schwerpunkt 2 Mittwoch, 16. November 2016 Freiburger Nachrichten Er studierte Wirtschaft, gründete einen Piraten-Radiosender und wurde Chef von Sat 1 in Berlin: Roger Schawinski gilt in der Schweiz als Medienpionier. Nun hat ihn die Universität Freiburg zum Ehrendoktor gemacht. Der Journalist mit Unternehmergeist Urs Haenni FREIBURG Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg ernannte gestern Roger Schawinski zum Ehrendoktor. Die FN trafen ihn zum Interview. Roger Schawinski, sind Sie ein geduldiger Mensch? Eigentlich nicht, ich bin fast immer ungeduldig. Ich versuche, dies zu ändern, und habe schon Meditationsseminare besucht, versucht, meine spirituelle Seite wieder hervorzuholen. Es gelingt mir dann auch, eine gewisse Zeit geduldiger zu sein, aber ich falle dann doch wieder in den alten Rhythmus zurück. Wie war es bei der Feier zum Dies academicus: Anderthalb Stunden warten, um den Ehrendoktortitel in Empfang zu nehmen? Damit hatte ich überhaupt kein Problem, weil ich wusste, dass mich etwas schaurig Gutes erwartet. Da fühlte sich das Warten leicht an. Bei Ihrer Talkshow «Schawinski» im Schweizer Fernsehen gewinnt man den Eindruck einer sehr ungeduldigen Person. Drückt da Ihre Persönlichkeit durch, oder ist das Taktik? Es ist Taktik und Persönlichkeit. Wenn man die Leute ausreden lässt, dann sprechen sie immer länger und länger und länger, und das Tempo der Sendung geht den Bach ab. Ich will aber ein relativ hohes Tempo in dieser Sendung behalten, damit die Zuschauer so kurz vor Mitternacht nicht wegdösen. Bei einer Veranstaltung vor einem halben Jahr in Freiburg sagten Sie, ein Journalist müsse zuhören können. Sind Sie ein guter Zuhörer? Ich glaube schon. Es gibt nichts Schlimmeres als Personen, die immer nur von sich selber erzählen. Solche gibt es ja. Ich bin als Journalist immer interessiert, etwas Neues zu erfahren, stelle deshalb auch viele Fragen und warte auf spannende Antworten. Wem und wann können Sie besonders gut zuhören? Natürlich den Menschen in meinem engeren Umfeld. Meiner Frau, wenn sie findet, ich müsse mir wieder etwas mehr Zeit für sie nehmen, und auch meiner Tochter. Da haben sie meine absolute Aufmerksamkeit, meine ‹undivided attention›. Vielleicht müssen sie mich zwischendurch ermahnen, nicht immer aufs Handy zu schauen. Gibt es bestimmt Themen, die Sie so richtig aufsaugen? Ja, vor allem Sachen innerhalb der Familie. Man muss sich immer wieder finden, wenn man unterschiedliche Standpunkte hat. Aufgrund meiner Lebenserfahrung mit gescheiterten Beziehungen erkenne ich Fehler vielleicht etwas früher als in jüngeren Jahren. Das heisst aber nicht, dass ich die Fehler nicht mache. 2014 brachten Sie das Buch ‹Wer bin ich?› heraus. War das der Moment, auf Sie selber zu hören? Ja, und es war eine sehr gute Erfahrung. Das Buch ist eine Autobiografie, und ich habe beim Schreiben sehr viel über mich entdeckt. Das war überraschend. Alles aufzudatieren und Sachen aus den Archiven hervorzuholen war eine spannende Reise zu mir selber. Die hat mir gutgetan. Sie haben schon einen Doktortitel in Nationalökonomie. Worüber schrieben Sie Ihre Dissertation? Ich interessierte mich damals stark für Entwicklungsländer und schrieb über den Tourismus in solchen Regionen. Es war eine Gelegenheit, die Dis- Roger Schawinski bezeichnet sich als ungeduldig; er will aber daran arbeiten. sertation nicht wie viele andere in der Bibliothek zu schreiben, sondern vor Ort zu machen: Ich war damals ein halbes Jahr in Guatemala. So habe ich meine Dissertation geschrieben und