Nicht nach Schema F trocknen - IBF

Nicht nach Schema F trocknen – Trocken kann es nicht schnell genug sein
Nicht nach Schema F trocknen Trocken kann es nicht schnell genug sein
kontrollierte Luft ist kontrollierte Trocknung
Mike Steringer, Steringer GmbH, Epfenbach
Ausgangssituation
Moderne Gebäude werden im Bezug auf die Baustoffkombinationen immer komplexer. GipskartonMontagewände lösen massive Wandkonstruktionen ab, Estriche werden mehrschichtig mit Installationsebenen errichtet. Kommt es beispielsweise im Neubau zu einem Wasserschaden durch mangelhafte Dichtigkeit der Frischwasserleitungen, ist das Schadensausmaß gerade bei Montagewänden beachtlich und der finanzielle Schaden in der Regel immens. Gerade diese Bauweise führt daher beispielsweise in Gebäuden mit einer hohen hygienischen Anforderung wie in Kliniken, Seniorenwohnheimen, oder Lebensmittel verarbeitenden Betrieben, bei einem Wasserschaden zu einer technisch und
logistischen Herausforderung.
Gründe hierfür sind unter anderem, dass sich die Feuchtigkeit in mehrschichtigen Bauteilen unkontrolliert im Gebäude verteilen kann, modernen Baustoffe eine geringe Resistenz gegenüber einem mikrobiellen Befall aufweisen und komplexer Schichtenaufbau mit Dämmstoffeinlagen und Folien die technische Trocknung erheblich erschweren.
Im Sinne einer größtmöglichen Schadensminimierung muss die Gebäudetrocknung nicht nur schnell
erfolgen, der jeweiligen Aufgabenstellung und Bauweise angepasst werden, sondern auch fachgerecht
geplant werden. Auch wenn die technische Gebäudetrocknung bisher noch wenig in Normen beschrieben wird so, kann beispielhaft die Empfehlungen von Betz für die Beschreibung einer fachgerechten
Gebäudetrocknung herangezogen werden.
Nach Betz1, sollte nachfolgender prinzipielle Vorgehensweise bei technischen Bautrocknung beachtet
werden.
1)
Schadensfeststellung mit Ermittlung des Schadensausmaßes
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Schadensaufnahme mit Objektbegehung, Inaugenscheinnahme, Bestandsaufnahme
(erste sensorische Prüfung, Schimmelpilzbefall sichtbar? Geruch wahrnehmbar? etc.)
Erfassung des Schadenausmaßes mit orientierenden Feuchtigkeitsmessungen und
bauphysikalischen Messverfahren (Erfassung der räumlichen Ausdehnung)
Ermittlung der Dauer und des Alters (Wassermenge und Schadenseintritt)
Feststellung der Art und der Herkunft der Feuchte
(z.B. Kondensation auf Bauteiloberflächen? Frischwasser? Abwasser aus Duschen,
Badewannen oder Waschmaschinen? Abwasser aus Toiletten, Kanalisation? etc.)Ermittlung der Konstruktionsaufbauten bzw. der Bausubstanzen
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Betz, S.: Trocknung von Bauteilen - Welche Materialien können technisch getrocknet werden? Tagungsband der 16. Pilztagung, 18. bis 20. Juni 2012 in Dessau
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Nicht nach Schema F trocknen – Trocken kann es nicht schnell genug sein
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Vorbereitung zur Trocknung und Sofortmaßnahmen zur Schadensminderung
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3)
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Auswahl der Geräte und Verfahren zur Trocknung (Kondensations- oder Adsorptionstrocknung? Bestrahlung? Raumluftfiltration? Spezialverfahren? etc.)
Berechnung der Flächen und Raumvolumen und entsprechende Bemessung der Geräte
(z.B. Luftwechselrate berechnen, Leistungsdaten und Temperaturen beachten etc.)
Prüfung, ob eine Abschottung oder Einhausung erforderlich ist (z.B. zur Effizienzsteigerung, Vermeidung eines Austrags von Partikeln, Luftverwirbelungen etc.)
Randsockelleisten, Fugen und ggfs. diffusionsundurchlässige Bauteile entfernen
Bei Hohlraum- und Dämmschichtentrocknungen unter Estrichen für eine ausreichende
Anzahl und richtige Platzierung von Bauteilöffnungen / Kernbohrungen für die Prozessluft sorgen
Kontrolluntersuchungen zur Feststellung des Trocknungserfolges
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5)
Ursachenermittlung und umgehende Beseitigung
(z.B. Leckage an Rohrleitung beseitigen, Wasser abstellen etc.)
