Hessisches Energiespar-Aktion Gastbeitrag: Strategien gegen Algen- und Pilzbefall an Fassaden www.energiesparaktion.de www.energieland.hessen.de Was tun gegen Algen? Algen und Pilze sind ein natürlicher Bestand- Kein Monat vergeht, in dem nicht über Algen nützliches, sondern auch wichtiges Puzzleteil und Pilze auf Fassaden gesprochen, diskutiert in unserem Ökosystem. Diese besonderen und beraten wird – das Thema ist und bleibt Kleinstlebewesen sind sehr genügsam und aktuell. Viele Gebäudeeigentümer, Handwer- können daher auf nahezu allen Oberflächen ker und Planer fragen sich, warum der Algen- leben. Auf Fassaden sorgen sie meist nur für befall an Fassaden immer mehr zunimmt und unansehnliche Verfärbungen (Abb. 1), im was man dagegen tun kann. Der Fachbeitrag schlimmsten Fall, zum Beispiel im Fall weitrei- gibt einen Überblick über die Ursachen und chender Durchfeuchtungen, können sie das die möglichen Lösungsansätze sowie über Bauteil nachhaltig schädigen. Demzufolge die besondere Verantwortung der fachge- sind sie Eigentümern von Gebäuden wenig rechten Planung. willkommen. teil unseres Lebensraumes und nicht nur ein Kay Beyen, Bad Hindelang Wie entsteht Algenbefall? Wer mit offenen Augen durch die Städte und Dörfer spaziert, wird immer wieder dunkle Flecken und Schatten an Fassaden entdecken und sich fragen: Wie entsteht der Befall – insbesondere an der Fassade – und wieso nimmt dieser in den letzten Jahrzehnten immer weiter zu? Im Grunde ist die Antwort ganz simpel: Die immer weiter gehende, konsequente und wichtige Schonung unserer Ressourcen zur Energieversorgung hat zu hoch technisierten, optimal gedämmten Gebäudekonstruktionen geführt. Dies wiederum verändert jedoch die Bedingungen, die an den Bauteiloberflächen herrschen. So sind die heutigen Fassaden durch den reduzierten Wärmefluss von innen nach außen erheblich kühler und schaffen daher die besten Voraussetzungen für einen Tauwasserausfall an der Bauteiloberfläche. Darüber hinaus tragen die reduzierten Oberflächentemperaturen dazu bei, dass der Trocknungsprozess der Bauteiloberflächen bei einer Bewitterung langsamer wird. Die sich stetig reduzierenden Luftschadstoffe haben dafür gesorgt, dass sich die Luftqualität über die Zeit erheblich verbessert hat. Dies kommt nicht nur den Menschen, sondern allen Organismen zugute und wirkt sich positiv auf die Lebensbedingungen aus. Voraussetzungen für einen Algenbefall sind optimal Somit sind heute mit Feuchtigkeit und einem gewissen Sporenanteil die beiden wichtigsten Voraussetzungen gegeben, um auch auf Bau1 2 Umwelteinflüsse Bautechnische Eigenschaften Klimatische Einflüsse Lage: - innerstädtisch / ländlich - Industriegebiet - Wohngebiet - im / am Wald Gebäudeart: - Architektur, Gestaltung - Hochhaus, Bungalow - gegliederte oder kubische Fassade - Vorsprünge Lage: - Seeklima - Gebirge - Gewässer - regenreiche oder trockene Landstriche Standortbedingung und Grad der Verschmutzung: - Wohngebiet - Durchgangsstraße - Industriegebiet - Mischgebiet Schadstoffe: - Abgase - Luftqualität Klima: - Temperatur - Luftfeuchtigkeit - Niederschläge Natürliche Umgebung: - hausnaher Pflanzenbewuchs - Sporenbelastung Oberfläche: - Art des Werkstoffes - Struktur, Details Gebäudeausrichtung: - Wetterseite - geschützte Flächen - exponiert oder Innenhof Detailausbildung: - Wasserführung - Dachüberstand - horizontale Abdeckung - Spritzwasserzone Pflege / Instandhaltung: - Beseitigung von Mängeln und Verschmutzungen Klima: - trockene Jahre - feuchte Jahre - warme Jahre - kalte Jahre Materialspezifische Einflüsse Wind: - Sporenverteilung Art der Oberfläche: - Putz, Anstrich - Metall, Glas, Naturstein, Kunststoff Temperatur: - Jahresdurchschnittstemperatur (min./max.) Materialeigenschaften und -qualität: - Aufnahme / Abgabe von Feuchtigkeit - w-Wert, sd-Wert - Materialart - besonnt / verschattet - Güte - glatt / strukturiert - weiß / farbig / hell / dunkel Licht: - UV-Einwirkung 2 1 Egal, ob gedämmte oder ungedämmte Fassade: Algen und Pilze befallen Fassaden aufgrund verschiedenster Ursachen . genug, sind in unseren Breiten die Bedingungen hin- 2 Übersicht der heute bekannten Einflussgrößen für das Risiko eines Algen- und Pilzbefalls an Fassaden. ebenfalls ideal gegeben und runden die Rahmenbedin- sichtlich der nötigen Temperatur und Lichtversorgung gungen für Algen und Pilze ab. 3 Wer beim Konstruieren nur den Mindeststandard nach den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ erfüllt, kann einem Algenbefall nicht sicher vorbeugen. [Zeichnung aus: Richtlinie „Metallanschlüsse an Putz und WDV-Systeme“, Ausgabe 2003, Hrsg.: Fachverband Ausbau und Fassade, Baden-Württemberg] Vier Strategien für algen- und pilzfreie Fassaden Die Frage lautet nun: Wie kann ein Weg zu einer algen- teiloberflächen dem Algenbefall Vorschub zu leisten. und pilzfreien Fassade gefunden werden und worauf ist Außerdem lassen sich in fast allen modernen Baustoffen dabei besonders zu achten? Welche der genannten Fak- die von den Mikroorganismen benötigten Nährstoffe toren können von uns bewusst beeinflusst werden und nachweisen, so dass in der Regel ein weiterer wesent- welche nicht? Welche Einflussgrößen wir heute kennen licher Faktor für einen Befall gegeben ist. Dem nicht ist in Abb. 2 übersichtlich dargestellt. Auf die Rahmenbedingungen, die uns Umwelt und Klima vorgeben, haben wir keinen bzw. nur einen geringen Einfluss. Wer möchte schon gern in München arbeiten und in der Sahara wohnen, um sein Gebäude vor Feuchtigkeitseinwirkungen zu schützen?! Was wir jedoch entscheidend verändern können, sind die bautechnischen und materialspezifischen Einflüsse. Betrachten wir als erstes die Strategien bei der Materialauswahl. Strategie 1 – hydrophobe Oberputze, welche die Feuchtigkeit abweisen Als Oberputze werden organisch gebundene Produkte, wie zum Beispiel Silikon- und Kunstharzputze, verwen3 det. Insbesondere Silikonputze erfüllen diese Aufgabe 3 lichen Abnutzung der Oberfläche des Edelkratzputzes beruht. Diese Abnutzung lässt sich förmlich an den abgewitterten Zuschlagskörnern erkennen, die gut sichtbar auf dem Boden vor einer solchen Putzfassade liegen. Neben dem vorstehend beschriebenen Effekt, hat die dickere Putzlage noch einen weiteren Nutzen – so wird über die Masse eine erhöhte Wärmespeicherung erreicht, was die Zeit bis zum Erreichen der Taupunkttemperatur verzögert und somit für einen ausgeglichenen Feuchtehaushalt der Putzfläche sorgt. Mindestmaß der Auf-/Abkanthöhen und der Tropfkante Gebäudehöhe [m] Maße Ortgang-Abschluss Strategie 3 – zusätzlich biozid ausgerüstete Oberputze und Anstriche Abstand Tropfkante vom Bauwerk (fertiger Putz), nach VOB mind. 20 mm*) Aufkantung h1 [mm] Abkantung h2 [mm] <8 40 - 60 > 50 > 20* 8 - 20 40 - 60 > 80 > 20* > 20 60 - 100 > 100 > 20* In der Regel rüsten Putzhersteller organische Oberputze wie zum Beispiel Kunstharzputze zusätzlich mit Bioziden aus. In Kombination mit Anstrichsystemen werden so sehr hohe Bioziddeptos geschaffen, welche selbst bei * bei Kupfer mind. 50 mm 4 Eine zusätzliche Blechaufkantung verhindert bzw. minimiert ablaufendes Wasser über die Fassade auch bei Wind. 5 Oberputze mit mikroskopisch glatter Oberfläche können aufgrund ihrer hydrophilen und hydrophoben Eigenschaften die Feuchte auf der Oberfläche schnell verteilen, ohne sie in das Putzsystem eindringen zu lassen. extremen Bedingungen einen Schutz gewähr4 leisten können. Es ist dabei aber auch zu be- besonders gut, da sie zum einen bei einer äu- denken, dass sich die Biozidwirkung mit der ßeren Feuchtebelastung sehr wenig Feuchtig- Zeit abbaut und eine Nachbehandlung oder keit aufnehmen und zugleich eine gute Diffu- Überarbeitung in gewissen zeitlichen Abstän- sion von innen nach außen zulassen. Wie das