gleichzeitig viel über Lateinamerika erfahren. Jetzt ist es der Ehrendoktortitel der Universität Freiburg. Welcher Doktortitel ist mehr wert? Die beiden Titel sind etwas völlig Unterschiedliches. Auf den einen kann man hinarbeiten: Man weiss, was zu tun ist. Den anderen kann man nicht direkt beeinflussen. Der eine kommt zu Beginn einer Karriere, der andere meist am Ende. Der Ehrendoktor ist eine Art Preis für das Lebenswerk und für eine ausserordentliche Leistung. Das ist in der Eigenbeurteilung immer schwierig einzustufen. Weil ich den Ehrendoktor nie erwartet habe, ist die Freude doppelt und dreifach gross. Die Urkunde ist in Latein verfasst. Verstehen Sie etwas davon? Latein habe ich nie gelernt. ‹Rugerum Schawinski›, das verstehe ich noch einigermassen. ‹Turicensum›, das ist Zürich. Und dann ‹quoque contro monopoli informacionis›, und so weiter: Doch, mit Italienisch und Spanisch kommt man der Sache schon näher. Wenn es denn eine Auszeichnung für ein Lebenswerk ist: Was denken Sie, was gab in Ihrem Fall den Ausschlag für die Auszeichnung? Ich war sehr oft am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Ich erkannte beispielsweise 1979 zum richtigen Zeitpunkt, dass man mit Radio etwas Neues machen konnte. Das Gleiche war 1994 mit Telezüri, oder schon vorher, 1974 mit dem ‹Kassensturz›: Diese Sendung ist ja heute noch erfolgreich wie eh und je. Und erstaunlicherweise lebt derjenige noch, der diese Sendung gegründet hat: Das bin ich, und ich komme nicht mal im Rollator daher. Ich habe auch zum richtigen Zeitpunkt meine Firma verkauft und bin als Angestellter und Manager zu Sat 1 nach Berlin gegangen. Das war eine wunderbare Zeit und hat mein Leben bereichert. Wenn man Sie selber um Ihre Meinung befragt: Welches Werk ist am nachhaltigsten? Nachhaltig war ganz sicher der ‹Kassensturz›: das erste Konsumentenmagazin am Schweizer Fernsehen, das sogar die Westschweiz übernommen hat. Dann natürlich Radio 24 und die Radioszene, die daraus entstanden ist, und natürlich die Lokalfernsehszene. Das alles ist nachhaltig. Vor allem auch die Tatsache, dass die Radios sich auf Journalismus konzentriert haben und nicht nur Klamauk machen, wie zum Teil Privatsender in Italien oder Frankreich. Waren Sie rückblickend gesehen mehr Journalist oder mehr Unternehmer? Früher sagte man immer, es brauche eine klare Trennung zwischen Verlag und Redaktion. Ich war anderer Meinung. Als Journalist habe ich auch die verlegerische und unternehmerische Aufgabe übernommen. Aber weil ich Journalist bin, habe ich immer die journalistischen Kriterien in den Vordergrund gestellt. Ich glaube, das Resultat spricht für sich: Ich konnte als Journalist etwas erreichen, während irgendwelche seelenlosen Manager mit irgendwelchen abhängigen Journalisten versuchen, etwas zustande zu bringen. Im Namen der neuen Ehrendoktoren hat Mario Vargas Llosa eine Ansprache gehalten. Hat es Sie gewurmt, dass nicht Sie diese halten durften? Überhaupt nicht. Ich bin ein grosser Verehrer von Vargas Llosa. Ich lese seine Bücher seit vielen Jahren und habe allgemein eine besondere Beziehung zu Lateinamerika. Ich habe auch eine Schule in Chile gegründet, die es heute noch gibt. Vargas Llosa ist für mich nach dem Tod von Gabriel Garcia Marquez der grösste lebende lateinamerikanische Dichter. Es ehrt mich, dass ich neben ihm sein durfte an diesem Anlass. Das war absolut wunderbar. Kam es auch zu einem Austausch zwischen Ihnen beiden? Ja, ich hatte mit ihm schon vor der Bild Corinne Aeberhard Feier kurz gesprochen. Zum einen