Urteil: Kein Asyl für US-Deserteur

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Freitag, 18. November 2016, Nr. 270
Spezial
Weihnachten!
Freitag, 18. November 2016, Nr. 270
COLLAGE: jW/MIS
Liebe Leserinnen und Leser,
in unserer Weihnachtsbeilage dieses Jahres finden Sie wieder
unsere Empfehlungen und Hinweise auf zahlreiche Neuerscheinungen. Veröffentlicht wurden einige wichtige neue Werke im
Bereich Politisches Buch. Kürzlich ist von Domenico Losurdo
»Der Klassenkampf oder Die Wiederkehr des Verdrängten?«
erschienen, eine politische und philosophische Geschichte,
wie es im Untertitel heißt (siehe Seite 2 dieser Beilage). Ein
jW-Shop-Spezial haben wir dem kürzlich verstorbenen Faschismusforscher Prof. Kurt Pätzold gewidmet (siehe Seite 7).
Auch zum 100. Geburtstag von Peter Weiss gibt es diesmal eine
Sonderseite (siehe Seite 8). Außerdem ist eine Reihe von neuen
Filmeditionen aus der DEFA-Produktion zum Jahresende erschienen. Neu aufgelegt wurde auch die DVD-Edition mit den
Filmen der Olsenbande – ein Filmspaß auf 13 DVD für jung und
Domenico Losurdo findet die Theorie des
Zwei Neueditionen versammeln Filme von Rolf
Klassenkampfs schlüssiger denn je, Christoph
Butterwegge diskutiert den Armutsbegriff,
Herricht bzw. Manfred Krug. Ein Wiedersehen
gibt es auch mit Nastassja Kinski, Herbert Grö-
und Jörg Roesler skizziert den rastlosen ökonomischen Wettlauf der DDR mit dem kapitalisti-
alt. Abschließend wollen wir auf unsere Shop-Sonderbeilage
hinweisen, die am Freitag, den 2. Dezember 2016 der jungen
Welt beiliegen wird. Hier stellen wir Ihnen speziell unsere jWPublikationen sowie Grafiken aus unserer Sammlung, und viele
Geschenkideen vor. Wir wünschen schon jetzt allen Leserinnen
und Leser eine freundliche Vorweihnachtszeit.
Michael Mäde
Der am 18. August dieses Jahres verstorbene
Bildbände mit starken Fotos und Graphiken
Kurt Pätzold hat sich in seinen Schriften intensiv mit dem deutschen Faschismus auseinan-
stellen wir Ihnen auf der Seite 13 vor. Dabei unter
anderem das von Ulli Jeschke herausgegebene
nemeyer und Rolf Hoppe im Film »Frühlingssinfonie«. Außerdem bieten wir viele weitere
dergesetzt. Beim Verlag am Park erscheinen
demnächst Bücher aus seinem Nachlass.
Buch »Verschwundene Arbeit« über nicht mehr
existierende DDR-Betriebe sowie Künstler-
schen Wirtschaftssystem
DEFA-Filme auf DVD.
Wir stellen einige seiner Werke vor.
porträts von Roger Melis.
Politisches Buch n Seiten 2 bis 4
Film und Fernsehen n Seiten 5/6
jW-Shop Spezial n Seite 7
Fotobildbände n Seite 13
Bücher und mehr
jW-Shop mit Empfehlungen und Hinweisen auf zahlreiche neu erschienene
politische Bücher, DEFA-Filme auf DVD
und Wandkalender. Außerdem: Sonderseiten zu Veröffentlichungen des kürzlich
verstorbenen Historikers Kurt Pätzold und
zum 100. Geburtstag von Peter Weiss
16 SEITEN EXTRA
GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 18. NOVEMBER 2016 · NR. 270 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT
WWW.JUNGEWELT.DE
Abgehängt
Aufbegehrt
Abgefackelt
Angenähert
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6
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Hamburg: Obdachlosigkeit ist nur ein
Indikator für gravierende soziale
Probleme in der Hansestadt
Nervosität in Kiew: Protest von Lehrern, Gewerkschaftern, Bankkunden. Von Reinhard Lauterbach
Verbrannte Erde um Mossul: Der IS
zündet auf seinem Rückzug im
großen Maßstab Ölquellen an
Ein Besuch im bosnischen »Andricgrad«, der Stadt der Versöhnung. Von Gerd Schumann
Wieder Hunderte Tote
im Mittelmeer
Nach Bombenanschlag am 10. November
in Trümmern: Das deutsche Konsulat in
Masar-i-Scharif
ANIL USYAN / REUTERS
Sicher.
