3lnic ^iirrfjcr Mtn% Leonard Cohen Hinweis mil seine Songs Wh. Das gibt es immer wieder: man hört jemanden reden oder singen, nimmt Wörter wahr und erfaßt Satzordnungen und weiß noch nicht, was ausgedruckt werden soll - und versteht doch das Ganze. Man versteht, bevor man weiß, und macht sich nuf, um dus Wissen an die Seite des Verstehcns zu bringen; die deutsche Umgangssprache sagt dafür: einer Sache nnchgehn». Das ist vielleicht eine Umschreibung für «menschlich leben». Und die Begegnung mit Kunst wäre glcichnishaft, wäre Modell für ein allgemeineres Der Sache nachgehn So auch bei diesem «Sony' . SU /AN NT Suiannv lukcs von down in her place nein ihe rlvei ) oii um hear tltc boats vo hy You vnii spend ihr night beslde her crai Ami you know Ihm she's hall y Hm ihat's why you wanl to bc liiere lud \/k feeds you lea und oranges I Ittil conic all ihr woy hont China And lusl when you mean tt> teil her Thal \<m Inn i- im love in glve hei Fiten \he vets you an her wavelenglh And sin- lets ihr rivei tmswer /hat you've atways been her tover hui \nu wanl lo Havel wilh her And von wanl to Havel blind And you hin» thai she will iru.il you I oi voit've touched her per/eel body uith youi wind And Jesus was a suilot When h e wulked upon ihe walei iml In \penl ii h'in: iiine walcliing I mm bis Iniieh »linden Iowei \nd when he kni'W tot' ccrlaill Onlv drowning inen coitld see hui) lle sind <AII inen will he snilors I niil e i h seil \ludl free ihent» 00 LITERATUR UND KUNST llten Hut he Idmself was hinken l.onn before ihe sky wonld open loisaken. almost human lle sank henealh your wisdom Itke a stoin And von wanl lo Havel wilh him And von wanl lo Havel blind lud von lliink tnavhe you'll trnsl htm Im he\ iiiiiiliid sonr perleil bod\ Willi Ins nu'nd S'ow Suziinnc takes your Ittind \nd she leads von lo tltc river Site is weorlng rags and fealhers I rom Snlvniioit Ariny cotimeis \nd ihe snn ponrs down like hone\ On um lady ol ihe hinhoui And \lic s/unvs von wliete to look Among tlte garbage and ihe flo\ver\ I here nre herot's in ihe seaweed I here aii' i luldrcn in ihe morilillg I hey are letming out for love \nd ihe\ will lean that way forevei WMle Snzattne hotds ihe mlrror \on wanl lo Havel wilh her And you wanl lo trnvel blind And you know you can trtist hei I in she's toiuhed your peifeet bod\ wilh her inind. Der erste Teil des Songs ist ein Irritierendes Gewebe banaler Sprache in mythischer Tönung. Nichts Erlesenes; doch huscht Erlesenheit über das Gewöhnliche hin und rückt zusammen im Schluß: «And you wallt lo Havel wlth her .» . . Dort steht: «You can hear Ihe boats go In. An der entsprechenden Stelle im /weiten Teil des Sonys heißt es: When he walked upon the water. Die Gegenwart des ersten Teils ruft einer Vergangenheit. Die Erfahrungen in rd e Gegenwart Vergangenheit Ösen aus: e S c h u l ziehen im Wasser ii n Jesus wandelte aul dem Wasser. Die Stimme im «Du» verstummt. Das Erziihlcn rückt ib in die drille Person, ins «Er» (-You can spend». he spent»; «you know . <he knew>). Jesus schaute in die lW e l vom hölzernen Turm herab: vom Kreuz, vom Ort der Erniedrigung, der ein Drl der Erhebung ist. Und da Jesus erkannte, dtlß ihn nur die Ertrinkenden zu sehen vermögen, da pracll er: «All men will he sailors then Until the sea shall Iree them» die Menschen gehen über Wasser, sinken und weiden im Sinken erfahren. daß es Befreiung gibt letzt rücken die Worte wieder zur näheren Sphäre des «Du» heran. Der