachen sogenannte Gastcomputer bereitgestellt, die im Rahmen der regulären Geschäftszeiten kostenfrei von Betriebsinhabern für ihre Antragstellung genutzt werden konnten. Auf diese Möglichkeit wurden die
Betriebsinhaber in dem Anschreiben zur Auslieferung der ANDI-DVD und in der Presse hingewiesen. Darüber hinaus standen viele Dienstleister zur Verfügung, die die Landwirte bei der Erstellung
ihrer Agraranträge unterstützt haben.
45
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Unter den o. a. Voraussetzungen wird auch 2017 eine Antragstellung mit Apple-Geräten möglich
sein.
46
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
21. Bezuschussung von Honiguntersuchungen auf Krankheitskeime
Abgeordnete Frank Oesterhelweg und Hans Heinrich Ehlen (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stellt laut seiner Richtlinie
über die Gewährung von Zuwendungen zur Verbesserung der Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen für Bienenzuchterzeugnisse und Förderung der Bienenzucht und -haltung vom 13. Juli
2016 für die Honiganalyse bezüglich Krankheitskeimen einen Zuschuss von 15 Euro bereit.
Das Landwirtschaftsministerium teilte nun dem Landesverband der Imker Weser-Ems mit, dass die
Förderung im zurückliegenden Bewilligungszeitraum reduziert wurde. Statt mit 15 Euro wird die Untersuchung nun nur noch mit 4 Euro gefördert.
Vorbemerkung der Landesregierung
Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stellt laut seiner Richtlinie
über die Gewährung von Zuwendungen zur Verbesserung der Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen für Bienenzuchterzeugnisse und Förderung der Bienenzucht und -haltung vom 13. Juli
2016 für die Honiganalyse bezüglich Krankheitskeimen keinen Zuschuss von 15 Euro bereit. Vielmehr formuliert die RL unter Nummer 5.2 explizit, dass ein Zuschuss bis zu 15 Euro bereitgestellt
wird. Je nach Höhe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel kann sich dieser Betrag jährlich
ändern, worauf alle Antragsteller ausnahmslos im Vorfeld wie folgt hingewiesen werden: „Es ist zu
erwarten, dass Kürzungen von Zuwendungen unumgänglich sind oder Zuwendungen ganz entfallen. Wir bitten Sie dieses Finanzierungsrisiko … zu berücksichtigen.“
1.
Welche Bedeutung misst die Landesregierung einer regelmäßigen flächendeckenden
Untersuchung von Honig auf physikalisch-chemische Merkmale zur botanischen Herkunftsbestimmung und auf Krankheitskeime bei?
Die Landesregierung misst insbesondere der regelmäßigen flächendeckenden Untersuchung von
Honig auf Krankheitskeime eine erhebliche Bedeutung zur Beherrschung des Seuchengeschehens
zu. Dies wird auch daran deutlich, dass das LAVES-Institut für Bienenkunde in Celle im Rahmen
des seit 2004 durchgeführten AFB-Monitorings jährlich ca. 800 Honigproben auf die Erreger der
Amerikanischen Faulbrut kostenlos untersucht und damit einen ausgezeichneten Überblick das
Seuchengeschehen gewährleistet.
2.
Aus welchem Grund wurde die finanzielle Förderung für die Honiguntersuchung auf
Krankheitskeime für den Förderzeitraum 2015/2016 von 15 Euro auf 4 Euro je Probe gekürzt?
Die Kürzung ist der Tatsache geschuldet, dass in 2016, auch durch die gestiegene Zahl der Neuimker, eine erheblich gestiegene Zahl von Anträgen vorlag, sodass die zur Verfügung stehenden
Mittel auf deutlich mehr Einzelfälle verteilt und infolgedessen die Fördersätze pro Einzeluntersuchung reduziert werden mussten.
3.
Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung dadurch auf die Kreisverbände
und Vereine der Imker sowie auf den Umfang der durchgeführten Untersuchungen?
Keine, da die Haushaltsmittel für 2017 so aufgestockt wurden, dass die Fördersätze im kommenden Jahr aller Voraussicht nach wieder das Niveau von 2015 erreichen werden.
47
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
22. Offener Brief des American Jewish Committee: Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung?
Abgeordneter Jörg Hillmer (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Das American Jewish Committee (AJC) Berlin hat sich am 28. Oktober 2016 in einem Offenen Brief
an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gewandt. Darin bezieht sich die Direktorin des AJC Berlin
u. a. auf einen inzwischen durch mehrere Gutachten bestätigten Antisemitismusvorwurf im Hinblick
auf ein Seminar der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim. Auch auf
andere Vorfälle in Niedersachsen, die nach Ansicht des AJC „allesamt dazu beitragen können, das
Verhältnis zum jüdischen Staat zu schädigen“, wird hingewiesen. Die Berliner AJC-Direktorin Deidre Berger schrieb u. a. an Ministerpräsident Weil: „Die beschriebenen Ereignisse stellen aus unserer Sicht eine besorgniserregende Entwicklung dar, die das Potenzial hat, den deutsch-israelischen
Beziehungen und dem Ansehen Niedersachsens großen Schaden zuzufügen.“
1.
Welchen Inhalt hatte die Antwort der Landesregierung gegebenenfalls?
Die Landesregierung antwortet generell nicht auf Offene Briefe, so auch nicht auf den des American Jewish Committee Berlin. Gegenüber den in Bezug auf den AJC-Brief nachfragenden Journalisten hat die Regierungssprecherin die Vermutung, in Niedersachsen zeichne sich eine besorgniserregende Entwicklung in Richtung antisemitischer Positionen ab, zurückgewiesen. Die Landesregierung und zahlreiche gesellschaftlich Institutionen in Niedersachsen setzten sich immer wieder
aktiv gegen antisemitische Tendenzen ein.
Niedersachsen unterhalte seit Jahren sehr gute Beziehungen zu Israel und pflege die deutschisraelischen Beziehungen. In der Antwort an die Presse ist auf mehrere Besuche von Kabinettsmitgliedern in Israel hingewiesen worden: Ministerpräsident Weil war zuletzt im Juni 2014 in Israel,
Kultusministerin Frauke Heiligenstadt im September 2016. Anfang November tauschte sich die Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gabriele Heinen-Kljajić, in Israel mit Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen, Forschungs- und kulturellen Einrichtungen aus. Ministerpräsident Stephan
Weil wird am 30. November 2016 einen Empfang anlässlich des Jüdischen Neujahrfestes in Hannover ausrichten. Zahlreiche niedersächsische Hochschulen unterhalten intensive und enge Partnerschaften mit israelischen Hochschulen, darunter ist beispielsweise die Hebrew University of Jerusalem.
Es gebe immer wieder unterschiedliche Gelegenheiten zum Austausch zwischen den Vertreterinnen und Vertretern Jüdischer Einrichtungen und Organisationen und der Landesregierung, so die
Regierungssprecherin weiter. Diese würden auch intensiv genutzt. Für ein gesondertes Treffen sehe die Landesregierung derzeit keinen Anlass.
2.
Hält die Landesregierung alle Vorwürfe für unbegründet?
Auf die oben gemachten Ausführungen wird verwiesen.
3.
Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den Vorwürfen?
Die Landesregierung ist der Kritik des AJC an einem Seminar der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim sowie an den Aktivitäten eines Lehrers in Oldenburg
nachgegangen.
Im Hinblick auf die kritisierte Lehrveranstaltung an der HAWK hat die Ministerin für Wissenschaft
und Kultur ein Gutachten zur Bewertung der Lehrveranstaltung in Auftrag gegeben. Das beauftragte Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass diese Lehr48
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
veranstaltung bereits konzeptionell entscheidende Mängel aufweist, wissenschaftlichen Standards
nicht entspricht und ein extrem einseitiges Bild vermittelt. Zudem weist das Gutachten erhebliche
Mängel hinsichtlich einer kritischen Evaluation und Maßnahmen zur Qualitätssicherung an der
Hochschule nach.
Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat daraus unverzüglich Konsequenzen gezogen. So
wird mit dem Präsidium der Hochschule eine Zielvereinbarung auf den Weg gebracht mit dem Inhalt, zeitnah ein Konzept zur Qualitätssicherung in der Lehre zu erstellen. Zudem muss sichergestellt werden, dass es keine vergleichbaren Sachverhalte an der Hochschule gibt. Außerdem unterstützt das Ministerium die Einrichtung einer fakultätsübergreifenden Kommission zur hochschulinternen Aufarbeitung des gesamten Sachverhaltes. Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat
außerdem bereits mit der Niedersächsischen Landeshochschulkonferenz Niedersachsen vereinbart, gemeinsam neue Standards zur Qualitätssicherung bei Lehrbeauftragten für alle niedersächsischen Hochschulen zu erarbeiten.
Das Kultusministerium nimmt die gegen eine Lehrkraft erhobenen Vorwürfe sehr ernst. Die Umstände wurden daher sehr sorgfältig geprüft. Dabei sind rechtsstaatliche Prinzipien wie u. a. die
schutzwürdigen persönlichen Belange der Betroffenen und die Fürsorgepflicht gegenüber Landesbediensteten zu beachten gewesen. Abwägungen im Spannungsfeld zwischen den Pflichten von
Beamten wie dem Mäßigungsgebot und der politischen Neutralität einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits sind hier vorzunehmen gewesen. Die Prüfung hat ergeben, dass die gegen die
Lehrkraft erhobenen Vorwürfe sich bislang als nicht substantiiert erwiesen haben. Gleichwohl ist mit
der Lehrkraft angesichts der politischen Komplexität und der historischen Bedeutsamkeit gerade
des Nahostkonflikts ein weiteres, sensibilisierendes Personalgespräch geführt worden. Dabei wurde nochmals und ausdrücklich auf die beamtenrechtlichen Pflichten hingewiesen.
Die Universität Göttingen hat den Start der geplanten Ausstellung verschoben, um den Charakter
der Ausstellung noch einmal kritisch prüfen zu lassen und einen sachlich-konstruktiven Dialog zu
fördern.
49
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
23. Kommt der Bär auch nach Niedersachsen?
Abgeordnete Dr. Gero Hocker, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens
der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Presseberichten zufolge könnten in naher Zukunft wieder Braunbären nach Sachsen kommen.
Nach Aussagen des WWF wäre dies durch Wanderungsbewegungen aus Polen bzw. Slowenien
möglich. In Polen leben momentan ca. 80 Tiere, in Slowenien etwa 900.
Tschechische Forscher warnen vor einer Ansiedlung von Braunbären in dicht besiedelten Gebieten, da „es viel mehr Konflikte als mit Wölfen geben wird“.
Vorbemerkung der Landesregierung
Braunbären kommen in Europa, mit Ausnahme der Bestände in Skandinavien, dem Baltikum und
Russland, überwiegend in den größeren europäischen Gebirgen vor. Ihr Vorkommen, insbesondere
in Mittel-, Süd- und Westeuropa, ist auf einige kleine voneinander getrennte Populationen in besonders vom Menschen unbesiedelten Bereichen aufgespalten. Auch die Vorkommen in Polen und
der Slowakei beschränken sich überwiegend auf die Gebirgsregionen (Karpaten). Eine Einwanderung von Einzeltieren nach Sachsen aus diesen Regionen z. B. über das Riesengebirge ist daher
nicht auszuschließen. Eine Einwanderung von Bären aus Slowenien nach Sachsen ist aufgrund
dessen geographischer Lage (getrennt durch Österreich, Tschechien oder Bayern) sehr viel unwahrscheinlicher.
1.
Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, dass sich Bären in Niedersachsen
ansiedeln, und ab wann könnte dies geschehen?
Eine Ansiedlung von Bären in absehbarer Zeit in Niedersachsen wird als sehr unwahrscheinlich erachtet. Es ist zweifelhaft, ob Niedersachsen geeignete Lebensräume für den Bären bietet.
2.
Inwieweit ist die Landesregierung auf eine Ansiedlung von Bären vorbereitet, und welche konkreten Schutzmaßnahmen möchte sie veranlassen?
Da die Ansiedlung von Bären in Niedersachsen als sehr unwahrscheinlich erachtet wird, sind keine
konkreten Schutzmaßnahmen geplant.
3.
Welche konkreten Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den Erfahrungen mit
dem Wolfsmanagement bei der Ansiedlung weiterer Wildtiere wie beispielsweise der
Bären?
Die Wiederbesiedlung von Wildtieren, insbesondere großer Karnivoren, wird in Niedersachsen und
Deutschland durch ein Monitoring begleitet, und der Umgang mit diesen Tieren wird in Managementplänen auf Landesebene bzw. Bundesebene festgeschrieben. Eine Wiederbesiedlung Niedersachsens durch Bären wird in absehbarer Zeit nicht erwartet. Das Management anderer Wildtiere,
die nicht zu den Großkarnivoren gehören, ist aufgrund völlig anderer Anforderungen nicht mit dem
Wolfsmanagement vergleichbar. Aktuell hat Niedersachsen vielmehr Probleme mit dem Artenschwund. Vögel der Offenlandschaften, Wiesenvögel, aber auch Insekten sind erheblich unter
Druck und erfordern Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt.
50
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
24. Staus, Sperrungen, Umleitungen - Beabsichtigt die Landesregierung Änderungen des
Baustellenmanagements für die Autobahnen in Niedersachsen?
Abgeordnete Horst Kortlang, Gabriela König, Dr. Marco Genthe, Jan-Christoph Oetjen, Horst Kortlang, Hillgriet Eilers und Hermann Grupe (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der
Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
„Gerade in Baustellensituationen kommt es immer wieder zu Staus und in der Folge leider oft auch
zu Unfällen“ (Minister Lies, 13. September 2016).
Auf den Autobahnen in Niedersachsen kommt es trotz vorausschauender Arbeiten und Abstimmungen immer wieder zu Beeinträchtigungen des Transit-, Durchgangs- und des Pendlerverkehrs.
Die Beeinträchtigungen drücken sich durch lange Staus, erhebliche Zeitverluste, Ausweichverkehre
und Anwohnerbelastungen sowie durch verheerende Auffahrunfälle in der Umgebung von Autobahnbaustellen aus. Beispiele hierfür lassen sich landesweit finden, exemplarisch sei hier der
sechsspurige Ausbau der A 7 (Minister Lies: „In zehn Jahren ist alles vorbei“, Walsroder Zeitung,
17. August 2016), der Ausbau der „Todesfalle A 2“ (Bild, 26. Oktober 2016) - „Hannover im Stau
gefangen - Nächste dicke Baustelle auf A 2!“ (Bild, 14. Mai 2016) oder auch „Der Baustellen-Stress
auf der A 28“ (Ammerländer Nachrichten, 4. November 2016) erwähnt. In Leserbriefen kommt zum
Ausdruck, dass sich die betroffenen Verkehrsteilnehmer nicht ernst genommen fühlen und meinen,
durch eine schlechte Planung und Koordinierung der Autobahnbaustellen in „Geiselhaft“ (NWZ,
8. November 2016) genommen zu werden. Vielfach klagen Verkehrsteilnehmer über die Häufigkeit
von Baustellen, eine schlechte Beschilderung mit Ausweichhinweisen, die Verengung auf nur eine
Fahrspur, eine unverhältnismäßige Geschwindigkeitsreduzierung und dass zu wenig Einsatz auf
der jeweiligen Baustelle erkennbar sei. Aktuell gibt es in Niedersachsen zwischen 30 und 40 Autobahnbaustellen, davon neun allein im Bereich der A 7.
Gemäß dem „Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen“ sollen im Bereich
von Autobahnbaustellen „Beeinträchtigungen des Verkehrsablaufs durch Staus“ vermieden werden.
Ziel ist ein „wirksames Arbeitsstellenmanagement zur weitgehenden Bereitstellung des Verkehrsraums bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit der durchzuführenden Arbeiten“. „Das Arbeitsstellenmanagement umfasst alle Tätigkeiten bei der Planung von Arbeitsstellen, der Ausschreibung, Vergabe
und Genehmigung der Arbeiten, dem Einrichten, Durchführen und Räumen von Arbeitsstellen einschließlich der Verkehrsführung und -beeinflussung bei Arbeitsstellen sowie die begleitende Information der Verkehrsteilnehmer über die Auswirkungen von Arbeitsstellen“.
In Bayern wird nach den folgenden Grundsätzen verfahren: „Baustellen sollen so geplant und eingerichtet werden, dass der fließende Verkehr möglichst wenig beeinträchtigt wird. Die wesentlichsten Grundsätze sind:
1. Eine sorgfältige Koordination der Arbeitsstellen untereinander.
2. Die Arbeiten weitestgehend in verkehrsschwache Zeiten legen.
3. Eine optimierte Verkehrsführung innerhalb der Baustelle.
4. Möglichst kurze Bauzeiten vertraglich vereinbaren, bei denen das Tageslicht im Sommer ausgenutzt und auch am Samstag gearbeitet wird. Gegebenenfalls auch Nachtarbeiten oder Arbeiten rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb vorsehen.
5. Finanzielle Anreize für die Firmen vereinbaren, damit die Arbeitsstellen möglichst schnell abgewickelt werden. Bei einer Verkürzung der vertraglichen Bauzeit erhält die Baufirma eine zusätzliche Vergütung, bei einer Fristüberschreitung wird die Vergütung gekürzt.“
(https://www.innenministerium.bayern.de/vum/strasse/verkehrsmanagement/bauenunterverkehr/ind
ex.php)
51
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Hierfür kommen in Bayern zum einen ein IT-gestütztes Arbeitsstellenmanagement (ArbIS), für eine
optimale Abstimmung der Baustellen, und zum anderen mobile Telematikkomponenten in 24-Stunden-Bereitschaft als Verkehrsmanagementsystem im Bereich der Autobahnbaustellen zum Tragen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der „Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen“ ist die Grundlage für die
Arbeitsstellenplanung an Bundesautobahnen. Dieser wurde vom Bund mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 04/2011 für alle Bundesländer eingeführt und ist für Planung, Einrichtung
und Durchführung von Arbeitsstellen zu berücksichtigen. Arbeitsstellen kürzerer Dauer, wie z. B.
kleinerer Asphaltierungsarbeiten an der Fahrbahn, werden vorwiegend zu verkehrsschwachen Zeiten oder nur in der Nacht durchgeführt, sodass der Verkehr tagsüber wieder ohne Einschränkungen
fließen kann. Arbeitsstellen längerer Dauer werden so ausgeschrieben, dass Arbeiten grundsätzlich
rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche und 24 Stunden am Tag stattfinden können und
sollen. Die genaue Disposition, welche Arbeiten zu welchen Zeiten ausgeführt werden, obliegt dem
jeweiligen Auftragnehmer. Dabei sind bestimmte Randbedingungen, wie beispielsweise Arbeitszeitschutzgesetz, Lärmschutzbestimmungen, Betriebszeiten der Mischwerke/-anlagen sowie der Steinbrüche oder schwierige Sichtverhältnissen bei Dunkelheit etc. zu beachten. Darüber hinaus werden
die Ausführungsfristen so kurz, wie möglich vorgegeben und regelmäßig Vertragsstrafen für die
Überschreitung der Ausführungsfristen vereinbart. Ebenso kommen Boni für Beschleunigungen
zum Einsatz. Auch können die Firmen Nebenangebote für eine noch schnellere Baustellenabwicklung einreichen. Grundsätzlich werden Baumaßnahmen bereits gegen Ende des Vorjahres so getaktet, dass sich die ins übrige Straßennetz verdrängten Verkehre so wenig wie möglich konkurrieren.
1.
Bei welchen Autobahnbaustellen kam/kommt 2016 ein IT-gestütztes Arbeitsstellenmanagement in Verbindung mit Telematikkomponenten für eine permanente Überwachung
und Lenkung zur Optimierung des Verkehrsflusses zum Einsatz?
Für Bundesautobahnen und 4-streifigen Bundesstraßen nutzt Niedersachsen ein Baustelleninformationssystem, das die streckenbezogene Lage, Verkehrsführung, gesperrte Fahrstreifen und
Bauzeit der Arbeitsstellen längerer Dauer (länger vier Tage) bündelt und u. a. dem Baustelleninformationssystem des Bundes sowie dem Mobilitäts-Daten-Marktplatz der Bundesanstalt für Straßenwesen bereitgestellt. Gleichermaßen werden geplante Baumaßnahmen auf der landeseigenen
Mobilitätswebpage der Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen/Region Hannover „vmz-niedersachsen.de“ abgebildet.
Im Rahmen einer koordinierten Baubetriebsplanung werden die verkehrlichen Auswirkungen mit
dem Programmsystem „DSB-KB5“, das auf den Grundlagen des vom Bund eingeführten „Leitfaden
zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen“ basiert, analysiert und bewertet. Unter Berücksichtigung der geplanten Verkehrsführung, spezifischer lokaler Kennwerte und jeweiliger repräsentativer Verkehrsganglinien werden somit die verkehrlichen Auswirkungen und das gegebenenfalls zu erwartende Staupotenzial ermittelt. Räumliche und zeitliche Überschneidungen von Arbeitsstellen längerer Dauer können frühzeitig im Planungsprozess erkannt werden. Parallel dazu
erfolgt die Abstimmung mit benachbarten Bundesländern.
Sofern sich in den Baustellenbereichen Verkehrsbeeinflussungsanlagen befinden, werden diese
entsprechend genutzt und zielen darauf ab, den Verkehrsfluss durch permanente Erfassung der
Verkehrslage und hierauf aufbauender Schaltungen zu optimieren. Außerhalb von Streckenbereichen mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen bzw. ergänzend werden an Autobahnen mit hohem Verkehrsaufkommen mobile Stauwarnanlagen im Zulauf auf Arbeitsstellen längerer Dauer eingesetzt,
um Verkehrsteilnehmer frühzeitig auf Rückstauungen aufmerksam zu machen. LED-Informationstafeln zur (Vor-)Information über gesperrte Anschlussstellen werden bedarfsweise eingesetzt.
Das im aktuellen „Mobilitätskonzept Niedersachsen“ dargestellte Forschungsvorhaben „Baustellenwarner“ wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur initiiert und soll zukünftig darauf abzielen, Autos über eine drahtlose Verbindung mit den Absperranhängern von Au52
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
tobahnbaustellen kommunizieren zu lassen, um damit in ausreichendem zeitlichen Vorgriff vor
Baustellen warnen zu können. Präventiv sind schon jetzt vor Arbeitsstellen auf Autobahnen eingesetzte Absperranhänger mit CB-Warnfunksendern ausgestattet. Mit CB-Funk ausgestattete Lkw erhalten im Zulauf auf Baustellen ein akustisches Warnsignal in Kombination mit einer Textansage in
verschiedenen Sprachen, um die Fahrer auf die kurz vor ihnen befindliche „Gefahr“ aufmerksam zu
machen.
Im Rahmen des Verkehrswarndienstes werden in der niedersächsischen Landesmeldestelle auf
der Grundlage von TMC-Meldungen Stauwarnungen für die Verkehrsteilnehmer erzeugt. Diese
Meldungen stehen dann den Rundfunksendern im Zuge des Verkehrsfunks aber auch anderen
Serviceprovidern zur Verfügung.
2.
Was hält die Landesregierung von der Möglichkeit einer permanenten Bewertung der
verkehrlichen Auswirkungen von Arbeitsstellen auf Autobahnen und dem vorausschauenden Einsatz von Telematiksystemen, um auf Ausweichrouten hinzuweisen?
Eine permanente Verkehrsdatenerfassung und damit einhergehend eine dauerhafte Bewertung der
verkehrlichen Situation kann ausschließlich auf den Autobahnen und Autobahnabschnitten gewährleistet werden, die mit entsprechender telematischer Infrastruktur ausgestattet sind.
Ein Einsatz telematischer Systemkomponenten zur Anzeige von Ausweichrouten im Vorfeld von
Arbeitsstellen ist nur dann zielführend, wenn ausreichend leistungsfähige Ausweichrouten im Straßennetz zur Verfügung stehen. Netzbeeinflussungsanlagen sind geeignete Instrumente, um den
Verkehrsteilnehmern Informationen über Alternativrouten zu liefern. Mit der aktuell im Bau befindlichen Netzbeeinflussungsanlage im Städtedreieck Hannover-Braunschweig-Salzgitter steht bei Verkehrsstörungen bzw. Staus im Zuge der Bundesautobahnen A 2/A 39/A 391/A 7 künftig ein solches
System zur großräumigen Verkehrslenkung zur Verfügung.
Für den Einsatz mobiler LED-Informationstafeln zur Anzeige von Verkehrsinformationen und Verkehrslenkungsempfehlungen ist die jeweilige Lage der Arbeitsstelle zu berücksichtigen, insbesondere ob eine leistungsfähige Ausweichroute zur Verfügung steht. Erfordernis und Wirtschaftlichkeit
mobiler LED-Informationstafeln sowie mobiler Stauwarnanlagen werden jeweils im Rahmen der
Planung von Arbeitsstellen geprüft.