über die politische Lage im Zusammenhang mit Donald Trump. Zum andern über sein Buch ‹Das Fest des Ziegenbocks›: eines seiner vielen Bücher, das mich total beeindruckt hat. Er hat mir dazu noch ein paar Hintergrundinformationen gegeben, etwa wie er für das Buch recherchiert hat. Es war wie andere Begegnungen heute sehr bereichernd. Sie haben am Tag vor dem Dies in Freiburg eine Vorlesung gehalten. Was ist Ihre Beziehung zur Uni Freiburg? Bisher eigentlich eine sehr lockere. Ich selber habe in St. Gallen studiert. Die Beziehung zu Freiburg ist jetzt erst langsam am Entstehen. Wir sind daran, unsere Tochter, die gerade die Matur gemacht hat, dafür zu interessieren, dass sie hier an die Uni kommen und so nebenbei auch noch richtig Französisch lernen könnte. Das kann ich mir gut vorstellen. Die Stadt und die Umgebung gefallen mir enorm. Ich werde heute Nachmittag noch die Altstadt so richtig erkunden. Als Zürcher scheint man keinen wich- tigen Grund zu haben, nach Freiburg zu kommen. Ich hatte jetzt einen und bin froh darum. Gibt es etwas, das Sie aus der Fassung bringen kann? Zum Beispiel ein Kabarettist mit Gockelfrisur? Ach, das war nur ein einmaliges Ereignis und nichts Weltbewegendes. Und sonst? Sonst schon, laufend. Zum Beispiel zuletzt die Nacht der amerikanischen Präsidentschaftswahlen: Da sass ich um 23 Uhr vor den Fernseher und um 2 Uhr morgens hatte ich das Gefühl, da fahre ein riesiger 40-Tönner mit heulendem Motor und Scheinwerfern auf mich zu. Er kam immer näher und wurde immer lauter, und ich konnte mich nicht wegbewegen: Er würde mich überfahren. Und um 4.30 Uhr morgens, als klar wurde, dass Donald Trump gewinnt, war ich emotional tatsächlich überfahren. Ich bin bis um 10 Uhr ungläubig vor dem Fernseher geblieben. Das brachte mich wirklich aus der Fassung, weil wir alle nicht wissen, was jetzt da passieren wird. Zur Person Vom Radiopirat zum Sat-1-Geschäftsführer «Wer bin ich?»: Unter diesem Titel hat Roger Schawinski 2014 ein Buch über sein Leben und sein Werk in der Medienbranche herausgegeben. Der Titel ist eine Anspielung auf die Frage «Wer bist Du?», mit der er heute noch seine wöchentliche Talkshow «Schawinski» auf dem Fernsehsender SRF 1 eröffnet. Der 71-jährige Zürcher Journalist und Medienunternehmer hatte die Handelsschule absolviert und die Matura im Selbststudium erlangt. Nach einem Wirtschaftsstudium an der Hochschule St. Gallen und einem MBA in Michigan wurde er 1972 Doktor in Nationalökonomie. Bereits während des Doktorats wurde Schawinski journalistisch tätig. 1974 gründete und leitete er die Sendung «Kassensturz» im Schweizer Fern- sehen, von 1977 bis 1978 war er Chefredaktor der Tageszeitung «Die Tat» des Migros-Gründers Gottlieb Duttweiler. 1979 sendete Schawinskis Radiosender Radio 24 erstmals. Da damals noch ein absolutes Monopol der SRG galt, strahlte Schawinski mit dem damals stärksten UKW-Rundfunk-Sender der Welt vom Pizzo Groppera aus in die Schweiz. Darin gründet Schawinskis Ruf als Radiopirat. Nach Demonstrationen und einem Song von Polo Hofer erhielt Radio 24 vier Jahre nach dem Start offiziell eine Konzession. Später lancierte er auch Zürcher Lokalfernsehen. Von 2003 bis 2006 war Schawinski Geschäftsführer bei Sat 1 in Deutschland. Zurück in der Schweiz gründete er Radio 1 und kaufte den Jugendsender Radio 105. uh schwerpunkt Mittwoch, 16. November 2016 Freiburger Nachrichten Staatsratswahlen 3 Nobelpreisträger mobilisiert für Kultur Am Feiertag der Universität Freiburg, dem Dies academicus, wurden gestern fünf Persönlichkeiten zu