Lrlöseitrosi wird dadurch, daß der Erhobene auch die nenschlich Tiefen kennt, den Ort rd e Vorlüufigkcitcn; Gcbrochenscin unter geschlossenem Himmelsgewölbe. Der Erlöser wurde Nachbar; «almosi human He sank henealh vom wisdom like u stono I i hat den Menschen angerührt; Vertrauen ist möglich And you wanl lo Iravcl wilh him And von wanl lo travel blind Det drille Peil des Songs gehl wieder aul die egenwart des ersten leih zurück. Suzannc nimmt dich bei der Hand um\ führt dich zum Strom aus dem Zwischcnbcrcich fort an den Rand ihres Elements. Und die Nacht wird ein helles l.ehensmeer. Sonne strömt in honigfarbener Flut auf unsere Lady ol the harhour . auf unsere ehe I rau aul Maria, die Heilige, die Schiitzerin aller Hinfahrt und Ausfahrt. Suzanne? Sie geht in Lumpen, in ledern vom Heilsarmee-Drok< : 1250 Jahre St. Ein Sonntag, 21. Dezember l%9 Nr. kenhaus. Ist sie Maria? Ist Maria auch Suzanne? Göttliches und Menschliches glühen Jetzt mystisch, eins im andern. Der Blick in einer Well von Ablall und Hlumen wird fähig für Bilder des Erhabenen («hcrocs in the seuweed», Helden im lang), für werdendes Leben im werdenden Tag: Kinder im Morgen: sie lehnen nach Liebe, und so weiden sie hinauslehnen, immer. Sie erkennen sich in Su/anne-Maria. im Spiegel der lieben Iran. Die Einstimmung ist erreicht: Im/ you iw»» in um i/ ii ah hei l/irf roii ».»ii io Havel blind \ml you kiiuu um can /ihm hei I or she\ tonehed yotn perfeel bod) nilh hei nninl. - «Suzannc»: ein Song von Leonard Cohen. ( ohen ist 93-1 geboren, in Montreal. Er studierte an d n e Universitäten McCiill und Columbia. 1955 M sein erstei Gedichthand erschienen. «Lei us 1 compare Mythologics : ll'M fhc Spice-Box ol Earth ; 1964 «Flowers for Hitler: die vierte Sammlung. 1966, heißt Parnsites ol Heaven Neben den Gedichten stehen die erzählenden Werke: Ihe favouritc Game (1963) und Bcou. tiful 1 osers ( 1966). Mythologies kann .ils ein Kennwort lüi I eontircl Cohens Dichten gelten, in welchem antike, jüdische, christliche Mylhcnströnic ineinander geführt werden mit einet Einbildungskraft, die das Phantastische in dci Banalität unterzubringen vermag: Eros und Agape, gefärbt von ntzücken und Iraner: frosl und Verlorenheil. durchwittert \on einem Lächeln, das plötzlich wcgschmilzt, dem bitteren Tragen Platz macht und wieder auftaucht. Vielleicht am unmittelbarsten ist dies alles zu erfahren in den Songs: aul der Schallplatte «The Songs ol Leonard Cohen (mit den Stücken: «Suzannc»; «Masler Song : Wintei I ndj The Siranger Song . Sistcrs ol Mcrcy»; So long, Marianne : llev. fhat's no way to saj Goodbye»; Stories ol the Street' : Teaehcis : One ol us Dichten aus Whitmuncannot bc Wrong»). sehem Erbe und in symbolistischen I rnditionen mit unverwechselbarem Ton. Cohens Von. Dei lud I ei us eompare 1 : Galler Bildungstradition \praehgcschichtllchei Hin k nul die Ui länge des Klon er s Sl. Gallen Von Sie/an Sondereggcr 1969 sind es 125(1 Jahre seil der Gründung lies Klosters St. Gallen her. ohne daß dieses Ereiglis irgend festlich begangen worden wäre. loch bcdcutcl der Name St. Gallen vor allein international gesehen unendlich viel weit mehr ais in der kleinen Schweiz, selbst, vor allem im Rahmen von Wissenschaft und Bildung, als Sammelpunkt verschiedenster Forschungszweige geislesgeschiehtlicher Richtung, als eines der ersten Handschriftenzentren antiker und mittelalterlicher Ucbcrlicfcrung, als alpcnländischcr Angelpunkt /wischen