3.
Was unternimmt die Landesregierung in den kommenden sechs Monaten, damit die
Staubelastung trotz Zunahme des Verkehrsaufkommens auf niedersächsischen Autobahnen in der Zukunft spürbar abnimmt bzw. der Verkehrsfluss in Baustellen wenig beeinträchtigt wird?
Für die Erneuerung und Instandsetzung der Fahrbahnoberflächen im Straßenbau ist die zur Verfügung stehende Fläche räumlich begrenzt. Um ein Maximum an Bauqualität (möglichst wenig Fugen
und Nähte im Fahrbahnoberbau bzw. -decke) zu erreichen, ist eine ausreichend große Arbeitsfläche, in der Bauarbeiten ausgeführt werden können, erforderlich. Zudem muss die Sicherheit sowohl
für die Verkehrsteilnehmer als auch für die Beschäftigten in der Arbeitsstelle gewährleistet sein.
Hier sind insbesondere das Arbeitsschutzgesetz, die Baustellenverordnung und die Richtlinien für
die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) einzuhalten, die u. a. Sicherheitsabstände in
Längs- und Querrichtung vorgeben. Um die Verkehre so wenig wie möglich zu beeinträchtigen und
gleichermaßen den Verkehrsfluss zu verbessern sowie den verkehrlichen Ablauf zu optimieren, soll
soweit möglich, die Anzahl der Fahrstreifen im Bereich der Arbeitsstelle beibehalten werden. Nur
an Abschnitten, an denen es der Fahrbahnquerschnitt und die örtliche Situation an den Zu- und Abfahrtsbereichen von Anschlussstellen und Knotenpunkten nicht zulassen, wird eine Reduzierung
der Fahrstreifen erfolgen.
Ziel ist es, die zur Verfügung stehende Fläche im Querschnitt so aufzuteilen, dass die verschiedenen Belange - Aufrechterhaltung der Fahrstreifenanzahl, Verkehrssicherheit, Qualität des Verkehrsablaufes und Arbeitsstellensicherheit - berücksichtigt werden.
53
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
54
Drucksache 17/6970
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
25. Wann wird das Konzept des „sanktionsfreien Fehlers“ bei Cross-Compliance-Kontrollen in
Niedersachsen umgesetzt?
Abgeordnete Hermann Grupe, Horst Kortlang, Jörg Bode, Jan-Christoph Oetjen und Almuth von
Below-Neufeldt (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In der LAND&Forst vom 3. November 2016 wurde über eine Änderung der Regelungen im CC-Bereich auf EU-Ebene berichtet (Seite 13). Durch das im Jahr 2015 eingeführte Frühwarnsystem habe
es aufgrund geringfügiger Verstöße zu starken Sanktionen von Betrieben kommen können. Auf Basis der vorgenommenen Änderungen sei es nun möglich, bei kleinen Fehlern, die Landwirten trotz
entsprechender Sorgfalt passierten, auf Sanktionen zu verzichten. Der „sanktionsfreie Fehler“ könne beispielsweise zur Anwendung kommen, „wenn der Zu- oder Abgang einzelner Rinder aus
nachvollziehbaren Gründen in einem gut geführten Betrieb wenige Tage zu spät an die HIT-Datenbank gemeldet wurde.“ Für den Verzicht auf Sanktionen, der bereits im Jahr 2016 angewendet
werden könne, sei eine Einzelfallprüfung notwendig. Die Umsetzung der Regelung werde derzeit
zwischen Bund und Ländern beraten.
Vorbemerkung der Landesregierung
Bundesweit teilweise sehr hohe Beanstandungsquoten bei Kontrollen zur Einhaltung der Vorgaben
zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern sowie von Schafen und Ziegen können bei der
Zahlung von Agrarbeihilfen bei den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben im Rahmen von
Cross Compliance zu hohen Abzügen (Verwaltungssanktionen) führen. Dieses gilt nach den Vorgaben der EU trotz Einführung des sogenannten Frühwarnsystems in Deutschland auch für geringfügige Verstöße. Bund und Länder haben daraufhin intensiv nach Möglichkeiten gesucht, bei bestimmten geringfügigen Verstößen die Sanktionierung abzumildern und dabei gleichzeitig jegliches
Anlastungsrisiko zu vermeiden. Daraufhin ist auf Bund-/Länderebene das „Human-Error“-Konzept
entwickelt worden, für das zwischenzeitlich eine Genehmigung durch die KOM vorliegt. Im Vorfeld
waren dazu sehr intensive Diskussionen zwischen dem BMEL und der KOM erforderlich. Dieses
Konzept ermöglicht es, geringfügige Verstöße von Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe gegen
CC-relevante Vorschriften, wie sie z. B. in der Vorbemerkung der Abgeordneten beschrieben sind,
als Fehler aus Versehen einzustufen. In diesen Fällen wird auf eine Sanktionierung verzichtet.
„Fehler aus Versehen“ haben keine Auswirkungen auf die Sanktionierung von früheren oder späteren Verstößen.
1.
Wie bewertet die Landesregierung den „sanktionsfreien Fehler“?
Auch wenn die Einführung des Human-Error-Konzepts zu einer Verkomplizierung des Systems zur
Bewertung und Sanktionierung von Verstößen im Rahmen von Cross Compliance führt, wird dieses
von der Landesregierung für den Bereich der Tierkennzeichnung ausdrücklich befürwortet.
2.
In welcher Art und Weise bringt sich die Landesregierung in die Beratungen zwischen
Bund und Ländern bezüglich des „sanktionsfreien Fehlers“ ein?
Niedersachsen hat wie die anderen Bundesländer und der Bund bei den Diskussionen zur und bei
der Erstellung des Human-Error-Konzepts auf Bund-/Länderebene aktiv mitgewirkt.
3.
Ab wann können Landwirte damit rechnen, dass das Konzept des „sanktionsfreien Fehlers“ in Niedersachsen angewendet wird?
55
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Zwar erfolgt die abschließende Beratung des „Human-Error-Konzepts“ auf Bund-/Länderebene erst
Ende November 2016. Dennoch soll dieses für den Bereich der Tierkennzeichnung im Rahmen der
bestehenden Möglichkeiten bereits noch 2016 angewendet werden. Die Landwirtschaftskammer
Niedersachsen, die für die systematischen Kontrollen im Bereich der Tierkennzeichnung zuständig
ist, hat entsprechende Dienstanweisungen erhalten.
56
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
26. Scheitert CETA an Niedersachsen?
Abgeordnete Gabriela König, Jörg Bode, Christian Grascha, Horst Kortlang, Dr. Stefan Birkner,
Christian Dürr und Dr. Marco Genthe (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der
Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Das Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement)
zwischen Kanada und der EU soll durch den Wegfall von Zöllen und Handelshemmnissen für mehr
wirtschaftliches Wachstum sorgen. Die technischen Verhandlungen zu diesem völkerrechtlichen
Abkommen sind in den Jahren 2009 bis 2014 gelaufen, die Ratifizierung des Verhandlungswerkes
erfolgte am 30. Oktober 2016 in Brüssel. Das Europäische Parlament wird in den nächsten Wochen
über CETA abstimmen.
Das Freihandelsabkommen CETA war oder ist bei einigen „linken“ wie „rechten“ Gruppierungen,
Verbänden, Gewerkschaften und Parteien in der Kritik. Insbesondere die SPD und Bündnis 90/Die
Grünen tun sich nach Einschätzung von Beobachtern schwer mit dem Themenkomplex Freihandel
und den damit verbundenen Chancen für mehr Wohlstand, Arbeitsplätze und Auslandsinvestitionen. So titelte beispielsweise die taz „SPD meutert gegen Ceta“ (18. August 2016). Die SPD habe
einen Parteikonvent über ihre Haltung zum Freihandelsabkommen mit Kanada abhalten müssen,
um den Widerstand in den eigenen Reihen aufzuweichen.
Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen reichte 2015 und 2016 kritische Aktuelle Stunden
und Anfragen zu CETA in den Landtag ein. Die Fraktionsvorsitzende Anja Piel hielt CETA bereits
2014 für „grundsätzlich ungeeignet“ (http://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/presse/presse
mitteilungen/meldung/artikel/piel-ttip-und-ceta-stoppen-klare-fakten-und-transparenz-statt-fragwuer
diger-argumente.html), und die „Grüne Landtagsfraktion Niedersachsen“ lehnte in einer Resolution
das Verhandlungsergebnis zu CETA bereits am 10. September 2014 ab (http://www.fraktion.grue
ne-niedersachsen.de/fileadmin/docs/fraktion/pm-anlagen/2014-09-10_Resolution_TTIP_und_
CETA.pdf).
Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Lies haben sich im Vorfeld des SPD-Parteikonvents
positiv zu CETA geäußert („Niedersachsen stützt Gabriel im Streit um Freihandelspaket“, HAZ,
17. September 2016).
Bundeswirtschaftsminister Gabriel begrüßte Ende Oktober die Unterzeichnung des CETA-Freihandelsabkommens mit den Worten „Mit CETA begann die gerechte Globalisierung. Mit europäischen
Standards für Verbraucher- und Umweltschutz, mit Arbeitnehmerrechten und dem Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge vor Privatisierung. Danke Kanada!“ (dpa, 30. Oktober 2016). Zwei Tage
später titelte die FAZ: „Grüne wollen CETA über den Bundesrat noch stoppen“ (FAZ, 1. November
2016).
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Juli 2016 hat die EU-Kommission dem Rat vorgeschlagen, das geplante Freihandelsabkommen
CETA als ein „gemischtes Abkommen“ abzuschließen. Das heißt, manche Teile des Abkommens
fallen in die alleinige Zuständigkeit der EU, andere Teile liegen in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten, sodass die Zustimmung der 28 EU-Mitgliedstaaten erforderlich ist, bevor CETA vollständig anwendbar ist.
1.
Welche Teile (mit Angabe der Artikel) des CETA-Freihandelsabkommens stehen unter
dem Vorbehalt der Zustimmung nationaler Parlamente und können erst nach der Zustimmung selbiger zur Anwendung gelangen?
Eine detaillierte Liste, welche Teile ohne bzw. erst nach Zustimmung der nationalen Parlamente zur
Anwendung gelangen können, liegt hier nicht vor. Sowohl in dem Ratsbeschluss zur vorläufigen
57
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Anwendung, als auch in den begleitenden Ratserklärungen wird bekräftigt, dass nur die Bereiche
vorläufig angewendet werden, die in EU-Zuständigkeit liegen. So ist z. B. kein Eingriff in nationale
Zuständigkeiten bei Regelungen zum Arbeitnehmerschutz und zur beruflichen Qualifikation möglich.
2.
Welche Bedeutung haben Freihandelsabkommen im Allgemeinen und insbesondere
CETA für die rot-grüne Landesregierung?
Freihandelsabkommen ermöglichen nicht nur eine Ausweitung des Warenhandels durch den Abbau von Zöllen, sondern auch den Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen, wie z. B. Harmonisierung und Anerkennung von technischen Normen oder ein vereinfachter Zugang zum Markt
für öffentliche Aufträge für ausländische Unternehmen. Außerdem können Freihandelsabkommen
dazu genutzt werden, Standards in den Bereichen Arbeit, Gesundheit, Soziales, Umwelt zu setzen.
Die Vereinbarung gemeinsamer Handelsregeln und Standards gewinnt in einer globalisierten Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Dieser Bereich erfordert eine genaue Prüfung der zu harmonisierenden Regelung in jedem Einzelfall. Es darf nicht zu einer Absenkung der hier geltenden Standards oder insbesondere einer Gefährdung des Vorsorgeprinzips in der Europäischen Union führen.
Die Landesregierung hat ein Interesse daran, möglichst fortschrittliche arbeitsrechtliche, soziale
und ökologische Standards in bilateralen und internationalen Handelsbeziehungen zu verankern.
Die Marktöffnung Kanadas birgt in vielen Bereichen Potenziale für die deutsche Wirtschaft. In Kanada wachsende und für niedersächsische Zulieferer interessante Branchen sind vor allem der
Fahrzeugbau, die Nahrungsmittelindustrie, die Umweltschutzwirtschaft, erneuerbare Energien sowie der Bergbausektor. Im Gegenzug wird befürchtet, dass andere Sektoren wie z. B. Teile der
Landwirtschaft durch Freihandelsabkommen einem verschärften Wettbewerbsdruck ausgesetzt
werden könnten, was negative Auswirkungen auf die Entwicklung der niedersächsischen Landwirtschaft haben könnte. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an
Tierschutz, Umweltschutz und Klimaschutz zu berücksichtigen.
3.
Wie wird sich die Landesregierung im Bundesrat zu dem Freihandelsabkommen CETA
positionieren?
Zunächst muss das Europäische Parlament die Zustimmung zu CETA erteilen. Erst dann startet
der Ratifizierungsprozess in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten. Im Rahmen des
anstehenden Bundesratsverfahrens wird die Landesregierung eine abschließende Entscheidung
treffen.
58
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
27. Compliance an niedersächsischen Hochschulen
Abgeordnete Almuth von Below-Neufeldt (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Vor einigen Jahren wurde Compliance als Selbstkontrolle in der Wissenschaft und Sicherstellung
guter wissenschaftlicher Praxis diskutiert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat ein entsprechendes Memorandum veröffentlicht.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Gewährleistung der Redlichkeit im Wissenschaftssystem und guter wissenschaftlicher Praxis
durch Mechanismen wissenschaftlicher Selbstkontrolle ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung und der niedersächsischen Hochschulen. Begünstigt wird dies durch die Schaffung transparenter Strukturen und guter Rahmenbedingungen.
Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Transparenz darüber herzustellen, wer an öffentlich
finanzierten Hochschulen in wessen Auftrag mit welcher Fragestellung forscht. Denn nur eine
größtmögliche Transparenz ermöglicht eine öffentliche Auseinandersetzung um Forschungsaufträge, Forschungsgegenstände und die Abschätzung möglicher Folgen bei der Anwendung von Forschungsergebnissen. Zudem wurde unter dem Stichwort „Gute Arbeit auch in der Wissenschaft“ als
Zielsetzung festgelegt, die beruflichen Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu verbessern und die Attraktivität von Wissenschaft als Beruf zu erhöhen. Als eine anzustrebende Maßnahme wurde das Treffen verbindlicher Vereinbarungen mit den Hochschulen über Qualitätsstandards zur Betreuung von Doktorandinnen und Doktoranden identifiziert.
Diese Ziele und Maßnahmen waren u. a. auch Gegenstand der gemeinsamen Vereinbarung von
Landesregierung und Hochschulen im Rahmen des im November 2013 geschlossenen Hochschulentwicklungsvertrages. Dort wurde vereinbart, dass die niedersächsischen Hochschulen die Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses ausbauen, um die beruflichen Perspektiven für den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs zu verbessern und die Attraktivität von Wissenschaft als Beruf zu erhöhen. Die Hochschulen haben auch zugesagt, hochschulbezogen Standards für „Gute Arbeit“ zu entwickeln und die Beschäftigungsbedingungen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals unter Berücksichtigung der DFG-Empfehlungen zur
Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis entsprechend zu gestalten sowie gemeinsam mit dem
Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) Empfehlungen für Qualitätsstandards für Promotionsverfahren zu entwickeln. Vereinbart wurde im Rahmen des Hochschulentwicklungsvertrages
auch die Gewährleistung von mehr Transparenz in der Forschung: Die niedersächsischen Hochschulen ermöglichen eine öffentliche Auseinandersetzung um Forschungsaufträge, Forschungsgegenstände und die Abschätzung potenzieller Folgen bei der Anwendung von Forschungsergebnissen durch den allgemein möglichen Zugang zu Ergebnissen öffentlich geförderter Forschungsvorhaben. Sie entwickeln gemeinsam mit den Universitätsbibliotheken eine Open-Access-Strategie
und stellen Transparenz darüber her, wer in wessen Auftrag mit welcher Fragestellung forscht. Alle
niedersächsischen Hochschulen werden sich in ihrem Leitbild zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bekennen und für ihre Forschungsaktivitäten eine Plattform für einen wissenschaftlichen
und ethischen Diskurs schaffen, in Orientierung an bereits bestehenden Kommissionen für Forschungsfolgenabschätzungen und Ethik. Dabei wird auch die Beteiligung von Studierenden sowie
Doktorandinnen und Doktoranden gewährleistet. Die vorgenannten Ziele und Maßnahmen wurden
zudem in den jeweiligen Zielvereinbarungen mit den einzelnen Hochschulen verankert.
Mit den im Jahr 2015 verabschiedeten „Leitlinien zur Transparenz in der Forschung“
(http://www.mwk.niedersachsen.de/startseite/forschung/forschungspolitik/transparenz_forschung/
transparenz-in-der-forschung-131173.html) wurde gemeinsam mit den Hochschulen in einem auf
Augenhöhe stattfindenden Diskussionsprozess eine konkrete Ausgestaltung der im Hochschulentwicklungsvertrag getroffenen Vereinbarungen vorgenommen. Dabei bauen die Leitlinien auf den
59
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
2014 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Akademie der Naturforscher
Leopoldina verabschiedeten Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung unter dem Titel „Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung“ auf. Ziel der Leitlinien ist es,
Transparenz über Projektförderungen und über Projektergebnisse herzustellen und die Transparenz in den Hochschulen zu stärken.
In gleicher Weise haben das Land und die Hochschulen in „Leitlinien zur Qualitätssicherung in
Promotionsverfahren“ (http://www.mwk.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/gute-bera
tung-und-hohe-qualitaetsstandards--128883.html) im Jahr 2014 ihre gemeinsame Position zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren zum Ausdruck gebracht. Diese Leitlinien tragen der Verantwortung für die Qualität in der Wissenschaft und der besonderen Verantwortung für den wissenschaftlichen Nachwuchs sowie der verfassungsrechtlich geschützten Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre unter Wahrung des Rechts der akademischen Selbstverwaltung
Rechnung.
Darüber hinaus hat die Landesregierung mit dem „Gesetz zu Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der Hochschulen“ vom 15.12.2015 durch Änderung von § 9 Abs. 3 und 4 sowie § 9 a i. V. m.
§ 7 Abs. 4 Satz 2 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) einen zusätzlichen Beitrag zur
Verbesserung der Compliance in der Wissenschaft und zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher
Praxis an den niedersächsischen Hochschulen geleistet. Daneben setzt sich die Landesregierung
in einem fortlaufenden Kommunikationsprozess mit den Hochschulen für die Entwicklung und Verbesserung der Compliance als Selbstkontrolle in der Wissenschaft und Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis an niedersächsischen Hochschulen ein.
1.
Welche Zielsetzungen in der Compliance verfolgen die niedersächsischen Hochschulen, und welche Konzepte haben sie umgesetzt?
Redlichkeit im Wissenschaftssystem und gute wissenschaftliche Praxis durch ComplianceMechanismen gehören zum Kern des Selbstverständnisses der niedersächsischen Hochschulen.
Dabei orientieren sich die Hochschulen an Analysen, Stellungnahmen und Empfehlungen verschiedener nationaler und europäischer Wissenschaftsorganisationen. Beispielhaft sind zu nennen
die „Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität“ des Wissenschaftsrats (Positionspapier aus
dem Jahr 2015), die Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1998/2013), die Empfehlung „Gute wissenschaftliche Praxis an deutschen
Hochschulen“ der Hochschulrektorenkonferenz (2013), das gemeinsame Positionspapier „Gute
wissenschaftliche Praxis für das Verfassen wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten“ des Allgemeinen Fakultätentags, der Fakultätentage und des Deutschen Hochschulverbands (2012) sowie
die Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung „Wissenschaftsfreiheit und
Wissenschaftsverantwortung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina e. V. - Nationale Akademie der Wissenschaften. Daneben existieren an den niedersächsischen Hochschulen auch eigene Regelungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, in denen u. a. die Verpflichtung des wissenschaftlichen Personals zur Beachtung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, das Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten, Konsequenzen und Ombudsverfahren geregelt sind. Des Weiteren orientieren
sich die Hochschulen an landesspezifischen Leitlinien wie etwa den „Leitlinien zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren“ oder den „Leitlinien zur Transparenz in der Forschung“ (siehe dazu
auch die Vorbemerkung).
2.
Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung den Aufbau bzw. die Arbeit
der Compliance-Strukturen an niedersächsischen Hochschulen?
Im Bewusstsein der Verantwortung für die Qualität in der Wissenschaft und der besonderen Verantwortung für den wissenschaftlichen Nachwuchs haben die Landeshochschulkonferenz (LHK)
und das MWK Ende 2014 in Anlehnung u. a. an die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, der
Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hochschulrektorenkonferenz in „Leitlinien zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren“ eine gemeinsame Position zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren entwickelt. Diese Leitlinien sind ein wichtiger Baustein der Compliance-Kultur. Zent60
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
rale Elemente sind transparente Zugangswege und Auswahlverfahren, die Annahme zur Promotion
in einem transparenten Auswahlverfahren durch einen Promotionsausschuss, ein Promotionskomitee, das die Promotionen verstärkt inhaltlich begleitet und als Ansprechpartner für die Doktorandinnen und Doktoranden fungiert, schriftliche Betreuungsvereinbarungen, Unterstützung beim Aufbau
einer eigenen Interessenvertretung der Promovierenden, die Möglichkeit der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung über die Eigenständigkeit der erbrachten wissenschaftlichen Leistungen
seitens der Doktorandinnen und Doktoranden, Abgabe der Dissertation in elektronischer Form sowie Verfahrensregeln bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten. Diese Leitlinien sollen fünf
Jahre nach Inkrafttreten durch LHK und MWK einer Evaluation unterzogen werden. Sollten sich
aufgrund der Evaluation oder auch zu einem früheren Zeitpunkt Änderungsbedarfe ergeben, werden LHK und MWK eine Fortentwicklung der Leitlinien anstreben.
Ein weiteres wichtiges Element der Compliance-Kultur an den niedersächsischen Hochschulen sind
die gemeinsam von LHK und dem MWK entwickelten „Leitlinien zur Transparenz in der Forschung“,
die im Februar 2015 verabschiedet wurden. Darin haben sich die Hochschulen verpflichtet, Transparenz darüber herzustellen, wer in wessen Auftrag mit welcher Fragestellung forscht. Erstmals
zum 31.03.2016 haben die Hochschulen umfassende Informationen nach landeseinheitlichen
Standards zu laufenden Drittmittelprojekten an den niedersächsischen Hochschulen veröffentlicht.
Zudem wurden inzwischen an allen niedersächsischen Hochschulen Senatskommissionen für Forschungsethik eingerichtet, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Bewertung
ethischer Aspekte und der Abschätzung von Forschungsfolgen unterstützen sollen. Die Umsetzung
der in diesen Leitlinien formulierten Ziele und die damit verbundende Etablierung entsprechender
Compliance-Strukturen begleiten LHK und MWK in einem kontinuierlichen Prozess der Weiterentwicklung durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe, die sich regelmäßig mit Fragen der Forschungstransparenz und Forschungsethik befasst. Darüber hinaus haben VolkswagenStiftung und MWK im
Mai 2016 die Tagung „Kultur der Verantwortung - Transparenz in der Wissenschaft“ ausgerichtet,
die sich dem Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung der Hochschulen gewidmet und
anhand von good practice-Beispielen aufgezeigt hat, wie die Hochschulen in diesem Umfeld agieren können.
Mit dem am 01.01.2016 aufgrund des Gesetzes zu Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der
Hochschulen vom 15.12.2015 in Kraft getretenen § 7 Abs. 4 Satz 2 NHG wurde den Hochschulen
zudem eine Rechtsgrundlage zur Abnahme von eidesstattlichen Versicherungen über die Eigenständigkeit der erbrachten Prüfungsleistungen gegeben. Entsprechendes gilt wegen der Verweisungen in den §§ 9 Abs. 3 Satz 3 und 9 a Abs. 3 Satz 2 NHG für Promotions- und Habilitationsverfahren. Diese Rechtsänderungen setzen einen wesentlichen Punkt der von der Landeshochschulkonferenz Niedersachsen und dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur im September 2014
gemeinsam erarbeiteten „Leitlinien zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren“ um. Die im Fall
einer falschen Versicherung an Eides statt bestehende strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit (vgl.