Ehrendoktoren ernannt. In ihrem Namen rief Mario Vargas Llosa dazu auf, sich für die Kultur einzusetzen. Urs Haenni Stéphane Peiry SVP-Staatsratskandidat Warum sollen die Freiburgerinnen und Freiburger gerade Sie wählen? Durch meine zehn Jahre im Freiburger Grossen Rat, wovon fünf in der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission, habe ich wichtige politische Erfahrung sammeln können. Ich kenne viele Dossiers und weiss, welches die Herausforderungen der nächsten Jahre für den Kanton Freiburg sind. Durch meinen Beruf als Treuhänder kenne ich auch die Sorgen und Schwierigkeiten der kleinen und mittleren Unternehmen. Ich finde es wichtig, dass jemand aus der Wirtschaftswelt Einsitz im Staatsrat nimmt. Nicht zuletzt hat die SVP durch ihre Wählerstärke die Legitimität, Verantwortung in der Regierung zu übernehmen und damit Anrecht auf einen Staatsratssitz. I Was möchten Sie unbedingt in das nächste Legislaturprogramm einbringen? Die grösste Herausforderung für den Kanton Freiburg ist das Schaffen von neuen Arbeitsplätzen für junge Leute. Viele, die in Freiburg eine Lehre oder eine höhere Schule abgeschlossen haben, müssen in anderen Kantonen nach Arbeit suchen und verlassen Freiburg deshalb. Diesen müssen wir wieder Stellen anbieten können. II Was kann der Kanton III tun, um die Wirt- schaftsleistung zu verbessern? Der Kanton Freiburg muss möglichst schnell die Unternehmenssteuerreform III umsetzen. Auch brauchen wir eine aktive Bodenpolitik. Der Kanton soll Teile des Landes, die als strategische Zonen definiert wurden, kaufen können. Dafür soll er meiner Meinung nach hundert Millionen Franken aus dem Vermögen nehmen. Dieses Land kann er dann Unternehmen mit einer hohen Wertschöpfung zur Verfügung stellen. Was würden Sie sagen, IV wenn in der nächsten Legislatur nur eine Frau im Staatsrat wäre? Dieser Entscheid liegt bei den Wählerinnen und Wählern. Und es ist auch die Wahl der linken Parteien. Wir Bürgerlichen haben immer gesagt, dass wir das Recht haben auf fünf Sitze. Für die Linke bleiben damit zwei Sitze; Jean-François Steiert könnte den beiden Frauen also den Vortritt lassen. Dass wir auf der bürgerlichen Liste für die diesjährigen Wahlen keine Frau aufstellen konnten, war ein Zufall. Bei den nächsten kantonalen Wahlen in fünf Jahren werden wir sicher Kandidatinnen präsentieren können. mir/Bild cr/a Am 27. November findet der zweite Wahlgang für den Freiburger Staatsrat statt. Die FN stellen diese Woche allen vier Kandidatinnen und Kandidaten dieselben Fragen. FREIBURG Der Ehrendoktortitel bedeute für ihn Emotion und Anerkennung, aber auch Engagement und Verantwortung. Dies sagte der peruanische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa gestern am Dies academicus der Universität Freiburg. Vargas Llosa sprach in seinem Namen und in dem der anderen neuen Ehrendoktoren Timothy Radcliffe, Jacques de Watteville, Roger Schawinski (siehe Interview Seite 2) und Albert W. Bally. Mit Engagement meinte Vargas Llosa nicht nur, dass er gestern Nachmittag einen öffentlichen Vortrag an der Universität hielt, sondern viel mehr das Engagement für die Kultur und die Wahrheit. Die Männer und Frauen der Kultur stünden alle im selben Kampf, so der Literat. «Die Feinde der Kultur sind mitten unter uns. Sie banalisieren und frivolisieren die Kultur.» Er rief die Künstler, Professoren, Denker, Forscher und Schaffer dazu auf, für die Kultur einzustehen. «Geben wir den Ängsten nach, droht die Katastrophe. Doch nichts kann uns vor Katastrophen besser schützen als die