germanisch-deutschem Norden und antik-romanischem Süden, wenn wir es mit den Der Mann, der das singend erzählt, Überliefert seinen Ion und sein Wort dem Zauber einer Lita- Kulturbcgriffcn des Frühmittclaltcrs betrachten, nei /wischen Wachen und Träumen, zwischen als südlichster alemannischer Grcnzpunkl im MisNüchternheit und Entrückung. In dem. was er sionsbistum Konstanz außerdem, doch in fruchtsagt, sind prii/ise Hegebenheiten. Orte und Dinge barer Beziehung zum romanischen Chur seit den .reale Verhältnisse . nach denen man heiligen Gallus im frühen 7. Jahrversteckt Iragen möchte (wer ist Suzannc, welcher «river . Zeilen des hundert. was lüi ein harbout welche Stadt'.'). Und da Anfänge St. Gallens gehen aul Gewiß, die man fragt, den Realitäten nachfragt, gibt dci Song die Antwort, daß er selbst Realität ist: eine den irischen Glaubensboten Gallm oder Gall zurück, den Bcglcitci Kolumbans, der wenn eigene: neue, in sich mit einer unverwechselbaren r e Vita Sei. Galli folgen lieberkrank in Aura; mit nichts /u tauschen. Litanei in einem wir d /wischenreich, aus einem Zwischenreich, wo nicht Bregenz zurückblicb und (>I2 alsbald im Voralpengebiet der fischreichen Steinach die Einsiedelei Ich redet und nicht »Er», sondern eine Stimme und damit den Keim zur später nach ihm be.ins «Du», aus /weiter Person, an welcher Ich nannten Siedlung St. Gallen mitten im gewaltigen und «Er> teilhaben in welcher alle sind, beiArbonerforsl begründet hat wie es die lateininahe das Man schen Quellen sagen in solitudinc silvarmn. in Suzannc takes you down to her place near the heremo aspero ei aquoso, Itabens inontes excelsos by.» go You can hear the boats angustas vulles et beslias diversax. rivei Man ist hinuntergeführt, in die Nähe des Stroms. Du hörst et Solche Beschreibung erfüllt nicht allein das die Schiffe vorüber/iehn. Du hörst sie und die Maß mittelalterlicher Topik, sondern einspricht, Nacht ist da. ehe sie durch dieses Wort gegeben siedlungsgeschichtlicher und namenwird: 'You can spend ihe night beside her.» Du wie wir ausForschung erkennen können, durchaus kundlicher kannst die Nacht hin hei ihr sein. Und du weißt: noch bis ins 9. und Suzanne denkt und fühlt nicht ganz gegenwärtig, dem tatsächlichen Befund 10. Jahrhundert hinein. Es war keine günstige ganz aber auch nicht entrückt: sie denkt und fühlt spätere Stadt, kein Zentrum des .ml der Schwelle /wischen Dasein und Hinüber- .Statte für eine Verkehrs, kein natürlicher Knotenpunkt. Um so sein she's halt crazy». Sie ist ein Doppelwesen, erstaunlicher, wie sich hier etwas Europäisches, aul dem Grenzstreifen /wischen Festland und etwas von Weltgeltung entwickeln konnte. St. GalW .issei : sie gehört ins Geschlecht der Melusinen. Anfänge liegen in der Verehrung, die man der Wasserfcen. Und das ger.ide lockt einen, bei lens dem sprachgewaltigen und wirkungsvollen Glauihr /u sein, /wischen Tester Erde und Mut. bensbolcn Gallus entgegengebracht hat. Mythos mythiSo sintert der herein. Unter Von einer geschlossenen Bildungstradition schem Schimmer wird die Zärtlichkeit rd e Nähe in die Erfahrung der lerne und der Weite gewoben: St. Gallens kann man aber erst seit der Klosterdie Frau vom Strom, Frau vom Meer, gibt dir gründung durch den Alemannen Otmar im Jahr Tee und Orangen, und das kommt von weit, «from 719 sprechen. Während man früher den Ausbau der Gallus-Zelle zum Kloster durch Otmar in C hina . Jet/t müßte die Liebe als eine Gegengabe möglich