§ 156 des Strafgesetzbuchs) ergänzt die bestehenden Instrumente zur Vermeidung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Mit dem neuen § 9 Abs. 4 NHG wurde zudem eine Promovierendenvertretung
an den Universitäten und gleichgestellten Hochschulen eingerichtet. Hierdurch wurden die Mitwirkungsrechte der Doktorandinnen und Doktoranden gestärkt. Diese hatten zuvor keine gesetzlich
verankerte Interessenvertretung an der Hochschule. Die Promovierendenvertretung berücksichtigt
die spezifischen Belange der Promovierenden, berät über die die Doktorandinnen und Doktoranden
betreffenden Fragen und spricht Empfehlungen an die zuständigen Hochschulorgane aus. Der
Promovierendenvertretung ist insbesondere Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Entwürfen für
Promotionsordnungen zu geben. Zur sachgerechten Interessenwahrnehmung ist ferner gesetzlich
gewährleistet, dass ein Mitglied der Promovierendenvertretung in der Regel an den Sitzungen des
Senats und des Fakultätsrats beratend teilnimmt.
Die Mitglieder der Promovierendenvertretung werden von den angenommenen Doktorandinnen
und Doktoranden gewählt.
Das der Zulassung zur Promotion vorgelagerte Verfahren zur Annahme als Doktorandin bzw. Doktorand beruht auf den „Leitlinien zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren“. Es ist gemäß § 9
Abs. 3 NHG zur Sicherstellung der Qualität der Betreuung des Promotionsvorhabens in einer Ordnung zu regeln und soll die Rechtssicherheit für die Kandidatinnen und Kandidaten sowie die Qualität ihrer Betreuung erhöhen. Gemäß Ziffer 4.1 der „Leitlinien zur Qualitätssicherung in Promotions61
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
verfahren“ verpflichtet die Annahme von Doktorandinnen und Doktoranden die Universität zur wissenschaftlichen Betreuung. Gemäß Ziffer 4.2 der „Leitlinien zur Qualitätssicherung in Promotionsverfahren“ wird mit jeder Doktorandin und jedem Doktoranden eine schriftliche Betreuungsvereinbarung geschlossen, in der die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Betreuenden einerseits
und der Doktorandinnen und Doktoranden andererseits festgehalten werden. Diese Vereinbarung
soll insbesondere die Verpflichtung beider Seiten zur Beachtung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis enthalten.
Darüber hinaus hat das MWK mit den Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten für Lehre und Studium aller Hochschulen aktuell einen Abstimmungsprozess eingeleitet, um über die Instrumente der
Qualitätssicherung in der Lehre und die Möglichkeiten weiterer Verbesserungen, insbesondere bei
der Qualitätssicherung von Lehraufträgen, zu beraten.
3.
Welchen Nachbesserungsbedarf sieht die Landesregierung gegebenenfalls im Bereich
Compliance an den niedersächsischen Hochschulen?
Die Landesregierung verweist auf die Ausführungen zur Beantwortung der Fragen 1 und 2. Das
MWK befindet sich mit den Hochschulen in einem kontinuierlichen Austausch über die Gewährleistung der Redlichkeit im Wissenschaftssystem und guter wissenschaftlicher Praxis durch Mechanismen wissenschaftlicher Selbstkontrolle.
62
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
28. Datenschutz und Notwendigkeit bestimmter Parameter in den SKB-Dateien
Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen, Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode und Dr. Marco Genthe (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport) namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In Baden-Württemberg monierte der Landesbeauftragte in seinem Tätigkeitsbericht 2008/2009 gegenüber dem Landtag (Drucksache 14/5500) neben der unklaren Kontrolle über die Löschungen
von Datensätzen in den Arbeitsdateien der szenekundigen Beamten (SKB-Dateien): „Zweifelhaft
waren für mich verschiedene Daten: Warum wurden Angaben zum Arbeitgeber vorgesehen, woher
stammten die teilweise vorhandenen Lichtbilder, und welchen Hintergrund hatten Angaben in den
Freitextfeldern?“
Auf Anfrage eines Abgeordneten der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag erklärte die
Landesregierung (Drucksache 17/3478), dass auch in Niedersachsen Lichtbilder und Angaben zum
Arbeitgeber erhoben würden. Darüber hinaus würden auch Angaben zu Telekommunikationsanschlüssen gespeichert.
1.
Warum werden in Niedersachsen Angaben zum Arbeitgeber der Personen erhoben, die
in den SKB-Dateien gespeichert sind, und wie werden diese Informationen beschafft?
In den SKB-Arbeitsdateien sind derzeit keine derartigen Angaben gespeichert.
2.
Woher stammen Lichtbilder in den SKB-Dateien - außer aus amtlichen Ausweisdokumenten - sowie Mobilfunknummern der gespeicherten Personen?
Die Lichtbilder stammen aus erkennungsdienstlichen Behandlungen gemäß § 81 b StPO, 2. Alternative.
Speicherungen von Mobilfunknummern in den SKB-Arbeitsdateien in Braunschweig und Wolfsburg
erfolgen nur, wenn diese freiwillig von den betroffenen Personen, z. B. im Rahmen von Vernehmungen, genannt worden sind. In der SKB-Arbeitsdatei in Hannover werden derzeit keine Mobilfunknummern gespeichert.
3.
Werden in Niedersachsen Freitextfelder genutzt und wenn ja, wofür?
Freitextfelder sind alle Felder, in denen keine Katalogwerte hinterlegt sind. Insofern sind Freitextfelder erforderlich, um z. B. den Vor- oder Familiennamen einer betroffenen Person zu erfassen.
Neben den bekannten numerischen und alphanumerischen Datenfeldern werden in den SKB-Arbeitsdateien in Braunschweig und Hannover keine weiteren Freitextfelder verwendet, in Wolfsburg
wird das zusätzlich zur Verfügung stehende Datenfeld „Bemerkungen“ nicht genutzt.
63
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
29. Weicht die Landesregierung bei Fragen zur Vertiefung der Außenems aus?
Abgeordnete Hillgriet Eilers, Jörg Bode und Dr. Stefan Birkner (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens
der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In der Drucksache 17/6785 führt die Landesregierung aus, dass ihr „keine eigenständigen Erkenntnisse“ zur Tiefe der anstehenden Außenemsvertiefung (Seite 55) vorliegen. In der Emder Zeitung
(5. November 2016) führt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und
Naturschutz (NLWKN) aus, dass es Gespräche zwischen der Generaldirektion für Wasserstraßen
und Schifffahrt (GDWS), dem Umweltministerium und dem NLWKN gebe und zwei Arbeitsgruppen
eingesetzt worden seien. Vor drei Jahren (November 2013) gab der NLWKN eine Stellungnahme
ab, bei der verschiedene umweltrechtliche Bedenken zur Außenemsvertiefung geltend gemacht
worden sind. Zusätzlich plant der NLWKN das Naturschutzgebiet „Außenems“, bei dem der äußere
Mündungsbereich der Ems unter Naturschutz gestellt werden soll. Das geplante Naturschutzgebiet
„ist zwingend“ zu sichern und erstreckt sich hierbei nicht nur auf den deutschen Teil, sondern umfasst auch den international umstrittenen Teil des äußeren Ästuars der Ems. Gleichzeitig genehmigt der NLWKN eine 42 km lange Vertiefung der Außenems für Schiffe mit 14 Metern Tiefgang,
damit das Kohlekraftwerk in Eemshaven erleichtert beliefert werden kann (Nordwest Zeitung,
18. Oktober 2016). Das Baggergut der Niederländer darf zudem jahrelang unter Auflagen im Naturschutzgebiet vor Borkum verklappt werden. Insgesamt sorgte die Landesregierung in der jüngeren
Vergangenheit bei Fragen zur Außenemsvertiefung für „Irritationen“ (Emder Zeitung, 18.10.2016)
und „blankes Entsetzen“ (Nordwest Zeitung, 18. Oktober 2016). Während Wirtschafts- und Hafenminister Lies die Anpassung des Ems-Fahrwassers als „Selbstverständlichkeit“ betrachtet und „auf
(die) Vertiefung drängt“ (Emder Zeitung, 18. Oktober 2016), „windet“ sich Umweltminister Wenzel
bei Fragen zur Außenems-Vertiefung um eine Antwort. Laut Emder Zeitung tritt das Umweltministerium „offensichtlich auf die Bremse“ (Emder Zeitung, 13. Oktober 2016).
Vorbemerkung der Landesregierung
An der Außenems gibt es verschiedene Planungen, Vorhaben und Maßnahmen, die alle Wirkungen
auf das System dieses Ästuars haben. Hier sind vor allem zu nennen:
Das niederländische Ausbauvorhaben zur Vertiefung des Emsfahrwassers für Schiffe mit einem
Tiefgang von bis zu 14 m zwischen Eemshaven und der offenen Nordsee. Dieses Vorhaben wurde
mit einem sogenannten Trassenbeschluss am 29. September 2014 vom niederländischen Minister
für Infrastruktur und Umwelt genehmigt. Das oberste Verwaltungsgericht der Niederlande hat den
Trassenbeschluss mit Urteil vom 5. August 2015 im Wesentlichen bestätigt. Für weitere Informationen zu diesem Verfahren wird auf die Drucksache 17/5146 verwiesen. Im Trassenbeschluss werden zwei Klappstellen im Naturschutzgebiet WE 276 „Borkum Riff“ festgesetzt. Dafür ist eine Befreiung von den Verboten der NSG-Verordnung erforderlich. Der NLWKN hat Rijkswaterstaat die
beantragte Befreiung am 22.09.2016 unter Auflagen und nur für eine Klappstelle erteilt. So soll
nach den Auflagen u. a. für die Außenems eine gemeinsame deutsch-niederländische ökologische
Strategie zum Sedimentmanagement erarbeitet werden - insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung und aufbauend auf den Zielen des Ems-Dollart-Umweltprotokolls.
Die Planung einer Vertiefung der Außenems zwischen Emden und Eemshaven von 8 auf 9 m wird
durch die Bundeswasserstraßenverwaltung vorgenommen, um die tideungebundene Schifffahrt zu
erleichtern. Der NLWKN hatte im Mai 2013 als Träger öffentlicher Belange eine Stellungnahme abgegeben, die auf noch überarbeitungsbedürftige Aspekte der Ausbauplanung im naturschutzfachlichen und wasserwirtschaftlichen Bereich im Interesse eines rechtssicheren Verfahrens hinweist.
Zur Stellungnahme des NLWKN wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe von WSV und NLWKN unter Beteiligung von GDWS und MU eingerichtet. Hier wurden gemeinsam getragene Lösungsansätze und das weitere Vorgehen vereinbart, insbesondere die Ergänzung der Planunterlagen und die
Erarbeitung eines gemeinsamen Ansatzes zur Ermittlung des Kohärenzbedarfs. Die Arbeitsgruppe
wird sich Anfang des Jahres 2017 nochmals treffen.
64
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Neben diesen Ausbauvorhaben sind auch die Maßnahmen zur Unterhaltung der Wasserstraßen
und insbesondere der niederländische Häfen (Baggerung und Verklappung) zu nennen. Wegen der
Vielzahl von anthropogener Änderungen im Ems-Ästuar, deren Wirkungen sich überlagern und
auch gegenseitig beeinflussen können, wird eine hinreichende Wirkungsprognose in den Verfahren
zum Ausbau der Ems immer schwieriger, ist aber auch unbedingt notwendig, um den Verpflichtungen zur Umsetzung zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, der Vogelschutz-Richtlinie,
der Wasserrahmenrichtlinie und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie rechtssicher nachzukommen.
Die Ausweisung des Naturschutzgebiets „Außenems“ soll das FFH-Gebiet „Unter- und Außenems“
hoheitlich sichern und vollzieht den letzten Schritt der EU-rechtlich geforderten Sicherung der Natura-2000-Gebiete. Die Ausweisung des Naturschutzgebietes erfolgt in einem formalisierten Verfahren durch die zuständige Behörde NLWKN. Der Entwurf der geplanten Schutzgebietsverordnung
liegt dem Umweltministerium vor. Durch das geplante Naturschutzgebiet und durch die geplante
Naturschutzgebietsverordnung ergeben sich mit Blick auf die Schifffahrt und des Hafenumschlags
im bestehenden bzw. genehmigten Umfang keine Auswirkungen. Die Benutzung und Unterhaltung
der Bundeswasserstraße wird ausdrücklich nicht berührt. Für weitere Informationen zu diesem Verfahren wird auf die Drucksache 17/5096 verwiesen.
1.
Wie sieht der in den Medien beschriebene „Konflikt“ (Emder Zeitung, 18. Oktober 2016),
gemeint sind die unterschiedlichen Interessenslagen, Entstehung, bisheriger Verlauf
und Lösungsstrategie, innerhalb der Landesregierung in Fragen der Außenemsvertiefung aus?
Wie in den Vorbemerkungen beschrieben, existiert innerhalb der Landesregierung kein Konflikt,
sondern die gemeinsame Suche nach nachhaltigen und rechtssicheren Lösungen.
2.
Wie sieht die von Minister Lies zugesagte „Unterstützung des Verfahrens“ (Emder Zeitung, 18.10.2016) durch die Landesregierung für eine zügige Fortführung des Verfahrens zur Außenemsvertiefung aus?
Ein durch den Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr initiierter Runder Tisch „Wirtschaftliche
Bedeutung der Außenems“ soll das Verfahren künftig begleiten.
Eine erste Zusammenkunft hat am 15.08.2016 in Emden stattgefunden und alle wesentlichen Verfahrensbeteiligten bzw. in der Region möglicher Weise Betroffenen an einen Tisch geholt. Dazu
gehören der Bund (GDWS), die Landesregierung (vertreten durch MW und MU), Wirtschaftsvertreter, Vertreter der Kommunen und Landkreise sowie ein Vertreter der Umweltverbände. Im Rahmen
des Treffens wurde über den bisherigen Verfahrensstand unterrichtet und ein weiteres, gemeinsames Vorgehen verabredet.
Das nächste Treffen wird Anfang 2017 stattfinden und soll auch danach in regelmäßigen Abständen tagen, um die weiteren Verfahrensschritte konstruktiv zu begleiten.
3.
Welche Gründe sprechen aus Sicht der Landesregierung für „klare Notwendigkeit der
Außenemsvertiefung“ (Emder Zeitung, 18. Oktober 2016) auf 9,50 m unter Seekartennull auf deutscher Seite bzw. 14,00 m unter Seekartennull im Fahrwasser nach Eemshaven, obwohl sie zeitgleich auf die zahlreichen anthropogenen Änderungen im EmsÄstuar (Drucksache 17/5146) aufmerksam macht?
In der zitierten Drucksache 17/5146 ist in den Vorbemerkungen sowohl der Hinweis auf die Weiterverfolgung des Verfahrens der Außenems-Vertiefung als auch die Schwierigkeit einer hinreichenden Auswirkungsprognose für dieses Verfahren enthalten. Die Vorbemerkungen zeigen, welche
Schritte verfolgt werden, um hier ökologische und ökonomische Interessen in Einklang zu bringen,
auch in Hinblick auf die Verpflichtungen aus den genannten europäischen Richtlinien. Wie wichtig
diese Schritte sind, lehrt die Erfahrung aus den Ausbauverfahren an den anderen deutschen Ästua-
65
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
ren - hier sind insbesondere die Fragen zum Verschlechterungsverbot nach Wasserrahmenrichtlinie anzuführen.
66
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
30. Alten- und Kinderkrankenpflege - Ist die Generalistik der Ruin?
Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Christian Dürr und Björn
Försterling (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
So scheinen es zumindest die Altenpflege und die Kinderkrankenpflege zu sehen, wenn man dem
Titel „Altenpflege und Kinderkrankenpflege einig: Generalistik ist der Ruin“. (Pressemitteilung
„Bündnis für Altenpflege“ vom 9. November 2016) folgt.
Dort wird weiter ausgeführt: „Die Befürworter schwinden, und auf allen Ebenen gibt es breiten Widerstand. So kam eine repräsentative Umfrage einer Pflegefachzeitschrift zu dem Ergebnis, dass
79 % der Leitungskräfte von Pflegeeinrichtungen der Wohlfahrt und 88 % der privaten Träger gegen die Generalistik sind.“ (Pressemitteilung „Bündnis für Altenpflege“ vom 9. November 2016).
Noch deutlicher sind die Zahlen der Kinderkrankenpflege. Einer u. a. in der Zeitschrift des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V. (Heft 5/16) vorgestellten bundesweiten Umfrage zufolge lehnen 99 % der Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger die derzeitigen Pläne der Bundesregierung für eine generalistische Pflegeausbildung ab.
Inzwischen scheint die Reform sogar „kurz vor dem aus“ zu stehen (http://www.aerzteblatt.
de/nachrichten/71285).
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Landtag hat in seiner 106. Sitzung am 15.09.2016 die Entschließung „Generalistische Pflegeausbildung jetzt einführen!“ (Drs. 17/6478) angenommen. Die Landesregierung beteiligt sich in diesem Sinn mit der Zielsetzung der Einführung einer generalistischen Pflegeausbildung aktiv am
Neuordnungsprozess.
1.
Welche Berufsgruppen begrüßen die Generalistik?
Es liegen keine belastbaren berufsgruppenspezifischen Untersuchungen vor. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e. V. (DBfK), in dem alle Berufsgruppen repräsentiert sind, und die
überwiegende Mehrheit der Pflegewissenschaftler begrüßen die Generalistik.
2.
Wie groß ist die inhaltliche Überschneidung der betroffenen Ausbildungen?
Bereits die bisherigen Ausbildungsinhalte nach dem Alten- und Krankenpflegegesetz weisen ein
hohes Maß an inhaltlichen Überschneidungen auf. Dies wird in der Praxis dadurch unterstrichen,
dass sich die spätere Berufstätigkeit vieler Pflegenden nicht mehr auf den mit der jeweiligen
Erstausbildung verbundenen Bereich beschränkt. Mit der Generalistik soll ein neuer Pflegeberuf
implementiert werden, der die Anforderungen an den Pflegeberuf am Bedarf der Patientinnen und
Patienten und nicht den Institutionen ausrichtet. Die bisherigen Ausbildungsinhalte sollen in den
Neuregelungen aufgehen.
3.
Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der bisher eingeschlagene Weg der falsche ist, und wenn ja, welche Alternativen sieht sie?
Nein.
67
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
31. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung zur Durchsetzung des Glücksspielstaatsvertrags? (Teil 1)
Abgeordnete Christian Dürr, Jörg Bode, Jan-Christoph Oetjen und Christian Grascha (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Marktberichten zufolge hat das niedersächsische Innenministerium im Auftrag oder in Abstimmung
mit den Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder eine Aktion mit dem Ziel der Löschung von
Glücksspiel-Apps durchgeführt. Demnach soll das niedersächsische Innenministerium an einen der
größten deutschen App-Stores mit dem Hinweis herangetreten sein, über diesen würden rechtswidrige Glücksspiel-Apps zum Download angeboten. Dies habe den Betreiber des App-Stores dazu
veranlasst, die vermeintlich rechtswidrigen Apps zu löschen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Nach dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV) dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt
werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis sind verboten. Im Internet können nur der Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sport- und Pferdewetten erlaubt werden; die Veranstaltung oder Vermittlung anderer
Glücksspiele wie Geldspielgeräte, Casino- oder Pokerspiele im Internet ist verboten. Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben können Glücksspiel-Apps, die eine Echtgeldteilnahme ermöglichen und
tatsächliche Gewinne in Aussicht stellen, gegen die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags verstoßen. Das Ministerium für Inneres und Sport hat als Glücksspielaufsichtsbehörde die Aufgabe,
die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder aufgrund des Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken,
dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben.
Im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung stellte das Ministerium für Inneres und Sport als
Glücksspielaufsichtsbehörde fest, dass über den App-Store eines Betreibers verschiedene Apps
zum Download angeboten und beworben wurden, mit deren Hilfe die direkte Teilnahme an öffentlichem Glücksspiel in Deutschland ermöglicht bzw. mit deren Hilfe Glücksspielangebote im Internet
beworben wurden. In einem ersten Schritt nahm das Ministerium für Inneres und Sport mit Schreiben vom 23.05.2016 im Auftrag der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder Kontakt zu dem AppStore-Betreiber auf. Der App-Store-Betreiber wurde allgemein über die Rechtslage informiert und
um eine Überprüfung der App-Store-Inhalte gebeten. Der App-Store-Betreiber erklärte hierauf seine
grundsätzliche Bereitschaft, unerlaubte Glücksspiel-Apps aus dem deutschen App-Store zu entfernen, und bat um Hinweise auf konkrete Rechtsverletzungen.
Das weitere Vorgehen erfolgte anschließend wieder durch jedes Land einzeln nach eigenem Ermessen. Das Ministerium für Inneres und Sport benannte zwei Apps, gegen deren Glücksspielangebote es bereits nach Maßgabe der zwischen den Ländern vereinbarten Arbeitsverteilung beim
Vollzug des Glücksspielstaatsvertrags vorgeht. Es handelte sich um eine App zur Zweitlotterieteilnahme und eine Pokerspiel-App. Beide Apps sind nach dem Glücksspielstaatsvertrag im Internet
nicht erlaubnisfähig. Bei Zweitlotterien werden entgeltlich Wetten bei Drittanbietern auf die Ziehungsergebnisse deutscher und ausländischer Lotterien (z. B. 6 aus 49) abgeschlossen, ohne dass
jedoch hiermit die Teilnahme an der jeweiligen Lotterie und ein Gewinnauszahlungsanspruch gegenüber den Lotterieveranstaltern verbunden wären. Poker ist in den gängigen Ausprägungen
ebenfalls als Glücksspiel einzustufen.
Eine hoheitliche Aufforderung, die beiden Apps zu entfernen, ist nicht erfolgt. Mit Schreiben vom
04.07.2016 teilte das Ministerium für Inneres und Sport dem App-Store-Betreiber mit, dass hinsichtlich der zwei ausgewählten Glücksspiel-Apps zu besorgen sei, dass hierüber unerlaubtes öffentliches Glücksspiel veranstaltet oder vermittelt sowie beworben werde, und bat den App-StoreBetreiber nach Maßgabe der für Diensteanbieter von Telemedien geltenden Vorschriften um recht68
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
liche Überprüfung dieser Apps in eigener Zuständigkeit. Es wurde ausdrücklich betont, dass das
Ministerium für Inneres und Sport die Angelegenheit ohne behördliche Anordnung erledigen wolle.
Der App-Store-Betreiber ging diesem Hinweis auf eine Rechtsverletzung nach und teilte nach Prüfung mit, die beiden Apps aus dem an deutsche Kundinnen und Kunden gerichteten App-Store entfernt zu haben.
Der vom Anbieter der Zweitlotterie-App gegen die Mitteilung eingelegte Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung wurde in erster Instanz vom Verwaltungsgericht Hannover abgelehnt. Über die Beschwerde und die Klage ist
noch nicht entschieden.
1.
Inwiefern ist es zutreffend, dass das Niedersächsische Innenministerium im Sinne der
oben dargestellten Maßnahmen Kontakt zu App-Store-Betreibern suchte?
Siehe Vorbemerkungen.
2.
Falls zutreffend, wann hat man sich zu welchen Inhalten ausgetauscht?
Siehe Vorbemerkungen.
3.
Falls zutreffend, wie und unter Einbindung welcher Personen fand eine Kommunikation
mit App-Store-Betreibern statt?
Die Kommunikation mit dem App-Store-Betreiber erfolgte schriftlich wie mündlich durch Angehörige
des fachlich zuständigen Referates des Ministeriums für Inneres und Sport. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.
69
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
32. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung zur Durchsetzung des Glücksspielstaatsvertrags? (Teil 2)
Abgeordnete Hillgriet Eilers, Christian Dürr, Jörg Bode, Jan-Christoph Oetjen und Christian
Grascha (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Marktberichten zufolge hat das niedersächsische Innenministerium im Auftrag oder in Abstimmung
mit den Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder eine Aktion mit dem Ziel der Löschung von
Glücksspiel-Apps durchgeführt. Demnach soll das niedersächsische Innenministerium an einen der
größten deutschen App-Stores mit dem Hinweis herangetreten sein, über diesen würden rechtswidrige Glücksspiel-Apps zum Download angeboten. Dies habe den Betreiber des App-Stores dazu
veranlasst, die vermeintlich rechtswidrigen Apps zu löschen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Nach dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV) dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt
werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis sind verboten. Im Internet können nur der Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sport- und Pferdewetten erlaubt werden; die Veranstaltung oder Vermittlung anderer
Glücksspiele wie Geldspielgeräte, Casino- oder Pokerspiele im Internet ist verboten. Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben können Glücksspiel-Apps, die eine Echtgeldteilnahme ermöglichen und
tatsächliche Gewinne in Aussicht stellen, gegen die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags verstoßen. Das Ministerium für Inneres und Sport hat als Glücksspielaufsichtsbehörde die Aufgabe,
die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder aufgrund des Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken,
dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben.
