Rede Dr. Reinhold Festge

SENDESPERRFRIST:
Freitag, 11. November 2016, 12 Uhr
Rede
Dr. Reinhold Festge
Präsident des VDMA
anlässlich der VDMA-Mitgliederversammlung 2016
am 11. November in Berlin
ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!
Meine Damen und Herren,
herzlich willkommen hier in Berlin!
Die Mitglieder des VDMA wählen heute einen neuen Präsidenten,
und das ist für den jeweiligen Kandidaten ein prägendes Erlebnis
– das dürfen Sie mir glauben! Denn die Aufgaben eines Maschinenbaupräsidenten erledigt man nicht so nebenher. Manche Anforderung im Amt kann ganz schön schweißtreibend sein – auch
die eine oder andere Pressekonferenz. Aber ich darf Ihnen sagen:
Sie alle haben mich und den VDMA in den vergangenen drei Jahren äußerst kompetent und fair begleitet, und dafür möchte ich
mich bedanken. Und ich bin sicher, dass Sie auch meinen Nachfolger ebenso begleiten werden. Wir Maschinenbauer schätzen
Ihre Arbeit, wir können auch mal mit Kritik und der einen oder anderen pointierten Spitze leben. Vor allem aber wünschen wir uns,
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dass Sie sich auch weiterhin für unsere Maschinenbauindustrie
und deren Themen interessieren.
Meine Damen und Herren,
vor drei Jahren habe Ihnen zu meinem Amtsantritt zwei Felder genannt, um die ich mich als VDMA-Präsident besonders kümmern
wollte: die Außenwirtschaft und die Bildung. Beides hängt übrigens häufig eng zusammen. Wie gut mir das gelungen ist, mögen
Sie beurteilen, aber vielleicht ist es ein treffender Hinweis, dass
ich im VDMA-Haus gerne als der „reisende Präsident“ bezeichnet
werde. Oder anders gesagt: Wenn man in einem anderen Land etwas erreichen will, muss man vor Ort mit den Menschen reden.
Das gilt für einen Unternehmer genauso wie für einen Verbandsvertreter. Und Sie haben mich ja mehr als einmal entweder im
Ausland oder direkt nach der Rückkehr von einer Reise zu meinen
Eindrücken und Erkenntnissen befragt, ob es nun um die Chancen
im Iran ging, die Probleme in Russland oder die Herausforderungen in Afrika.
Angesichts einer Exportquote von gut 75 Prozent sind wir Maschinenbauer aus Deutschland darauf angewiesen, in allen Märkten
und bei jeder konjunkturellen Großwetterlage unsere Kunden rund
um den Globus zu finden und von unseren Produkten zu überzeugen. Leicht ist das derzeit nicht, unsere Wachstumsprognose im
Maschinenbau für 2017 von real gerade mal 1 Prozent spricht hier
Bände. Und die erfreulich gute Gesamt-Konjunktur hier in
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Deutschland beruht in erster Linie auf dem Bausektor und dem privaten Konsum – leider nicht auf der Bestellung neuer Investitionsgüter! Es besorgt uns daher umso mehr, dass jetzt auch die EU
und damit unser größter Exportmarkt politisch unter Druck gerät.
Hier sind wir auch als Verband gefordert, uns öffentlich klar zu positionieren. Es gibt keine Alternative zur europäischen Einigung.
Wir werden uns für offene Märkte und freien Handel überall auf
der Welt einsetzen. Nationalismus und Protektionismus sind der
falsche Weg, das hat uns die Geschichte immer wieder gelehrt.
Offene und freie Märkte sichern dagegen unseren Wohlstand und
unsere Arbeitsplätze – auch in einer ländlichen Region wie meiner
Heimat Westfalen.
Dass das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada erst in der Verlängerung abgeschlossen werden konnte,
zeigt, dass die Prozesse in der EU verbessert werden müssen.
Aber immerhin ist dieses auch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel als vorbildlich bezeichnete Handelsabkommen nun
unter Dach und Fach. Jetzt muss die Politik eigentlich den nächsten Schritt tun und die Verhandlungen zu TTIP nach der amerikanischen Präsidentenwahl wieder aufgreifen.
Als VDMA-Präsident lernt man auch ganz schnell, dass politische
Prozesse meist viel mehr Zeit brauchen als unternehmerische Entscheidungen. Mein Respekt ist hier durchaus gestiegen, ich habe
viele Einblicke erhalten, die ich zuvor nicht hatte. Und: Geduld
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lohnt sich, wie Sie an zwei Entscheidungen sehen können, für die
wir als Verband lange gekämpft haben. Zum einen freut es uns
sehr, dass die gerade für unsere Industrie so wichtigen staatlichen
Hermes-Kreditdeckungen für strategische Auslandsgeschäfte nun
erweitert werden sollen. Unternehmer sollen diese Absicherungen
künftig auch bei einem höheren Anteil an ausländischen Zulieferungen und zu international wettbewerbsfähigen Kreditkonditionen
erhalten. Das wird manche Geschäftsabschlüsse erleichtern, und
es ist eine Anerkennung der Realität: In einer globalisierten Welt
muss auch unsere Industrie rund um den Globus ihre Teile einkaufen und sie dann direkt vor Ort beim Kunden zu einer Anlage
zusammenbauen. Dieser Prozess wird durch eine reformierte Hermes-Deckung spürbar besser begleitet. Was jetzt noch dringend
fehlt, sind Reformen bei den kleineren hermesgedeckten Exportkrediten!
