Generate PDF - H-Net

KONF: Das Haus schreiben. Wissensbewegungen in der
ökonomischen Literatur der Frühen Neuzeit (1300-1700),
Berlin (01.-02.12.2016)
Discussion published by Simon Zeisberg on Friday, November 25, 2016
Tagung des Sonderforschungsbereichs 980 "Episteme in Bewegung", konzipiert und organisiert von den Teilprojekten A06 und B05
Schriften zur Ökonomik definieren ein weitverbreitetes Genre frühneuzeitlicher Unterweisungsliteratur,
deren Erfolg auf dem Versprechen basiert, ein Wissen zu vermitteln, das den Lesern die rechte
Führung der Hauswirtschaft und der Familie ermöglicht. Bezugspunkt sämtlicher Diskurse ist dabei das
Haus, an dessen Status als unverzichtbarem Ordnungsraum des irdischen Lebens die Schriften keinen
Zweifel lassen. Das zugehörige ökonomische Wissen bezieht seine – dem Anspruch nach –
kontinuierliche Geltung seinerseits aus genau jener Stabilität, die dem Haus als Institution
des ordo zugeschrieben wird. Über Generationen hinweg, so will es ein in den Texten tradierter Topos,
werden die ökonomischen Lehren innerhalb des Hauses, vom Vater an den Sohn, weitergegeben.
Nicht zuletzt aufgrund dieser selbstgegebenen Stabilitätsanmutung wurde die frühneuzeitliche
Ökonomie‐Literatur in der Forschung bisher häufig als etwas rezipiert, das sich von der Antike bis in die
Frühe Neuzeit in seinen Grundzügen nur wenig verändert habe. Bei stärkerer Beachtung der textuellen
Faktur ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild: In den oberflächlich stabil wirkenden ökonomischen
Wissensbeständen kommt es durchaus zu Veränderungen und Verschiebungen, und zwar auch dann,
wenn die Tradition scheinbar nur bestätigend aufgegriffen wird. Als entsprechend vielschichtig und
wandelbar erweist sich vor diesem Hintergrund das Verhältnis der Ökonomie‐Literatur zu
verschiedenen
Wissenstraditionen:
Nicht
nur
wird
das
einer
christlich‐aristotelischen oeconomia‐Tradition entstammende Wissen in den Texten iteriert und in der
Iteration – qua nicht‐identische Wiederholung, die im und durch den Akt des Wiederholens immer
schon, auch unintendiert, Neues hervorbringt – transformiert. Hinzu kommt, dass auch Bestände eines
frühneuzeitlichen Erfahrungs‐ und Handlungswissens integriert werden, dessen Status im
Spannungsfeld
der
bereits
aristotelischen
Opposition
von episteme und phronesis Aushandlungsprozessen unterliegt, die sich auch in den Texten selbst
spiegeln.
Die Tagung geht von der Grundannahme aus, dass die Frage nach dem Status und der Funktion
ökonomischen Wissens der Frühen Neuzeit von jener nach den Verfahren seiner Diskursivierung nicht
zu trennen ist. So bestehen schon zwischen den beiden typischen Präsentationsweisen
der oeconomia im theoretischen Diskurs, der Traktat‐ und der Dialogform, signifikante Unterschiede.
Auch rücken Aspekte der Diskursivierung dort in den Vordergrund, wo ökonomisches Wissen außerhalb
des theoretischen Diskurses, also etwa in Komödien, Romanen oder satirischen Texten, verhandelt
wird.
Da das ökonomische Wissen der Frühen Neuzeit sowohl in raum‐zeitlichen Transfers – von der Antike
bis zur Frühen Neuzeit sowie zwischen verschiedenen Kulturräumen –, als auch beim Wechsel von
Citation: Simon Zeisberg. KONF: Das Haus schreiben. Wissensbewegungen in der ökonomischen Literatur der Frühen Neuzeit (13001700), Berlin (01.-02.12.2016). H-Germanistik. 11-25-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/154297/konf-das-hus-schreiben-wissensbewegungen-der-%C3%B6konomischen
Licensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
1
Medien und Diskursen in Bewegung kommt, ist die Tagung interdisziplinär angelegt: Sie versucht
literatur‐ und wissensgeschichtliche Perspektiven zusammenzuführen, um den diskursiven, medialen
und materiellen sowie sozialen, politischen, religiösen, regionalen und genderspezifischen
Bedingtheiten des Transfers angemessen Rechnung zu tragen. Anhand der Analyse exemplarischer
Texte aus den Ländern der Romania, Englands und dem deutschsprachigen Raum zielt die Tagung
zum einen auf eine Präzisierung der verschiedenen Arten von Wissen, die in den ökonomischen
Schriften verhandelt werden (Handlungs‐ und Erfahrungswissen/experientia, Kenntnis
der auctores/doctrina u.a.), zum anderen auf die Untersuchung unterschiedlicher Formen von
Wissenstransfer, die sich – unter Rückbindung an die jeweiligen lebensweltlichen Gegebenheiten – in
den Diskursivierungsstrategien der Texte ausmachen lassen.