Kultur», so Vargas Llosa in tadellosem Französisch. Institutionen unter Beschuss Nicht die Kultur als solche, sondern die Institutionen müssten geschützt werden, forderte Roger de Weck, Generaldirektor der SRG und Ehrenpräsident des gestrigen Dies der Universität Freiburg. De Weck mahnte, dass Institutionen wie Regierung, Parlament, Gerichte, die SRG und Medien schlechtgeredet werden. «Doch ein so heterogenes Land wie die Schweiz ist auf Institutionen angewiesen.» Mit Blick auf Ein Nobelpreisträger in Freiburg: Der neue Ehrendoktor Mario Vargas Llosa. die Uni Freiburg betonte er: «Eine Uni repräsentiert genau jene Werte, welche die Institutionen stark machen.» Rektorin Astrid Epiney nahm diese Gedanken in ihrer Begrüssungsansprache auf. Bei Themen wie der Krise des Rechtsstaates gehöre es zu den vornehmsten Aufgaben der Universität, einen Beitrag zu leisten. «Dabei ist gerade die Volluniversität insofern gefragt, als es häufig um interdisziplinäre Fragestellungen gehen wird und entsprechende Kooperation gefordert sind», so Epiney. Sie nannte dabei das Zentrum Islam und Gesellschaft an der Schnittstelle von Religionswissenschaften, Theologie, Recht und Soziologie. «In der Sache sind alle Disziplinen gefordert», sagte Epiney. «Denn jede Disziplin und jede Forschungsrichtung steht in der einen oder anderen Weise in Bezug zu bedeutenden gesellschaftlichen Fragen.» Rückschau gehalten Der Dies academicus bietet jedes Jahr Gelegenheit, einen Rückblick- und Ausblick auf die Entwicklung der Universität zu halten. Rektorin Astrid Epiney erwähnte in erster Linie den Entscheid zur Schaffung eines Master-Studiengangs in Humanmedizin. Aber Bild Charly Rappo/zvg auch der Abschluss von internationalen Abkommen, die Schaffung und Vorbereitung neuer Studiengänge und der Erhalt von finanziellen Mitteln für Forschungsprojekte fanden Erwähnung. Zum 50-Jahr-Jubiläum des Departements für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung in diesem Jahr sprach Professor Manuel Puppis zum Thema «Krise der Medien und mögliche Auswege». Im Namen des Universitätspersonals machte Sophie Tritten darauf aufmerksam, dass in Freiburg unter allen Schweizer Universitäten am wenigsten Verwaltungspersonal pro Student angestellt sei. Zum Begriff Der akademische Feiertag Als Dies academicus bezeichnet man einen akademischen Feiertag, an dem die Lehrtätigkeit unterbrochen wird. Er diente früher der Förderung der Identität der Universitätsmitglieder und der Werbung neuer Studenten. In Freiburg findet eine Messe statt, die Uni erstattet den Behörden Bericht und verleiht die Ehrendoktortitel und akademischen Preise. uh Leitartikel Fahrettin Calislar M Damit die Nägel auch wirklich im Holz stecken bleiben an müsse den Gürtel enger schnallen, heisst es oft, von Politikern, vom Vorgesetzten oder vom Ehepartner. Und nun heisst es auch wieder: Wir müssen den Gürtel enger schnallen, was unseren Energieverbrauch betrifft. So oder so. Egal, ob die ersten Schweizer Kernkraftwerke nächstes Jahr oder erst ab 2019 abgestellt werden. Denn so ruckzuck lässt sich die Versorgungslücke nicht mit sauberem Strom aus dem In- und Ausland decken. Denn den Beelzebub mit dem Teufel auszutreiben und deutschen Kohle- oder französischen Atomstrom einzukaufen ist politisch nicht mehrheitsfähig. Da muss man was tun dafür. Also heisst es so rasch wie möglich die nötigen sicheren Ersatzkapazitäten aufzubauen, auf dass sich Frau und Herr Schweizer auch weiterhin ihr Frühstücksei kochen können. So oder so heisst: Im Kern wollen die