Zum anderen haben wir lange für eine steuerliche Forschungsförderung gekämpft. Noch ist sie nicht Gesetz, aber dass sich das
Bundeswirtschaftsministerium, zahlreiche Bundesländer, Gewerkschaften und Industrieverbände nun gemeinsam dafür aussprechen, macht uns Mut. Denn Deutschland braucht forschungsstarke Unternehmen – gerade kleine und mittlere Betriebe. Eine
steuerliche Forschungsförderung soll ohne Unterschied allen Unternehmen den Weg ebnen, ihre Innovationsbemühungen noch zu
verstärken.
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Wir haben dieser Tage eine neue Studie unserer IMPULS-Stiftung
zum Thema „digital-vernetztes Denken“ vorgelegt und die Ergebnisse sind klar: Als Anbieter digital-vernetzter Technologien und
Services nehmen die Maschinenbauer bereits eine Führungsrolle
im Verarbeitenden Gewerbe ein. Ein Drittel der Unternehmen in
unserer Industrie hat bereits eine dezidierte Digitalisierungsstrategie, ein weiteres Viertel will in den nächsten drei Jahren eine solche einführen. Wir sehen Industrie 4.0 als große Chance für unsere Industrie und nehmen die damit verbundenen Herausforderungen an. Auch als Verband: die Angebote unseres VDMAForums Industrie 4.0 suchen ihresgleichen. Aber wir brauchen
dazu auch flankierend eine Politik, die uns den Übergang in das
digitale Zeitalter erleichtert. Und da gibt es noch einige große Baustellen: Ich nenne hier nur die ungenügende Anbindung vieler Regionen an schnelle Datennetze oder die noch ungelösten Fragen
der Datensicherheit und Datenhoheit.
Meine Damen und Herren,
Sie alle wissen, dass wirtschaftlicher Erfolg mit Bildung und Ausbildung der Menschen beginnt. In Deutschland sind wir hier sehr
gut aufgestellt, auch wenn das kein Ruhekissen ist. Aber wie Sie
zum Beispiel an unserem Maschinenhaus-Preis erkennen, den wir
hier in Berlin im Mai kommenden Jahres zum dritten Mal vergeben: Als VDMA stellen wir uns der gesellschaftlichen Verantwortung, die auch wir für den Bildungserfolg junger Menschen haben.
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24 Institute und Fachbereiche von Hochschulen haben sich um
den Preis beworben, so viele wie nie zuvor! Und die eingereichten
Konzepte sind erneut von bester Qualität. Nein, vor diesem Hintergrund mir ist nicht bang um die Qualifizierung unseres Nachwuchses.
Aber in vielen anderen Ländern steht es um die Ausbildung der
Menschen bei weitem nicht so gut. Dabei ist es gerade für eine
Hochtechnologiebranche wie den Maschinenbau immens wichtig,
dass auch die Anwender unserer Produkte vor Ort gut qualifiziert
sind, damit sie die Maschinen richtig nutzen können.
Wie Sie alle wissen, ist mir der afrikanische Kontinent hier zu einer
Herzensangelegenheit geworden. Ich habe daher die Reise der
Kanzlerin nach Afrika mit Freude und aufmerksam verfolgt. Der
VDMA hat eine ganz besondere Initiative gestartet: Sie heißt
„Fachkräfte für Afrika“. Gemeinsam mit afrikanischen Partnern aus
der Industrie richten wir in den drei Ländern Botswana, Kenia und
Nigeria Trainingszentren ein, die nach dem Start rund 1.000 technische Fachkräfte auf hohem Niveau aus- und weiterbilden und
unsere Unternehmen und Kunden voranbringen können. Denn der
Mittelstand kann sich nicht damit begnügen, Maschinen und Anlagen nur zu verkaufen, sondern wir müssen unsere Kunden auch
ertüchtigen, unsere Maschinen und Anlagen effektiv zu betreiben.
Leider kommen wir hier nicht so schnell voran wie geplant, weil wir
dieses Unterfangen nicht allein stemmen können. Dafür ist es
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schlichtweg zu aufwändig. Das heißt, wir benötigen dazu die Partnerschaft des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Und es stellt sich aus vielerlei Gründen als
äußerst mühsam heraus, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten
– nicht zuletzt mit Blick auf die Akzeptanz der für diese Trainingszentren notwendigen Public-Private-Partnerships. Aber ich kann
Ihnen versprechen, dass mein Interesse an diesem Projekt auch
nach meiner VDMA-Präsidentschaft nicht nachlassen wird. Afrika
und all seine Möglichkeiten werden mich und auch den Verband
weiter beschäftigen und voranbringen.