werden. Und eben wo du der Frau sagen die Zeit um 720 setzte, können wir seit den willst, daß du keine Liebe hast, welche du geben weitreichenden Eorsehungen von Prälat Professor konntest da holt sie dich aul ihre Wellenlänge Johannes Duft. Stiftsbibliothekar, St. Gallen, dem und antwortet dir im Strom: daß du immer ihr wir so viel für die Wiederbelebung von St. Gallen als mediävistischer Forschungsstättc verdanken, Liebender gewesen. Ereignis mit Sicherheil auf das Jahr 719 festDie Sprache arbeitet zwischen Gewöhnlichkeit, das Technisch-Alltäglichem und poetischer Verrük- setzen. Von der losen und nicht sicher völlig konkung. «Wavelength . Wellenlänge: ein technischer tinuierlichen Klausnerzeit der Einsiedelei gelangte weitblickende, freilich in aber auch an- St. Gallen durch die Terminus und auch so gemeint spielend, hinühei spielend /um Reden der Wellen die Schwierigkeiten der Zeit verstrickte Tätigkeit Abtes seines ersten Olniar Sequenz /u einer geschlossenen Wasserfee, Strom, die deren im das Grenzwesen, nicht nur versteht. Hindern ebenso und mit Gütern ausgestatteten Klosterorganisation. die 747 seit etwa sich als jetzt Andern, Gemeinschalt unter macht, dir. Und dem möch verstehen Benediktinerregcl stellte. test du mit ihr gehen: und es ist nicht nötig, daß die Mit dem frühen Neuansatz von 719 stehen du wachst und rechnest: du kannst blindlings gehen, denn ihr Vertrauen hält dich: du bist an wir vor einer der ältesten Kloslergründungen im ihr Wesen herangekommen, durch das Vermögen deutschen Raum: die nachmals so berühmten des Fühlens. des Denkens und durch Neigung und Klöster aul der Reichenau (724). in Fulda (744). Verlangen. in Murbach (727), in Lorsch (764) oder im bayri. - ichen Raum liegen spater, wenn sie auch lür Jic Sprachbildung des Deutschen von ähnlicher Bedeutung wie St. Gallen sind. Ferner dar! hier betont werden, daß schon bald nach den ersten Anfängen des Klosters St. Gallen im 8. Jahrhundert eine Schrifttradition einsetzt, eine Schreibschule entsteht, Codices und Urkunden ab- oder neugeschrieben weiden, ja selbst Volkssprachlichcs zur Aufzeichnung gelangt. Das ist keinsewegs selbstverständlich eine größere, reichere althochdeutsche Ucbcrlicfcrung setzt eigentlich erst seit dem Anlang des 9. Jahrhunderts ein. last gleichzeitig dann an verschiedenen Orten des karolingischen Reiches, gefördert und mitbestimmt von Karl dem Großen selbst. Alles, was vor 800 in deutscher Sprache aufgczcichnci worden ist, trägt den Stempel höchster Altertümlichkeit und verdient besondere Aufmerksamkeit. Es ist -- soweit es alemannisches Sprachgul bildet auch noch last völlig frei von den späiei immci deutlicher werdenden fränkischen F.inflUsscn. So auch das Althochdeutsche von St. Gallen, dessen schriftlich überlieferte Anlange ins 8. Jahrhundert zurückweisen, wenn man auch hier bis zu einem gewissen Grade an Gallus selbst anknüpfen kann. Zunächst führt uns der Name St. Gallen noch einmal zum Begründer der Einsiedelei zurück. Daß dieser Name in frühalthochdeutsche Zeit zurückreicht, darl nicht nur aus dem natürlicherweise vorauszusetzenden Gebrauch einer althochdeutschen gesprochenen Sprache der Klausner. Mönche un<\ Anwohner von Einsiedelei und späterem Kloster geschlossen werden, sondern auch aus dem Reflex einer althochdeutschen Namensfügung in der Latinität der Urkunden. Die irische Form (iall. die als Beiname «Gallier, von gallischer Herkunft»1 bedeutet, erscheint