Möbel und Einrichtungsgegenstände von nassen Wänden abrücken bzw. auslagern,
wasseraufsaugende Teppiche und diffusionsdichte Oberbeläge entfernen
Stehendes Wasser aufnehmen, absaugen oder abpumpen
Sichtbaren Schimmelpilzbefall vor Trocknung fachgerecht beseitigen und Oberflächen
reinigen (z.B. Absaugen mit HEPA-gefilterten Saugsystemen der Staubklasse H)
Ggf. danach Oberflächen desinfizieren, um ein Aufkeimen von Mikroorganismen zu
verhindern / die Ausweitung zu minimieren, wenn nicht umgehend getrocknet werden
kann
Installation der Geräte und Trocknungsverfahren für den jeweiligen Schadenfall
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4)
(z.B. Massiv- oder Fertigbauweise? Hohlräume betroffen? abgehängte Decken?
Vorbauwände? Fehlböden? etc.)
Prüfung, aus welchen Materialien die Bauteile und Konstruktionen hergestellt wurden
(z.B. feuchteempfindliche Baustoffe, Gipskarton? Organische Materialien, Holz?
Dämmstoffe in Konstruktionen, Polystyrol, künstliche Mineralfasern? etc.)
Art der Raumnutzung und Möglichkeit einer Nutzung während der Trocknung prüfen
(z.B. öffentliche Einrichtung, Büro, Kindergarten, Risikobereich? Kellerräume? etc.)
Umgebungsparameter (Temperatur und Luftfeuchte) und die Durchströmung der Prozessluft (Luftströmung) vor, während und zum Ende der Maßnahmen prüfen
Orientierende Feuchtigkeitsmessungen nur zur Erfassung von Tendenzen durchführen
Abschließende Feuchtigkeitsmessung mit Ermittlung der rel. Luftfeuchtigkeit in der Umgebungsluft und der Ausgleichsfeuchte in Hohlräumen (aW-Wert unter 0,7) nach vorheriger min. 12-stündiger Abschaltung der Trocknungsgeräte
Demontage der Geräte und Abnahme nach erfolgreicher Feuchtebeseitigung
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Demontage der Geräte / begleitender Maßnahmen (z.B. Einhausungen, Filtergeräte
etc.)
Aushändigung von Messprotokollen, Arbeitsberichten und Stromverbrauchsnachweisen
Abschließende Objektbegehung und Abnahme mit dem Auftraggeber
Dekontamination / Reinigung der eingesetzten Technik, Austausch von Filtereinheiten
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Zusätzlich Hinweise für eine fachgerechte Gebäudetrocknung finden sich in dem „WTA Merkblatt 6-15
Technische Trocknung durchfeuchteter Bauteile Teil 1 Grundlage“ der „Handlungsempfehlung für die
Sanierung von mit Schimmelpilzen befallenen Innenräumen“, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (2004), dem Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen („Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden) sowie in der neuen DGUV-Information 201-028,
Gesundheitsgefährdungen durch Biostoffe bei der Schimmelpilzsanierung (ehemalig BGI 858)
Auswahl der angepassten Trocknungstechnik
In den Anfangsjahren der technischen Estrichtrocknung (als wesentliche Entwicklung kann Alfred Dörle
genannt werden, welcher Ende der 80.Jahre erstmals Geräte zur technischen Bauteiltrocknung vertrieb), war alles noch einfacher strukturiert. Die Verbreitung von schwimmenden Estrichkonstruktionen,
im Wesentlichen als Maßnahme zur Schalldämmung, erforderte angepasste Lösungen zur technischen
Trocknung der Dämmschichten. In den Anfangsjahren erkannte man kein Problem darin, die Estrichdämmschichten mit Überdruck zu trockenen. Dazu wurden in die Estrichdämmschichten (viel) Luft gedrückt, welche über die Randfugen wieder in den Raum zurückgeführt wurde. Die Trocknung der Estrichdämmschichten wurde dadurch erreicht, dass die Raumluft mittels Kondensationstrockner getrocknet wurde, bevor die Luft in die Estrichdämmschichten gedrückt wurde. Diese einfache Verfahren setzt
während der Trocknung nicht nur Stäube und Pilzbestandteile frei, sondern es bestand zudem die
ernstzunehmende Gefahr, dass Feuchtigkeit in bisher trockene Bereiche „gedrückt“ wird.