Atomausstiegsinitiative der Grünen, über die wir am 27. November abstimmen, und die Energiestrategie 2050 des Bundes dasselbe – den Verzicht auf Atomstrom, so rasch wie möglich. Um- stritten ist das Tempo, die einen betonen «rasch», die anderen «wie möglich». Die einen wollen den vollständigen Ausstieg 2029, die anderen 2034. Der Unterschied ist – im Vergleich der über 50-jährigen Geschichte der Kernkraft in der Schweiz – klein. Welche der beiden Varianten ist also nun die bessere? Die Antwort ist keine Antwort des Kopfes, sondern des Bauches. Und des Vertrauens. Die Energiestrategie und das daraus resultierende Gesetz – so ausgewogen und mehrheitsfähig sie auch sind – müssen viele Klippen überwinden, bis sie tatsächlich umgesetzt werden. Eine Volksinitiative und ein Ausführungsgesetz sind in ihrer Tragkraft stärker. Wenn also tatsächlich der echte Wille da ist, auf die Energiegewinnung aus spaltbarem Uran zu verzichten, ist die konsequentere Initiative vorzuziehen. Wenn auch die Alpeninitiative beweist, dass Volksinitiativen nicht leicht umzusetzen sind. Will man sich jedoch die Option offen halten, in zehn Jahren wieder aus dem Ausstieg aussteigen zu wollen, ist die Energiestrategie wohl der bessere Weg. Kosten werden beide ein Heidengeld. Denn der teuerste Pos- ten ist das geplante Atomendlager. Das kommt unabhängig vom Tempo des Ausstiegs. Irgendwo müssen die Abfälle aus dem Betrieb und Rückbau der fünf Kraftwerke ja hin. Der Ersatz der wegfallenden Kapazitäten – das ist allen klar – braucht Anstrengungen. Die Förderung erneuerbarer Energien muss forciert werden, die Schweiz muss sich im Ausland um «saubere» Energie bemühen, die Effizienz bestehender Kraftwerke und bei den Verbrauchern muss erhöht werden. Das lässt sich rasch realisieren. Vor bald 31 Jahren ging das Sowjet-AKW Tschnernobyl in die Luft. Der nukleare Fallout breitete sich über halb Europa aus. Salat essen war nicht empfohlen. Fisch? Erst recht nicht. Auch bei der Muttermilch gab es Vorbehalte. Die Schweiz beschloss viel später, Anpassungen an ihrer Energiepolitik vorzunehmen. 2007 – 21 Jahre nach Tschernobyl – wurde ein erstes griffiges Massnahmenpaket lanciert. Und 2011, nachdem im japanische Kraftwerk Fukushima die Reaktorkerne schmolzen, stellte der Bundesrat umgehend eine Strategie auf die Beine. Und mit ihr hat er Nägel mit Köpfen gemacht. Mit dieser Er- kenntnis – wenn es sein muss, kann die Politik effizient arbeiten – lässt sich hoffen, dass der Bund rasche Massnahmen umsetzt und der Ersatz absehbar ist, vorausgesetzt, der Wille dazu bleibt. Schliesslich hat die Schweiz eine der innovativsten und effektivsten Industrien der Welt. Und es ist heute schon so, dass nie alle Kraftwerke gleichzeitig laufen. Beznau 1 ist seit März 2015 abgestellt und geht wohl nie mehr ans Netz. Leibstadt ist auch schon während einer Weile down und wird nicht vor Februar 2017 hochgefahren. Kurzum: Wenn schon aussteigen, dann gleich richtig. Der Rückbau der Anlagen muss ohnehin geplant werden und ist eine grosse Herausforderung; egal, ob heute oder morgen damit begonnen wird. Die Schweiz soll schon heute damit beginnen und es nicht auf morgen verschieben. Der genaue Zeitpunkt ist auch bei einer Volksinitiative nicht in Stein gemeisselt, einen Blackout riskiert niemand. Mit der Energiestrategie hat der Bund zwar tatsächlich einen Nagel gemacht, doch am Kopf kann man einen Nagel wieder aus dem Holz herausziehen. Die Verfassung und die Initiative garantieren den Ausstieg.
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