nämlich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts im Namen für die Stätte des Glaubensboten zunächst ausschließlich in der Latinisicrungsform Gallo, Gallonis. Erst seit 74.S tritt die Form Gallus, Ciulli daneben. Wir erblicken in der ersten und zunächst allein herrschenden Latinisicrungsform des 8. Jahrhunderts den direkten Reflex der althochdeutsch anzusetzenden Lautung Gallo, Genitiv Dativ Ciullin (alemannisch). Gallen (fränkisch), wie sie Otfrid von Weißenburg im Widmungsgedicht seiner Evangelienharmonie an die mit ihm befreundeten St. Galler Mönche Hartmuat und Werinber um t 870 als sanete Gallen (Dativ) verwendet. Wir fassen hier einen sprachlichen Ueherheferungsvorgang in seiner frühmittelalterlichen dreistufigen Uebersetzungsproblematik. wie er für die Sprach- und Geistesbeziehungen der Zeil nicht typischer sein könnte: irischer Name Gall, althochdeutsche Einverleibung nach dem Muster der üblichen Kurznamcn {Gallo), Einbettung in die Urkunden- und Kanzlcilatinilät {Gallo. Gallonis später Colins). Die deutsche Torrn, obwohl älter als ihre klosterlateimsehen Umsetzungen, erscheint zunächst noch kaum in schriftlichem Gewand, doch leuchtet sie durch die Latinitäl der Irühalthochdeutschen Zeit schon deutlich hervor, um in der Namens- und Mundartform St. Gallen. Gallentag und ähnlich erst recht ihre alte, schwach Neue Zürcher Zeitung vom 21.12.1969 7!<R (FernBUsgabc Nr. 350) 49 flektierte Form althochdeutscher Sprachgcbung zu bestätigen. Auch über den Namen St. Gallen hinaus erscheint der Glaubensbole Gallus mil dem Althochdeutsehen seiner Zeit, seines Wirkungsiaumes und der späteren Jahrhunderte eng verbunden Wil wollen hier nur aul zu ei Bereiche hinweisen. Das erste Zeugnis einer deutschen, also Volksprachlichcn Predigt schon im 7 lahrhundcri mitten untei noch heidnischen Alemannen liegt bei Gallus. Die verschiedenen lassungen der laleinichen Vita berichten davon, dal.' der spruchmitchlige Glaubensbote vor der Zerstörung der heidnischen Heiligtümer in Bregenz. vielleicht auch schon in Tuggen. gepredigt habe. Eine an die alemannischen Heiden gerichtete Missionsprcdigl leitete die Zerstörung des Heidentums ein. Die neuere wissenschaftliche Forschung über dieses Problem ist sich mindestens darüber einig, daß Gallus des Alemannischen mächtig war. Erst recht müssen wir dies lür die spätere Zeit seines Wirkens in dci von ihm M2 auserkorenen Einsiedelei St. Gallen bis zu seinem Tod um 650 annehmen. Nicht nin bildet et dort eine kleine Klausnergenieinscb.il l .ins inheiniisehen mögen sie auch teilweise aus der galloheran romanischen Chiistensicdlung Arbon am Bodcnscc entstammt sein, sondern ei tritt wenn auch sehr zurückhaltend in eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dem benachbarten alemannischen Raum untet dem Herzog Kunzo, dessen Sitz sich in Ucbcrlingcn befand. Auch in Konstanz hat Gallus gepredigt, bei der Ernennung seines Schülers Johannes zum Bischol im Jahr 615: hier freilich lateinisch, während der eben geweihte Bischol Johannes d.tnw zum Volk alemannisch sprach. Ausdrücklich aul des heiligen Gallus Sprachv ermögen nehmen drei Verse in Notkers I. des Dichters bruchstückhafl in Dialogform erhaltener Bearbeitung dei Vita saneti Galli aus dem späten l) Jahrhundert Bezug. wo es vom Glaubensmann heißt: 1 Post evangeltuni petuni l t veihuni faeiul Gallus in aurlhus Cunclorum, qula seil Romulee (Glosse: laline) et Teiitonlce loqui. Das heißt: nach dem Evangelium