den unerlässlich ist. Auch sind Biozide in der funktioniert, zeigen innovative Oberputze der letzten Zeit stark in die Diskussion geraten, da Bauindustrie, die bei einer Schichtdicke von ihr Einfluss auf die Umwelt nicht vollständig 2 mm einen sd-Wert (wasserdampfdiffusions- erforscht ist. So laufen zurzeit umfangreichen äquivalente Luftschichtdicke) von 0,12 – 0,16 Studien, welche diesen Sachverhalt näher be- m erreichen und somit den w-Wert (Wasser- leuchten und für Aufklärung sorgen werden. aufnahme) auf > 0,10 kg/m h 2 0,5 reduzieren. Strategie 2 – dickschichtige Putzsysteme mit hohem Wärmespeicherungsvermögen Strategie 4 – hydrophile Oberputze mit besonderen Eigenschaften Hier eröffnen moderne Bindemittelkonzepte einen neuen Weg, insbesondere im Bereich In der Regel sind dies dickschichtige minera- der dünnschichtigen mineralischen Endbe- lische Endbeschichtungen wie Edelkratzput- schichtungen. Neu entwickelte Oberputze ze mit hoher schützender Anfangsalkalität. mit Photokatalyse verfügen über eine mikro- Gegenüber dünnschichtigen mineralischen skopisch glatte Oberfläche (Abb. 5) mit hy- Oberputzen bleibt diese Alkalität erheblich drophilen und hydrophoben Eigenschaften. länger erhalten können, was auf der natür- Während die Feuchtigkeit auf der hydrophilen Oberfläche schnell und weit verteilt wird, verhindert eine hydrophobe Schicht im unteren Oberputzbereich ein zu tiefes Eindringen der Feuchtigkeit ins Putzsystem. Somit findet durch die großen wirksamen Fläche und die gute Diffusionsfähigkeit eine schnelle Rücktrocknung statt. Das moderne Bindemittel verstärkt den Selbstreinigungseffekt durch die Photokatalyse und bietet einen natürlichen und zugleich aktiven Schutz vor organischen Verschmutzun5 4 6 7 6, 7 Bilanziert man die jährliche Fungizid-Auswaschungen von verputzten Wandflächen mit der Fungizid-Belastung aus der Landwirtschaft, zeigt sich, wie gering der Anteil aus dem Hochbau für die Umweltbelastung insgesamt ist. gen (Abb. 4). Ein weiterer, ausschlaggebender Vorteil Wer aus der heutigen Sicht „modern“ konstruiert und dieses Konzeptes ist der vollständige Verzicht auf Biozi- gestaltet, muss den Bauherrn auf diese höheren Risiken de, die sowohl bei Bauherren als auch Planern zuneh- schon in der Entwurfsphase hinweisen, denn nur zu die- mend auf Vorbehalte stoßen. sem Zeitpunkt können solche grundlegendene Rahmenbedienungen noch beeinflusst werden. Bautechnische Einflüsse In der Ausführungsplanung reicht bei solchen Gebäu- In den heutigen Diskussionen um die Algenproblematik „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (a. a. R. d. kommen die bautechnischen Einflüsse oft zu kurz, und T.) nicht aus (Abb. 3), da in solchen Fällen vorausgesetzt es wird “lediglich“ auf die Materialauswahl abgestellt. werden kann, dass das erhöhte Risiko für einen Algen- Jedoch ist und bleibt die Bautechnik der wichtigste Ein- befall dem Planer bekannt ist. Daher muss gemäß den flussfaktor überhaupt, und so kommt insbesondere dem a. a. R. d. T. sowie den unzähligen Richtlinien und her- Planer frühzeitig – lange vor der Ausführungsplanung ausgegebenen Fachbüchern zu dem Thema bei einem und Umsetzung – eine besondere Sorgfaltspflicht zu. erhöhten Risiko auch eine dem Risiko angepasste Aus- Moderne Gebäude (Abb. 6), die aus gestalterisch-for- führungsplanung erfolgen. malen Gründen ausschließlich mit Attikaverblechungen Die Richtlinie „Metallanschlüsse an Putz und Wärme- einen konstruktiven Witterungsschutz erreichen, bergen dämm-Verbundsysteme“ empfiehlt aus genau diesem ein weitaus ein höheres Risiko für einen Algenbefall als Grund eine Blechaufkantung. Diese verhindert bzw. mi- Lösungen mit großen Dachüberständen, wie sie eher im nimiert ablaufendes Wasser über die Fassadenfläche, sogenannten Landhausstil (Abb. 7) zu finden sind. selbst bei Wind und Sturm (Abb. 4). den die reine Erfüllung der