Was können Kommunisten in den imperialistischen Ländern tun?

Was können Kommunisten in
imperialistischen Ländern tun?
den
Dieser Text wurde von der dänischen Kommunistisk Arbejdsgruppe (KA) verfasst
und umfasst ein eindrückliches Kapitel aus ihrem Buch “Imperialismen idag”
(Kopenhagen, 1983). Die deutsche Übersetzung des Textes wurde einer neueren
Veröffentlichung “Bankraub für Befreiungsbewegungen. Die Geschichte der
Blekingegadebande” (Münster, 2013) entnommen. Die Rechte der Übersetzung
liegen beim UNRAST-Verlag.
Die Möglichkeiten für uns, als Einwohner eines der reichsten Länder der Welt
[Dänemark], den Sozialismus global voranzutreiben, unterliegen sehr speziellen
Bedingungen. In den reichen imperialistischen Ländern gibt es momentan keine
Klassen, die ein objektives Interesse daran haben, das imperialistische System zu
stürzen. In diesen Ländern profitieren alle Klassen vom herrschenden System.
Jede soziale Bewegung in den reichen imperialistischen Ländern ist unter dieser
Perpektive zu betrachten. Eine Massenbewegung hat nur eine sozialistische
Perspektive, wenn sie gegen den Imperialismus gerichtet ist. Eine solche
Massenbewegung existiert in den imperialistischen Ländern nicht.
Jahrezehntelang haben linke Parteien in Westeuropa und Nordamerika es sich
zur Aufgabe gemacht, den Kampf der Arbeiterklasse für höhere Löhne und
bessere Lebensbedingungen zu führen. Die besondere Position, welche die
Arbeiterklasse der imperialistischen Länder im globalen Zusammenhang
einnimmt, nämlich die einer Arbeiteraristokratie, wurde dabei nicht
berücksichtigt. Das machte diese Parteien zu reformistischen, unabhängig davon,
welche Namen sie tragen oder ob sie pro-sowjetisch, pro-chinesisch oder proalbanisch sind. Es kann nicht die Aufgabe von Kommunisten sein, für die
Aufrechterhaltung oder gar die Steigerung der Privilegien der
Arbeiteraristokratie zu kämpfen.
Unterstützt die antiimperialistischen Bewegungen in den ausgebeuteten
Ländern!
Nachdem antiimperialistische Massenbewegungen nur dort zu finden sind, wo der
Imperialismus Ausbeutung und Verarmung bedeutet, ist es die Aufgabe von
Kommunisten, die Bewegungen in diesen Ländern zu unterstützen. Die effektivste
Praxis, die Kommunisten in imperialistischen Ländern haben können, ist es,
antiimperialistische Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt zu unterstützen,
die gegen Kapitalismus und internationale Ausbeutung und für den Sozialismus
kämpfen. Wenn wir Bewegungen mit einer deutlich antiimperialistischen Politik
unterstützen, die eine Massenbasis und damit politische Stärke haben (oder
zumindest die Möglichkeit, eine solche zu entwickeln), dann können wir unseren
Teil zur Schwächung des Imperialismus beitragen.
Wenn wir die revolutionären Volksbewegungen in den Entwicklungsländern
unterstützen, dann deshalb, weil diese Bewegungen den größtmöglichen sozialen
Fortschritt für diese Länder versprechen und weil sie durch den Versuch des
Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft in ihrem eigenen Land einen Schritt hin
zum Aufbau des Sozialismus in der ganzen Welt tun, selbst wenn der Aufbau einer
sozialistischen Gesellschaft im eigenen Land nicht unmittelbar gelingen sollte. Es
gibt keinen direkten oder einfachen Weg von einer unterentwickelten und
ausgebeuteten Ökonomie zu einer sozialistischen. Trotzdem stellen die
Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt gegenwärtig die größte Gefahr für das
imperialistische System dar. Sie tragen zu Krisen des Imperialismus bei – Krisen,
die notwendig sind, wenn es auch in den reichen Ländern zu einer revolutionären
Situation kommen soll.
Im Gegensatz zum Kapital und zur Arbeiteraristokratie sind die Kommunisten an
Krisen interessiert. Wenn es zu diesen Krisen kommt, ist es nicht ihre Aufgabe,
die Privilegien der Arbeiteraristokratie zu verteidigen und das kapitalistische
System zu verteidigen. Kommunisten in den imperialistischen Ländern sollten
also nicht versuchen, die Auswirkungen der Krisen (Arbeitslosigkeit,
Lohnkürzungen usw.) abzuschwächen. Bereits angesichts der gegenwärtigen
ökonomischen Krise, die nur eine minimale Verschlechterung des
Lebensstandards in den reichen Ländern verursacht, breitet sich eine panische
Angst vor weiteren Krisen aus. Viele Linke – von den Sozialdemokraten bis zu sich
radikal gebärdenden linken Gruppierungen – konkurrieren mit den “bürgerlichen”
Parteien darum, die besseren Methoden zur Krisenbewältigung zu entwickeln. Ihr
Anliegen ist es, den herrschenden Lebensstandard zu verteidigen. Die
revolutionäre Perspektive der Krise gerät völlig in Vergessenheit. Dabei sind
Krisen aus revolutionärer Perspektive notwendig – und wenn eine richtige Krise
ausbricht, dann müssen Kommunisten gegen Chauvinismus, Rassismus und
Fremdenhass agitieren und gleichzeitig die antiimperialistischen Bewegungen
und progressiven Staaten der Dritten Welt unterstützen.
können die Krisen nur beseitigt werden, wenn der Kapitalismus eliminiert und
durch eine revolutionäre sozialistische Entwicklung ersetzt wird. Es ist jedoch
klar, dass die Arbeiteraristokratie dies erst dann begreifen wird wenn es zu dieser
Entwicklung kommt. Solange die Arbeiteraristokratie den Imperialismus
mitverwaltet, kann sie nicht durch blosse Aufklärungsarbeit und Propaganda in
eine revolutionäre Klasse verwandelt werden. Es ist die ökonomsiche
Entwicklung, die die Politik der Klassen formt.
