Places of Spirit Alpenmoderne

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Traum-Lodge in
Botswana
SPECIAL
Das Bad als
Design-Statement
Die neue
Lebensart
WOHNEN
der ZUKUNFT
O K TO B E R / N OV E M B E R 2016
D E U T S C H L A N D 6 . 0 0 € _ Ö S T E R R E I C H 6 . 6 0 € _ S C H W E I Z 11 . 6 0 S F R _ B E N E L U X 6 . 8 0 € _ I TA L I E N 7. 5 0 € _ F R A N K R E I C H 7. 5 0 €
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FASCINATION NATURE
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Alpen
moderne
In einem Tiroler Chalet komponierte Philipp Hoflehner ein Interior aus
sägerauem Holz, Sichtbeton und Metall: eine zeitgenössische
Hommage an regionale Traditionen und die faszinierende Landschaft
Fotos ALEXANDER VAN BERGE
Text MELISSA ANTONIUS
Von dem Anwesen aus öffnet sich ein spektakulärer Panoramablick über Kitzbühel
bis hin zum Kaisergebirge. Durch Materialwahl und die Bearbeitung der Oberflächen
reflektieren die Gestalter die Schönheit der Natur auch im Inneren des Alpenchalets
PLACES OF SPI R I T Oktober/November 2016
Oktober/November 2016 PLACES OF SPI R I T
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„ES GEHT HIER UM RUHE, UM DAS
VERMEIDEN VON SHOW“
Links Felle und Fichtenaltholz dominieren den Materialmix im Wohnbereich.
Die Ofenbank aus Beton ist beheizbar. Glanzpunkte im Interior setzen die Messingbeistelltische „Loren“ von BAXTER
Rechts Ringleuchten von HENGE stehen im Kontrast zu dem linearen Eichenesstisch aus der Manufaktur des Büros Bernd Gruber. Polsterstühle von FREIFRAU aus
schwarzem Leder flankieren die lang gestreckte Platte
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„MAN MUSS OBERFLÄCHEN
BERÜHREN WOLLEN“
Links Der Kamin aus bronziertem und gewachstem Schwarzstahl reflektiert
das schroffe Bergmassiv vor den großflächigen Fenstern
Rechts Wie aus einem Block gearbeitet wirkt die Küchenzeile. Auf die
Fronten aus Holzfaserplatten wurde eine Betonspachtelung aufgetragen.
Sechseckige Fliesen zieren den Boden
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„IN DEN BERGEN SEHNT MAN SICH
NACH HOLZ UND WÄRME“
Links Im Treppenhaus wird der natürliche Materialkanon des Hauses erneut deutlich.
Der sägeraue Eichenboden trifft auf wellig verputzte Wände. Die erste Stufe wurde
nicht geschliffen, um den naturbelassenen Interior-Look zu betonen
Rechts Eine Nische schirmt den Schreibtisch im Schlafzimmer ab. Vom „Organic Chair“
aus, einem VITRA- Objekt nach einem Entwurf von Charles Eames und Eero Saarinen von
1940, schweift der Blick durch die Lamellen aus Vierkanthölzern in den Schlafbereich
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DESIGN ALS REFLEX AUF DIE NATUR:
HOLZ TRIFFT AUF NATURSTEIN
Oben links Die Waschsäule im Gäste-WC ist ebenfalls aus dem Naturstein Piasentina
gefertigt. Oben rechts Die frei stehende Badewanne „Drop“ und die Armatur stammen von
AGAPE . Das Licht der Wandleuchte setzt abends die uneben verputzten Wände
besonders stimmungsvoll in Szene
Links Wie eine stilisierte Werkbank wirkt der Waschtisch aus Eichenholz. Die Module darunter
bieten Stauraum und verbergen die Rohre. Das Waschbecken aus außen unbearbeitetem
Piasentina-Stein ist eine Hommage an die Berglandschaft vor der Tür. Kombiniert wurde
es mit der Armatur „Tara“ aus brüniertem Messing von DORNBRACHT
D
ie Momente, in denen
seine Ideen Wirklichkeit werden, sind für
Philipp Hoflehner die
schönsten. „Ich bin erst
immer etwas nervös,
habe da diese Form im Kopf, und die wandert dann über die Hand auf das Papier.
Der Entwurf wird ausgearbeitet, geht in die
Werkstatt, und wenn ich meine Gedanken
dann zum ersten Mal im Raum sehe, ist
das immer wieder berührend.“
Bei der Gestaltung eines großzügigen Feriendomizils in der Tiroler Gemeinde
Jochberg genoss der Creative Director
des Büros Bernd Gruber viele solcher
Glücksmomente: Für eine deutsche Familie mit drei Kindern schuf er gemeinsam mit seinem Team aus Kitzbühel
zahlreiche Möbel und Einbauten. Dazu
zählen etwa eine Ofenbank aus Beton im
XL-Format, ein imposanter Kamin und
der Esszimmertisch aus massiver Eiche,
gefertigt in der eigenen Manufaktur. Das
Leitmotiv für die Entwürfe stand nach
einer intensiven konzeptionellen Phase
fest: In dem Alpenchalet, das sich auf
fünf Ebenen über 600 Quadratmeter
erstreckt, sollte keine Show und keine
Effekthascherei von der Schönheit der
Naturmaterialien und von den klaren Formen des Designs ablenken. „Alles sollte
einfach und unangestrengt wirken“, sagt
Hoflehner, und dieser Anspruch zieht
sich wie ein roter Faden durch die Räume. Die Wandverkleidungen aus Fichte
strahlen eine angenehme Wärme und
Robustheit aus. Der sägeraue Eichenboden bereichert die Chaletatmosphäre
um eine moderne Komponente. Der Kalkputz an den Wänden wurde nicht glatt,
sondern in Wellen aufgetragen, um das
Haptische zu betonen. „Man soll den
Wunsch haben, die Oberflächen anzu-
fassen.“ Panoramafenster mit schmalen
Metallprofilen öffnen den Blick über die
Dächer von Kitzbühel auf das grandiose
Bergpanorama dahinter. Von hochwertigen Sofas aus, etwa dem Modell „Housse“
von Paola Navone, genießen die Bewohner die Aussicht.
„Die Lage und der Ausblick haben
uns auf Anhieb für dieses Projekt begeistert“, sagt Philipp Hoflehner, der
sich sein Handwerk während mehrerer beruflicher Stationen in New York
und Zürich autodidaktisch aneignete.
Als hätte er im Inneren des Chalets nach
einem Gegengewicht zum wuchtigen
Look der Alpen gesucht, entschied er
sich für imposante Objekte. So musste
etwa der Küchenblock aus Beton mit
einem Kran in den Raum manövriert
werden: Der österreichische Gestalter
schuf ein Interior mit Substanz – auch in
ästhetischer Hinsicht. ❮
Oktober/November 2016 PLACES OF SPI R I T