Mindeststandards nach den Inspektionszyklen für WDV-Systeme vorzunehmende Prüfungen nach einem Prüfzyklus von fünf Jahren Prüfung Prüfmethode Umfang der Prüfungen Erkennung techn. Hinweise Prüfung auf Risse Augenschein Erdgeschoss und weitere Geschosse gebrauchsüblicher Abstand, höher liegende Geschosse mittels Fernglas je nach Größe und Anzahl Dichtigkeit von Bauanschlüssen Augenschein in jeder Himmelsrichtung eine Prüfstelle exemplarisch, mind. alle zwei Etagen Wasserränder, Verfärbungen, Ablaufspuren bei Undichtigkeiten alle Anschlüsse prüfen und geeignete Maßnahmen zur Abdichtung treffen zusätzliche Prüfungen zu den oben aufgeführten nach einem Prüfzyklus von zehn Jahren Dichtigkeit von Bauanschlüssen Augenschein in jeder Himmelsrichtung eine zusätzliche Prüfstelle exemplarisch, in jedem Geschoss Wasserränder, Verfärbungen, Ablaufspuren bei Undichtigkeiten alle Anschlüsse prüfen und geeignete Maßnahmen zur Abdichtung treffen 8 5 Das Risiko trägt der Fachbetrieb Der Teufel liegt sowohl im Detail als auch in der Nachsorge Investoren, die trotz besseren Wissens um Konstruktionsdetails und die seit Jahrzehnten kontrovers geführ- Wie sich Planer und Bauherren auch immer entschei- ten Diskussionen zum Algen- und Pilzbefall an Fassaden den: Ob moderne Architektur oder eher klassische Lö- einfach nur die Mindestanforderungen an Gebäudekon- sungen – eines ist beiden Varianten gewiss. Nur der rich- struktionen erfüllen, bürden dem Bauherrn und dem tige Mix aus Konstruktion und Materialität, die versierte ausführenden Fachbetrieb bewusst ein hohes Risiko für Handwerkskunst des ausführenden Fachbetriebes und einen Befall auf. Wobei meist nur der Fachbetrieb zur eine verantwortungsbewusste Nachsorge vermögen Haftungsfrage für den Befall belangt wird, obwohl das heute das Risiko für einen Fassadenbefall mit Algen und Risiko mit ein paar kleinen konstruktiven Details hätte er- Pilzen maßgeblich zu minimieren. Die absolute Sicher- heblich minimiert werden können. heit gibt es noch nicht. Jedoch gibt es allen Beteiligten ein besseres Gefühl, alles in ihrer Macht stehende ge- Pflege und Wartung tan zu haben. Das Ergebnis beziehungsweise die Mini- Der Pflege und Nachsorge der Fassadenfläche kommt so gut und sicher sein, wie es von der Funktionalität des heute viel zu wenig Aufmerksamkeit zu. Jedem Haus- Details letztendlich vorgegeben wird – daran zweifelt haltsgerät wird eine Gebrauchsanleitung mitgegeben. wohl keiner der am Bau Beteiligten. mierung des Risikos eines Algenbefalls kann immer nur Aber was erhält der Bauherr beim Bezug seines Hauses? Oft sehr wenig und meist nichts zur Pflege der Fassade. Die Fassade ist die Haut des Hauses, sie erfüllt alle Funktionen, wie unsere menschliche Haut, nur pflegen wir sie nicht so bewusst. Regelmäßige Inspektionen und Funktionstests tragen erheblich dazu bei, Alterungsschäden an Fassaden zu reduzieren. Dies reduziert quasi nebenbei auch das Langzeitrisiko eines biologischen Befalls mit Algen und Pilzen (Abb. 8). Impressum Autor Kay Beyen, Leiter Anwendungstechnik bei der Baumit GmbH, ö. b. u. v. Sachverständiger für das Stuckateurhandwerk HWK Düsseldorf Baumit GmbH Reckenberg 12, 87541 Bad Hindelang, Tel. (08324) 9210 [email protected], www.baumit.com Herausgeber Hessische Energiespar-Aktion Rheinstraße 65 Dies ist ein Gastbeitrag der Firma Baumit GmbH, der 64295 Darmstadt einen guten Überblick über die heute schon verfügbaren www.energiesparaktion.de Möglichkeiten gegen Algenbewuchs an Fassaden gibt. Tel. 0 61 51 29 04-56 Aus Gründen der Neutralität sei darauf verwiesen, dass Fax: 0 61 51 29 04-97 Hauseigentümer auch bei anderen Putz- und WDVSHerstellern entsprechende Produkte finden. Die Branche Bildnachweis: arbeitet insgesamt an immer besseren und umweltscho- Baumit GmbH, 87541 Bad Hindelang nenden Lösungen. 6
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