Nr. 44 | November 2016 S e i t e | 1 von 4 Bethel.regional digital „So darf es nicht sein!“ Vor dem Paul-Löbe-Haus, direkt neben dem Reichstag, riefen am 7. November drei Fachverbände für Menschen mit Behinderung zu einer Kundgebung zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) auf, um der Politik Kernforderungen zu übergeben. Das Motto von Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB), Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen und Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie lautete: "Teilhabe – jetzt erst Recht!" Etwa 5.000 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet reisten an, um die Forderungen an das neue BTHG durch Banner, Plakate, bedruckte T-Shirts, Fahnen und Mützen zu unterstreichen. So auch Klientinnen, Klienten und Mitarbeitende von Bethel.regional. Auf den Plakaten prangten Slogans wie „Ich werde behindert!“, „Keine Rechte verkürzen!“ oder „Teilhabe für alle!“. Mit Trillerpfeifen, Rufen und Klatschen versuchten sich die Anwesenden Gehör zu verschaffen. Die Stimmung war trotz eisiger Kälte gut. Die Band „Inclusions“ empfing die Angereisten mit Musik, die zum Mitsingen und Tanzen einlud. Nach der offiziellen Eröffnung der Kundgebung und einigen Grußworten und einführenden Kurzvorträgen von Dr. Thorsten Hinz, Geschäftsführer Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V., Jochen Berghöfer, Mitglied des Vorstandes Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e.V., Johannes Magin, 1. Vorsitzender Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. und Pastor Uwe Mletzko, BeB, folgte ein Beitrag von Svenja Lechtenfeld, Selbstvertreterin aus der Werksgemeinschaft Schloss Hamborn. Sie sprach über „Das Recht auf eigene Entscheidungen, eigenes Handeln und Gemeinschaft“ – die Anwesenden waren begeistert und unterstützten die Forderungen durch laute Rufe und Applaus. Gerold Abrahamczik, Sprecher des Angehörigenbeirates im Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V., trat auf der Bühne für Anliegen von Familien mit Menschen mit schwerster und mehrfacher Behinderung ein. Ihm ist wichtig, dass Menschen mit einer so schweren Behinderung nicht in die Pflege abgeschoben werden! Sein Ausruf „So darf es nicht sein!“ brachte die Versammelten zum Jubeln! Michael Conty, Sprecher der Arbeitsgruppe der Fachverbände zum Bundesteilhabegesetz, berichtete aktuell aus der Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales: „Themen wie der Zugang zu Leistungen und das Zusammenspiel von Leistungen der Pflege und der Eingliederungshilfe spielten eine wichtige Rolle. Viele Expertinnen und Experten haben dazu Stellung genommen. Ich habe niemanden gehört, der die fünf-aus-neun-Regelung gut fand. Und ich habe auch niemanden gehört, der die vorgeschlagenen Regelungen in Bezug auf die Schnittstelle Eingliederungshilfe und Pflege gut fand. Alle Expertinnen und Experten haben hier einstimmig gesagt: So ist es nicht gut geregelt – wir müssen zu besseren Lösungen kommen!“ Jubelnd, klatschend und pfeifend bekundeten die Anwesenden ihre Zustimmung. Nach der anschließenden Verlesung der sechs Kernforderungen der Fachverbände wurden diese Mechthild Rawert (SPD), Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit und stellvertretendes Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, stellvertretend für die Bundestagsabgeordneten übergeben. Zum Ende der Kundgebung spielte die Gruppe REMPAC ihren Inklusions-Song „Ich will leben wie Du“. Bevor die Teilnehmenden zum Brandenburger Tor oder wieder Richtung Heimat aufbrachen, sprach Rolf Drescher, BeB-Geschäftsführer, einige