Im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung stellte das Ministerium für Inneres und Sport als
Glücksspielaufsichtsbehörde fest, dass über den App-Store eines Betreibers verschiedene Apps
zum Download angeboten und beworben wurden, mit deren Hilfe die direkte Teilnahme an öffentlichem Glücksspiel in Deutschland ermöglicht bzw. mit deren Hilfe Glücksspielangebote im Internet
beworben wurden. In einem ersten Schritt nahm das Ministerium für Inneres und Sport mit Schreiben vom 23.05.2016 im Auftrag der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder Kontakt zu dem AppStore-Betreiber auf. Der App-Store-Betreiber wurde allgemein über die Rechtslage informiert und
um eine Überprüfung der App-Store-Inhalte gebeten. Der App-Store-Betreiber erklärte hierauf seine
grundsätzliche Bereitschaft, unerlaubte Glücksspiel-Apps aus dem deutschen App-Store zu entfernen, und bat um Hinweise auf konkrete Rechtsverletzungen.
Das weitere Vorgehen erfolgte anschließend wieder durch jedes Land einzeln nach eigenem Ermessen. Das Ministerium für Inneres und Sport benannte zwei Apps, gegen deren Glücksspielangebote es bereits nach Maßgabe der zwischen den Ländern vereinbarten Arbeitsverteilung beim
Vollzug des Glücksspielstaatsvertrags vorgeht. Es handelte sich um eine App zur Zweitlotterieteilnahme und eine Pokerspiel-App. Beide Apps sind nach dem Glücksspielstaatsvertrag im Internet
nicht erlaubnisfähig. Bei Zweitlotterien werden entgeltlich Wetten bei Drittanbietern auf die Ziehungsergebnisse deutscher und ausländischer Lotterien (z. B. 6 aus 49) abgeschlossen, ohne dass
jedoch hiermit die Teilnahme an der jeweiligen Lotterie und ein Gewinnauszahlungsanspruch gegenüber den Lotterieveranstaltern verbunden wären. Poker ist in den gängigen Ausprägungen
ebenfalls als Glücksspiel einzustufen.
Eine hoheitliche Aufforderung, die beiden Apps zu entfernen, ist nicht erfolgt. Mit Schreiben vom
04.07.2016 teilte das Ministerium für Inneres und Sport dem App-Store-Betreiber mit, dass hinsichtlich der zwei ausgewählten Glücksspiel-Apps zu besorgen sei, dass hierüber unerlaubtes öffentliches Glücksspiel veranstaltet oder vermittelt sowie beworben werde, und bat den App-Store70
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Betreiber nach Maßgabe der für Diensteanbieter von Telemedien geltenden Vorschriften um rechtliche Überprüfung dieser Apps in eigener Zuständigkeit. Es wurde ausdrücklich betont, dass das
Ministerium für Inneres und Sport die Angelegenheit ohne behördliche Anordnung erledigen wolle.
Der App-Store-Betreiber ging diesem Hinweis auf eine Rechtsverletzung nach und teilte nach Prüfung mit, die beiden Apps aus dem an deutsche Kundinnen und Kunden gerichteten App-Store entfernt zu haben.
Der vom Anbieter der Zweitlotterie-App gegen die Mitteilung eingelegte Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung wurde in erster Instanz vom Verwaltungsgericht Hannover abgelehnt. Über die Beschwerde und die Klage ist
noch nicht entschieden.
1.
Auf welcher rechtlichen Grundlage ist eine Aufforderung an App-Store-Betreiber, Angebote zu entfernen, zulässig?
Diese Mitteilung erfolgte aufgrund der staatsvertraglichen Verpflichtung der Glücksspielaufsicht darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und Werbung hierfür unterbleibt (§ 9 Abs. 1 Satz 1
GlüStV).
2.
Auf wessen Anweisung oder Beschluss hin wurde diese Maßnahme ergriffen?
Siehe Vorbemerkungen.
3.
Aufgrund welcher Tatsachen sind die benannten Apps (bitte u. a. Namen der Apps aufführen) jeweils rechtswidrig, und wer hat dies abschließend festgestellt?
Von einer Nennung der Namen der Apps wird zunächst abgesehen. Die behördliche Maßnahme ist
Gegenstand laufender Gerichtsverfahren, die noch nicht abgeschlossen sind. Insoweit wäre zu besorgen, dass durch die Beantwortung der Frage und nachfolgende Veröffentlichung möglicherweise
schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden könnten. Um dem parlamentarischen Informationsrecht gleichwohl zur Geltung zu verhelfen, wird auf die Möglichkeit verwiesen, die Namen der
Apps in vertraulicher Form, z. B. durch Unterrichtung im Rahmen einer Sitzung des Ausschusses
für Inneres und Sport, zu beantworten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
71
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
33. Würde ein Pflanzenschutzverbot beim Anbau von Leguminosen auf Greeningflächen der
Eiweißselbstversorgung Niedersachsens in der Nutztierfütterung schaden?
Abgeordnete Hermann Grupe, Jörg Bode und Jan-Christoph Oetjen (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In einer Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums vom 29. Juli 2014 heißt es: „Futtererbsen, Ackerbohnen und Lupinen: Das sind nur einige Eiweißfutterpflanzen, die eigentlich sehr gut
und in größerem Umfang auch in Niedersachsen angebaut werden könnten, um die Nachfrage der
hiesigen Tierhaltungsbetriebe zu bedienen. Doch seit Jahren geht der Anbau kontinuierlich zurück.
Niedersachsen will diesen Trend stoppen.“ Zu diesem Zweck stelle das Land bis Ende 2017
520 000 Euro für ein Projekt zur Verfügung, mit dem der Anteil heimisch erzeugter Eiweißfuttermittel in der Nutztierfütterung erhöht werden solle. Das Ziel des Ministeriums sei es, weniger von
„problematischen Soja-Importen“ abhängig zu sein. Darüber hinaus wirkten sich Leguminosen positiv auf Fruchtfolge, Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit aus.
Nach einem Bericht der Agra-Europe vom 7. November 2016 setzt sich EU-Agrarkommissar Hogan
für ein Pflanzenschutzverbot beim Anbau von Leguminosen auf Greeningflächen ein (Länderberichte, Seite 2). Im gleichen Artikel wird dargestellt, dass sich der Vorsitzende der Union zur Förderung
von Oel- und Proteinpflanzen, Vogel, für die Beibehaltung von Pflanzenschutzmaßnahmen auf diesen Flächen ausspreche. Der starke Zuwachs beim Anbau von Körnerleguminosen in Deutschland
auf aktuell fast 190 000 ha sei zu einem bedeutenden Teil auf Greeningflächen in der konventionellen Landwirtschaft entstanden. Ohne die Möglichkeit des Pflanzenschutzes, der für den Leguminosenanbau nicht verzichtbar sei, werde dieser Erfolg schnell wieder rückgängig gemacht.
Vorbemerkung der Landesregierung
Dank des vom Land geförderten Eiweißpflanzenprogramms ist die mit Leguminosen bestellte Fläche in Niedersachsen in den letzten Jahren enorm gestiegen. Erbsen, Ackerbohnen, Süßlupinen,
Soja und andere Hülsenfrüchte wurden im laufenden Jahr bundesweit auf ca. 187 700 ha angebaut. Niedersachsens Landwirte bauten auf ca. 13 000 ha Leguminosen an und hatten einen der
höchsten Anstiege aller Bundesländer. Im ökologischen Landbau wuchsen 2016 in Niedersachsen
auf ca. 8 000 ha Öko-Eiweißpflanzen. Das sind etwa 27 % der rund 30 000 ha Öko-Ackerfläche.
Der ökologische Landbau zeigt, dass der Leguminosen-Anbau auch ohne Pestizide funktioniert.
Ziel der Landesregierung ist es, die EU-Agrarförderung stärker an öffentliche Leistungen und Umweltziele auszurichten. Die Anwendung von Pestiziden auf ökologischen Vorrangflächen verträgt
sich mit diesem Ziel nicht. Daher hat der Bundesrat am 11.04.2014 sich gegen die Verwendung
von Pestiziden und Kunstdünger auf ökologischen Vorrangflächen ausgesprochen. Ein verstärkter
Anbau von Leguminosen lockert die Fruchtfolge auf und erhöht damit die Biodiversität. Ein Pestizideinsatz ist mit der Steigerung der Biodiversität unvereinbar. Mit dem Leguminosenanbau könnte
zudem die steigende Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach gentechnikfrei erzeugten Nahrungsmitteln aus heimischer Produktion bedient werden.
1.
Welchen Anteil am derzeitigen Anbau von Körnerleguminosen in Niedersachsen haben
Greeningflächen in der konventionellen Landwirtschaft?
Der Anbau von Körnerleguminosen konventioneller Betriebe erfolgt zu über 80 % auf „Greeningflächen“. Auch wenn Inhaber dieser Betriebe Körnerleguminosen seit Jahren im Anbau haben, nutzen
sie jetzt die Möglichkeit, diese auf „Greeningflächen“ anzubauen, um der Verpflichtung zur Anlage
von ökologischen Vorrangflächen nachzukommen.
72
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
2.
Drucksache 17/6970
Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag von EU-Agrarkommissar Hogan, den
Pflanzenschutz beim Anbau von Leguminosen auf Greeningflächen zu verbieten?
Dieser Vorschlag wird von der Landesregierung unterstützt, weil auf ökologischen Vorrangflächen
grundsätzlich keine Pestizide angewendet werden sollten. Dies hat der Bundesrat auch 2014 bereits gefordert.
3.
Wird nach Auffassung der Landesregierung das Ziel der Landesregierung, den Anteil
heimisch erzeugter Eiweißfuttermittel in der Nutztierfütterung zu erhöhen, durch den
Vorschlag des EU-Agrarkommissars gefährdet? Wenn ja, was tut die Landesregierung,
um dem entgegenzuwirken?
Die Zielsetzung der Landesregierung, mit der Entwicklung einer Eiweiß-Strategie die Grundlage für
einen verstärkten Anbau von Eiweißpflanzen in Niedersachsen zu legen, galt und gilt unabhängig
von Änderungen beim Anbau von Leguminosen auf „Greeningflächen“. Das in der Vorbemerkung
der Abgeordneten genannte Projekt „Etablierung heimischer Eiweißfuttermittel in Niedersachsen“,
ist ein wesentlicher Baustein dieser Eiweiß-Strategie. Durch dieses Projekt soll die Ausweitung des
Anbaus heimischer Leguminosen verbunden mit einer Erhöhung des Anteils heimischer EiweißFuttermittel unterstützt und damit eine Senkung der Sojaimporte erreicht werden. Dabei werden
sowohl Erzeugung als auch Vermarktung, Verarbeitung und Handel berücksichtigt. Maßnahmen
des Projektes beziehen sich z. B. auf Verbesserungen der Anbautechnik durch Beratung, die Unterstützung von Vermarktungsmöglichkeiten, wirtschaftliche Betrachtungen der Gesamtfruchtfolge
und Berechnungen von Futterrationen. Übergeordnetes Projektziel ist die Unterstützung von Vernetzung und Ausbau der Wertschöpfungsketten im Bereich Eiweißfuttermittel.
Zudem fördert die Landesregierung ein Projekt der Vereinigung Norddeutscher Direktvermarkter
(VND) zum Aufbau regionaler Vermarktungsstrukturen, Ein wesentlicher Aspekt dieses Projektes
ist die Förderung des Absatzes von Erzeugnissen tierischer Herkunft, die unter Verwendung von
heimisch erzeugten Eiweißfuttermitteln (und damit gentechnikfreien Rohstoffen) hergestellt werden.
Somit wird auch durch dieses Projekt die Nachfrage nach heimischen Eiweißfuttermitteln und damit
der Anbau gestärkt. Durch Austausch und Verzahnung zwischen diesen beiden Projekten werden
Synergieeffekte genutzt.
73
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
34. Welche Folgen hat das Hochwasserschutzgesetz II für Niedersachsen?
Abgeordnete Horst Kortlang, Dr. Gero Hocker und Jörg Bode (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens
der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Das Bundeskabinett hat am 2. November das Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) beschlossen. Ziel ist die Erleichterung und Beschleunigung der Planung, Genehmigung und
Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen. Neben Regelungen zur Erleichterung des
hochwasserangepassten Bauens in Risikogebieten wurden auch Regelungen wie z. B. ein Verbot
von neuen Heizölverbraucheranlagen und die Nachrüstpflicht für bestehende Anlagen in Risikogebieten getroffen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Nach den Hochwasserereignissen des Jahres 2013 hat die Ministerpräsidentenkonferenz am
13.06.2013 beschlossen, dass Bund und Länder die Änderung relevanter Vorschriften mit dem Ziel
einer Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung für Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes anstreben. In der Folge haben sich auch die Umweltministerkonferenz und die
Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser intensiv mit dem Thema befasst und die Frage erforderlicher Rechtsänderungen diskutiert. Die Bundesregierung hat dazu nunmehr den Entwurf des o. g.
Gesetzes beschlossen und gemäß Artikel 76 Abs. 2 GG dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet (BR-Drs. 655/16).
Ziel des Gesetzes ist es nach seiner Begründung insbesondere,
–
Vorschriften zu schaffen, die die Verfahren für die Planung, die Genehmigung und den Bau von
Hochwasserschutzanlagen - so weit wie möglich und sinnvoll - erleichtern und beschleunigen,
ohne die Beteiligung der Öffentlichkeit zu beschneiden,
–
Gerichtsverfahren gegen geplante und genehmigte Hochwasserschutzmaßnahmen - so weit
wie möglich und sinnvoll - zu beschleunigen,
–
zusätzliche Vorschriften zu schaffen, die dazu beitragen, die Entstehung von Hochwasser einzudämmen,
–
Regelungslücken zu schließen, um Schäden durch Hochwasser zu verhindern oder zu vermindern.
Um dieses Ziele zu erreichen, sind verschiedene Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes
(WHG), außerdem Änderungen des Baugesetzbuches, des Bundesnaturschutzgesetzes und der
Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
Unter anderem sieht der Gesetzentwurf in einem neu einzufügenden § 78 c WHG in Überschwemmungsgebieten und in weiteren Risikogebieten ein Verbot der Errichtung neuer Heizölverbrauchsanlagen sowie die Pflicht zur Nachrüstung vorhandener Anlagen vor.
1.
Welche Vorteile hat Niedersachsen durch das Hochwasserschutzgesetz II?
Wesentliche rechtliche Grundlagen für einen wirksamen vorbeugenden Hochwasserschutz sind bereits mit dem Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes im Jahr 2005, der
Umsetzung der genannten Regelungen im Niedersächsischen Wassergesetz im Jahr 2007 und der
Neuordnung des Wasserrechts im Jahr 2009/2010 gelegt worden. Dazu gehört auch die Umsetzung der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie in bundesdeutsches Recht. Eine Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für Hochwasserschutzmaßnahmen ist bereits in der Vergangenheit Gegenstand der Gesetzgebung gewesen. Ansatzpunkte finden sich im
74
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, z. B. im Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren aus dem Jahre 2013, aber auch im
Fachrecht.
Ungeachtet dessen wird der nunmehr von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf insgesamt begrüßt. Dies gilt insbesondere für die vorgesehene Änderung von Vorschriften, die der Erleichterung und Beschleunigung von Verfahren für die Planung, die Genehmigung und den Bau von
Hochwasserschutzanlagen dienen sollen, z. B. zur Enteignung für Maßnahmen des Hochwasserschutzes. Andere Vorschriften innerhalb des Gesetzentwurfs werden hingegen seitens der Landesregierung kritisch beurteilt. Insgesamt bleibt jedoch zunächst das Bundesratsverfahren abzuwarten,
bevor beurteilt werden kann, ob und inwieweit Vorteile für Niedersachsen aus dem Gesetz erwachsen.
2.
Weshalb ist ein Verbot von Neuanlagen notwendig, wenn nach Umrüstungen von Bestandsanlagen hochwassersichere Anlagen möglich sind?
Der Gesetzentwurf weist in der Begründung zu § 78 c WHG (Seite 29 der o. g. Drucksache) darauf
hin, dass die Schäden an und durch Ölheizungen einen großen Teil der Schadensumme eines
Hochwassers ausmachten. Vergangene Hochwasserereignisse hätten gezeigt, dass bis zu 70 %
der Sachschäden an Gebäuden durch ausgetretenes Heizöl verursacht worden seien. Dringe Öl ins
Mauerwerk ein, sei dieses oft vollständig kontaminiert. Das Gebäude könne dann nur noch aufwendig saniert oder müsse gar komplett abgerissen werden. Das mit Öl verseuchte Wasser stehe
zudem in den betroffenen Regionen teilweise wochenlang und fließe nicht ab und führe damit auch
zu schädlichen Auswirkungen für die Umwelt. Zielsetzung des § 78 c sei es, diese immensen
Schäden zu verringern. Absatz 1 verbiete daher die Errichtung neuer Heizölverbraucheranlagen in
Überschwemmungsgebieten und in Risikogebieten außerhalb von Überschwemmungsgebieten,
wenn andere weniger wassergefährdende Energieträger zu vertretbaren Kosten zur Verfügung
stünden, und trage damit auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung.
Im Gegensatz dazu ist bereits in der Anhörung der Länder zu dem Gesetzentwurf Kritik an dem
vorgesehenen Verbot geübt worden. Es ist absehbar, dass diese Regelung noch Gegenstand von
Diskussionen im Bundesrat sein wird.
3.
Welche konkreten Regelungen beinhaltet das Gesetz zum Verbot bzw. zur Umrüstung
von Heizölverbraucheranlagen, und bis wann müssen diese umgesetzt sein?
Nach § 78 c Abs. 2 WHG in der Fassung des Gesetzentwurfes sind Heizölverbraucheranlagen, die
in festgesetzten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten vorhanden sind, vom Betreiber innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes und Heizölverbraucheranlagen,
die in Risikogebieten außerhalb von Überschwemmungsgebieten vorhanden sind, innerhalb von
15 Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik
hochwassersicher nachzurüsten. Sofern Heizölverbraucheranlagen wesentlich geändert werden,
sind diese zum Änderungszeitpunkt hochwassersicher nachzurüsten.
75
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
35. Welche Krankenversicherungen tragen freiwillig die Kosten für berufsbedingte Impfungen
für angehende Erzieher?
Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Christian Dürr und Björn
Försterling (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Erzieherinnen und Erzieher und einige andere Fachkräfte in sozialen Tätigkeitsfeldern werden in
schulischen Ausbildungsgängen für ihre Berufstätigkeit qualifiziert. Innerhalb dieser schulischen
Ausbildung durchlaufen sie umfangreiche Praktika in entsprechenden Einrichtungen. Spätestens
vor Beginn der Praktika ist u. a. der Nachweis der gesundheitlichen Eignung zu erbringen. Darunter
ist ein erhöhter Immunschutz in Bezug auf berufstypische Infektionen zu verstehen (§ 3 Abs. 12
BbS-VO Anl. 4 zu § 33).
Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren können auf Kosten der Krankenkassen gegen
die z. B. für Erzieherinnen und Erzieher relevanten Infektionskrankheiten geimpft werden. Leider ist
dieser Impfschutz bis zum Erreichen der Volljährigkeit aus verschiedenen Gründen häufig unvollständig, so auch bei Schülerinnen und Schülern in den genannten Ausbildungsbereichen.
In vielen Fällen müssen zwar Erwachsene Impfkosten selbst tragen, aber nicht, wenn die Impfung
durch ein besonderes Infektionsrisiko bei der beruflichen Tätigkeit bedingt ist. Dann greift das Arbeitsschutzrecht (§ 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 ArbMedVV). Nach dem Arbeitsschutzgesetz (§ 3 Abs. 3
ArbSchG) ist es nicht zulässig, Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen den Beschäftigten aufzuerlegen. Die Kosten hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu übernehmen, auch die Kosten für berufsbezogene Impfungen (Aufzählung in Teil 2 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. e u. f Anh. ArbMedVV). Schülerinnen
und Schüler sind in dieser Hinsicht Beschäftigten ausdrücklich gleichgestellt (§ 2 Abs. 9 Satz 2
Ziff. 1 BioStoffV).
Trotzdem sollen Schüler und Schülerinnen dieser Ausbildungsgänge gemäß der weiterhin im Internet veröffentlichten Aussage des MK vom 18.12.2014 fehlende Impfungen gegen berufstypische Infektionen in der Regel auf eigene Rechnung nachholen. (http://www.mk.niedersachsen.de/
aktuelles/presseinformationen/antwort-auf-die-muendliche-anfrage-muessen-interessentinnen-undinteressenten-geld-mitbringen-um-zu-erzieherinnen-und-erziehern-ausgebildet-zu-werden-130114.
html)
Es gibt Informationen, nach denen zumindest die AOK Niedersachsen für ihre Versicherten unabhängig von deren Alter freiwillig die Kosten für die durch ein Ausbildungspraktikum bedingten Impfungen übernimmt. Wenn diese Informationen zutreffen, müssen die betroffenen Schülerinnen und
Schüler davon in Kenntnis gesetzt werden.
Vorbemerkung der Landesregierung
Damit ein Praktikum bzw. eine schulische Ausbildung im erziehungswissenschaftlichen Bereich begonnen werden kann, ist u. a. die gesundheitliche Eignung nachzuweisen. Als Nachweis für eine
gesundheitliche Eignung, ist u. a. ein erhöhter Immunschutz gegen berufstypische Infektionen erforderlich (§ 3 Abs. 12 der Anl. 4 zu § 33 BbS-VO). Im Bereich der Erzieherinnen und Erzieher fallen darunter nach der Verordnung über arbeitsmedizinische Vorsorge folgende Krankheiten:
Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken.
Aus Sicht der Landesregierung ergibt sich für Schülerinnen und Schüler jedoch keine Gleichstellung in Bezug auf § 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen nicht auf die Beschäftigten umlegen. Unter den
Anwendungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes fallen gemäß § 2 Abs. 2 ArbSchG „Beschäftigte“.
Als Beschäftigte werden u. a. solche Personen anerkannt, welche in Betrieben ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber auf Grundlage ihrer Ausbildung haben. Schülerinnen und Schüler sowie Studierende fallen nicht unter den Begriff der Beschäftigten
76
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
nach § 2 Abs. 2 ArbSchG, da sie nicht bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind. Somit findet das Arbeitsschutzgesetz und damit auch das Kostenauferlegungsverbot des § 3 Abs. 3 ArbSchG für diese
Gruppen keine Anwendung.
Zwar stellt § 2 Abs. 9 Satz 2 Nr. 1 Biostoffverordnung (BioStoffV) Schülerinnen und Schüler mit Beschäftigten gleich, dies gilt jedoch für die allgemeinen Vorschriften der Biostoffverordnung. Durch
die Gleichstellung mit den Beschäftigten soll sichergestellt werden, dass die Schülerinnen und
Schüler nicht größeren Gefahren ausgesetzt werden, als z. B. angestellte Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer.
Diese Gleichstellung im Rahmen der Biostoffverordnung führt nicht automatisch zur Anwendung
des § 3 Abs. 3 ArbSchG. Im § 18 Abs. 2 ArbSchG heißt es, dass durch Verordnung bestimmt werden kann, dass „bestimmte Vorschriften des Gesetzes zum Schutze anderer … genannten Personen“ anzuwenden sind. Dies bedeutet, dass solche Rechtsverordnungen ausdrücklich die Anwendung der entsprechenden Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes bestimmen müssen.
Da die Biostoffverordnung die Anwendung des § 3 Abs. 3 des Arbeitsschutzgesetzes nicht vorsieht
bzw. regelt, findet das Kostenauferlegungsverbot für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende
keine Anwendung.
1.
Trifft es zu, dass die AOK Niedersachsen die berufsbezogenen Impfkosten für die bei
ihr versicherten Schülerinnen und Schüler übernimmt, und sind der Landesregierung
noch andere Krankenversicherungen bekannt, die die Kosten übernehmen?
Nach der Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses müssen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten aller von der ständigen Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen, die vor der Vollendung des 17. Lebensjahres begonnen wurden, bis zur Beendigung tragen.
Zulasten der Krankenkassen kann darüber hinaus die Hepatitis-A- und -B-Impfung bei Absolvierenden der Berufsfachschulen verordnet werden, wenn eine Infektionsgefahr aufgrund des ausgeübten
Tätigkeitsfeldes besteht z. B. bei der Arbeit in Kindertagesstätten und Kinderheimen oder in der
Pflege. Liegt keine berufliche Indikation vor, müssen Schülerinnen und Schüler die Kosten für derartige Impfungen selbst tragen.
