Interview mit dem Altersversorgungs

Rendite, Riester, Risiko –
Einflüsse der Anlagestrategien auf den Anlageerfolg
Interview mit Philip Wenzel, u.a. bekannt als Buchautor und Verfasser zahlreicher Produkt-Analysen und Textbeiträge z. B. im Versicherungsjournal.
Riesterverträge erhalten, wenn auch langsam, wieder einen Aufschwung.
Umso wichtiger ist es, daß in dieser Aufschwungphase geeignete Anlagestrategien gewählt werden, die die Riesterrente wieder zurück in die
Erfolgsspur bringen. Sind dann noch Kosten- und Bedingungstransparenz gewährleistet, zeichnet dies am Ende ein bedarfsgerechtes Produkt
aus, das auch den Wünschen und Bedürfnissen unserer Kunden entspricht. Eben ganz im Sinne unseres Reinheitsgebotes.
„Auf welche Anlageformen kann ich zurückgreifen? Wo liegen die Stärken und die Schwächen? Bietet der sogenannte „3-Topf-Hybrid“ eine willkommene Alternative?“ Wenn Sie diese Fragen interessieren, sind Sie hier genau richtig! Denn wer könnte Produkten besser auf den Zahn fühlen, als ein
Altersversorgungs-Spezialist aus der Praxis.
Warum eignet sich das so genannte iCPPI-Modell nicht
für langfristigen Vermögensaufbau?
Wenzel: Die individual Constant Proportion Portfolio Insurance, kurz iCPPI, ist sicherlich eines der am meisten
diskutierten Modelle am Markt. Die Faszination scheint
aber bei näherer Betrachtung auf Missverständnissen zu
beruhen, denn die Nachteile lassen sich auch ohne tieferes
Verständnis für Anlagestrategien erkennen.
Was ist iCPPI?
Wenzel: Wer iCPPI erklären kann, wirkt sicherlich für den
Kunden gleich wie ein Experte. Allein der ausgeschriebene
Name ist nicht ohne weiteres zu merken. Wie kompliziert
muss dieses System erst in der Anlage sein. Dabei ist es
eigentlich recht einfach.
Es gibt innerhalb des Modells zwei Anlagemöglichkeiten.
Eine Anlage ist relativ sicher. Das kann das Sicherungsvermögen eines Versicherers oder eines speziellen Wertsicherungs-Fonds sein. Die andere Anlage ist renditeorientiert.
Dabei handelt es sich in der Regel um die freie Anlage in
verschiedene Fonds.
Die sichere Anlage soll die Garantien bilden, die freie Anlage soll möglichst hohe Rendite erwirtschaften. Das klingt
mit Blick auf die volatilen Märkte sehr vernünftig.
Das Herzstück des iCPPI-Modells ist eine mathematische
Formel. Diese berechnet, welcher Prozentsatz der gezahlten Beiträge in das Sicherungsvermögen fließen muss, um
die Garantien darstellen zu können. Dabei werden neben
der Marktlage individuelle (dafür steht das „i“ in iCPPI)
Vertragsdaten berücksichtigt, wie die verbleibende Restlaufzeit, Beitragshöhe, Beitragspausen oder Zuzahlungen.
Der Anteil, der nicht für die Garantiebildung benötigt
wird, kann in die freie Anlage investiert werden. Und da
ein Totalverlust über Nacht sehr unwahrscheinlich ist, kann
dieser Anteil sogar noch maximiert werden. Je besser die
Märkte laufen und je länger die Restlaufzeit des Vertrags
noch ist, desto geringer ist das Verlustrisiko. Umso höher
kann auch der Anteil der freien Anlage sein.
Was ist die Stärke des Systems?
Wenzel: In konstant fallenden Märkten kann ein iCPPI-Modell Verluste vermeiden und eine relativ hohe Partizipationsquote darstellen. Fallen die Kurse aber so tief, dass kein
Anteil mehr für die freie Anlage übrig ist, offenbart sich die
größte Schwachstelle des Modells.
Noch bevor man sich mit Details auseinander setzt, lässt
sich schon rein logisch gegen dieses Anlagesystem argumentieren: Gäbe es eine mathematische Formel, die zu
100 Prozent die Rendite einer Anlage steigern würde, dann
würde diese mit Sicherheit überall eingesetzt werden.
Also muss es einen Haken geben.
Wo ist der Haken?
Wenzel: Es gibt sogar mehr als einen. Es beginnt mit den
hohen Transaktionskosten, da die Formel jeden Tag das
Portfolio umschichtet, um die – nach der mathematischen
Formel – ideale Anlagequote zu finden.