Unterstützt die Befreiungsbewegungen materiell!
Es gibt viele Arten, auf die die Kommunisten der imperialistischen Länder
Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt unterstützen können. Die
Möglichkeiten unterscheiden sich von Land zu Land. Aber eines gilt überall: wenn
die Unterstützung von irgendeiner Bedeutung sein soll, muss sie in erster Linie
materiellen Charakter haben.
Ende der 1960er Jahre nahmen Mitglieder unserer Organisation an großen
Demonstrationen gegen den Krieg der USA in Vietnam teil. Aber obwohl der
Krieg medial sehr präsent war, stark diskutiert wurde und selbst in einem kleinen
Land wie Dänemark Tausende von Gegnern hatte, war die materielle
Unterstützung, die für vietnamesische Befreiungsbewegung geleistet wurde,
überraschend gering. Die Linke erklärte sich zu jener Zeit mit vielen
Befreiungsbewegungen solidarisch, doch das Resultat war immer das gleiche: es
gab einen eklatanten Gegensatz zwischen den militanten und kompromisslosen
Parolen und dem minimalen Nutzen, den Befreiungsbewegungen aus diesen
Solidaritätsbekundungen ziehen konnten. Der Grund war, dass es den meisten
Linken nicht in erster Linie darum ging, diese Bewegungen wirklich zu
unterstützen. Vielmehr ging es ihnen darum, das Thema dafür zu verwenden,
mehr Anhänger zu gewinnen: Menschen, die sich dann in die Kämpfe der
Arbeiteraristokratie in Dänemark einspannen ließen in dem illusorischen
Glauben, dass uns ein Kampf um Lohnerhöhungen dem Sozialismus näher bringt.
Die Entwicklung in den 1970er Jahren bestätigte dies. Nach dem Ende des
Vietnamkrieges war es nicht mehr möglich, die früheren Antiimperialisten für die
Unterstützung der Befreiungskämpfe im südlichen Afrika oder in Palästina zu
gewinnen. Die Linke hatte sich nun anderen Themen zugewandt, etwa der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Atomkraft, der
Umweltverschmutzung, Wohnungsfragen und Arbeitslosigkeit. Der
Antiimperialismus als zentraler Aspekt linken Aktivimus verschwand. Heute
lassen sich nur sehr wenige Menschen in Dänemark für antiimperialistische
Aktionen mobilisieren. Doch ist positiv zu vermerken, dass es trotzdem immer
wieder Gruppen in den imperialistischen Ländern gibt, die der materiellen
Unterstützung der Befreiungsbewegungen einen besonderen Stellenwert
zuschreiben. Das stärkt die Möglichkeiten dieser Bewegungen, den Imperialismus
zu besiegen. Gespräche mit Befreiungsbewegungen und Besuche bei ihnen haben
bestätigt, wie wichtig die materielle Unterstützung ist. Oft mangelt es vor Ort an
den elementaren Voraussetzungen, um den Kampf zu führen und das Leiden der
Massen zu lindern.
Wofür arbeiten wir?
Unser Ziel ist es, Antiimperialismus für den Kampf gegen die Unterdrückung und
Ausbeutung der Menschen der Dritten Welt zu gewinnen. Angesichts der
gegenwärtigen Verhältnisse wird es sich dabei notwendigerweise um
Einzelpersonen handeln, da es für Massenbewegungen mit antiimperialistischer
Perspektive im heutigen Dänemark keine objektive Basis gibt.
Die Solidarität, die wir propagieren, beruht nicht auf Mitleid oder bürgerlichem
Humanismus, sondern auf dem Bewusstsein, dass die Befreiung des Proletariats
in den ausgebeuteten Ländern eine Voraussetzung für die Zerstörung des
imperialistischen Systems und der Einführung des Sozialismus in Dänemark ist.
Die zwei Aspekte des politischen Kampfes, Theorie und Praxis, sind für uns
untrennbar. Wenn wir unsere Unterstützung so effizient wie möglich gestalten
wollen, kommen wir nicht umhin, die globalen ökonomischen und
gesellschaftlichen Bedingungen zu analysieren. Wir müsen wissen, welche
Widersprüche die zentralen sind, um so viel wie möglich für den Sozialismus tun
zu können. Es ist auch wichtig für uns, uns mit antiimerpialistischen Bewegungen
und Staaten in der Dritten Welt sowie mit antiimperialistischen Gruppen und
Organisationen in den reichen Ländern auszutauschen. Insbesondere wollen wir
unsere Ansicht zur Rolle des Imperialismus und zu den ökonomischen und
politischen Bedingungen in Westeuropa kundtun. Die meisten europäischen
Linken behaupten seit Langem die Solidarität der europäischen Arbeiterklasse
mit den Befreiungsbewegungen. Sie vermitteln Bilder, die mit der Realität in
Europa nichts zu tun haben. Wir werden den Befreiungsbewegungen daher
weiterhin erklären, dass sie nicht mit der Unterstützung der Arbeiteraristokratie
rechnen können. Sie müssen vielmehr Widerstand erwarten: nicht aufgrund von
Imformationsmangel und Unwissenheit, sondern weil die westliche Arbeiterklasse
eine Aristokratie und damit Teil einer globalen Oberschicht ist.
Die Unterdrückten und Ausgebeuteten werden siegen!