Informationen, ob die Kostenübernahme bei anderen Krankenkassen gegebenenfalls über die Satzung weitergehender geregelt ist, liegen der Landesregierung nicht vor.
2.
Sofern es zutrifft, dass Krankenversicherungen die Kosten übernehmen, welche Maßnahmen hat die Landesregierung bereits ergriffen, um dies bekannt zu machen?
Es ist Aufgabe der Krankenkassen und der impfenden Ärztinnen und Ärzte, die Versicherten (bzw.
die Eltern) über Inhalt und Umfang des Leistungsanspruchs auf Schutzimpfungen nach den Bestimmungen der Schutzimpfungsrichtlinie aufzuklären und zu beraten.
Sofern es sich um die Hepatitis-A- und -B-Impfung handelt, werden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Impfung ärztlich verordnet werden kann, sofern eine Infektionsgefahr im Rahmen der
beruflichen Tätigkeit besteht (siehe Antwort zu Frage 1). Die Kosten können über die elektronische
Gesundheitskarte der Versicherten abgerechnet werden.
3.
Sofern es zutrifft, dass einige Krankenversicherungen die Kosten übernehmen: Welche
Maßnahmen plant die Landesregierung, um eine allgemeine Regelung zugunsten der
Schülerinnen und Schüler herbeizuführen und diese bekannt zu machen?
Die Landesregierung sieht die Möglichkeit der Kostenübernahme für Impfungen durch die Krankenkassen als ausreichend an. Weitergehende Maßnahmen sind nicht geplant.
77
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
78
Drucksache 17/6970
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
36. Welche rechtlichen Vorgaben gibt es bei der Bewilligung von Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds?
Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Hillgriet Eilers und Jan-Christoph Oetjen (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Durch das Krankenhausstrukturgesetz hat der Bund den Krankenhausstrukturfonds in Höhe von
insgesamt 1 Milliarde Euro aufgelegt - 500 Millionen Euro davon entfallen auf den Bund, und
500 Millionen Euro sind durch die Länder kozufinanzieren.
Auf Niedersachsen entfällt dabei ein Anteil von 94 Millionen Euro, die haushalterisch abgesichert
sind. Aus dem Strukturfonds sind 92,3 Millionen Euro zu vergeben.
Vorbemerkung der Landesregierung
Durch Artikel 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2229) wurde ein neuer
§ 12 in das Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz - (KHG) eingefügt, der die Förderung von
Vorhaben zur Verbesserung von Versorgungsstrukturen im Krankenhaussektor zum Gegenstand
hat, grundsätzliche Voraussetzungen dafür definiert und Näheres zu bestimmen einer Verordnung
des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) überlässt. Am 17.12.2015 erließ das BMG die Verordnung zur Verwaltung des Strukturfonds im Krankenhausbereich (KrankenhausstrukturfondsVerordnung - KHSFV) - BGBl. I S. 2350 -. Die KHSFV konkretisiert u. a. die Voraussetzungen für
eine Förderung.
1.
Existieren standortbezogene Vorgaben bei der Bewilligung der Mittel, dürfen also beispielsweise nur Maßnahmen in Kernstadtlage, Stadtrandlage oder im außerstädtischen
Raum („Grüne Wiese“) gefördert werden?
Voraussetzung für eine Bewilligung von Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds ist ein Antrag
des Krankenhausträgers auf Investitionsförderung für einen konkreten Krankenhausstandort. Für
welchen Krankenhausstandort der Träger Investitionsmittel beantragt, obliegt seiner unternehmerischen Entscheidung. Das Land prüft diesen Antrag hinsichtlich der grundsätzlichen Förderfähigkeit.
Im Anschluss daran wird der Antrag im Krankenhausplanungsausschuss beraten. Dieser stellt dann
das Einvernehmen zur baufachlichen Prüfung und zur Beantragung von Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds her. Dazu müssen zur Beantragung von Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds die Landesverbände der Gesetzlichen Krankenversicherung noch einmal separat ihr Einvernehmen erklären.
Die daran anschließende Prüfung und Bewilligung von Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds
durch das Bundesversicherungsamt auf Grundlage der KHSFV erfolgt ausschließlich auf Grundlage krankenhausstrukturpolitischer Kriterien. Standortbezogene Vorgaben im Sinne der Fragestellung sind nicht Voraussetzung für eine Förderung.
2.
Welche weiteren Vorgaben gibt es für die Bewilligung der Mittel?
Die Voraussetzungen für die Zuteilung von Fördermitteln aus dem Strukturfonds ergeben sich aus
§ 12 KHG und der KHSFV. Maßgeblich ist insbesondere, dass
–
die Umsetzung des zu fördernden Vorhabens am 1. Januar 2016 noch nicht begonnen hat,
–
das antragstellende Land, gegebenenfalls gemeinsam mit dem Träger der zu fördernden Einrichtung, mindestens 50 % der förderungsfähigen Kosten des Vorhabens trägt und
79
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
–
das antragstellende Land sich verpflichtet, in den Jahren 2016 bis 2018 jährlich Haushaltsmittel
für die Investitionsförderung der Krankenhäuser mindestens in der Höhe bereitzustellen, die
dem Durchschnitt der in den Haushaltsplänen der Jahre 2012 bis 2014 hierfür ausgewiesenen
Haushaltsmittel oder den im Haushaltsplan des Jahres 2015 für die Investitionsförderung der
Krankenhäuser ausgewiesenen Haushaltsmitteln entspricht.
3.
Wann endet für die Länder die Frist zur Beantragung von Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds?
Nach § 4 KHSFV können die Länder bis zum 31. Juli 2017 Anträge an das Bundesversicherungsamt auf Auszahlung von Fördermitteln aus dem Strukturfonds stellen. Der Planungsausschuss des
Landes Niedersachsen hat sein Einvernehmen dazu erklärt, dass auch bei der Förderung von
Maßnahmen über den Strukturfonds das Verfahren zur Bewilligung von Fördermitteln Anwendung
findet. Voraussetzung für eine Förderung ist die Vorlage einer geprüften Haushaltsunterlage Bau.
Deren Erstellung und Prüfung ist je nach Volumen und Komplexität des konkreten Bauvorhabens
unterschiedlich zeitintensiv, was zur Folge hat, dass die Antragsunterlagen deutlich vor dem 31. Juli 2017 mit dem Krankenhausträger und dem Planungsausschuss abgestimmt sein müssen.
80
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
37. Neodym in Windrädern
Abgeordnete Dr. Gero Hocker, Almuth von Below-Neufeldt, Christian Grascha, Horst Kortlang, Dr.
Marco Genthe und Hermann Grupe (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens
der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Neodym ist eine sogenannte seltene Erde und Bestandteil vieler getriebeloser Windräder. Neodym
kommt in natürlicher Form nur in chemischen Verbindungen vergesellschaftet mit anderen Lanthanoiden vor. Die Gewinnung von Neodym mittels Trennung vom geförderten Gestein gilt es umweltbelastend. Zudem werden radioaktive Elemente wie Uran oder Thorium freigesetzt.
Vorbemerkung der Landesregierung
Neodym tritt in Lagerstätten Seltener Erden zusammen mit den anderen 16 Elementen der Lanthanoidenreihe plus Scandium und Ytrium auf. Neodym spielt eine wesentliche Rolle für die Herstellung von Permanentmagneten. Diese kommen allerdings nicht in allen Windenergieanlagen
sondern nur bei einem relativ geringen Teil der verschiedenen technischen Anlagenkonzepte zum
Einsatz - in Windenergieanlagentypen mit sogenannten permanenterregten Generatoren. Windenergieanlagen mit elektrisch erregtem Synchrongenerator arbeiten hingegen ohne Permanentmagnete.
1.
Wie viel Neodym wurde seit 2010 in deutschen Windrädern verbaut?
Deutschland wies im Zeitraum 2011 bis 2014 jährliche Netto-Importe von durchschnittlich 260 t Seltenen Erden als Metalle und durchschnittlich 790 t an sogenannten Cer-Verbindungen auf
(„Deutschland - Rohstoffsituation 2014“, BGR, 11/2015). Hinzu kämen stoffliche Importe als Bestandteil von Zwischen- und Fertigprodukten, die statistisch nicht erfasst werden. Eine Untergliederung der Importstatistik nach den Einzelelementen liegt nicht vor.
Ebenso wird nicht statistisch erfasst, welche Mengen an Einzelelementen wie Neodym in Produkten bzw. Produktkategorien (hier Windenergieanlagen) in Deutschland verarbeitet werden. Im
Rahmen des Forschungsvorhabens „Kritische mineralische Ressourcen und Stoffströme bei der
Transformation des deutschen Energieversorgungssystems“ (Abschlussbericht, Wuppertal Institut,
2015) wird für heutige Windenergieanlagen mit permanenterregten Generatoren ein mittlerer spezifischer Bedarf von Neodym in Höhe von 201,5 kg/MW bei Anlagen mit Direktantrieb (getriebelos),
49,6 kg/MW bei Anlagen mit Getrieben mittlerer Geschwindigkeit und 24,8 kg/MW bei Anlagen mit
Getrieben hoher Geschwindigkeit ermittelt. Eine belastbare Hochrechnung des Neodymeinsatzes
auf den Anlagenbestand ist angesichts der oben benannten unterschiedlichen technischen Anlagenkonzepte und unterschiedlicher Anlagengenerationen nicht möglich.
2.
Welche Abfallprodukte entstehen bei der Trennung von Neodym vom geförderten Gestein, und welche davon sind giftig oder umweltgefährdend?
In natürlichen Lagerstätten der Seltenen Erden findet sich je nach Lagerstätte auch Thorium und
gegebenenfalls auch Uran. Eine effiziente und umweltfreundliche Trennung und Aufbereitung ist
grundsätzlich möglich, erfolgt aber in bestimmten Regionen bisher nur unzureichend.
3.
Inwieweit ist Neodym nach dem Abbau der Windräder wieder recycelbar?
Das Recycling von Neodym aus Windkraftanlagen ist grundsätzlich möglich. Es ist davon auszugehen, dass dies in künftigen Recyclingprozessen erfolgen wird, denn da nur wenige Elemente der
Seltenerdgruppe verbaut sind, ist deren Trennung und Wiedergewinnung mit weitaus geringerem
81
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Aufwand und damit ökonomisch und ökologisch wesentlich besser als die Gewinnung aus Primärrohstoffen zu erreichen. Geeignete Recyclingverfahren sind bereits bis zum Labor- und Kleintechnikmaßstab entwickelt worden, deren industrielle Umsetzung wird allerdings erst möglich, wenn
hinreichend große Abfallmengen zur Verfügung stehen.
82
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
38. Was dürfen Notfallsanitäter?
Abgeordneter Björn Försterling, Jan-Christoph Oetjen und Dr. Marco Genthe(FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In § 5 des Heilpraktikergesetzes heißt es: „Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Fraglich ist, inwiefern Einsatzkräfte, die im Rettungsdienst tätig sind, unter die Regelungen des
HeilPrG fallen. Da die deutschen Gerichte unabhängig voneinander sind, sind sie nicht daran gebunden, was andere Gerichte bereits entschieden haben. Das führt dazu, dass Gesetze von Gerichten verschieden ausgelegt werden, sodass es zu Unterschieden bei der Beurteilung kommt.
Dadurch besteht keine Rechtssicherheit, ob ausgebildete Rettungsdienst-Mitarbeiter in den Anwendungsbereich des HeilPrG fallen oder nicht.
Seit ein paar Jahren ist das NotSanG (Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des
Notfallsanitäters) in Kraft. Durch Einführung dieses Gesetzes hätte man die Rechtssicherheit herstellen können, indem der Gesetzgeber den Notfallsanitätern die Erlaubnis hätte erteilen können,
ärztliche und auch invasive Maßnahmen vorzunehmen. Dadurch wäre auch ein möglicher Verstoß
einer Rettungseinsatzkraft gegen das HeilPrG hinfällig. Das NotSanG regelt allerdings nur, was die
Ausbildung eines Notfallsanitäters beinhalten muss und wie sich der Zugang zu diesem Beruf verhält. Dieses lässt aber nicht darauf schließen, wie und ob er das Erlernte danach anwenden darf.
Der Bund ist zuständig für Gesetze, die die Zulassung zu einem Beruf regeln; die Länder wiederum
für die Ausführung der Berufe. Allerdings haben die Länder keine Gesetze erlassen, die die Ausführung des Berufs eines Notfallsanitäters regeln. Ferner könnte die Regelung als Ländersache dazu
führen, dass Notfallsanitäter unterschiedlich befugt werden.
Deshalb liegt es nach wie vor im Ermessen der Gerichte, ob ein Mitarbeiter eines Rettungsdienstes
in den Anwendungsbereich des HeilPrG fällt und sich dadurch strafbar machen könnte.
Vorbemerkung der Landesregierung
Das vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossene und zum 1. Januar 2014 in Kraft getretene Notfallsanitätergesetz (NotSanG) vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1348),
geändert durch Artikel 30 des Gesetzes vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 886), ist als Ausbildungsgesetz für einen Gesundheitsfachberuf gestaltet. Es strukturiert die Ausbildung und die Berufszulassungsprüfung für Notfallsanitäter, während die Berufsausübung aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung von den Ländern geregelt wird. Die durch das NotSanG neu geschaffene Ausbildung zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter erfordert eine Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes (NRettDG), welche sich derzeit im parlamentarischen Verfahren (Drs. 17/6348) befindet. Danach werden die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter durch
den neuen in einer dreijährigen Ausbildung zu erlernenden Beruf mittelfristig die derzeit überwiegend im Rettungsdienst tätigen Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten, die lediglich eine
zweijährige Ausbildung nach dem Rettungsassistentengesetz absolviert haben, als wichtigen Bestandteil des Rettungsdienstes ablösen. Vor allem für den sich in kommunaler Trägerschaft befindenden bodengebundenen Rettungsdienst ist damit die Erwartung einer qualitativen Verbesserung
der medizinischen nicht-ärztlichen Versorgung verbunden, die wegen der steigenden Einsatzzahlen
bei fast allen Trägern des Rettungsdienstes, auch aufgrund des demografischen Wandels und der
steigenden Lebenserwartung der Menschen, geboten ist. Dabei werden die neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter die Aufgaben nach § 4 NotSanG ausüben und in diesem Rahmen auch
die vom jeweiligen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst bestimmten Standardmaßnahmen eigenständig
ausführen. Insofern hat sich die Kompetenz der neuen Berufsgruppe im Vergleich zur Rettungsas-
83
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
sistentin oder zum Rettungsassistenten nach dem Rettungsassistentengesetz qualitativ fortentwickelt.
1.
Gibt es ein Gesetz, in welchem die Notkompetenzen für Notfallsanitäter in Niedersachsen niedergeschrieben sind? Wenn ja, in welchem, und wenn nein, ist ein solches in
Planung?
Das NRettDG wird nach Inkrafttreten der sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindenden
Novelle den Einsatz der neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter als Regelbesatzung in
Krankenkraftwagen enthalten. In der Begründung zum neuen „§ 10 Personal“ des NRettDG wird
explizit auf die Ausübung der Aufgaben des § 4 NotSanG durch die neuen Notfallsanitäterinnen
und Notfallsanitäter und auf die eigenständige Ausführung der in diesem Rahmen vom jeweiligen
Ärztlichen Leiter Rettungsdienst bestimmten Standardmaßnahmen hingewiesen (vgl. Drs. 17/6348,
S. 10).
Die einzelnen Kompetenzen der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter richten sich in Niedersachsen nach den sogenannten NUN-Algorithmen, d. h. den gemäß § 8 der Geschäftsordnung des
Landesausschusses „Rettungsdienst“ im Nds. MBl. bekannt gemachten, vom Landesausschuss
beschlossenen Empfehlungen zu Rahmen-Algorithmen zur Aus- und Fortbildung und als Grundlage zur Tätigkeit von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern (NotSan) in Niedersachsen. Im
NUN-Projekt (= Niedersächsische Umsetzung des Notfallsanitätergesetzes) wurden im Auftrag des
Kultusministeriums und in Mitwirkung der Universität Osnabrück Rahmenkonzepte zur Schulung
und Prüfung von NotSan in Niedersachsen erarbeitet. Auf dieser einheitlichen fachlichen Basis
wurden mit dem Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) Niedersachsen/Bremen und der Landesarbeitsgemeinschaft Rettungsdienst-Schulen Rahmen-Algorithmen zur Ausund Fortbildung und als Grundlage für die Tätigkeit von NotSan - insbesondere in den invasiven
und erweiterten Versorgungsmaßnahmen - entwickelt. Sie geben durch breiten Fachkonsens den
ausführenden NotSan und dem delegierenden ÄLRD Rechtssicherheit und erlauben durch ihre
Struktur eine individuelle Anpassung an lokale Notwendigkeiten im Rettungsdienstbereich. Dabei
wird eine jährliche Aktualisierung angestrebt. Der Landesausschuss „Rettungsdienst“ hat die Umsetzung der von der Arbeitsgemeinschaft NUN und dem Landesverband ÄLRD Niedersachsen/Bremen erarbeiteten und entsprechend den wissenschaftlichen Fortschritten weiterzuentwickelnden
Algorithmen als fachlich konsentierten Rahmen für das rettungsdienstliche Handeln der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in Niedersachsen empfohlen. Diese sind als Bekanntmachung des
Ministeriums für Inneres und Sport vom 05.08.2016 im Nds. MBl. 2016, S. 844 veröffentlicht, bzw.
stehen unter http://www.mi.niedersachsen.de/download/109570 zum Abruf bereit.
Ein darüber hinaus gehender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht nicht.
2.
Welche Notkompetenzen haben Notfallsanitäter in Niedersachsen?
In Niedersachsen orientieren sich die flächendeckend und hauptamtlich arbeitenden Ärztlichen Leiter Rettungsdienst an den o. g. Empfehlungen der AG NUN. Die ÄLRD zertifizieren die in ihrem
Rettungsdienstbereich tätigen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter auf Basis der „NUNAlgorithmen“ und halten dies in regionalen Protokollen (sogenannte standard operating procedures
SOP, Algorithmen etc.) fest. Damit verfügen die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter über konkrete Arbeitsanweisungen für bestimmte notfallmedizinische Zustandsbilder und die dazu gehörigen Kompetenzen, diese im Einzelfall auszuüben. Aufgrund dieser Vorgehensweise können die
Kompetenzen der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in Niedersachsen je nach Rettungsdienstbereich differieren.
3.
84
Wie bewertet die Landesregierung Fälle, in denen ein niedersächsischer Notfallsanitäter in einem anderen Bundesland aushilft, in welchem andere Regelungen zur Ausführung des Berufes gelten?
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
In Fällen, in denen eine niedersächsische Notfallsanitäterin oder ein niedersächsischer Notfallsanitäter in einem anderen Bundesland tätig wird, richtet sich die Ausübung der Tätigkeit nach den dort
geltenden landesrechtlichen Regelungen als Ausfluss des föderalen Systems der Bundesrepublik
Deutschland.
85
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
39. Wie sollen ÖPP-Projekte künftig umgesetzt werden?
Abgeordnete Christian Grascha, Jan-Christoph Oetjen, Hermann Grupe, Jörg Bode, Horst Kortlang
und Dr. Marco Genthe (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In dem Beschluss des Landtages in der Drucksache 17/5809 vom 1. Juni 2016 wurden ÖPPProjekte als risikoreich und ungeeignet zur Finanzierung staatlicher Aufgaben bezeichnet. Finanzminister Schneider äußerte sich jüngst in der Neuen Presse (7. November 2016) dahin gehend,
dass man zu diesem Thema zu einer breiten gesellschaftlichen und politischen Einigung kommen
müsse, wie ÖPP-Projekte umgesetzt werden können. Bei Großprojekten sieht er nur zwei Alternativen: Entweder wird mit ÖPP gebaut oder gar nicht.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Landtag hat in seiner Entschließung vom 01.06.2016 festgestellt, „dass ÖPP … häufig ungeeignet zur Finanzierung staatlicher Aufgaben ist“. Diese Schlussfolgerung entspricht der bisherigen
Erfahrung des Landes bei der Prüfung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten. Angesichts der
Zinsvorteile des Landes gegenüber Privaten bei der Refinanzierung auf dem Kapitalmarkt ist dieses
Ergebnis auch folgerichtig. Im Übrigen ist ÖPP nicht auf ein Finanzierungsinstrument reduziert.
ÖPP verfolgt vielmehr den ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz einer Immobilie und umfasst als
klassisches Vier-Phasen-Modell die Aufgaben Planen, Bauen, Finanzieren und Betreiben. Gerade
durch den - zumindest partiellen - Betrieb durch den Privaten über die gesamte Vertragslaufzeit
können unter Umständen wirtschaftliche Vorteile generiert werden.
1.
Wie möchte die Landesregierung vor dem Hintergrund des Beschlusses des Landtags
(Drucksache 17/5809 vom 1. Juni 2016) und der dort genannten Ausschlusskriterien
ÖPP-Projekte umsetzen?
Sofern ein Projekt für eine ÖPP geeignet ist, wird auch weiterhin zu prüfen sein, ob wirtschaftliche
Vorteile für das Land durch die Realisierung als ÖPP entstehen.
2.
Hält die Landesregierung ÖPP-Projekte für zu risikoreich und daher ungeeignet zur Finanzierung staatlicher Aufgaben?
Ob ein Beschaffungsprojekt für eine ÖPP geeignet ist, muss jeweils konkret und insbesondere vor
dem Hintergrund des durch den Privaten zu übernehmenden Betriebes beurteilt werden. Bei
grundsätzlicher Geeignetheit ist die Verteilung und Bemessung von Risiken in einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu berücksichtigen.
3.
Müssen kommunalen Gebietskörperschaften auf Projekte, die ohne den Einsatz von
ÖPP-Elementen nicht nachhaltig finanzierbar sind, verzichten?
Die Finanzierung eines ÖPP-Projektes unterliegt den gleichen Grundsätzen wie die Finanzierung
von eigenen kommunalen Investitionsprojekten.
Nach dem niedersächsischen Krediterlass vom 21.07.2014 sind ÖPP-Projekte als kreditähnliche
Rechtsgeschäfte definiert, die gemäß § 120 Abs. 6 Satz 1 NKomVG wie Investitionskredite genehmigungspflichtig sind. Das kreditähnliche Rechtsgeschäft begründet eine zukünftige Zahlungsverpflichtung der kommunalen Gebietskörperschaft, die einer Kreditaufnahme wirtschaftlich gleichkommt. Damit gilt der Grundsatz: „Wenn die Haushaltslage eine Kreditfinanzierung nicht zulässt, ist
auch ein kreditähnliches Rechtsgeschäft unzulässig.“ ÖPP-Projekte sind nur genehmigungsfähig,
86
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
soweit sie die dauernde Leistungsfähigkeit einer Kommune durch die zukünftigen Zahlungsverpflichtungen nicht gefährden.
87
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
40. Werden „Reichsbürger“ in Niedersachsen zu einem Problem? (Teil 3)
Abgeordnete Dr. Marco Genthe, Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode, Christian Dürr, Hermann Grupe,
Jan-Christoph Oetjen und Christian Grascha (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Aus der Antwort der Landesregierung auf die mündliche Anfrage von Abgeordneten der FDP-Fraktion (Drucksache 17/6785; Nr. 41) geht hervor, dass die „Reichsbürger“ an den niedersächsischen
Gerichten einen erhöhten Bearbeitungsaufwand sowie gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen verursachten. Dabei solle gerade der Tätigkeitsbereich von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern betroffen sein. Auch in Justizvollzugsanstalten sollen die „Reichsbürger“ aktiv sein.
Ferner sollen wegen dieser Bewegung in der Vergangenheit Gespräche mit Obergerichten und
Generalstaatsanwaltschaften stattgefunden haben, um einen sinnvollen Umgang mit den „Reichsbürgern“ zu verabreden.
1.
Wie oft kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern und „Reichsbürgern“ in Niedersachsen?