Schlussworte und dankte für die aktive Beteiligung an der Kundgebung. Jana Hoeck, Referentin der Geschäftsführung Nr. 44 | November 2016 S e i t e | 2 von 4 Bethel.regional digital Grundsteinlegung für erste Einrichtung in Herne beit. Begriffe wie Inklusion, Empowerment, Recovery sollen spürbar und erlebbar werden. Herne. Nach langer Vorlaufzeit sind die Bauarbeiten für das Haus Zeppelinstraße in Herne, einer Einrichtung für Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung, endlich in vollem Gange und schreiten rasch voran. Insgesamt ist es schön, neben allen Planungen und Aktionen, immer wieder viele Menschen zu erleben, die aus unterschiedlichsten Blickwinkeln interessiert nachfragen, uns unterstützen und sich gemeinsam mit uns freuen. Das macht die Arbeit zudem sehr spannend und lebendig. Am 11.10.2016 fand, mit Unterstützung zahlreicher Gäste aus Politik und des öffentlichen Lebens, der Gemeinde, Nachbarschaft, des Quartiers und vielen anderen interessierten Personen die Grundsteinlegung in der Zeppelinstraße 3 statt. In der Hoffnung auf einen milden Winter und dass der Bauverlauf weiterhin zügig und ohne Unfälle voranschreitet, ist die Eröffnung für das vierte Quartal 2017 geplant. In diesem Sinne wünschten uns bei der Grundsteinlegung alle Gratulanten ein herzliches Glück auf! Sabina Scheben Projektbegleitung Herne, Haus Zeppelinstraße Jugendliche engagieren sich für den Küstenschutz auf Sy lt Gütersloh/Sylt. In den Sommer- und Herbstferien 2016 engagierten sich 13 Jugendliche mit vier Pädagoginnen und Pädagogen der beiden Aufnahmeund Clearingwohngruppen der Jugendhilfe Bethel Gütersloh für den Küstenschutz auf Sylt. Die Jugendlichen arbeiteten beim Küstenschutzprojekt mit ihren Betreuerinnen und Betreuern, sowie den Mitarbeitern des Landesbetriebs für Küstenschutz und Wasserwirtschaft zusammen und konnten dabei die Erfahrung machen, dass Teamarbeit manchmal unerlässlich ist und sich lohnt. Die Jugendlichen hatten im Rahmen des Küstenschutzprojektes die Aufgabe, Sandfänge zu erstellen. Ausschnitt aus der WAZ vom 12.10.2016 Das Haus Zeppelinstraße möchte mit einer offenen und engagierten Einrichtungskultur lebendig und organisch im Sozialraum aktiv sein. Deshalb werden während der Bauzeit viele Kontakte und Begegnungen im Sozialraum, mit der Gemeinde, möglichen Kooperationspartnern, zukünftigen Klientinnen und Klienten stattfinden. Auch die konzeptionelle Feinarbeit wird fortgeschrieben; die Suche nach fachlich multiprofessionell qualifiziertem Personal beginnt ab Anfang nächsten Jahres. Die Umsetzung des Gesamtkonzepts orientiert sich an den aktuellen fachlichen Standards, unter Berücksichtigung und Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention und weiteren handlungsleitenden Maximen sozialpsychiatrischer Ar- Diese Gebilde haben sich bewährt. Laut des Werkhofmitarbeiters vor Ort „fängt“ ein laufender Meter 3 Sandfang eine Sandmenge von bis zu 7 m . Diese Sandfänge werden strategisch im gesamten Küstenbereich der Insel angelegt. Die Jugendlichen haben in den beiden Wochen sehr gut mitgearbeitet und die gesteckten Ziele und Arbeitsumfänge, die auf Erfahrungswerten der letz- Nr. 44 | November 2016 S e i t e | 3 von 4 Bethel.regional digital ten Jahre beruhten, erreicht. Herr Karsten, der Mitarbeiter des Küstenschutzprojektes, zeigte sich zum Abschluss der Arbeiten sehr zufrieden mit den Arbeitsleistungen und lobte die Motivation, das soziale Miteinander und den Teamgedanken der Jugendlichen. Mit gewissem Stolz gaben sie einigen neugierigen Touristen der Insel Auskunft über den Sinn des Küstenschutzprojektes. „Fast