Programm
Donnerstag, 01.12.2016
09.15-09.45
Eröffnung
09.45-10.30
Rüdiger Schnell (Basel): Concordia im Haus - Vielfalt der Diskurse
(1300-1700)
11.00-11.45
Claudia Opitz Belakhal (Basel): Vom oikos zum ménage.
Antikenrezeption und -revision in Jean Bodins Six Livres de la
République (1576)
11.45-12.30
Simon Zeisberg (Berlin): „Aber ich bekenne es rund vnd gut/ das ich
diß alles nit weiß“. Ökonomisches (Nicht-)Wissen und Satire in J.B.
Schupps Von der Kunst Reich zuwerden (1656)
14.30-15.15
Michael Lorber (Berlin): Johann Joachim Bechers Entwurf von
‚Zucht‐‘, ‚Kunst‐‘ und ‚Werckhaus‘ – Kameralistische Hofökonomie
als Biopolitik
15.15-16.00
Monika Mommertz (Freiburg): Transformation durch Transfer?
Ambivalenzen und epistemologische Produktivität nicht gelehrter
Wissensweisen in den new sciences des 17. und 18. Jahrhunderts
16.30-17.15
Doris Ruhe (Greifswald): Die Gesetze des Marktes nutzen. Weibliche
Ökonomie in den Fabliaux
Freitag, 02.12.2016
09.15-10.00
Margarete Zimmermann (Berlin): Von monastischen und weltlichen
‚Häusern‘: Denkformen des ‚Hauses‘ im Werk der Christine de
Pizan
Citation: Simon Zeisberg. KONF: Das Haus schreiben. Wissensbewegungen in der ökonomischen Literatur der Frühen Neuzeit (13001700), Berlin (01.-02.12.2016). H-Germanistik. 11-25-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/154297/konf-das-hus-schreiben-wissensbewegungen-der-%C3%B6konomischen
Licensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
2
10.00-10.45
Christina Schaefer (Berlin): Zur Inszenierung
weiblicher prudentia in Paolo Caggios ‚theatraler
Ökonomik‘ Flamminia prudente (1551)
11.15-12.00
Anne Enderwitz (Berlin): Eigentum in der Krise: Eifersucht und
Oikonomia auf der frühneuzeitlichen Bühne
12.00 -12.45
Verena Lobsien (Berlin): Der Haushalt des Helden. Textuelle
Ökonomien in Shakespeares Drama Coriolanus
14.45-15.30
Daniel Fulda (Halle): Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muß sich
alles ändern. Generationenbeziehungen und ökonomisches Wissen
in der Komödie
15.30-16.15
Anita Traninger (Berlin): Herr und Knecht: Inszenierungen des
Verhältnisses zur Dienerschaft bei Lando, Montaigne, Alfieri und
Larra
16.30-17.15
Tobias Bulang (Heidelberg): Apodiktische Setzung und narrative
Pervertierung. Die Lehre vom Haushalten in Wittenwilers Ring
17.15-17.45
Resümee/Schlussdiskussion
Der Besuch der Veranstaltung ist kostenfrei. Um Anmeldung wird gebeten.
Kontakt:
Dr. Christina Schaefer, christina.schaefer[at]fu-berlin.de
Simon Zeisberg, simon.zeisberg[at]fu-berlin.de
Zeit & Ort
01. - 02.12.2016
Villa des SFB "Episteme in Bewegung", Sitzungsraum, Schwendenerstraße 8, 14195 Berlin-Dahlem
Diese Ankündigung wurde von
[email protected]
H-GERMANISTIK
[ Lukas
Büsse ]
betreut
–
editorial-
Citation: Simon Zeisberg. KONF: Das Haus schreiben. Wissensbewegungen in der ökonomischen Literatur der Frühen Neuzeit (13001700), Berlin (01.-02.12.2016). H-Germanistik. 11-25-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/154297/konf-das-hus-schreiben-wissensbewegungen-der-%C3%B6konomischen
Licensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
3
Citation: Simon Zeisberg. KONF: Das Haus schreiben. Wissensbewegungen in der ökonomischen Literatur der Frühen Neuzeit (13001700), Berlin (01.-02.12.2016). H-Germanistik. 11-25-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/154297/konf-das-hus-schreiben-wissensbewegungen-der-%C3%B6konomischen
Licensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
4