In der überwiegenden Zahl der niedersächsischen Amtsgerichte hatten die dort tätigen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in den letzten Jahren dienstliche Kontakte mit sogenannten
Reichsbürgern. Wie oft es dabei zu Auseinandersetzungen kam, lässt sich nur grob schätzen. Auseinandersetzungen werden nicht statistisch erfasst und sind auch nicht weiter definiert. Der Begriff
der Auseinandersetzung wird vor Ort unterschiedlich ausgelegt. Die nachfolgende Darstellung wird
zusätzlich dadurch vergröbert, dass die Frage den interessierenden Zeitraum nicht eingrenzt und
die Berichte des Geschäftsbereichs des Justizministeriums sich auf unterschiedliche Zeiträume
(beginnend mit dem Jahr 2012) beziehen. Mit diesen Einschränkungen stellt sich die Lage wie folgt
dar:
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig soll es mehr als 50 Fälle von Auseinandersetzungen gegeben haben. Dabei soll es sich ausschließlich um verbale Auseinandersetzungen gehandelt haben, deren Tonfall und Inhalt den bei sogenannten Reichsbürgern beobachteten (schriftlichen) Injurien entsprochen habe. Von tätlichen Auseinandersetzungen, also körperlichen Übergriffen auf Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, wurde hingegen nicht berichtet. Für solche
würden im Einzelfall Vorkehrungen getroffen, beispielsweise durch das Hinzuziehen von Polizeikräften oder die Verwendung von Schutzwesten.
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle soll es etwa 90 Auseinandersetzungen ohne die Anwendung körperlicher Gewalt gegeben haben. Auch hier wird von verbalen Auseinandersetzungen,
Drohungen gegen die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher und vereinzelt auch von der
Anfertigung von Filmen berichtet. Daneben hat ein Amtsgericht von einem Fall der Anwendung
körperlicher Gewalt bei einer Räumungsmaßnahme berichtet, bei der ein sogenannter Reichsbürger eine Polizistin verletzt haben soll, die die Maßnahme abgesichert habe.
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg soll es eine nicht näher bezifferte Anzahl von schriftlichen und verbalen Konfrontationen von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern mit sogenannten Reichsbürgern gegeben haben. Bei bekannten „Reichsbürgern“ werde die Polizei um
Amtshilfe gebeten. Aus dem Bezirk des Landgerichts Osnabrück wird ein Fall eines körperlichen
Übergriffs berichtet: Bei dem Amtsgericht Osnabrück sei ein sogenannter Reichsbürger auf einen
Gerichtsvollzieher im Beisein mehrerer Polizeibeamter mit einem Baseballschläger losgegangen.
2.
88
In welchen konkreten niedersächsischen Justizvollzugsanstalten verursachten die
„Reichsbürger“ einen erhöhten Aufwand durch eine Vielzahl von Beschwerden beziehungsweise durch mangelnde Kooperation?
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
In der Vergangenheit verursachte jeweils ein inhaftierter „Reichsbürger“ in den Justizvollzugsanstalten Meppen und Uelzen einen erhöhten Aufwand durch eine Vielzahl von Beschwerden beziehungsweise durch mangelnde Kooperationsbereitschaft. Beide Gefangenen sind mittlerweile entlassen.
In der Abteilung Braunschweig der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel ist aktuell ein „Reichsbürger“
inhaftiert, der einen erhöhten Arbeitsaufwand verursacht und nicht kooperiert.
Gegen einen aktuell in der Justizvollzugsanstalt Bremervörde inhaftierten „Reichsbürger“ und seine
externen Unterstützer wurden diverse Strafanzeigen wegen Beleidigung und Bedrohung gestellt.
Ein erhöhter Arbeitsaufwand war damit bisher nicht verbunden.
3.
Welche konkreten Ergebnisse hatten die Besprechungen mit den Obergerichten und
Generalstaatsanwaltschaften?
Auf Besprechungen im Frühjahr 2016 hin hat das Justizministerium den niedersächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften Handreichungen zum Umgang mit sogenannten Reichsbürgern zur
Verfügung gestellt. Weitere Besprechungen haben den Bedarf an aufgabenbezogenen Handreichungen sowie weiterer Unterstützung von Leiterinnen und Leitern der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie der Beschäftigten ergeben. In dieser Folge hat das Justizministerium einen Ansprechpartner für Justizangehörige bestellt, die Fragen und Anliegen zum Umgang mit sogenannten Reichsbürgern haben. Es hat außerdem aufgabenbezogene Handreichungen entwickelt und
deren Inhalt und Zielrichtung mit Vertreterinnen und Vertretern der Obergerichte, der Generalstaatsanwaltschaften sowie von Gerichten und Staatsanwaltschaften, außerdem mit Vertreterinnen
und Vertretern der Hauptrichterräte der Gerichtsbarkeiten, des Hauptstaatsanwaltsrats und des
Hauptpersonalrats abgestimmt. Die Handreichungen werden derzeit finalisiert.
89
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
41. Wie handelt die Landesregierung, um die Ausbreitung der Vogelgrippe zu verhindern?
Abgeordnete Dr. Stefan Birkner, Hermann Grupe, Jan-Christoph Oetjen und Dr. Marco Genthe
(FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Spiegel Online berichtete am 10. November 2016 über einen ersten Nachweis des H5N8-Virus bei
einem Wildvogel in Mecklenburg-Vorpommern (http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/vogelgrip
pe­auch­in­mecklenburg­vorpommern­nachgewiesen­a­1120713.html). Weitere Totfunde würden
derzeit in Laboren untersucht. Daraufhin habe Landwirtschaftsminister Backhaus eine landesweite
Stallflicht für alle Geflügelbestände erlassen. In Schleswig-Holstein seien in einer Putenhaltung bereits 18 Tiere an dem Virus gestorben. Zuvor habe man H5N8 schon an mehreren Seen in der Umgebung von Plön entdeckt. Auch in Schleswig-Holstein und Hamburg gelte deshalb nun eine flächendeckende Stallpflicht für Geflügel. Auch bei Wildvögeln am Bodensee sei das Vogelgrippevirus
festgestellt worden.
Ebenfalls am 10. November 2016 meldete NDR.de, die niedersächsischen Landkreise Cloppenburg, Diepholz, Emsland, Vechta sowie die Grafschaft Bentheim hätten auf die Ausbrüche in den
anderen nördlichen Bundesländern mit einer sofortigen Anordnung der Stallpflicht reagiert
(https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/osnabrueck_emsland/Gefluegelpest­Voegel­muess
en­drinnen­bleiben,gefluegelpest210.html). Diese Regelung solle vorerst bis zum 31. Januar 2017
gelten. „Eine Verbreitung des Influenzavirus des Subtyps H5N8 durch Wildvögel ist wahrscheinlich.
Es ist zu befürchten, dass es zu einer Einschleppung in die Nutztierbestände kommt, da es sich um
einen hochansteckenden Erreger-Typus handelt. Zum Schutz der hiesigen Geflügelbestände haben wir uns entschlossen, die Stallpflicht als einzig geeignete Maßnahme anzuordnen“, wird der
Landrat des Landkreises Emsland, Winter, zitiert. Landwirtschaftsminister Meyer halte demnach eine landesweite Stallpflicht derzeit nicht für notwendig. Am 11. November 2016 haben sich weitere
Landkreise in Niedersachsen der Stallpflicht angeschlossen.
In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 12. November 2016 über die Einrichtung eines Krisenstabes auf Bundesebene unter Beteiligung der Länder, des Friedrich-Loeffler-Instituts und von Vertretern der Wirtschaft heißt es: „Anhand der regionalen Risikoprofile wollen die Bundesländer dort die Aufstallung für gehaltenes Geflügel anordnen, wo
die Wahrscheinlichkeit eines Eintrages der hochansteckenden Virusvariante H5N8 hoch ist.“
Vorbemerkung der Landesregierung
Am 08.11.2016 wurde in Schleswig-Holstein die hochpathogene aviäre Influenza (HPAI) des Subtyps H5N8 bei verendeten Reiherenten am Plöner See nachgewiesen. Dort wurden über 100 verendete Wasservögel gefunden. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wird derzeit keine
Gefahr für Menschen gesehen. Fast zeitgleich ereignete sich ein Wasservogelsterben am Bodensee in den drei Ländern Schweiz, Österreich und Deutschland. Betroffen waren vorwiegend Reiherenten.
Inzwischen ist die aviäre Influenza außer in Deutschland in sieben weiteren europäischen Staaten
nachgewiesen worden: Polen, Schweiz, Österreich, Dänemark, Niederlande, Ungarn und Kroatien.
In Deutschland ist der Nachweis in den Ländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern,
Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hamburg, Bremen
und Niedersachsen erfolgt (Stand 23.11.2016, 15.00 Uhr). Am 16.11.2016 wurde bei einer Reiherente, die im Landkreis Peine gefunden wurde, die hochpathogene Form der Influenza vom nationalen Referenzlabor Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) nachgewiesen. Der im Landkreis Peine entdeckte
Wildvogel war im Zuge des seit etwa zehn Jahren von Niedersachsen betriebenen Wildvogelmonitorings untersucht worden. Dies ist der erste bestätigte Fall von Geflügelpest in diesem Geschehen
in Niedersachsen.
90
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Seit Jahresanfang sind bislang ca. 870 Tiere im Rahmen des Wildvogelmonitorings in Niedersachsen beprobt worden. Bis dato waren alle Untersuchungen auf das Vogelgrippevirus negativ. Seit
der ersten HPAI H5N8 Feststellung in Schleswig-Holstein am 08.11.2016 wurden in Niedersachsen
ca. 160 Wildvögel untersucht, alle mit negativem Ergebnis.
Entsprechend den Empfehlungen des Zentralen Krisenstabs Tierseuchen, der Bund-Länder-TaskForce Tierseuchen und des FLI sind bisher folgende Maßnahmen eingeleitet worden:
1.
Ein risikoorientiertes Aufstallungsgebot vor allem in sogenannten avifaunistisch wertvollen
Gebieten, d. h. an Wasservogelrast- und -sammelplätzen. Einer Karte auf der Homepage des
Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) sind die niedersächsischen Landkreise zu entnehmen, die nach einer erfolgten Risikobewertung Aufstallungen angeordnet haben (www.tierseucheninfo.de). In Niedersachsen sind nunmehr 97 % des
Geflügels bereits aufgestallt.
2.
Alle Betroffenen sind auf die Einhaltung der vorgegebenen Biosicherheitsmaßnahmen in Geflügelbetrieben nochmals ausdrücklich hingewiesen worden. Am 21.11.2016 wird eine Dringlichkeitsverordnung des Bundes über besondere Schutzmaßregeln in kleinen Geflügelhaltungen in Kraft treten.
3.
In betroffenen Regionen können die Landkreise einen Sperrbezirk im Radius von 3 km sowie
zusätzlich ein Beobachtungsgebiet mit einem Radius von 10 km um den Fundort einrichten.
Dies wurde vom Landkreis Peine umgesetzt.
4.
Widerruf der Genehmigungen von überregionalen Geflügelschauen durch das LAVES ab der
46. KW.
5.
Intensivierung des Wildvogelmonitorings. Insgesamt wurden vom 01.01.2016 bis 20.11.2016
rund 900 Wildvögel untersucht, davon rund 180 seit dem 08.11.2016.
6.
Seit dem 21.11.2016 ist die Bundes-Eilverordnung zur Einhaltung von Biosicherheitsmaßnahmen für Kleinbetriebe die unter 1 000 Tieren halten, die bisher nicht in der GeflügelpestVO geregelt waren in Kraft.
7.
Das LAVES hat ab dem 21.11.2016 ein Bürgertelefon geschaltet: 0441 57026-444. Diese Infohotline soll insbesondere Geflügelhaltern bei der Umsetzung der neuen Vorschriften unterstützen. Die Experten der Task Force Veterinärwesen des LAVES sind von montags bis freitags unter dieser Telefonnummer direkt zu erreichen.
8.
Seit dem 23.11.2016 besteht der amtliche Verdacht auf Ausbruch der Geflügelpest in einem
Putenmastbestand mit 11 740 Tieren im Landkreis Cloppenburg. Die Bestätigung des Befundes durch das nationale Referenzlabor des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) wird für den
24.11.2016 erwartet. Durch das Referenzlabor wird neben der Bestätigung des Befundes abgeklärt ob es sich um niedrigpathogene oder hochpathogene aviäre Influenza handelt. Der
Landkreis hat eine Überwachungszone eingerichtet, in welcher für die Dauer von 72 Stunden
gehaltene Vögel weder in einen Bestand noch aus einem Bestand verbracht werden dürfen.
Voraussichtlich tritt die Überwachungszone ab dem 23.11.2016 um 18.00 Uhr in Kraft. Auf der
Grundlage der Geflügelpestverordnung beginnt die Tötung der Tiere gegen 15.00 Uhr und
16.00 Uhr.
9
Ebenfalls positiv auf Influenza-A H5 wurden Proben von einem im Landkreis Peine tot im bereits bestehenden Restriktionsgebiet aufgefundenen Höckerschwan getestet, auch hier bleibt
das Ergebnis des FLI abzuwarten.
10. Prüfung eines Jagdverbots auf Wasservögel wie in Mecklenburg-Vorpommern.
1.
Aus welchen Gründen hat es die Landesregierung im Gegensatz zu MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg für nicht notwendig gehalten, eine landesweite Stallpflicht für Geflügel zu verordnen?
91
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Niedersachsen hält sich wie die überwiegende Mehrzahl der Länder an die Empfehlungen des FLI
sowie die Abstimmungen im Zentralen Krisenstab Tierseuchen bzw. der Bund-Länder-Task-Force
Tierseuchen ein risikoorientiertes Aufstallungsgebot umzusetzen. Auch die aktualisierte Risikobewertung des FLI vom 21.11.2016 schlägt kein bundesweites Aufstallungsgebot vor.
In Niedersachsen sind nach § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tiergesundheitsgesetz die Landkreise und die kreisfreien Städte zuständig für die behördlichen Aufgaben aufgrund des Tiergesundheitsgesetzes, der nach dem Tiergesundheitsgesetz erlassenen
Rechtsvorschriften und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder
der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Tiergesundheitsgesetzes, soweit in diesen
Vorschriften nichts anderes bestimmt ist.
Nach § 13 Abs. 1 der Geflügelpestverordnung ordnet die zuständige Behörde die Aufstallung des
Geflügels an, soweit dies auf der Grundlage einer Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist.
Der Risikobewertung sind nach § 13 Abs. 2 der Geflügelpestverordnung zugrunde zu legen:
–
der Verdacht auf Geflügelpest oder der Ausbruch der Geflügelpest in einem Kreis, der an einen
Kreis angrenzt, in dem eine entsprechende Aufstallungsanordnung getroffen werden soll,
–
die örtlichen Gegebenheiten einschließlich der Nähe des Bestands zu einem Gebiet, in dem
sich wildlebende Wat- und Wasservögel sammeln, insbesondere einem Feuchtbiotop, einem
See, einem Fluss oder einem Küstengewässer, an dem die genannten Vögel rasten oder brüten,
–
das sonstige Vorkommen oder Verhalten von Wildvögeln.
Die Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover sind in Abhängigkeit von der Gefährdungslage und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gehalten, im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu entscheiden. Dieser Zuständigkeit sind die Landkreise, kreisfreien Städte und der
Region Hannover nachgekommen.
2.
Aus welchen Gründen haben es die Landkreise Cloppenburg, Diepholz, Emsland,
Vechta, Grafschaft Bentheim sowie weitere Landkreise im Gegensatz zum Land Niedersachsen für notwendig gehalten, in ihrem Geltungsbereich eine flächendeckende Stallpflicht für Geflügel zu verordnen?
Die Landkreise, die ein Aufstallungsgebot bzw. die Stallpflicht für Geflügel angeordnet haben, entscheiden in eigener Zuständigkeit nach der Risikobewertung der Geflügelpestverordnung. Bei den
aufgeführten Landkreisen handelt es sich um solche mit vergleichsweise hoher Geflügeldichte.
3.
Warum hat die Landesregierung beim Bekanntwerden der ersten Nachweise von H5N8
in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nicht selbstständig Risikogebiete
in Niedersachsen definiert und gegebenenfalls eine Stallpflicht in diesen Gebieten angeordnet, bevor dieses Vorgehen durch den Krisenstab auf Bundesebene beschlossen
wurde?
Eine Stallpflicht für Freilandgeflügel bedeutet enorme wirtschaftliche Nachteile für die betroffenen
Tierhalter. Sie muss daher rechtssicher, verhältnismäßig und begründet sein. Der Zentrale Krisenstab Tierseuchen hat am 12.11.2016 ein bundesweit einheitliches, risikobezogenes Vorgehen zum
Schutz vor der Geflügelpest beschlossen. Anhand der regionalen Risikoprofile, sollte nach Entscheidung des Krisenstabs dort die Aufstallung von gehaltenem Geflügels angeordnet werden, wo
die Wahrscheinlichkeit eines Eintrages der hochansteckenden Virusvariante H5N8 hoch ist. Das
sind insbesondere Feuchtgebiete, Rastgebiete von Zug- und Wildvögeln, aber auch Gebiete mit einer hohen regionalen Dichte von Geflügelbetrieben.
92
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Im Rahmen der Sitzung der Bund-Länder Task-Force Tierseuchenbekämpfung am 15.11.2016
wurde hierzu ein koordiniertes Vorgehen abgestimmt. Der Zentrale Krisenstab hat am 22.11.2016
noch einmal bekräftigt, dass eine Aufstallung anhand risikobezogener Kriterien erfolgen soll.
Dieses bundesweit abgestimmte Vorgehen wurde in Niedersachsen durch die hierfür zuständigen
Landkreise, kreisfreien Städte und der Region Hannover umgesetzt.
93
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
42. Kommt das Baurecht für den dritten Abschnitt der Ortsumgehung Celle noch bis Jahresende?
Abgeordneter Jörg Bode (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der
Landesregierung
Vorbemerkung des Abgeordneten
Die Ortsumgehung Celle im Zuge der Bundesstraße 3 soll in fünf Abschnitten realisiert werden. Die
Abschnitte 1 und 2 sind seit Jahren realisiert, die Abschnitte 3, 4 und 5 sind in der Planung, Auslegung oder vor Gericht. Im Sommer 2016 verkündete Verkehrsminister Lies, dass er alle Hebel in
der Landesstraßenbauverwaltung in Bewegung gesetzt habe. „Unser Ziel bleibt Baurecht bis zum
Jahresende“ (Minister Lies, Cellesche Zeitung, 18. August 2016).
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Ortsumgehung (OU) Celle ist in fünf verkehrswirksame Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt, die Verlegung der B 3 von Ehlershausen bis südlich Celle, wurde im Juni 2009 für den Verkehr freigegeben. Die Verkehrsfreigabe des anschließenden Südteils der OU erfolgte im Juni 2013.
Nach einem jahrelangen Rechtstreit hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) mit
Urteilen vom 22.04.2016 festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Bau der OU Celle (Mittelteil) rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Jedoch wurden vom Gericht wesentliche Teile
des Planfeststellungsbeschlusses bestätigt. Es besteht unter verkehrlichen Gesichtspunkten ein
Bedarf; das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt. Verstöße gegen europäisches Habitatschutzrecht hat das Gericht nicht festgestellt; die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist in Ordnung. Der einzige
Kritikpunkt der Richter betrifft das Kollisionsrisiko von Fledermausarten mit dem Straßenverkehr.
Die Planung und die Realisierung der noch verbleibenden drei Abschnitte der OU Celle werden
vom Land Niedersachsen weiter mit hoher Priorität verfolgt. Das Vorhaben ist sowohl technisch als
auch rechtlich äußerst komplex.
Die Planung und Realisierung von Bundesfernstraßenvorhaben hängt von einer Vielzahl von
Randbedingungen ab, die vom Planungsträger oftmals nur indirekt gestaltet werden können. Im
Rahmen der örtlichen und gesetzlichen Gegebenheiten schreiten die Bundesfernstraßenprojekte
mit unterschiedlichem Zeitbedarf kontinuierlich voran. Dispositionen des zukünftigen Ablaufes - insbesondere über einen Zeitraum von mehreren Jahren - sind daher immer mit Unsicherheiten behaftet.
1.
Wie ist der Planungs- bzw. Realisierungsstand für die drei verbliebenen Abschnitte der
Ortumgehung Celle?
B 3 - OU Celle Mittelteil (3. Bauabschnitt):
Eine Revisionsnichtzulassungsbeschwerde hat das Land am 01.08.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Der Naturschutzverband BUND hat ebenfalls Beschwerde eingereicht. Parallel und alternativ zu dieser Beschwerde werden von der Niedersächsischen Landesbehörde für
Straßenbau und Verkehr (NLStBV) zurzeit ergänzende Planfeststellungsunterlagen zur Bewältigung der vom OVG angeführten Fledermausproblematik erarbeitet.
B 3 - OU Celle Nordteil (4. Bauabschnitt):
Das Planfeststellungsverfahren wurde am 26.10.2016 eingeleitet. Die Planunterlagen liegen in der
Zeit vom 09.11.2016 bis zum 08.12.2016 öffentlich aus.
B 3 - OU Gr. Hehlen (5. Bauabschnitt der OU Celle):
Der Vorentwurf wurde vom regionalen Geschäftsbereich Verden der NLStBV aufgestellt und befindet sich derzeit in der Qualitätsprüfung bei der Zentrale der NLStBV in Hannover. Nach derzeitiger
94
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Disposition ist vorgesehen, den Vorentwurf im ersten Quartal 2017 an das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur zur Erteilung des „Gesehen-Vermerkes“ weiterzuleiten.
2.
Wann ist bei den jeweiligen Abschnitten mit einem Planfeststellungsbeschluss und
wann mit dem Baubeginn zu rechnen?
B 3 - OU Celle Mittelteil (3. Bauabschnitt):
Das Planfeststellungsverfahren ist abgeschlossen. Sollte im laufenden Klageverfahren (s. Antwort
zu Frage 1) durch eine positive Entscheidung des Gerichtes noch in diesem Jahr Baurecht gegeben sein, wäre ein Baubeginn im Jahr 2017 möglich.
B 3 - OU Celle Nordteil (4. Bauabschnitt):
Das Planfeststellungsverfahren könnte bei günstigem Verlauf Ende 2018 abgeschlossen sein. Der
Bau wäre dann ab 2019 möglich.
B 3 - OU Gr. Hehlen (5. Bauabschnitt der OU Celle):
Die jetzige Zeitplanung der NLStBV sieht einen Planfeststellungsbeschluss für Ende 2020 vor. Mit
dem Bau könnte dann ab 2021 gerechnet werden.
3.
Was wurde nach der Entscheidung des OVG Lüneburg zum 3. Abschnitt im Detail unternommen, damit bis zum Ende des Jahres 2016 Baurecht erreicht werden kann, und
wann ist mit dem Baurecht für diesen Abschnitt zu rechnen?
Es ist Revisionsnichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben worden mit
dem Ziel, eine zeitnahe abschließende Entscheidung zu erhalten. Wir gehen davon aus, dass wir
mit einer positiven Entscheidung des Gerichtes noch in diesem Jahr Baurecht erhalten. Gleichwohl
wird parallel ein eventuell notwendiges ergänzendes Planfeststellungsverfahren von der NLStBV
vorbereitet. Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen.
95
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
43. Wann müssen Stellungnahmen zu Windparkplanungen ausgewertet sein?
Abgeordnete Almuth von Below-Neufeldt, Dr. Gero Hocker, Horst Kortlang, Christian Grascha und
Björn Försterling (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) namens der Landesregierung
Vorbemerkung der/des Abgeordneten
Auf dem Gebiet zwischen den Ortschaften Ahlum, Apelnstedt, Dettum und Volzum (LK Wolfenbüttel) wird aktuell ein Windpark geplant (Potenzialfläche Ahlum 1). Hierzu bedarf es einer Änderung
des Regionalen Raumordnungsprogramms durch den Zweckverband Großraum Braunschweig
(ZGB). Für diese Änderung bestand bis zum 20. Mai 2016 im Rahmen der 2. Offenlegung die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme. Anwohner des geplanten Windparks, die Stellungnahmen
abgegeben haben, bemängeln, dass ihnen weder zu den Stellungnahmen der 1. Offenlegung noch
zu den Stellungnahmen der 2. Offenlegung eine Rückmeldung über den Umgang mit ihrer Stellungnahme erteilt wurde.
1.
Wie viel Zeit hat der ZGB, um Stellungnahmen, die im Zuge von Öffentlichkeitsbeteiligungen von Offenlegungsverfahren eingegangen sind, auszuwerten und auf diese Stellungnahmen zu antworten?
Weder das Raumordnungsgesetz des Bundes, noch das Niedersächsische Raumordnungsgesetz
enthalten Fristvorgaben für die Dauer der Auswertung von Ergebnissen eines Beteiligungsverfahrens zum Entwurf Regionaler Raumordnungsprogramme oder für die Dauer des Abwägungsvorgangs. Eine Einzelbeantwortung von Stellungnahmen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Da es sich
bei der Regionalplanung um eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises handelt und gesetzliche
Regelungen nicht entgegenstehen, entscheidet der ZGB eigenverantwortlich über seine Arbeitsprozesse.
2.