so w ie bei uns“ Rheda-Wiedenbrück. Zwei Mitglieder des Bewohnerbeirates aus dem Unterstützten Wohnen Bahnhofstraße in Steinhagen besuchten das neue Unterstützte Wohnen Fichtenbusch in RhedaWiedenbrück. Das UW Fichtenbusch ist eine vollstationäre Einrichtung mit 20 Plätzen für Kinder und Jugendliche. Am 1. Januar 2016 ging es an den Start – derzeit sind 12 Plätze belegt. Im Herbst 2015 waren viele fremde Menschen mit dem Kollegen Andreas Schulze im UW Bahnhofstraße unterwegs. Sie hospitierten für eine Anstellung im UW Fichtenbusch. Als keiner von diesen Menschen wieder in Steinhagen zum Arbeiten auftauchte, wunderten sich die Bewohner und Bewohnerinnen. Die besondere Wirkung des Küstenschutzprojektes liegt unserer Ansicht nach vor allem in der Anerkennung und Wertschätzung, die die jungen Menschen, die sonst eher auf der Seite der „am Rande Stehenden und Nichtbeachteten“ zu finden sind, erfahren. Sie bekommen positive Rückmeldungen von „ihren“ Pädagogen ebenso wie von den Inselbewohnern, Vorarbeitern, Eltern und JugendamtsmitarbeiterInnen. Dies steigert ihr Selbstwertgefühl und fördert ihr soziales Engagement im besonderen Maße. Sie werden angeregt, einmal selbst etwas für die Allgemeinheit zu tun und es lehrt sie, Verantwortung für ihre Umwelt zu übernehmen. Dieses ist eine unschätzbare Erfahrung in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Deshalb bedanken wir uns vor allem bei den Spendern, die die Teilnahme an dem Projekt ermöglicht haben, sehr herzlich. Aus dem laufenden Budget der Wohngruppen wäre eine solche Aktion niemals zu finanzieren gewesen. Alle Jugendlichen, die auf Sylt aktiv waren, kommen aus sehr belasteten Elternhäusern, akuten Krisen bzw. unklaren Lebenszusammenhängen. Sie leben bis zu sechs Monaten in der AufnahmeClearingwohngruppe. In dieser Zeit werden die schulischen und familiären Probleme analysiert und die weitere Lebensperspektive erarbeitet. Andere Schwerpunkte der Arbeit in der Wohngruppe sind die Unterstützung bei allen lebenspraktischen Fähigkeiten, Freizeitarbeit sowie bei der gesellschaftlichen Eingliederung. Dirk Wendland, Erzieher A&C Halle Andreas Wilke, Bereichsleitung Jugendhilfe Gütersloh Also haben Jürgen Schultz und Sophie Scheler beschlossen, mal zu schauen worum es bei diesen Hospitationen ging. Das UW Fichtenbusch kannte ja noch keiner. Zudem hatte sich letztes Jahr die Mitarbeiterin Veronique Venne von ihnen verabschiedet, die auch dort arbeiten wollte. Ein Besuch bei Veronique in der neuen Einrichtung befriedigte die Neugier. Natürlich gab es Blumen zum Einstand: „Das macht man so,“ sagte Jürgen Schultz, als er die Blumen bestellte. Angekommen in Rheda bekam Veronique die Blumen und zeigte den beiden Besuchern als erstes die Einrichtung. Beide stellten fest, dass es ganz ähnlich aussieht wie in Steinhagen. Trotzdem gab es einige Besonderheiten, die vor allem Sophie Scheler interessiert ausprobierte. Ihr gefiel besonders der Garten mit viel Platz zum Basketballspielen und Schaukeln. Bevor es in den Garten ging, gab es beim Kaffee viele Fragen, die den beiden eingefallen waren. Besonders interessierten die Wege zum Einkaufen und Kaffeetrinken. Als vom nahegelegenen Netto erzählt wurde, meinte Jürgen Schultz: „Den gibt es in Steinhagen jetzt auch, habe ich letztens auspro- Nr. 44 | November 2016 S e i t e | 4 von 4 Bethel.regional digital biert. Da habe sogar ich genug Platz mit meinem Rollstuhl.“ Mit der Frage: „Wann kommst Du uns mal besuchen?