verlangen Gallus das Wort erhebe für die Ohren aller, denn er versteht Lateinisch und Deutsch zu sprechen sie. aul daß Schon mit dem Hinweis aul Notkei I. Balbulus oder poeta (um 840 bis 912) ist der zueile Bereich gegeben, auf den wir aufmerksam machen wollen: die dichterische Verherrlichung des Gründers Gallus stellt auch in St. Gallen und selbst aul der Reichenau ein Stück Literatur- und Bildungslradition dar. Sie reicht /u den großen Dichtei gestallen Sl. Gallens. neben Nolkei I. /n Ratperl von Sl. Gallen (gestorben bald nach JS.S4). zu Ekkehart IV. (um 980 bis etwa 1060) und zu Walahliid Slrabo. Mönch und später Abi aul der Reichenau (N0N/N09-S49). Bemerkenswert ist dabei, daß Ratpcrt einen Lobgesang auf den heiligen Gallus in althochdeutschen Reimversen gedichtet hat. doch besitzen wir das Denkmal nur mehr in der lateinischen Umdichtung \on Ekkehart IV. Als Zeugnis einer volkssprachlichen christlichen Preisdichtung schon im 9. Jahrhundert isl es jedoch unbestritten, wenn auch nur indirekt bezeugt. So haben sich in Sl. Gallen seit den Anfängen im 7. und S. Jahrhundert mannigfachste Ströme geistiger Gesittung zu einer europäischen Bildungsstätte verwoben, wie sie das hochmittelalteiliche Kloster strahlend erfüllen sollte: irische Gründung asketischer Strenge, doch mit einer Kunst begabt, die zur Blüte der Buchillustration in den sogenannten irischen Miniaturen führte aul dem Hintergrund eines insularen Bewußtseins sozusagen sind diese Verbindungen lange nach Gallus erst recht zum Tragen gekommen: lateinische Bildungstradition mit vielen Verbindungen nach Oberitalien, nach Westfranken und in die Rhcinlande; alemannisches .Sprachleben mit den ältesten Zeugnissen deutscher Sprache seit dem M. Jahrhundert St. Gallen als Sammelpunkt der vornehmen Grundbesitzerfamilien, deren begabteste Sprößlinge sich im Kloster entfallet haben: romanische Nachbarschalt mit engstem Kulturaustausch zur Raelia prima. Das wel (offene es ist keineswegs erst die Schöpfung St. Gallen der berühmten Sl. Galler Humanisten, sie haben die Verbindungen vor allem nach Wien eröffnet und nach Deutschland verstärkt: auch nicht erst des blühenden St. Galler Fernhandels, der von einer diplomatisch klugen Bürgerschaft seit dem Spätmittelalter ausgegangen isl. Weltoffen sind schon die Anfänge St. Gallens. weltoffcn ist seine Bildungstradition. Es gehört zur Sonderstellung St. Gallens im der früh- und hochmittelalterlichen Ueberlicfcrung, daß hier lateinisches und deutsches Schrifttum fast gleichzeitig zur Entfaltung kommen, daß Kirchen- und Gclehrtensprache neben Volkssprache sieht, daß zumal mit Notkei III. Tcutonicus (um 950 bis 1022) das Deutsche selbst Rahmen Stück weit Wissenschaf Issprache werden konnte, vor allem in rd e Vereinigung von Antike. Christentum und volkstümlicher Sprachgcbung. Die Voraussetzungen für ein althochdeutsches .Sprachleben in Sl. Gallen liegen auf zwei Grundgegebenheiten: aul dem siedlungsgeschichtlichen Hintergrund alemannischer Landnahme im Bodenseegebiet seit dem 3./4. Jahrhundert, in der Nordostschweiz seil dem S./6. Jahrhundert: aul den glauberis- und kirchcngeschichtlichcn Vorgängen um die Gründung des Klosters, wie wir sie bereits skizzenhaft geschildert haben Am Anlang der deutschen Ueberlieterung stehen die Namen Ihnen folgen die Glossen /u lateinischen Schriften Beide Gruppen setzen in originalei Ueberliefcrung schon im 8. Jahrhundert ein und bleiben die ein
© Copyright 2024 ExpyDoc