Was geschieht konkret, wenn diese Fristen nicht eingehalten werden?
Der ZGB unterliegt keiner Fristbindung, siehe Antwort zu Frage 1. Im Übrigen besteht im eigenen
Wirkungskreis des ZGB nur die Möglichkeit der Rechtsaufsicht, d. h. das Handeln des ZGB kann
nicht auf Zweckmäßigkeit geprüft werden.
3.
Wie viel Prozent des Energiebedarfs des ZGB werden durch bestehende oder konkret
geplante Windparks gedeckt, und wie viel Prozent davon könnten aktuell gespeichert oder
transportiert werden?
3.1 Wie viel Prozent des Energiebedarfs des ZGB werden durch bestehende oder konkret geplante Windparks gedeckt? (Hinweis: Die Frage zielt auf den Endenergieverbrauch!)
Die Frage lässt sich nur durch die Erstellung regionaler Energiekonzepte beantworten, in denen die
aktuelle Energieerzeugung und der gegenwärtige Energieverbrauch für die betreffende Region ermittelt werden. Ein derartiges Konzept liegt für den ZGB aus dem Jahr 2012 vor. Der Endenergieverbrauch (Zahlen aus den Jahren 2009 und 2010; Zahlen ohne Großindustrie, inkl. Treibstoffe) im
Großraum Braunschweig betrug 31 213 GWh/a. Die Einspeisung von Strom aus im Großraum
Braunschweig gelegenen Windparks betrug 1 240 GWh/a. Das entspricht einer Deckungsquote von
rund 4 % des Endenergieverbrauchs (ohne Großindustrie).
Die Frage des Deckungsbeitrags konkret geplanter Windparks lässt sich nicht beantworten, da dazu keine Daten vorliegen.
3.2 Wie viel Prozent des Windstroms im ZGB können aktuell gespeichert werden?
Im Großraum Braunschweig sind derzeit keine Speichermöglichkeiten für Windstrom vorhanden.
96
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
3.3 Wie viel Prozent des Windstroms im ZGB können aktuell transportiert werden?
Derzeit kann der gesamte im ZGB produzierte Windstrom über das bestehende Netzsystem transportiert werden. Um dies auch langfristig zu gewährleisten, erfordert dies jedoch ein Stromnetz mit
ausreichend Transportkapazitäten auf allen Ebenen (Übertragungsnetze/Verteilernetze). Vor dem
Hintergrund, dass die Anforderungen an die Stromnetze stetig gestiegen sind, bedarf es eines weiteren Ausbaus dieser Netze.
97
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
44. Telenotarztdienst
Abgeordneter Jan-Christoph Oetjen, Björn Försterling und Dr. Marco Genthe (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In den letzten Jahren ist die Zahl der Notfalleinsätze stetig gestiegen. Gleichzeitig gibt es einen zunehmenden Notärztemangel, der sich gerade in den ländlichen Gebieten niederschlägt.
Aus diesem Grund wurde zum 1. April 2014 in Aachen ein Telenotarztdienst etabliert, der ein zusätzliches Einsatzmittel darstellt.
Die Telenotärzte stehen in der Leitstelle rund um die Uhr zur Verfügung und können per Knopfdruck via Mobilfunk und Bluetooth-Headset dazu geschaltet werden. Sie sind erfahrene Notärzte,
die über spezielle Qualifikationsanforderungen verfügen müssen. Die Telenotärzte erhalten entweder auf dem Weg oder vor Ort die wichtigsten Informationen über Patient und Einsatz. Über den telemedizinisch angeschlossenen Patientenmonitor werden zudem automatisch die Vitaldaten des
Patienten übertragen. Ferner können Fotos und Videoaufnahmen zwischen Arzt und Einsatzkraft
geteilt werden; zudem haben die Krankenwagen eine hochauflösende Kamera eingebaut, die der
Telenotarzt selber steuern kann.
Anhand dieser Daten kann der Telenotarzt zusammen mit den Informationen durch die Rettungskräfte eine Erstdiagnose stellen, auf deren Grundlage er Medikamente verordnen kann, die die Rettungsassistenten dem Patienten vor Ort verabreichen. Die Schmerzen können dadurch schnell gelindert werden, und der Patient wird transportfähig.
Das Eintreffen eines Notarztes dauert im Schnitt zehn bis zwölf Minuten. Innerhalb dieser Zeit wäre
es den Rettungskräften nicht möglich, dem Patienten z. B. ein Schmerzmittel zu geben. Durch den
Einsatz eines Telenotarztes handeln sie nun aber unter ärztlicher Verantwortung und sind berechtigt, in Absprache Medikamente zu verabreichen.
Ein Telenotarzt soll die fahrenden Notärzte entlasten, nicht jedoch ersetzen. Zudem ergibt sich aus
dem Einsatz von Telenotärzten eine Rechtssicherheit für die Rettungsassistenten und eine Verkürzung von therapiefreien Intervallen für die Patienten. Eine notärztliche Versorgung ist dadurch immer und unmittelbar möglich, alle Einsätze werden elektronisch erfasst, und es können Vorabinformationen über den Patienten an die behandelnde Klinik gesendet werden.
Vorbemerkung der Landesregierung
In Ergänzung zu der Vorbemerkung des Abgeordneten führt der „Evaluationsbericht Telenotarztsystem“ der Stadt Aachen, Fachbereich Rettungsdienst, vom 14.10.2015 Folgendes aus:
„Seit Jahren steigen bundesweit, wie auch in der Stadt Aachen, die Einsatzzahlen im Rettungsdienst kontinuierlich an. Der jährliche Anstieg um 4 bis 5 % von notarztbegleiteten Notfalleinsätzen
führt u. a. zu kontinuierlich längeren Eintreffzeiten des Notarztes in der Bundesrepublik. Nach aktuellsten Zahlen (Deutscher Bundestag, Drucksache 18/2420) dauert es bundesweit in 17 % der Notfalleinsätze länger als 20 Minuten, bis der Notarzt eintrifft, in 5 % sogar länger als 28 Minuten.
Dies führt bei einigen Patienten zu einer inakzeptablen Versorgungssituation und zu schwerwiegenden Komplikationen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Umsetzung neuer Lösungen zur
nachhaltigen Sicherstellung eines angemessenen Versorgungsniveaus im Rettungsdienst als obligatorisch.
Zwischen 2007 und 2013 wurde im Rahmen von zwei großen Forschungsprojekten in Aachen ein
Telenotarzt(TNA)-System bestehend aus einer TNA-Zentrale inklusive qualitätsoptimierender Software und einer mobilen Datentransfereinheit anwendungsnah entwickelt und als strukturelle Ergänzung zu den bestehenden Strukturen des deutschen Rettungswesens sehr erfolgreich evaluiert.
Aufgrund der akuten Notwendigkeit, einen weiteren 24 h-Notarzt in der Stadt Aachen zur Bedarfs98
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
deckung einzurichten, wurde 2014 entschieden, statt der Etablierung eines weiteren mit Rettungsassistent und Notarzt besetzten Notarzteinsatzfahrzeugs (NEF) eben diese ganzheitliche TNA-System in den Regelrettungsdienst einzuführen.
Als zentrale Ergebnisse aus ca. 1,5 Jahren Regelbetrieb lassen sich folgende Erkenntnisse heute
nachweisen:
1.
Der Einsatz des TNA-Systems führt zu einer signifikanten Entlastung der fahrenden NotarztRessourcen bzw. einer deutlichen Senkung der Notarztquote.
2.
Die Bindung ärztlicher Ressourcen in Notfalleinsätzen und Verlegungstransporten wird durch
das TNA-System deutlich verkürzt.
3.
Die medizinische Versorgungsqualität mit TNA-System ist nachweislich besserer Qualität als
die konventionelle notfallmedizinische Versorgung im Rettungsdienst.“
Der Bericht kam zu folgender Bewertung:
„Mit dem TNA-System werden aktuell ca. 600 Rettungsdiensteinsätze je Quartal ärztlich geleitet. In
92,5 % dieser Fälle werden sonst notwendige konventionelle Notarzteinsätze entbehrlich, in den
restlichen 7,5 % wird bis zum Eintreffen des Notarztes medizinische Hilfe durch den Telenotarzt geleistet bzw. in Einzelfällen der Notarzt vor Ort mit einem Expertenrat bei seltenen Notfallsituationen
oder bei fehlender ärztlicher Erfahrung unterstützt. Ärztliche Therapie steht durch das TNA-System
unverzüglich nach Eintreffen des Rettungswagens zur Verfügung. Damit konnte eine Verkürzung
des sogenannten therapiefreien Intervalls erreicht werden. Die Notarztquote (Anteil der Notfalleinsätze mit konventioneller Notarztbeteiligung) konnte in der Stadt Aachen erstmals seit 30 Jahren
um 35 % reduziert werden. Diese Quote von aktuell 23,4 % (Quartale 2 und 3, 2015) liegt somit
53 % unter dem Bundesdurchschnitt und 62 % unter der Notarztquote des Landes Rheinland-Pfalz.
Bei Primäreinsätzen konnte erstmals seit 30 Jahren der jährliche 3- bis 4-prozentige Anstieg von
Notarzt-gestützten Einsätzen (Summe konventioneller + telenotärztlicher Einsätze) verhindert werden.
Somit steigt die Gesamtzahl an arzt-unterstützten Einsätzen durch Einführung des TNA-Systems
im Primäreinsatzbereich nicht an, sondern führt zu einem Abfall der Gesamteinsätze. Gleichzeitig
verkürzt das TNA System die ärztliche Bindungszeit je Einsatz in Aachen um ca. 50 %. Bei Sekundäreinsätzen (Verlegungen von Krankenhaus zu Krankenhaus) konnte in den letzten Jahren ein
sprunghafter Anstieg registriert werden. Mehr als ein Drittel der Verlegungen mit notwendiger Arztbegleitung werden inzwischen durch das TNA-System geleistet. Somit kann in diesem Einsatzsegment bislang auf einen festen Verlegenotarzt verzichtet werden.“
1.
Wie bewertet die Landesregierung das Instrument des Telenotarztes?
Die Landesregierung sieht das Projekt der Stadt Aachen zum TNA grundsätzlich positiv und ist an
einer Erprobung des TNA-Systems in Niedersachsen interessiert.
Der Landesausschuss Rettungsdienst (§ 13 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes) hat
das Thema TNA bereits fachlich erörtert, zuletzt in der Sitzung am 16.11.2016. Eine eingehendere
Befassung in den kommenden Sitzungen ist vorgesehen.
Fachlich wird der TNA in Verbindung mit der Einführung des Notfallsanitäters zum jetzigen Stand
als Option gesehen, Einsparungen zu erzielen - ohne jedoch Notärzte einzusparen -, eine Qualitätsverbesserung in der Notfallbehandlung und Entlastungen bei intensivmedizinischen, arztpflichtigen Verlegungsfahrten zu erzielen. Die Verkürzung des „arzt- und therapiefreien Intervalls“ ist ein
erheblicher Vorteil.
Als ergänzendes System im Bereich des Rettungsdienstes wäre aber auch, neben den genannten
Verbesserungen, ein hoher Investitionsbedarf für die technische Umsetzung zu erwarten, sollte das
System in Niedersachsen eingeführt werden. Hier käme es auf eine fachliche Auswertung der bestehenden Modelle sowie eine sich anschließende Kosten-/Nutzen-Betrachtung an.
99
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
2.
Drucksache 17/6970
Gibt es in Niedersachsen bereits ein solches oder ein ähnliches System? Wenn ja, wo?
In der Sitzung des Landesausschusses vom 16.11.2016 wurde Folgendes berichtet:
In Niedersachsen gibt es mehrere Überlegungen auf lokaler Ebene. Der Kreisverband des Malteser-Hilfsdienstes in Vechta steht mit der Stadt Aachen in Kontakt, welche das System Telenotarzt
seit mehreren Jahren erprobt. Außerdem wird durch den Landkreis Oldenburg ein wissenschaftliches Projekt unter Einbindung der Fähigkeit Telenotarzt angestrebt, um eine Entlastung für Rettungsflüge zu Offshoreanlagen zu erreichen.
Die Landesregierung sieht den Ergebnissen interessiert entgegen.
Mit der forcierten und auch im Ländervergleich erfolgreichen Ausbildung zahlreicher Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter wird in Niedersachsen derzeit eine entscheidende Grundlage dafür gelegt, um das System der Notfallrettung und Notfallmedizin zu optimieren und gerade auch in ländlichen Räumen auf hohem fachlichem Niveau leistungsfähig zu halten.
3.
Wenn nicht, gibt es Überlegungen, dieses einzuführen?
Siehe Antwort zu Frage 2.
100
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
45. Verfahrensbeschreibungen der SKB-Dateien
Abgeordnete Dr. Stefan Birkner, Jan-Christoph Oetjen, Jörg Bode und Dr. Marco Genthe (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Bereits in der Drucksache 17/4279 erklärte die Landesregierung auf Anfrage der FDP-Fraktion:
„Die aufgrund des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.
SOG) seit 2002 errichteten örtlichen SKB-Arbeitsdateien sind keineswegs ‚Geheimdateien‘. Zu diesen Dateien wurden, wie in § 8 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes (NDSG) ausdrücklich
vorgesehen, vor Aufnahme des Betriebes Verfahrensbeschreibungen erstellt, die auch den behördlichen Datenschutzbeauftragten vorliegen.“
Das Verwaltungsgericht Hannover hatte die fehlende Beteiligung der Landesbeauftragten für den
Datenschutz am Standort Hannover in einem Verfahren moniert.
1.
Die SKB-Dateien in Niedersachsen wurden zu folgenden Zeitpunkten in Betrieb genommen: Polizeikommissariat Braunschweig-Nord seit 26. August 2002, HannoverWest seit 1. März 2005 und Polizeiinspektion Wolfsburg/Helmstedt seit 9. Februar 2006.
Wann wurden die Verfahrensbeschreibungen jeweils an den damaligen Beauftragten
für den Datenschutz übermittelt (mit Datum pro SKB-Datei)?
Dazu wird auf die Beantwortung der Frage 2 der Kleinen Anfrage vom 07.10.2016 verwiesen
(Drucksache 17/6886).
2.
Wusste die Landesregierung vor oder nach dem Landesbeauftragten für den Datenschutz von der Existenz der drei SKB-Dateien?
Dazu wird ebenfalls auf die Beantwortung der Frage 2 der Kleinen Anfrage vom 07.10.2016 verwiesen (Drucksache 17/6886).
3.
Wurden die behördlichen Datenschutzbeauftragten vor der Errichtung der jeweiligen
Dateien eingebunden?
Gemäß § 8 a Abs. 2 Satz 4 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes (NDSG) sind die behördlichen Datenschutzbeauftragten über geplante Verfahren der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterrichten. Gemäß § 8 a Abs. 3 Satz 3 NDSG obliegt den behördlichen
Datenschutzbeauftragten auch die Vorabprüfung entsprechender Verfahren.
Der Landesregierung liegen keine Hinweise dazu vor, dass die Datenschutzbeauftragten der Polizeidirektionen Braunschweig bzw. Hannover in den Jahren 2002, 2005 und 2006 den zuvor genannten Aufgaben nicht nachgekommen sind.
101
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
46. VW: Erst NOx, jetzt CO2 - Wie groß ist das Problem „Abgasthematik“ des VW-Konzerns?
Abgeordnete Jörg Bode, Gabriela König, Dr. Marco Genthe und Christian Grascha (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der
Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Anfang Januar 2016 sprach der Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns Matthias Müller vom Wiedergewinn des Vertrauens als wichtigster Aufgabe des Jahres 2016. Im Rahmen der von VW als
„Abgasthematik“ umschriebenen Vorkommnisse drückte Müller in den USA sein Bedauern aus und
entschuldigte sich für das, was bei Volkswagen falsch gelaufen sei. Wörtlich hieß es am 10. Januar
2016: „Mit den zuständigen Behörden, der United States Environmental Protection Agency (EPA)
und dem California Air Resources Board (CARB), stehe der Konzern darüber unverändert in einem
konstruktiven Dialog, betonte Müller.“ (http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/
de/news/2016/01/VW_Group_US.html). Inzwischen vermutet die CARB weitere Schadsoftwareprogramme in leistungsstarken Benzin- und Dieselmotoren, die den Schadstoff CO2 betreffen. Seit der
45. Kalenderwoche werden neue Regelverstöße des VW-Konzerns bei Diesel- und Benzinaggregaten vermutet. Die CARB werde die Untersuchungen „aggressiv vorantreiben“ heißt es. Nach Recherchen der Bild am Sonntag soll ein Schaltprogramm zur Zykluserkennung, das zu geringerem
CO2-Ausstoß und geringerem Kraftstoffverbrauch führt, beim Kunden nur in 0,01 % der Fahrtdauer
aktiv sein. Weiter soll der Einsatz dieses Schaltprogrammes im Mai 2016 gestoppt worden sein.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der hier vorliegenden mündlichen Anfrage werden Vermutungen der Bild am Sonntag zu Schadstoffausstößen bei CO2, einem etwaigen Zykluserkennungsschaltprogramm und Handlungsoptionen des VW-Konzerns zugrunde gelegt. Die Landesregierung kommentiert Vermutungen nicht.
1.
Welche Kenntnis hat die Landesregierung bzw. haben die Vertreter der Landesregierung im VW Aufsichtsrat von der vermuteten neuen Zykluserkennungssoftware?
Auf die Vorbemerkung wird Bezug genommen.
2.
Wer hat im VW-Konzern die Entscheidung getroffen, die Software seit Mai 2016 nicht
mehr einzusetzen, und wann wurden Vorstand und Aufsichtsrat darüber informiert?
Auf die Vorbemerkung Bezug genommen.
3.
Welche finanziellen Belastungen drohen dem VW-Konzern aufgrund der neu bekannt
gewordenen Software aufgrund von Schadensersatzansprüchen der Kunden, Umrüstungen der Fahrzeuge, Strafzahlungen und Ansprüchen von Aktionären wegen unterlassener Ad-Hoc-Meldung?
Der Landesregierung liegen zu der ebenfalls auf Vermutungen der Bild am Sonntag basierenden
Fragestellung aktuell keine Kenntnisse vor. Auch insoweit wird im Übrigen auf die Vorbemerkung
Bezug genommen.
102
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
47. VW-Abgasaffären: Sind Stickoxidemissionen gesundheitsschädlich oder nicht?
Abgeordnete Dr. Marco Genthe, Jörg Bode und Christian Dürr (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens
der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
„VW ist sich keiner Schuld bewusst“ titelte die Neue Presse am 4. November 2016 und führt fort,
dass der VW-Konzern in der „Abgasaffäre keinen Verstoß gegen EU-Gesetze“ sieht. Die eingebaute Software stelle nach Ansicht des VW-Konzerns „keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht dar“, soll der VW-Konzern Medien mitgeteilt haben. Darüber hinaus bestreitet
der VW-Konzern nach Einschätzung von Beobachtern offenbar die gesundheitlichen Einwirkungen
von Stickoxiden. Der VW-Konzern wird im Beitrag wörtlich zitiert mit: „Eine seriöse Ermittlung von
Krankheitszahlen oder sogar Todesfällen für bestimmte Bevölkerungsgruppen ist nach unserem
Kenntnisstand aus wissenschaftlicher Sicht nicht möglich“ (NP, 4. November 2016).
Im Artikel „So schädlich ist Stickoxid für die Gesundheit“ (http://www.rp-online.de/leben/auto/
news/so-schaedlich-ist-stickoxid-fuer-die-gesundheit-aid-1.5417061) wird von deutlichen „gesundheitlichen Konsequenzen“ und von „Atemwegserkrankung“ bei einer erhöhten NO2-Konzentration in
der Atemluft gesprochen. Weiter heißt es: „Besonders anfällig für diese Auswirkungen von NO2
sind Kinder. In Österreich beispielsweise führt die Schadstoffbelastung durch den Kfz-Verkehr laut
Weltgesundheitsorganisation pro Jahr zu 21 000 zusätzlichen Fällen von Bronchitis und zu 15 000
zusätzlichen Asthmaanfällen bei Kindern. Zudem warnt die WHO in diesem Zusammenhang schon
lange davor, dass in abgasbelasteten Gebieten die Sterblichkeitsrate steigt - übrigens auch aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine vergleichbare Studie gibt es für Deutschland bislang
noch nicht“.
Die Landesregierung geht weder in der Antwort auf die Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung „Gesundheitsschutz vor Stickoxiden und Feinstaub: Wie weiter mit der Luftreinhaltung in Niedersachsens Städten“ (Drucksache 17/5350) noch bei den Ausführungen von Minister Wenzel im
Plenarprotokoll der 35. Plenarsitzung (Seite 3275 bis 3276) auf die gesundheitlichen Auswirkungen
von Stickoxiden ein.
Vorbemerkung der Landesregierung
Luftschadstoffe haben neben ihrer gesundheitsschädigenden Wirkung auch einen beträchtlichen
nachteiligen Einfluss auf die Umwelt.
In den Staaten der Europäischen Union existiert daher ein einheitliches Recht zur Beurteilung und
Kontrolle der Luftqualität. Es gelten die EU-Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 21.05.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa sowie die Richtlinie
2004/107/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004. Die dort vorgegebenen Grenzwerte sind aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt, schädliche
Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu
verhüten oder zu verringern. Sie sind innerhalb bestimmter Zeiträume einzuhalten und dürfen danach nicht mehr überschritten werden. Die EU setzt für Stickstoffdioxid einen Jahresmittelwert als
3
Grenzwert in Höhe von 40 μg/m und einen Stundenmittelwert als Grenzwert in Höhe von
3
200 μg/m , der 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden darf, fest. Mit dem 8. Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie der 39. Verordnung zur Durchführung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) erfolgte die 1:1-Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa.
Ziel ist es, schädliche Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die menschliche Gesundheit und die
Umwelt zu vermeiden oder zu verringern.
103
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
1.
Drucksache 17/6970
Welche Kenntnisse, wissenschaftlichen Erkenntnisse oder Studien hat die Landesregierung über die gesundheitlichen Auswirkungen oder Gefahren von Stickoxiden?
Stickoxide oder Stickstoffoxide ist eine Sammelbezeichnung für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs. Bei Verbrennungsvorgängen entstehen sowohl Stickstoffmonoxid (NO) als auch Stickstoffdioxid (NO2).
Stickstoffdioxid zeigt eine stärkere schädliche Wirkung als Stickstoffmonoxid. NO2 ist ein Reizgas,
es schädigt das Schleimhautgewebe im gesamten Atemtrakt und reizt die Augen. NO2 führt außerdem als starkes Oxidationsmittel zu Entzündungsreaktionen in den Atemwegen und verstärkt die
Reizwirkung anderer Luftschadstoffe zusätzlich. In der Folge können Atemnot, Husten, Bronchitis,
Lungenödem, steigende Anfälligkeit für Atemwegsinfekte sowie Lungenfunktionsminderung auftreten. In der Umwelt vorkommende Stickstoffdioxid-Konzentrationen sind vor allem für Asthmatiker
ein Problem, da sich eine Bronchialkonstriktion (Bronchienverengung) einstellen kann. Kinder sind
hier besonders betroffen, da die Atemwege noch nicht vollständig ausgewachsen sind. Diese Effekte können zusätzlich die Wirkungen von Allergenen verstärken. Auch eine Zunahme der HerzKreislauf-Erkrankungen und der Sterblichkeit kann beobachtet werden. Die mittelbare Wirkung des
NO2 auf die menschliche Gesundheit besteht in seiner Eigenschaft als Vorläufersubstanz für Feinstaub. Eine chronisch erhöhte Feinstaubbelastung führt zu mehr Herz-/Kreislauf- und Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung und verkürzt die Lebenserwartung weiter.
Eine weitere - gesundheitlich wie pflanzenphysiologisch bedeutsame - mittelbare Wirkung des NO2
rührt daher, dass das NO2 auch eine Vorläufersubstanz für Ozon darstellt. Ozon ist ein sehr starker
Reizstoff für die Schleimhäute, die Atemwege und Augen; es schädigt auch Pflanzen und Ökosysteme.
Stickstoffmonoxid reagiert im Vergleich zu NO2 in geringerem Maße am Lungengewebe. Daher
kann es stärker aufgenommen und mit dem Blut weit im Körper verteilt werden. Seine systemische
Wirkung ist die Beeinflussung der Blutgefäßspannung, z. B. Gefäßerweiterung (sogenannter Vasodilatationseffekt). NO ist auch ein körpereigen gebildeter Botenstoff, sodass von außen zugeführte NO-Mengen in diese Regelungsmechanismen eingreifen und stören können.