Dies ist ein wesentlicher Grund, warum insbesondere bei mehrschichtigen Baukonstruktionen, Bauteiltrocknungen im Überdruckverfahren in der Regel nicht mehr angewendet werden können, da eine
Verteilung von Partikeln und Feuchtigkeit im Gebäude nicht kontrolliert werden kann.
Standardmäßig werden daher in der Regel von den einschlägigen Firmen Estrichdämmschichten im
Unterdruckverfahren (Vakuumverfahren) getrocknet. Vereinfacht dargestellt wird die feuchte Luft aus
dem Bauteil gezogen, getrocknete Luft strömt nach (Randfugen). Bei diesem Verfahren kann eine unkontrollierte Verteilung der Feuchtigkeit verhindert und eine ungewollte Kontamination mit Gebäude
oder biogenen Schadstoffen kontrolliert werden. Ein effektiver Trocknungserfolg hängt jedoch im Wesentlichen einerseits von einer guten Verteilung des Luftstroms und von einer ausreichenden (transportierten) Luftmenge pro Stunde ab. Diese „ausreichende Luftmenge“ ist bei einem reinen „Saugverfahren“ (Vakuumverfahren) schwieriger zu gewährleisten, als bei einem „Druckverfahren“, da die Anzahl der zu erstellenden Bohrungen um die notwendige Durchströmung mit trockene Luft gewährleisten
zu können, durch wirtschaftliche Aspekte in der Regel begrenzt ist. Dies bedeutet wiederum eine verlängerte Trocknungsdauer.
Um die Trocknungszeit zu reduzieren, speziell bei schwer zu trocknenden Fußbodenaufbauten wie
beispielsweise Gussasphalt oder Dämmschichten mit Perlite, muss das „Druckverfahren“ und das
„Saugverfahren“ kombiniert werden. In diesem Fall spricht man vom sogenannten Schiebe- /Druckund Saugverfahren (auch Schiebe-/ Zugverfahren genannt). Diese Verfahren bietet eine gute Kontrolle
der Luftführungen für die zu trocknenden Estrichdämmschichten.
Nachteile dieses Verfahren sind jedoch ein höherer apparativer Aufwand sowie Kenntnis und Erfahrung
bei Planung und Durchführung von Trocknungsmaßnahmen. Beispielsweise sind insgesamt die zu bewegenden Luftmengen signifikant höher. Dies erfordert häufig, dass die benötigte Trocknungstechnik
wegen des notwendigen Platzbedarfs, der Lärmbelästigung und eventuell auch den damit verbundenen
Vibrationen aus dem Gebäude in Schallgeschützte Container ausgelagert werden müssen.
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Überdruckverfahren
Durch spezielle Öffnungen wird trockene und erwärmte Luft (rote Pfeile) mit einem Druck von 180300 mbar in die Dämmschicht oder an der Dämmschicht vorbei eingeflutet. Im Verlauf der Durchflutphase (orange Pfeile) reichert sich die trockene Luft mit Feuchtigkeit aus dem Dämmmaterial an, entweicht über die Randfuge (blaue Pfeile) bzw. über geplante Entlastungsöffnungen in den geschlossenen Raum und wird mit aufgestellten Entfeuchtungsgeräten wieder getrocknet. Durch diesen Kreislauf
wird eine Austrocknung des Dämmmaterials und der Hohlräume bis zur materialspezifischen Ausgleichsfeuchte erreicht. Ein Teil der Feuchtigkeit gelangt dabei durch den Druck zuerst in das aufgehende Bauteil und die Trocknung wird verzögert.
Hinweis:
Das Verfahren darf nicht mehr in genutzten/ bewohnten Räumen eingesetzt werden.
Grenzen
Das Verfahren darf nicht angewendet werden bei:
- der Gefahr von gesundheitlichen Beeinträchtigungen,
- verschmutzten oder kontaminierten Dämmschichten,Hohlräumen und/oder Oberflächen,
- Faserdämmstoffen z.B. KMF, Asbest,
- thermoplastischen Estrichen,
- Kindergärten, Krankenhäusern, Altenheimen, Großküchen, Reinräumen o. ä.
Abbildung 1 Quelle WTA Merkblatt 6-15: Ausgabe 08.2013/D
Luft wird über das Bohrloch in die Dämmschicht
eingeflutet und entweicht mit Feuchtigkeit
angereichert über die Randfugen,bzw.