Rom. Innerhalb von zwei Tagen sind
bei vier Schiffbrüchen nach Behördenangaben mehr als 340 Menschen
bei der Überfahrt von Afrika nach
Europa im Mittelmeer ums Leben
gekommen. Allein etwa 100 Menschen starben nach Angaben der
Internationalen Organisation für
Migration (IOM) in der Nacht auf
Donnerstag, wie Sprecher Flavio
Di Giacomo auf Twitter mitteilte.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne
Grenzen habe 27 Menschen von dem
verunglückten Schiff retten können,
auf dem insgesamt 130 Menschen
von Libyen aus unterwegs waren.
Damit steigt nach Angaben der IOM
die Zahl der Menschen, die ihre
Flucht vor Krieg und Verfolgung im
Mittelmeer mit dem Leben bezahlen
mussten, auf 4.621 in diesem Jahr.
Im gesamten Jahr 2015 hatte die Organisation 3.777 Opfer gezählt.
(dpa/jW)
D
as Bundeskabinett hatte erst
am Mittwoch eine Verlängerung des AfghanistanEinsatzes der Bundeswehr bis Ende
2017 gebilligt. Der Bundestag muss
der weiteren Stationierung von bis zu
980 deutschen Soldaten, die afghanische Sicherheitskräfte ausbilden und
beraten sollen, noch zustimmen. Ein
Taliban-Angriff auf das deutsche Konsulat in Masar-i-Scharif und ein Selbstmordanschlag auf den US-Stützpunkt
Bagram hatten erst vor einer Woche
verdeutlicht, dass die Sicherheitslage
am Hindukusch weiterhin prekär ist.
Dessen ungeachtet hat die Bundesregierung umfangreiche Abschiebungen
von Flüchtlingen nach Afghanistan
angekündigt. Die afghanische Regierung wurde bereits vergangenen Monat
durch finanzielle Erpressung zur Zusage gegenüber der EU-Kommission und
der Bundesregierung genötigt, künftig
besser bei der Aufnahme ihrer abgeschobenen Staatsbürger zu kooperieren.
Derzeit sind allerdings lediglich fünf
Prozent der 247.000 in Deutschland
lebenden Afghanen ausreisepflichtig.
Um zumindest die Abschiebung dieser nur über eine Duldung verfügenden Afghanen zu legitimieren, spielt
die Bundesregierung in einer aktuellen
Antwort auf eine kleine Anfrage der
Linksfraktion die Sicherheitsrisiken in
Afghanistan herunter.
So sei die Sicherheitslage in den
meisten größeren Provinzstädten
»ausreichend kontrollierbar«. Eine
Offensive der Taliban, die im Oktober die Stadt Kunduz überrannten,
wird zur »möglichen zeitweisen Verschlechterung« heruntergespielt. Insgesamt habe sich die Sicherheitslage seit 2015 kaum verändert, heißt es
unter Berufung auf den UN-Einsatz
UNAMA. Die Vereinten Nationen haben allerdings erst vor wenigen Monaten »die höchste Zahl ziviler Opfer«
seit Beginn dieser Erfassung im Jahr
2009 beklagt. Allein zwischen Januar
und Juni 2016 gab es 1.601 Tote und
3.565 Verletzte.
Eine »pauschale Bewertung« der
Sicherheitssituation sei nicht möglich,
meint die Bundesregierung. Damit
soll wohl die Feststellung vermieden
werden, dass die Lage überall hochgradig bedrohlich ist. Und zwar nicht
nur wegen Taliban und rücksichtsloser
­NATO-Bomber: Selbst das US-Außenministerium erklärt, dass Rechtsverstöße afghanischer Beamter weit verbreitet sind und kaum verfolgt werden. Die
Bundesregierung räumt immerhin ein,
sie habe keinen Grund, an dieser Einschätzung zu zweifeln. Sie gibt auch zu,
dass insbesondere Mädchen und Frauen kein staatlicher Schutz vor Gewalt
durch Polizei oder Justiz zur Verfügung
stehe. Um diese Aussage auszugleichen, weist sie auf einen vermeintlich
großen Erfolg der Frauenrechtsarbeit
am Hindukusch hin: »2015 belegt Afghanistan im Index der geschlechtsspezifischen Ungleichheit Rang 171
und ist damit seit 2011 um einen Rang
gestiegen« – auf einer gerade einmal
188 Staaten erfassenden Liste.
Für die Afghanen hat die beschönigende Darstellung der Bundesregierung noch kaum praktische Folgen:
Lediglich 27 Abschiebungen hat es in
diesem Jahr nach Afghanistan gegeben.
Das ist kein Grund zur Entwarnung.