Die Erkenntnisse zu den gesundheitsschädlichen Wirkungen wurden aus einer Vielzahl von Studien gewonnen. Als Übersichtsarbeiten sind vor allem der Statusbericht der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI (Kraft et al. 2005), die „Air Quality Guidelines“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO 2006) sowie der Bericht „Integrated Science Assessment for Oxides of Nitrogen - Health
Criteria“ der US-amerikanischen Umweltbehörde (EPA 2008) zu nennen.
2.
Wie fällt die fachliche Beurteilung der Landesregierung zur Aussage des VW-Konzerns
„Eine seriöse Ermittlung von Krankheitszahlen oder sogar Todesfällen für bestimmte
Bevölkerungsgruppen ist nach unserem Kenntnisstand aus wissenschaftlicher Sicht
nicht möglich“ aus?
Die Ursachen von Luftverunreinigungen sind mittlerweile gut bekannt. 45 % der Stickstoffemissionen kommen aus dem Verkehr, der Anteil der Kohlekraftwerke beträgt 23 %, 10 % kommen aus
den übrigen Feuerungsanlagen, 8 % aus Industrieprozessen sowie 7 % aus der Landwirtschaft. Die
Höhe der NO2-Belastung ist vor allem durch lokale Quellen - insbesondere den Verkehr in Ballungsräumen - bestimmt. Von einer derzeitigen Unterschätzung des Anteils verkehrsnaher Stationen mit Grenzwertüberschreitung und einer späteren Korrektur nach oben auf einen Wert im Bereich von 60 bis 65 % muss laut Umweltbundesamt auch in diesem Jahr wieder ausgegangen wer3
den. Dies spiegelt wider, dass an einer Vielzahl von Stationen Jahresmittel oberhalb 40 μg/m gemessen und somit Grenzwertüberschreitungen verzeichnet wurden.
Da die Wirkungen aber nicht unmittelbar und zeitnah direkt am Menschen messbar sind, gibt es
prinzipielle methodische Einschränkungen bei der Abschätzung gesundheitlicher Risiken durch
Luftverunreinigungen. Die gesundheitlichen Effekte können nur durch bevölkerungsbasierte epidemiologische Studien quantifiziert werden.
104
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
3.
Drucksache 17/6970
Wie beurteilt die Landesregierung die Aussage des VW-Konzerns, dass die Manipulation der Software „keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht“
darstellte und somit auch kein Verstoß gegen EU-Gesetze vorliege (NP, 4. November
2016)?
Die Definition einer Abschalteinrichtung ergibt sich aus den „Begriffsbestimmungen“ des Artikels 3,
Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:
„Abschalteinrichtung“ ist ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit,
die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder
sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems
zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des
Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise
zu erwarten sind, verringert wird.
Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 lautet „Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkungen von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der
Fall, wenn
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um
den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten,
b) die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist,
c) die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind.“
Das bedeutet, unter diesen Voraussetzungen können Abschalteinrichtungen ausnahmsweise verwendet werden.
Ob die Ausnahmen in Artikel 5 Abs. 2 a) bis c) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, unter denen Abschalteinrichtungen eingesetzt werden dürfen, gerechtfertigt sind und ob die von VW in den betreffenden Motoren verwendete Software eine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung
(EG) Nr. 715/2007 ist, sind technische Fragestellungen, die im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens durch das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Typgenehmigungsbehörde zu klären sind.
Das Wirtschaftsministerium und seine nachgeordneten Behörden sind fachlich nicht mit derartigen
Fragestellungen befasst und besitzen hierzu auch keine Fachkompetenz.
105
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
48. Wie sieht die Zukunft der Wasserstraßen in Niedersachsen aus?
Abgeordnete Gabriela König, Hillgriet Eilers, Almuth von Below-Neufeldt und Jörg Bode (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der
Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur beabsichtigt eine Trennung der Wasserstraßen in Deutschland. Geplant ist, künftig ein sogenanntes Hauptnetz auf der Grundlage einer
Mindestmenge an transportierten Gütern aufrechtzuerhalten oder sogar auszubauen. Damit verabschiedet sich der Bund vom bisherigen einheitlichen Wasserstraßennetz, bei dem die unterschiedlichen Nutzungsansprüche gleichberechtigt nebeneinander gegolten haben. Zum künftigen Hauptnetz kommen dann Wasserstraßen mit den Schwerpunkten Güternebenwasserstraße, Freizeitwasserstraße und naturnahe Wasserstraße. Für die vier Kategorien ist ein vergleichbarer Infrastrukturstandard nicht mehr erforderlich. So soll neben dem Hauptnetz nur noch an stark mit Motorbooten
und Fahrgastschiffen frequentierten Gewässern (Freizeitwasserstraßen) ein Schleusenbetrieb aufrechterhalten werden. An weniger genutzten Gewässern als den Freizeitwasserstraßen ist im
Rahmen des Bundesprogramms „Blaues Band“ mit Renaturierungsmaßnahmen und mit dem Rückund Umbau von Schleusen und Wehranlagen zu rechnen.
Welche Wasserstraßen für den Bund erhaltenswert sind und für den Verkehr erhalten bleiben, ist
eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Dies hat Konsequenzen für viele Nebenflüsse in Norddeutschland. So wird befürchtet, dass sämtliche Nebenflüsse der Elbe, die Eider in Schleswig-Holstein, die
Peene in Mecklenburg-Vorpommern oder die Aller, Abschnitte der Ems oder die Leine in Niedersachsen mit ihrer derzeitigen Bedeutung für Tourismus, Erholung und Freizeitgestaltung als gering
bis sehr gering eingestuft werden.
Vorbemerkung der Landesregierung
im Zusammenhang mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wurden
auch die Wasserstraßen, die im Eigentum des Bundes stehen, in Wasserstraßenkategorien mit unterschiedlicher Bedeutung eingruppiert. Das gesamte Wasserstraßennetz des Bundes umfasst eine
Streckenlänge von 7 300 km. Wasserstraßen in den Kategorien A, B und C werden als Kernnetz
bezeichnet, das Kernnetz umfasst eine Streckenlänge von ca. 4 500 km. Im Kernnetz findet der
wirtschaftlich relevante Güterverkehr auf Wasserstraßen statt. Die übrigen Wasserstraßen der Kategorie S werden als Nebennetz bezeichnet; das Nebennetz umfasst eine Streckenlänge von ca.
2 800 km.
In Niedersachsen gibt es einige wenige Bundeswasserstraßen, die nach der neuen Systematik des
Bundes in die Wasserstraßenkategorie S (Sonstige Wasserstraßen) eingestuft sind und für die gewerbliche Schifffahrt keine verkehrliche Bedeutung mehr haben (Aller/Leine, Elisabethfehnkanal,
Ilmenau etc.).
Der Bund als Eigentümer der Wasserstraßen plant, diese Wasserstraßen nicht mehr im bisherigen
Umfang, sondern nur noch im Rahmen der Eigentümerverpflichtung zu unterhalten.
Das BMVI hat im Juli 2016 das seit langem angekündigte, sogenannte Wassertourismuskonzept für
die künftige Nutzung der Freizeitwasserstraßen dem Bundestag vorgelegt. Das Wassertourismuskonzept des BMVI ist in dieser Form nicht geeignet, auf die drängenden Fragen des Umgangs mit
den Nebenwasserstraßen eine Antwort zu finden. Ein Tourismuskonzept soll zudem Maßnahmen
vorsehen, die die Naturlandschaft aufwerten.
Losgelöst hiervon ist der Bund bereit, auch regionale oder lokale Initiativen zu unterstützen, sofern
diese Aktivitäten zu einer einvernehmlichen und zielführenden Strategie für den Umgang des betreffenden Wasserstraßenabschnittes führen.
Die weiteren Umsetzungsschritte sind nach dem Bericht des Bundes erst in der nächsten Legislaturperiode vorgesehen.
106
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Parallel zur Thematik der künftigen touristischen Nutzung der Bundeswasserstraßen des Kern- und
Nebennetzes ist hier ebenfalls das im Aufbau befindliche Bundesprogramm Blaues Band zu nennen. Dieses zielt auf ökologische Verbesserungsmaßnahmen primär am Nebennetz, in geringerem
Umfang auch am Kernnetz ab. Die damit verbundene Steigerung der Erlebnisqualität der Landschaft trägt zugleich auch zu einer Verbesserung von Erholungsnutzung und Tourismus bei. Die
Wiederherstellung der Auen kann zur Verbesserung des Hochwasserschutzes beitragen.
1.
Welche Wasserstraßen in Niedersachsen werden künftig in eine Güternebenwasserstraße, eine Freizeitwasserstraße oder zu einer naturnahen Wasserstraße umgewidmet
werden?
Die Bedeutung der einzelnen Wasserstraßenabschnitte in Niedersachsen ist aus der Karte der kategorisierten Binnenwasserstraßen der Kategorien A bis S zu entnehmen (Quelle: BVWP 2030,
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/BVWP/bvwp-2030-gesamtplan.
pdf?__blob=publicationFile, S.185).
Eine Umwidmung der Wasserstraßen ist seitens des Bundes nur im Einzelfall vorgesehen; der
Bund bleibt generell nach wie vor in seiner Eigentümerverpflichtung. In Niedersachsen ist bezüglich
der unteren Ilmenau vorgesehen, diese als Wasserstraße aufzuheben und an den Wasserverband
der Ilmenau-Niederung abzugeben. Hierzu liegt zunächst eine grundsätzliche Vereinbarung vor,
nähere Details bleiben der weiteren Ausarbeitung vorbehalten.
2.
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Neuorganisation des Bundes im Bereich
Wasserstraßen: Wie beurteilt die Landesregierung die künftigen Perspektiven der niedersächsischen Wasserstraßen mit Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung, die touristische Entwicklung, Erholung und Freizeit und Renaturierung?
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat ein sogenanntes Wassertourismuskonzept vorgelegt, dass sich mit Fragen der Schaffung der organisatorischen, personellen und
finanziellen Voraussetzungen zur Verbesserung der wassertouristischen Infrastrukturen beschäftigt. Das Konzept ist dem Vernehmen nach bisher nicht mit dem für den Tourismus zuständigen
Bundeswirtschaftsministerium abgestimmt worden. Es bleibt in vielen zentralen Bereichen sehr unscharf und benennt nur Diskussionsansätze. Eine konkrete Umsetzungsstrategie wird nicht beschrieben.
Welche Auswirkungen die Neuorganisation des Bundes im Bereich der Wasserstraßen haben wird,
lässt sich zurzeit noch nicht beurteilen, da die Umorganisation noch nicht abgeschlossen ist. Für
die Nebenwasserstraßen der Kategorie S wird in der nächsten Legislaturperiode ein entsprechendes Nutzungskonzept mit allen gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet.
3.
Worauf müssen sich Betreiber von Fahrgastschiffen und Sportbootfahrer auf den betroffenen Nebengewässern in Niedersachsen einstellen?
Die Frage lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Hierzu wird auf die Vorbemerkungen und auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.
Grundsätzlich bekennt sich das BMVI zu seiner Verpflichtung als Eigentümer auch für den Erhalt
der Wasserstraßen zu sorgen, die ausschließlich Freizeitzwecken (Tourismus und Sport) und der
Natur dienen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie die Ressourcen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zwischen Kern- und Nebennetz aufgeteilt werden. Der Bund skizziert für den Bereich
des Nebennetzes den Aufbau einer Sonderverwaltung unter dem Dach der WSV und beschreibt
mehrere aus seiner Sicht in Betracht kommende Rechtsformen. Zur Refinanzierung denkt der Bund
auch über eine anteilige Nutzerfinanzierung nach. Wie das konkret aussehen soll, ergibt sich aus
dem Konzept nicht.
Niedersachsen könnte mit Nebenwasserstraßen betroffen sein, deren Unterhaltung durch den
Bund seit Jahren vernachlässigt worden ist (beispielsweise Elisabethfehnkanal und die Aller) und
107
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
die der Bund hinsichtlich ihrer Bedeutung für Freizeit und Tourismus als mittel bis sehr gering einstuft. Es muss aus hiesiger Sicht weiter möglich sein, diese Gewässer - wenn regional gewollt und
aktiv betrieben - auch touristisch zu entwickeln. Es besteht die Gefahr, dass der Bund sich sehr
stark auf die für den Tourismus bedeutsamen Gewässersysteme in Brandenburg und MecklenburgVorpommern konzentriert, weil diese eine höhere Naturschutz- und Erlebnisqualität aufweisen.
Hinsichtlich der wenig genutzten Gewässer findet sich im Konzept der Hinweis auf einen möglichen
Rückbau von Schleusen und die Renaturierung der Strecke. Grundsätzlich bietet dieser Ansatz
Chancen für die Entwicklung attraktiver Kanureviere.
Für eine abschließende Bewertung bleibt die weitere Diskussion mit den Ländern und den Fachverbänden abzuwarten. Es ist zurzeit noch nicht absehbar, wann und in welcher Weise der Bund
die Länder in die weitere Diskussion einbeziehen wird.
108
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
49. Warum schließt das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in
seinem Haushaltplanentwurf 2017/2018 den Bedarf für die Förderung von einheimischen
Teichkulturen und des Tierbestandes aus?
Abgeordnete Christian Calderone und Frank Oesterhelweg (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Im Haushaltsplan 2016 wurden im Einzelplan 09 Kapitel 09 61 - Titelgruppe 64 Ausgaben in Höhe
von 300 000 Euro für die Förderung von einheimischen Teichkulturen und des Tierbestandes festgesetzt. Im Haushaltsplanentwurf für 2017/2018 wurde dieser Ansatz wieder auf null gesetzt. Der
Titel wurde in 2016 nach Maßgabe der politischen Liste eingeplant.
1.
Wie wurden die Mittel in Höhe von 300 000 Euro im Jahr 2016 eingesetzt?
Seit einigen Jahren nehmen die Schäden, die geschützte wildlebende Tiere in niedersächsischen
Karpfen- und Forellenteichwirtschaften verursachen, beständig zu. Die jüngste Zunahme an Schäden wird maßgeblich durch das Ansteigen und die Ausbreitung der Fischotterpopulation verursacht.
Neben direkten Fraßschäden treten auch Schäden in Form von verletzten Tieren und von Fischsterben durch Sauerstoffmangelsituationen, die durch panisches Verhalten der Fische bei Angriffen
von Fischottern verursacht werden, auf. Das Ausmaß der Schäden hat in einigen Teichwirtschaften
existenzbedrohende Ausmaße angenommen. Deshalb wurden die nach Maßgabe der politischen
Liste für 2016 bereitgestellten Mittel zur Förderung von „Investitionen in Abwehreinrichtungen gegen Übergriffe durch wild lebende, geschützte fischfressende Tiere“ eingesetzt. Die Förderrichtlinie
„Fischprädatoren“ trat am 23.03.2016 in Kraft und ermöglicht die Förderung von Investitionen in
Abwehranlagen wie Elektrozäunen, Überspannungen und Einhausungen mit einem Fördersatz von
90 %. Der Mindestförderbetrag beträgt 1 000 Euro. Die Förderung erfolgt als De-minimis-Beihilfe
bis zu einer maximalen Höhe der Zuwendung von 30 000 Euro. Antragsschluss war der
15.11.2016.
Zum Antragsschluss lagen zwölf Anträge über eine Förderhöhe von insgesamt mehr als
200 000 Euro vor. Nur zwei Antragsteller beabsichtigen den Abschluss der Maßnahme in 2016, sodass der Großteil der Maßnahmen erst 2017 fertiggestellt wird.
2.
Erachtet die Landesregierung die Förderung von einheimischen Teichkulturen und des
Tierbestandes nicht mehr als sinnvoll?
Die Landesregierung erachtet die Förderung von einheimischen Teichkulturen und des Tierbestandes auch weiterhin als äußerst sinnvoll. Diese Förderung sorgt für einen Ausgleich zwischen den
berechtigten Belangen des Natur- und Artenschutzes und den ökonomischen Erfordernissen der
Teichwirte. Dadurch hilft sie, eine wertvolle Kulturlandschaft mit hohem Wert für den Naturschutz,
den Landschaftswasserhaushalt und das Landschaftsbild zu erhalten und die Erzeugung hochwertiger regionaler Lebensmittel zu sichern.
Aus diesen Gründen wurde die Förderung von Umweltleistungen in Karpfenteichwirtschaften durch
die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Binnenfischerei und
Aquakultur“ vom 22.06.2016 aus Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF)
und des Landes Niedersachsen von bislang maximal 300 Euro pro ha Teichfläche auf nunmehr bis
zu 644 Euro pro ha Teichfläche mehr als verdoppelt. Die Förderung von Investitionen in Abwehranlagen ist über dieselbe Förderrichtlinie möglich. Die Höhe der maximalen Förderung ist nicht gedeckelt. Der Schwellbetrag beträgt 3 000 Euro, der Fördersatz 50 %.
Die Landesregierung geht davon aus, dass durch die Auflage des Landesförderungsprogramms
„Fischprädatoren“ für das Jahr 2016 der akute Bedarf an Investitionen in Abwehranlagen, die die
109
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
Mindestschwellwerte für eine Förderung aus dem EMFF nicht erreichen konnten, weitgehend gedeckt wurde.
3.
Was plant die Regierung in den kommenden zwei Jahren zur Förderung einheimischer
Teichkulturen und des Tierbestandes?
Zur Förderung einheimischer Teichkulturen und des Tierbestandes bestehen weiterhin die unter
Frage 2 dargestellten Möglichkeiten aus dem EMFF. Darüber hinaus erfolgt die Weiterfinanzierung
von Maßnahmen im Rahmen der im Haushaltsjahr 2016 eingegangen Rechtsverpflichtungen aufgrund des Landesförderprogramms „Fischprädatoren“.
110
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6970
50. Warum schließt das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in
seinem Haushaltplanentwurf 2017/2018 den Bedarf für die Vermarktungsinitiative „extensive
Weidehaltung“ aus?
Abgeordnete Frank Oesterhelweg und Christian Calderone (CDU)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Im Haushaltsplan 2016 wurden im Einzelplan 09 Kapitel 09 03 - Titel 686 83 Ausgaben in Höhe von
350 000 Euro für die Vermarktungsinitiative „extensive Weidehaltung“ festgesetzt. Im Haushaltsplanentwurf für 2017/2018 wurde dieser Ansatz wieder auf null gesetzt. Der Titel wurde in 2016
nach Maßgabe der politischen Liste eingeplant.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Landesregierung verfolgt das Ziel, die Mutterkuhhaltung und die Weidemast für Betriebe zu unterstützen, die aufgrund der aktuellen Milchkrise eine Produktionsalternative zur Nutzung frei werdenden Grünlandes suchen. Hierzu wurden 350 000 Euro über die politische Liste in den Haushaltsplan 2016 eingestellt.
Im Frühjahr des Jahres 2016 fanden hierzu mit Vertretern verschiedener Organisationen Gespräche statt, in denen zunächst der konkrete Bedarf und die Ansatzpunkte für mögliche Unterstützungsmaßnahmen zusammengetragen und erörtert worden sind. Auf Grundlage eines mit den Akteuren abgestimmten Arbeitspapiers wurden von diesen Projektkonzepte erbeten, die auf die Ausweitung der Vermarktung von Rindfleisch, insbesondere Ochsen- und Färsenfleisch, aus Weidehaltung und Grünlandnutzung ausgerichtet sein sollten. In der Folge wurden drei Akteure gebeten, auf
Grundlage ihrer Konzepte dem ML konkrete Förderanträge vorzulegen. Bisher sind zwei Anträge
vorgelegt worden, die derzeit geprüft werden. Bei Vorliegen aller zuwendungsrechtlichen Voraussetzungen könnten die Bewilligungen Anfang Dezember 2016 ausgesprochen werden. Die Umsetzung der Projekte könnte dann bis Ende 2017 erfolgen. Die in 2016 vorgeschaltete Beteiligungsphase diente dazu, einerseits möglichste viele Akteure und Aspekte einzubinden und andererseits
eine gezielte Antragstellung zu ermöglichen.
1.
Wie wurden die Mittel in Höhe von 350 000 Euro im Jahr 2016 eingesetzt?
Die Haushaltsmittel sollen nach derzeitigem Stand von den Projektträgern für die Entwicklung von
Vermarktungs- und Beratungskonzeptionen und Informationsmaterialien verwendet werden, die auf
die Vermarktung von Rindfleisch ausgerichtet sind, das auf Grünlandbasis produziert wurde.
2.
Erachtet die Landesregierung die Förderung der o. g. Vermarktungsinitiative in Zukunft
nicht mehr als sinnvoll?
Die Landesregierung erachtet eine Unterstützung der vorgenannten Maßnahmen weiterhin für
sinnvoll. Zunächst erfolgt im Haushaltsjahr 2017 die Weiterfinanzierung von Maßnahmen im Rahmen der im Haushaltsjahr 2016 eingegangen Rechtsverpflichtungen Der Abschluss der parlamentarischen Beratung des Haushaltsplanentwurfs 2017/2018 und eine damit verbundene Prioritätensetzung bleiben jedoch abzuwarten. In jedem Fall besteht für eventuelle Folgevorhaben, die auf
den im Rahmen der o. g. Projektvorhaben noch zu entwickelnden Konzeptionen aufbauen, grundsätzlich die Möglichkeit, auf der Grundlage bestehender Förderprogramme unterstützt zu werden
(z. B. Landesrichtlinie zur Absatzförderung oder Förderung der Verarbeitung und Vermarktung im
Rahmen von PFEIL).
111
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
3.
Drucksache 17/6970
Was plant die Regierung in den kommenden zwei Jahren zur Förderung der „extensiven Weidehaltung“?
Siehe Antwort zu den Fragen 1 und 2.
Darüber hinaus kann die Landesregierung auf ein ganzes Bündel von Aktivitäten und Maßnahmen
hinweisen, die eine nachhaltige und flächengebundene Milcherzeugung und damit Grünlandnutzung in Niedersachsen unterstützen und fortführen sollen.
So hat die Landesregierung selbst ihre Förderung (Direktzahlungen und ELER-Programm) so ausgerichtet, dass insbesondere kleinere und mittlere Betriebe davon profitieren können. Daneben
konzentrieren sich verschiedene Förderprogramme speziell auf die Förderung von Grünland. Im
PFEIL-PROGRAMM 2014 bis 2020 sind fast 100 Millionen Euro für eine Ausgleichszulage für
Grünland gestaffelt nach Betriebsgröße geplant. Ferner hat die Landesregierung durch die Neuausrichtung der AFP-Förderung (Einzelbetriebliche Agrarinvestitionsförderungsprogramm) den massiven Ausbau der Milcherzeugung in Richtung Überkapazitäten gebremst.
Mit dem von der Landesregierung initiierten Weidemilchkonzept soll eine wirtschaftliche Milcherzeugung mit Weidehaltung ermöglicht und mehr Wertschöpfung aus Milch generiert werden. Das
Projekt ist auf einem guten Weg.
Des Weiteren können im nicht investiven Bereich durch unsere Landesrichtlinie Projekte für Absatz- und Qualitätsfördermaßnahmen unterstützt und mit der EU-Maßnahme „Verarbeitung und
Verarbeitung“ der Neu-, Aus- und Umbauten von Verarbeitungseinrichtungen für die Herstellung
von spezifischen (auch regionalen) Molkereiprodukten und Vor- und Zwischenprodukten für das
weiterverarbeitende Ernährungsgewerbe gefördert werden.
Auch die Umstellung auf ökologischen Landbau ist ein Baustein, mit dem der Ausbau der Milcherzeugung in Richtung Überkapazitäten gebremst wird. Nach derzeitiger Information haben in diesem
Jahr rund 50 Milchbetriebe in Niedersachsen einen Antrag auf Umstellung auf ökologischen Landbau gestellt. Milchviehhaltende Betriebe, die an einer Umstellung auf Ökolandbau interessiert sind,
unterstützt die Landesregierung durch ein dafür gezielt konzipiertes Projekt das vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen durchgeführt wird.
Die Förderung extensiver Formen der Weidehaltung findet auch besondere Beachtung bei der
Konzeption und Umsetzung der Niedersächsischen Agrarumweltprogramme. Zu nennen sind hier
insbesondere die Maßnahmen GL 1 (keine bzw. späte Mahd), GL 2 (Einhaltung einer Frühjahrsruhe), GL 3 (Weidenutzung in Hanglagen), GL 4 (Zusatzauflagen zum Erschwernisausgleich) und
GL 5 (artenreiches Grünland). Insgesamt werden derzeit von rund 4 000 Betrieben über diese fünf
Maßnahmen rund 50 000 Hektar Grünland bewirtschaftet.
112
(Ausgegeben am 24.11.2016)