Entlastungsöffnungen
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Unterdruck / Saugverfahren
Bei diesem Verfahren wird der Vorgang umgekehrt. Die feuchte Luft wird aus dem Dämmmaterial
und/oder Hohlraum abgesaugt (blaue Pfeile). Hierdurch entsteht in der Konstruktion ein Unterdruck.
Dieser gleicht sich durch nachziehende, von Entfeuchtungsgeräten getrocknete Raumluft über die
Randfugen (rote Pfeile) bzw. geplante Ansaugöffnungen wieder aus. Dabei wird auch die Feuchtigkeit
(blaugelbe Pfeile) aus den aufgehenden Bauteilen schneller abgeführt
Möglichkeiten
Austrocknung von Bauteilen mit Dämmschichten und/oder Hohlräumen. Besonderheiten beim Unterdruckverfahren: Stehendes Wasser muss über einen vorgeschalteten Wasserabscheider abgesaugt
und die Luft kann zusätzlich über Filterstufen gereinigt werden.
Grenzen
Der Einsatz des Verfahrens begrenzt sich durch eingesetzte Baustoffe und/oder durch baulich konstruktive
Gegebenheiten.
Abbildung 2 Quelle WTA Merkblatt 6-15: Ausgabe 08.2013/D
Über die Randfugen, bzw. Entlastungsöffnungen
wird Luft durch den Dämmschichtbereich
gezogen und mit Feuchtigkeit angereichert, am
Bohrloch abgesaugt
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Schiebe – Zugverfahren
Ein Trocknungsverfahren, bei dem über getrennte Verdichteranlagen trockene Luft (rote Pfeile ) eingeflutet und feuchte Luft (blaue Pfeile) abgesaugt wird. Bei diesem Verfahren ist darauf zu achten,
dass keine Luft unkontrolliert entweicht bzw. angesaugt wird. Bei der Dimensionierung der Seitenkanalverdichter ist die Leistung
auf der Ansaugseite im Verhältnis 2:1 zur Einflutseite zu planen.
Möglichkeiten
Austrocknung von Bauteilen mit Dämmschichten und/oder Hohlräumen. Besonderheiten bei dem
Schiebe-Zugverfahren: Stehendes Wasser muss über einen vorgeschalteten Wasserabscheider abgesaugt und die Luft
kann zusätzlich über Filterstufen gereinigt werden
Grenzen
Der Einsatz des Verfahrens begrenzt sich durch eingesetzte Baustoffe und/oder durch baulich konstruktive
Gegebenheiten
Abbildung 3 Quelle WTA Merkblatt 6-15: Ausgabe 08.2013/D
Auf einer Seite wird Luft in den Dämmschichtbereich eingeflutet, mit Feuchtigkeit angereichert
und auf der gegenüberliegenden Seite abgesaugt
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Nicht nach Schema F trocknen – Trocken kann es nicht schnell genug sein
Beispiele:
Aufbau einer Estrich-Dämmschichttrocknung im Schiebe- /Druck- und Saugverfahren mit H13
Filtrierung der Zu- und Abluft.
Auslagerung der Trocknungsanlage in Schallschutzcontainer. Verschlauchung über Gerüst.
Der Systemaufbau ist wesentlich komplexer und muss so geregelt werden, dass die Luftmengen welche im Unterdruck abgesaugt werden immer größer sind als die Luftmengen mit denen in das Gebäude
oder Bauteil gedrückt werden. Dies erfordert im Wesentlichen einen höheren Planungs- und Technikeinsatz, sowie geschultes und erfahrenes Fachpersonal. Ein großer Vorteil dieses Verfahrens ist jedoch die Möglichkeit der Überwachung und Steuerung des Trocknungsprozesses mittels Feuchtesensoren. Dadurch kann ein optimaler Trocknungsverlauf gewährleistet werden. Ein weiterer Vorteil ist
z.B. dass die Zuluft mittels H13 Filtrierung stattfinden kann.