Schwerwiegender ist aber sicherlich die prozyklische Ausrichtung der Formel. Immer wenn die Märkte steigen, wird
mehr in Aktien investiert und wenn die Märkte fallen, wird
mehr in das Sicherungsvermögen gesteckt. Dadurch wird
konstant zum falschen Zeitpunkt gekauft und verkauft.
Denn eine gestiegene Aktie ist immer ein wenig zu teuer
und eine gefallene Aktie verkauft man immer mit einem
>>
>>
Verlust. Dieses als „behaviour gap“ bekannte Phänomen
mag im Einzelnen nicht groß ins Gewicht fallen, aber diese
Entscheidungen zum Ein-bisschen-falschen-Zeitpunkt fallen jeden Tag. Das summiert sich.
Was ist Cash-Lock?
Wenzel: Ebenfalls logisch ist, dass das Modell bei steigenden Märkten nicht mit reinen Aktienfonds mithalten kann,
da ja immer ein Teil des Beitrags für die Garantien zurückgehalten wird. Viel schlimmer ist allerdings, wenn die
Märkte so weit fallen, dass der Anteil der zur freien Anlage
zur Verfügung stünde, auf null sinkt. In diesem Moment
kann die Formel auch bei steigenden Märkten nicht mehr
in Aktien investieren, weil mathematisch gesehen alles
Geld zur Bildung der Garantien benötigt wird. Man spricht
hier von einem Cash-Lock. Das Geld ist im Sicherungsvermögen gefangen.
Diese Möglichkeit ist nicht nur theoretisch, sondern bei volatilen Märkten sogar sehr wahrscheinlich. Immer wieder
müssen iCPPI-Modelle liquidiert werden, weil das Geld im
Sicherungsvermögen feststeckt.
Warum gibt es trotzdem so viele Anbieter?
Wenzel: Der große Vorteil des iCPPI-Modells liegt in den
ersten Vertragsjahren. Aufgrund der langen Laufzeit kann
zu diesem Zeitpunkt ein großer Teil der Beiträge in die freie
Anlage investiert werden.
Versicherungsprodukte müssen aber nicht nur in den ersten zehn Jahren gut performen, sondern über 30, 40 Jahre
oder mehr. Und da verständlicherweise kein Mensch für
einen so langen Zeitraum eine Prognose abgeben kann,
sollte ein Anlagesystem imstande sein, in verschiedenen
Marktsituationen eine gute Rendite zu erwirtschaften.
Unterm Strich ist das iCPPI-Modell für langlaufende Versicherungsverträge ungeeignet, da dieses Anlagesystem nicht flexibel auf volatile Märkte reagieren kann. Viel
schlimmer noch: Es ist nur für eine einzige Marktsituation
ausgerichtet, nämlich anhaltend fallende Märkte. Wenn die
Aktien wieder steigen, kann an den möglichen Gewinnen
nicht partizipiert werden, da das Geld im Sicherungsvermögen gefangen ist.
Welches Anlagesystem empfehlen Sie bei Riester?
Wenzel: Bei langen Laufzeiten flexibel auf volatile Märkte
reagieren – der 3-Topf-Hybrid. Niemand kann in die Zukunft sehen. Aber ich kann meine Geldanlage auf die Zukunft vorbereiten. Das Zauberwort hierzu heißt Mischung
und Streuung. Wenn ich mein Geld über möglichst viele
Anlageklassen verteile, kann ich gute Rendite bei höherer
Sicherheit erreichen. Da aber nur wenige Kunden finanziell die Möglichkeit haben, mehrere Anlagen zu tätigen
und vielleicht auch weder Zeit noch Lust, sich damit zu
beschäftigen, ist hier der 3-Topf-Hybrid eine sinnvolle Lösung. Durch die sichere Anlage im Sicherungsvermögen
des Versicherers, dem Wertsicherungsfonds und der freien
Anlage kann auf jede Marktsituation flexibel reagiert werden.
Die Verteilung der Gelder in die drei Töpfe wird durch eine
Prognose und nicht einfach prozyklisch und trendfolgend
festgelegt. Dadurch lassen sich absehbare Verluste vermeiden. Eine Formel kann Ereignisse, wie beispielsweise
eine wichtige Wahl, nicht kommen sehen. Außerdem ist
ein Cash-Lock nicht möglich, was vor allem gegen Ende
der Laufzeit, wenn die Rente kurz bevor steht, von großer
Bedeutung sein wird.