Meine Damen und Herren,
es waren drei sehr ereignisreiche Jahre für mich in diesem Amt.
Gestatten Sie mir zum Schluss meiner Präsidentschaft, dass ich
ein paar Highlights noch einmal aufliste:
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Der VDMA ist in immer mehr Regionen dieser Welt für
seine Mitglieder aktiv, hilft ihnen, sich zu vernetzen und vor
Ort zurecht zu finden. So ist im Jahr 2014 das VDMAVerbindungsbüro Brasilien neu hinzugekommen. Damit ist
der Verband nun in allen wichtigen, aber auch schwierig zu
erschließenden Wachstumsmärkten mit eigenen Verbindungsbüros vertreten: China, Indien, Japan, Russland und
eben Brasilien. Wir wollen unsere Mitglieder aber auch in
kleineren Wachstumsmärkten unterstützen. Deshalb haben
wir vor wenigen Monaten eine Verbindungsstelle im Iran
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gegründet, die sich aktuell noch in der Aufbauphase befindet.
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Die Maschinenbauer haben sich schon früh mit ihrer Nachhaltigkeitsinitiative „Blue Competence“ dafür eingesetzt,
Märkte für effiziente und umweltfreundliche Technologien
zu gestalten. Der Klimagipfel von Paris im vergangenen Dezember war deshalb auch für uns ein bedeutender Meilenstein. Wir können unsere Welt nur mit effizienten Produktionstechnologien lebenswerter machen. Und ja, wir dürfen
mit etwas Stolz sagen, dass die Maschinenbauer aus dem
Mitgliederkreis hier eine führende Rolle spielen!
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Gerne mehr gemacht als das bürgerliche und unternehmerische Engagement bei der Erstaufnahme und Erstversorgung hätten wir dagegen bei der Integration der Flüchtlinge
in den Arbeitsmarkt. Die Anforderungen an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hoch – zu hoch, um nun zigtausende Menschen mit ungenügender Qualifikation und
Deutschkenntnissen auf die Schnelle in den Betrieben des
Maschinenbaus aufnehmen zu können. Es ist angesichts
des mageren Wachstums eine große Leistung, dass die
Maschinenbauindustrie hierzulande ihren Beschäftigungsstand von mehr als 1 Million Menschen halten kann. Eine
deutliche Ausweitung, zumal um weniger qualifizierte Mitarbeiter, ist nicht möglich.
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Aber das heißt nicht, dass wir nichts tun. Sie wissen, dass
mich das Schicksal dieser Menschen persönlich sehr berührt und wir versuchen auch bei Haver & Boecker hier einen Beitrag zu leisten. Viele andere Maschinenbaufirmen
bieten ebenfalls Praktika und Ausbildungsplätze an oder
fördern Sprachkurse.
Meine Damen und Herren,
mein Nachfolger wird vom Start weg die Aufgabe haben, einen
Bundestagswahlkampf zu begleiten und dann vielleicht mit einer
neuen Regierungskoalition das Gespräch zu suchen. Vielleicht ja
wieder mit der Kanzlerin Angela Merkel, über deren Kommen
nachher zu unserer Mitgliederversammlung wir uns sehr freuen.
Ich bin auf diese Bundestagswahl ebenso gespannt wie Sie. Ich
würde mir aber wünschen, dass insbesondere der gute Kontakt
der Maschinenbauer zum Bundeswirtschaftsministerium auch in
den kommenden Jahren erhalten bleibt. Bei allem, was es immer
wieder berechtigt zu kritisieren gibt: Sigmar Gabriel und das Ministerium haben sich immer wieder für uns Mittelständler eingesetzt.
Sei es nun bei dem Versuch, die Türen auf ausländischen Märkten
zu öffnen – und hier möchte ich die erste Reise des Wirtschaftsministers in den Iran direkt nach der Aufhebung der Sanktionen besonders hervorheben. Oder sei es in der Zusammenarbeit in der
Plattform Industrie 4.0, den Branchendialogen oder im Bündnis
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„Zukunft der Industrie“. Kaum etwas wird die Unternehmerwelt in
den nächsten Jahren so verändern und prägen wie die Digitalisierung auf allen Ebenen. Es ist wichtig, dass das auch im Wirtschaftsministerium verstanden und dieser Wandel mit vorangebracht wird. Auf diesem gemeinsamen Weg müssen wir unerschrocken weiter vorangehen.
Und nun bleibt mir nur noch der eine Satz, den ich am Ende einer
Rede vor Journalisten immer gerne gesagt habe:
Ich freue mich auf Ihre Fragen!
Herzlichen Dank!
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