Zusammenfassung häufiger Fehler bei der Estrichdämmschichtrocknung
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Ungleichmäßige Luftdurchströmung der Dämmschichten. Durchströmte Bereiche trocknen, in
nicht durchströmten Zonen verbleibt die Feuchtigkeit
Ungefilterte Luftführung, Eintrag von Außenluftsporen in die Bauteile
Feuchtigkeit wird in trockene Bereiche gedrückt
Lose Dämmstoffe werden aufgestaut, es entstehen Hohlräume bzw. Klumpen
Freisetzung von Partikel (z.B. mineralische Stäube, Fasern, Schimmelpilzsporen)
Trocknung ohne technische Fernüberwachung
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Nicht nach Schema F trocknen – Trocken kann es nicht schnell genug sein
Vorbereitung der technischen Trocknung
„Es kann nicht schnell genug trocken sein“. Es dauert häufig keine 2 Wochen oder bei optimalen Temperaturen nur wenige Tage bis Gipskartonplatten einen mit dem bloßen Auge erkennbaren Schimmelpilzbefall aufweisen. Sind Oberflächen bereits mit Schimmelpilzen befallen, ist dies nicht unbedingt das
größte Problem. Dieser könnte, wenn auch aufwendig, entfernt werden. Ein wesentlich größeres Problem könnte unter Umständen sein, dass in modernen Leichtbausystemen mit Montagewänden, Installations- und Versorgungsschächten sowie interzonalen Luftströmungen, durch Leckagen und Druckunterschiede, Pilzbestandteile auch in nicht betroffen Bereiche vollkommen unkontrolliert gelangen. Im
Falle eines Neubaus, eventuell noch vor der Abnahme, mit Sicherheit ein Super Gau.
Zielführend kann in solchen Fällen beispielsweise sein, Bauteile welche nicht mit Sicherheit gerettet
werden können, aber eine effektive Trocknung verzögern, vor der Trocknung konsequent zu entfernen.
Somit können die Bauteile, welche in jedem Fall erhalten werden müssen, wie beispielsweise eine
Estrichdämmschicht, sicher getrocknet werden, bevor es zu einem mikrobiellen Befall kommt.
Es ist für die Beteiligten nicht einfach, gerade wenn es sich um einen Neubau handelt, beispielsweise
sofort die Oberböden und die Gipskartonmontagewände mit der oft tropfnassen Mineralwolldämmung
im unteren Bereich komplett bis auf den Rohbetonfußboden zu entfernen, obwohl noch keine Beschädigungen sichtbar sind. Nach unseren Erfahrungen konnten wir häufig nur durch einen sofortigen Rückbau nasser aber verzichtbarer Bauteile den Gesamtschaden deutlich minimieren. Eine häufig praktizierte Vorgehensweise „Erst trocknen, dann nachdenken“ ist in solchen Situationen wenig zielführend.
Beispiel für eine Vorbereitung der Estrichdämmschichttrocknung:
GK-Montagewänden nasse KMF-Dämmung und die GK-Platten entfernen
In
Estrich verbaute Perliteschüttung entfernen.
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Fassadenanschlüsse müssen möglicherweise geöffnet werden, um eine Trocknung
zu ermöglichen.
Überwachung der technischen Trocknung
Eine Schlüsselposition ist in sensiblen Schadensfällen oder fallabhängig wenn „es nicht schnell genug
trocken sein kann“ eine online Überwachung des Trocknungsfortschritts. Es ist von immenser Wichtigkeit, überwachen zu können, dass die Trocknung auch den tatsächlich berechneten Verlauf nimmt.
Auch wir müssen immer wieder feststellen, dass selbst nach sorgfältiger Schadensaufnahme, Planung
und Ausführung der technischen Trocknung, die Trocknung nicht den Verlauf nimmt, den diese nach
Plan nehmen sollte. Es ist unsinnig nach einer zugesicherten Trocknungsdauer, wenn termingerecht
abgebaut werden soll, feststellen zu müssen, dass das Bauteil immer noch feucht ist. Ärgerlich ist insbesondere, dass die Bauteile inzwischen mit Mikroorganismen befallen sein könnten, und in Bezug
auf die Ursachen der mangelhaften Trocknung nur geraten werden kann.
Mit einer Überwachung mittels Funksensoren, kann hingegen eine entscheidende Qualitätssicherung
vorgenommen werden, indem beispielsweise online kontrolliert werden kann:
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die wahre Feuchte und Temperatur der Zuluft, welche in das Bauteil eingedrückt wird
die Feuchte und Temperatur der Abluft, direkt nach dem zu trocknenden Bauteil
der Trocknungsfortschritt, aufgelöst über die Zeit, im zu trocknenden Bauteil.
Hierdurch lassen sich nicht nur Fehler im Aufbau der technischen Trocknung frühzeitig erkennen (wie
ungenügende Luftförderung, zu hohe Wärmeverluste oder Leckagen in der Luftführung), es kann auch
ermittelt werden, ob und welche Bereiche bereits ausreichend trocken sind sowie als Nachweis für eine
fachgerechte Trocknung nach abschalten der technischen Trocknung.
