Frontlinien AMMAR ABDULLAH/REUTERS Geostrategisches Spielfeld: Seit mehr als fünf Jahren wird in Syrien ein brutaler Stellvertreterkrieg ausgetragen. Die Golfstaaten und ihre westlichen Verbündeten zielen auf eine Zerschlagung der arabischen Republik. Von Karin Leukefeld SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 11. NOVEMBER 2016 · NR. 264 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Angeschlagen Ausgebremst Ausgelaugt Angenähert 3 4 9 15 Skandale und verschärfte Repression: Das Image von Südkoreas Präsidentin ist schwer ramponiert Berlin ist kolossal verschuldet. Viele »rot-rot-grüne« Pläne stehen deshalb in den Sternen DGB stellt Index »Gute Arbeit« vor. Beschäftigte beklagen Über lastung im digitalen Zeitalter Maria Heiner hat eine biographische Skizze über die Malerin Lea Grundig (1906–1977) vorgelegt Killerspiele beim Bund USA zu zivilen Opfern bei Luftangriffen gegen IS Washington. Bei Luftangriffen des US-geführten Kriegsbündnisses gegen den »Islamischen Staat« im Irak und in Syrien sind nach Angaben des Pentagon in den vergangenen Monaten mehrere Dutzend Zivilisten getötet worden. Im Zeitraum vom 20. November 2015 bis zum 10. September 2016 seien 64 Menschen ums Leben gekommen und acht verletzt worden, teilte ein Militärsprecher mit. Seit 2014 starben nach Angaben der US-Armee 119 Zivilisten bei den Luftangriffen, 37 wurden verletzt. Die in London ansässige Gruppe »Airwars« zählte indes von Beginn dieser Attacken am 8. August 2014 bis zum 6. November dieses Jahres bis zu 2.647 getötete Zivilisten bei insgesamt 624 berichteten Kriegshandlungen. (AFP/Reuters/jW) Bundeswehr rekrutiert immer mehr Minderjährige. Kommunale Meldeämter und Youtube helfen dabei. Von Susan Bonath Grün hinterm Ohr, aber Knarre in der Hand: Grundausbildung in der Leipziger General-Olbricht-Kaserne Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Norbert Müller, bezeichnete die Praxis als »Skandal«, der »umgehend gestoppt werden muss«. »Militärische Interessen dürfen nicht länger Vorrang vor den Schutzrechten Minderjähriger haben«, kritisierte Müller am Donnerstag. Außerdem untergrabe die Bundesregierung so die Intention der UN-Kinderrechtskonvention. Mehrfach habe der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes von Deutschland gefordert, die Rekrutierung von Jugendlichen durch die Bundeswehr zu stoppen. Dem habe sich auch die Kinderkommission des Bundestages angeschlossen. Statt dessen werbe das Militär immer offensiver »Kindersoldaten« an. Jüngstes Beispiel dafür ist die neue Webserie »Die Rekruten«, die auf dem Portal Youtube läuft und rund 1,7 Millionen Euro kostete. Darin inszeniert die Bundeswehr die Soldatenausbildung als »Abenteuer für Grenzgänger«. Laut Gesetz darf die Bundeswehr schon 17jährige ausbilden, wenn deren Eltern sich damit einverstanden erklären. Geschult werden die Jugendlichen auch an Waffen. Zu Auslandseinsätzen darf sie die Jungen und Mädchen allerdings erst nach ihrem 18. Geburtstag schicken. Gleiches gilt für Wachdienste. Für neues Kanonenfutter sorgt das Heer nicht nur in Schulen, wo Jugendoffiziere zum Teil bereits vor Neuntklässlern referieren und Lehrer mit Schülern Truppenübungsplätze besuchen. Die Bundeswehr schickt 16- und 17jährigen auch gezielt Werbung ins Haus. Die Kommunen helfen ihr dabei. So erlaubt das Soldatengesetz den Einwohnermeldeämtern der Städte und Gemeinden, dem Personalmanagement der Bundeswehr jeweils zum 31. März Namen und Anschrift von Jugendlichen zu übermitteln, die im darauffolgenden Jahr das 18. Lebensjahr vollenden. Im kommenden Frühjahr betrifft das alle im Jahr 2000 Geborenen. Laut dem Bundesmeldegesetz kann den automatischen Datentransfer nur derjenige verhindern, der bis zum Ende des Vorjahres bei seinem Bürgeramt der Weitergabe widerspricht. Auch die Stadt Dresden berief sich Ende Oktober gegenüber der Sächsischen Zeitung auf ihre gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Militär. »Die Datenübermittlung dient der Zusendung von Informationsmaterial über die Streitkräfte an potentielle Rekruten«, argumentierte die Stadt. Zugleich wies sie auf das Widerspruchsrecht bis zum 31. Dezember hin. Viele Städte informieren hierzu auf ihren Webseiten, so zum Beispiel Berlin. Danach ist ein Veto gegen die Weitergabe von persönlichen Daten an »öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften« sowie »in besonderen Fällen« möglich. Letzteres schließt die Bundeswehr ein. Braune Provokation in Jena Am 9. November marschierten Neonazis mit Fackeln und Trommeln durch die Unistadt U nter dem Protest von etwa 1.500 Antifaschisten zogen am Mittwoch abend etwa 80 Neonazis mit Trommeln und Fackeln durch Jena. Während des Aufzugs trugen die Rechten einen Sarg, auf dem auf der einen Seite »Antifa« und auf der anderen »Demokratie« zu lesen war. Das rechte Bündnis »Thügida« um die Protagonisten David Köckert und Alexander Kurth versuchte so erneut, in der Universitätsstadt zu provozieren. Ausgerechnet am 9. November, dem Jahrestag der Pogromnacht von 1938, wurde ihnen ermöglicht, aufzumarschieren. Die Stadt Jena hatte zuvor erfolglos versucht, den Aufmarsch um einen Tag vorzuverlegen. Sie war damit aber vor den Verwaltungsgerichten gescheitert. Bei den Kundgebungen der extrem Rechten und der Gegendemonstranten wurden vier Polizeibeamte verletzt, wie die Polizei in Jena mitteilte. Wegen einer Reihe von Straftaten werde ermittelt, darunter Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch und Körperverletzung. Mindestens ein Neonazi zeigte vor Polizisten auch den verbo- tenen »Kühnengruß«, wie die Rechten auf einem ins Internet gestellten Video dokumentierten. Der Mann wurde von den Beamten nicht belangt. Alexander Kurth drohte während des Aufzugs Gegendemonstranten und Medienvertretern. »Euch allen wird das Lachen eines Tages vergehen«, schrie er ins Mikrophon. Sprechchöre wie »Blut und Ehre der deutschen Nation« oder »Frei, sozial und national« waren zu hören. Vor allem auf die antifaschistisch engagierte Landtagsabgeordnete Katharina König (Linke) zielten die rechten Hetzreden. Eine Neonaziband hatte bei Youtube Ende Oktober zum Mord an König aufgerufen. Jana Semmler, Sprecherin der Antifaschistischen Aktion Jena, kritisierte am Donnerstag das enorme Polizeiaufgebot, das Auffahren von Wasserwerfern und den Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray und Hunden gegen Neonazigegner. Die Stadtverwaltung habe zudem nicht genug getan, den Aufmarsch zu verhindern. »Die Stadt Jena scheint sich mittlerweile mehr um das Gelingen der ›Thügida‹-Aufmärsche zu sorgen als um ihre Zivilgesellschaft«, so Semmler. Michael Merz FRANK RUMPENHORST/DPA-BILDUNK B eim deutschen Militär dienen immer mehr minderjährige Soldaten. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres traten 1.576 Rekruten ihren Kriegsdienst an, die noch keine 18 Jahre alt waren – ein Rekord seit dem Aussetzen der Wehrpflicht im Juli 2011. Das teilte das Ministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag mit. Die Antwort liegt jW vor. Demnach stieg die Zahl der jugendlichen Soldaten innerhalb der vergangenen fünf Jahre auf mehr als das Doppelte. 2011 hatte die Bundeswehr insgesamt rund 14.700 Rekruten eingestellt, von denen fast 700, knapp fünf Prozent, noch nicht volljährig waren. In den Jahren 2012 bis 2015 verzeichnete das Heer jeweils 21.000 Neuzugänge. Die Zahl der Minderjährigen kletterte derweil von 1.200 auf mehr als 1.500. Inzwischen sind gut sieben Prozent der Rekruten unter 18 Jahren alt. Der kinder- und jugendpolitische Gemeinnützigkeit von ATTAC gerichtlich bestätigt THOMAS SCHULZE/DPA Kassel. Die globalisierungskritische Organisation ATTAC ist gemeinnützig. Das zuständige Finanzamt in Frankfurt am Main hat dem Trägerverein für die Jahre 2010 bis 2012 die Gemeinnützigkeit zu Unrecht entzogen, wie am Donnerstag das hessische Finanzgericht in Kassel entschied. Politische Aktionen stünden dem nicht entgegen, solange ATTAC damit seine gemeinnützigen Satzungsziele verfolge. Konkret könne sich die Gruppierung insbesondere auf das Ziel der politischen Bildung berufen, hieß es. Alle ATTAC-Aktionen seien eng in ein »umfassendes Informationsangebot eingebunden gewesen«. Das Finanzamt Frankfurt am Main III hatte dem Trägerverein 2014 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Spenden an die Organisation waren daher nicht mehr steuerlich absetzbar, wogegen ATTAC klagte. (AFP/jW) Siehe Seite 8 wird herausgegeben von 1.909 Genossinnen und Genossen (Stand 10.11.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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