Denn in einem internen Papier geht die
EU-Kommission von rund 80.000 Afghanen aus, die künftig zurückkehren
sollen. Für diejenigen, die jetzt erst im
Asylverfahren stehen – das sind bezogen auf Deutschland fast die Hälfte
bzw. rund 120.000 – beginnt es in der
Tat eng zu werden: Die Anerkennungsquote in den Asylverfahren ist von
77,6 Prozent im Vorjahr auf 52,4 in
diesem Jahr gesunken. Da sich die Lage in Afghanistan nicht zum Besseren
geändert hat, lässt diese Entwicklung
nur den Schluss zu, dass man im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
die politischen Vorgaben umsetzt.
Urteil: Kein Asyl für US-Deserteur
Gericht zeigt kein Verständnis für langwieriges Zustandekommen einer Gewissensentscheidung
D
as Verwaltungsgericht München hat den Asylantrag des
US-Deserteurs André Shepherd abgelehnt. Wie das Gericht am
Donnerstag mitteilte, kam es zu dem
Ergebnis, dass Shepherd vor seiner
Fahnenflucht im Jahr 2007 nicht alle
anderen Möglichkeiten ausgeschöpft
habe, um nicht an den von ihm befürchteten Kriegsverbrechen im Irak
beteiligt zu werden. Das Gericht warf
ihm vor, trotz seiner langjährigen
Zweifel bis April 2007 nie versucht
zu haben, sich in eine andere Einheit
versetzen zu lassen oder auf anderem
Weg seine Entlassung aus der Armee
zu erwirken. Auch habe der Exsoldat
nicht glaubhaft gemacht, dass er bei
einem konkreten weiteren Einsatz im
Irak in Kriegsverbrechen verwickelt
worden wäre. Shepherd war damals in
der US-Armee als Mechaniker tätig.
Er sollte 2007 ein zweites Mal in den
Irak-Krieg ziehen, um voraussichtlich
»Apache«-Kampfhubschrauber zu
warten. Er war dann aber aus seiner
Kaserne zu Bekannten geflohen.
Vor Gericht hatte er am Mittwoch
betont, er habe vor diesem Schritt mit
Kameraden gesprochen und den Sinn
des Einsatzes hinterfragt. Auch schilderte er in der Verhandlung seine Lebenssituation vor der Armeezeit: Zeitweise habe er auf der Straße gelebt,
nachdem er ein Informatikstudium aus
finanziellen Gründen nicht abschließen konnte.
Die Organisationen Pro Asyl und
Connection e. V. kritisierten am Donnerstag das Urteil und warfen dem Gericht Voreingenommenheit vor: Nach
dessen Logik müsse ein Verweigerer
von völkerrechtswidrigen Handlungen
»von Anfang an völlig stringent und
kompromisslos vorgehen«. Dabei wer-
de ignoriert, dass sich eine Gewissensentscheidung über längere Zeiträume
entwickle. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verfügte im Fall Shepherd
Anfang vergangenen Jahres, dass die
deutsche Justiz prüfen müsse, ob die
USA im Irak Kriegsverbrechen begingen. Ein Erfolg des Asylantrags sei
möglich, wenn Shepherd als Wartungsmechaniker eine auch nur indirekte
Verwicklung in solche Verbrechen gedroht hätte. Shepherd ist zur Zeit mit
einer Deutschen verheiratet. Ihm droht
vorerst keine Auslieferung. (jW)
Siehe Seite 8
EPA/MATTHIAS SCHRADER/DPA-BILDFUNK
Bundesregierung verlängert Bundeswehr-Einsatz und beschönigt die Lage in
Afghanistan, um Abschiebungen zu rechtfertigen. Von Ulla Jelpke
Verschleppungsvorwurf
im NSU-Prozess
München. Der im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum neunfachen Mord
angeklagte Neonazi Ralf Wohlleben
(Foto r.) hat am Donnerstag erneut
mit einem Befangenheitsantrag gegen seine Richter das Verfahren verzögert. Vorangegangen war ein Streit
über einen weiteren Befangenheitsantrag, den Wohlleben am Mittwoch
gestellt hatte. Bundesanwalt Herbert
Diemer hatte daraufhin erklärt, es
sei zu prüfen, ob Wohllebens Antrag
»wegen Verschleppungsabsicht als
unzulässig anzusehen ist«. Diemer
sprach sich nach beiden Anträgen
dafür aus, die Beweisaufnahme
zunächst fortzusetzen. Der für
Donnerstag geladene Zeuge konnte
wegen des Streits bis zum frühen
Nachmittag nicht vernommen werden. Wohlleben ist angeklagt, weil
er die Beschaffung der wichtigsten
Mordwaffe der mutmaßlichen NSUTerroristen, einer Pistole vom Typ
»Ceska« mit Schalldämpfer, organisiert haben soll. Der Mitangeklagte
Carsten S. hat ausgesagt, er sei diesbezüglich von Wohlleben instruiert
worden.
(dpa/jW)
wird herausgegeben von
1.916 Genossinnen und
Genossen (Stand 17.11.2016)
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