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Nicht nach Schema F trocknen – Trocken kann es nicht schnell genug sein
Schematisches Beispiel für die Kontrolle einer komplexen Trocknung mit zwischenzeitlichem Abschalten der Trocknung, um die Effektivität der Trocknung überprüfen zu können.
Feuchtediagramm Funksensoren-Überwachung
Messung der Feuchte bei technischen Trocknung ( Freimessung)
Nach einer technischen Trocknung können die unterschiedlichen Materialien in einem Bauteil noch
unterschiedliche Feuchtigkeit aufweisen.
Um diesen Umstand gerecht zu werden, wird in der Praxis in das Bauteil ein Messfühler für Temperatur
und Feuchtigkeit eingebracht und über Bestimmung der Ausgleichsfeuchte der „aw-Wert“ des Bauteils
bestimmt.
Für aussagekräftige Ergebnisse, sollten diese Messungen frühestens 24 Stunden nach abschalten der
technischen Bautrocknung erfolgen.
Abbildung 4 Quelle WTA Merkblatt 4-11-02/D
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Nicht nach Schema F trocknen – Trocken kann es nicht schnell genug sein
Überprüfung Druck- und Haftzugfestigkeit ?
Bei Trocknungsmaßnahmen in Verbindung mit Anhydrit-/Calciumsulfatestrichen ist in Abhänigkeit von
der Dauer der Feuchteeinwirkung und der Bodenbeläge (Beschichtungen) die Druck- und Haftzugfestigkeitsprüfung zu bedenken.
Fazit
Eine technische Gebäudetrocknung ist in modernen Gebäuden keine Standardaufgabe nach Schema
„F“. Wesentlich tragen nach unseren Erfahrungen folgende Eckpunkte bei:
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Rechtzeitiges entfernen von verzichtbaren Baustoffen oder Bauteilen, welche nur mit erheblichen Energie – und Zeitaufwand getrocknet werden können.
Auswahl des Trockungsverfahrens evtl. Auslagerung der umfangreichen Trocknungstechnik in
schallgedämmte Container bei Komplexen technische Gebäudetrocknungen.
Qualitätssicherung mittels online Überwachung durch Funksensoren um Probleme des Trocknungsverlaufes frühzeitig erkennen zu kennen und den Trocknungserfolg nachvollziehbar dokumentieren zu können.
Nicht zu unterschätzen für den Erfolg einer komplexen Trocknung sind jedoch erfahrene, fachkundige
und engagierte Mitarbeiter.
Literatur
1. „Handlungsempfehlung für die Sanierung von mit Schimmelpilzen befallenen Innenräumen“,
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (2004), Kapitel 4.5, Trocknung feuchter Bausubstanz, 1. Abschnitt
2. Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen
(„Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden“), 2005, Kapitel 5.3, Trocknung
3. „WHO-Leitlinien zur Innenraumluftqualität: Feuchtigkeit und Schimmel - Kurzfassung“, Weltgesundheitsorganisation (2009), Seite 1, 3. Abschnitt
4. WTA Merkblatt 6-15: Ausgabe 08.2013/D Technische Trocknung von durchfeuchteten
Bauteilen
5. WTA Merkblatt 4-11-02/D:2003-10 Messung der Feuchte von mineralischen Baustoffen
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Nicht nach Schema F trocknen – Trocken kann es nicht schnell genug sein
6. WTA-Merkblatt E-2-14/D:2015 Ziele und Kontrolle von Schimmelpilzsanierungen in Innenräumen
7. Münzenberg, U.; Thumulla, J.; Steringer, M.: Schimmelpilzsanierung im Laborbereich einer
Klinik: Sanierungskonzept, Umgebungsschutz Erkundung und Sanierungskontrolle, in: 19.
Pilztagung, 23.-24. Juni 2015 im Gustav-Stresemann-Institut e.V., Bonn
8. Betz, S.: Trocknung von Bauteilen - Welche Materialien können technisch getrocknet werden?
Tagungsband der 16. Pilztagung, 18. bis 20. Juni 2012 in Dessau
Mike Steringer, Geschäftsführer Steringer renovieren & sanieren GmbH, Epfenbach
Sanierungsbetrieb mit Spezialisierung auf Sanierrungen in hygienisch sensiblen Bereichen,
Mitglied im Bundesverband Schimmelpilzsanierung e.V
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