“ beendeten Jürgen Schultz und Sophie Scheler den Besuch. Sie freuten sich auf „zu Hause“ in Steinhagen und eine Pause um all die Eindrücke zu verarbeiten. wie es sich für ein richtiges Familienfest gehört – ein Geburtstagslied an. Ein großes Geburtstagsbuffet mit Möglichkeit zum Wiedersehen, Kennenlernen und gegenseitigem Austausch stellte einen gelungenen Ausklang der Veranstaltung dar. „Das war richtig cool!“ meinten beide… Iris Quentmeier, Bereichsleitung UW Bahnhofstraße 20 Jahre Betreutes Wohnen in Familien Bielefeld. Als Auftakt zur 31. Bundesweiten Fachtagung für Betreutes Wohnen in Familien (BWF) wurde am 28. September in der Neuen Schmiede in lockerer und familiärer Atmosphäre der 20. Geburtstag dieses inklusiven Betreuungsangebotes für Menschen mit Behinderungen gefeiert. Sabine Melichar, Diplom-Sozialarbeiterin und Leiterin des Angebotes, freute sich mit ihrem Team über zahlreiche Gäste aus dem Bundesgebiet, der Schweiz und Österreich. Als Gratulanten erschienen Ingo Nürnberger, Sozialdezernent der Stadt Bielefeld, Michael Wedershoven, Referatsleiter der Behindertenhilfe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, und Reinhold Eisenhut als Sprecher des Fachausschusses der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie. In ihren Grußworten hoben sie das besondere soziale Engagement der Gastfamilien, die einen Menschen mit einer Behinderung oder psychischen Erkrankung bei sich aufgenommen haben, hervor und würdigten diese besondere Form bürgerschaftlicher Beteiligung. Denn ohne diese Einzelpersonen und Familien gäbe es diese Betreuungsform nicht. In „Momentaufnahmen“ gaben Mitarbeitende, Gastfamilien und Wegbegleiter kurze Einblicke in die Entwicklung des Betreuungsangebotes. Dass das Leben in einer Gastfamilie auch von der humorvollen Seite betrachtet werden kann, zeigte der Auftritt von Heinz Flottmann. Als „ostwestfälischer Sonderbeauftragter für Spezialfeierlichkeiten“ brachte er mit seinen spitzfindigen Analysen unter dem Motto „Der Alltag und ich – Wer bewältigt hier wen?“ den Saal zum Lachen. Die „Viertakter“ sorgten mit vierstimmigem Gesang für musikalische Untermalung und stimmten mit dem ganzen Saal – v. l.: Rüdiger Klein (Regionalleitung), Sabine Melichar (Bereichsleitung), Markus Heinrichsdorf, Margret Steinkamp, Klaus Kiene, Petra Hamelau-Stoll, Martin Friedeich (Team BWF) Zur anschließenden Fachtagung empfingen Sabine Melichar und ihr Team 175 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Tagung wurde in Zusammenarbeit mit dem Fachausschuss „Betreutes Wohnen in Familien“ der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) ausgerichtet. Das Tagungsthema „Von gelingenden Geschichten und glücklichen Momenten“ war sensibel gewählt und zog sich als roter Faden durch die Tagung. In Fachvorträgen und zwölf Workshops, wurden neue Entwicklungen aufgezeigt und aktuelle Fragestellungen aus dem Betreuungsalltag bearbeitet. Neben den fachlich fundierten Beiträgen lockerten kreative Einwürfe das Programm auf. In und um die Neue Schmiede herrschte Campus-Atmosphäre, viele junge Mitarbeitende ließen einen Generationenwechsel im BWF erkennen. Besonderen Applaus gab es für den Beitrag von Klientinnen und Klienten mit ihren Gastfamilien, die sich eigens in einem Theaterworkshop mit dem Tagungsthema auseinandergesetzt hatten und ihren Blickwinkel auf das „Gelingen“ im BWF auf der Bühne präsentierten. Die ausführliche Dokumentation der Fachtagung wird derzeit zusammengestellt und kann in Kürze auf der Homepage des DGSP-Fachausschusses „Betreutes Wohnen in Familien“ unter www.bwfinfo.de abgerufen werden. Rüdiger Klein, Regionalleitung Bielefeld Nord Sabine Melichar, Bereichsleitung BWF
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