Verzögerungen in Baugenehmigungs- verfahren - Kon-ii

Verzögerungen
in Baugenehmigungsverfahren
Gründe, Folgen und Lösungsansätze
November 2016
Eine Studie im Auftrag des BFW
Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V.
in Zusammenarbeit mit
iwp – Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln
AUTOREN:
Dr. Oliver Arentz, Stellv. Geschäftsführer
M. Sc. Econ Larissa Hages
M. Sc. Econ Sandra Hannappel
M. Sc. Econ Clemens Recker
M. Sc. Econ Rebekka Rehm
Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln
Pohligstraße 1, 50969 Köln
Tel: +49 (0) 221 / 470-5356
Fax: +49 (0) 221 / 470-5350
[email protected]
HERAUSGEBER:
BFW Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.
RAin Elisabeth Gendziorra V.I.S.d.P.
Oststraße 55, 40211 Düsseldorf
Telefon (0211) 93655407
[email protected], www.bfw-nrw.de
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Inhalt
Executive Summary
4
Einleitung5
Ergebnisse der quantitativen Befragung
6
Ergebnisse der qualitativen Befragungen
9
Wichtige Aspekte effizienter Baugenehmigungsverfahren
10
Kommunikation10
Bearbeitungsprozess11
Entscheidungsbefugnisse12
Politische Rückendeckung
12
Novellierung der Landesbauordnung
13
Empfehlungen13
… an die Immobilienwirtschaft
… an die Bauaufsichtsbehörden
… an die Politik
13
14
14
Fazit15
IMPRESSUM
Redaktion: Stephanie Aschenbrenner, Referentin für Politische Kommunikation, BFW Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.
Gestaltung und Satz: klasse 4C | werbung, Ela Schmitz
Grafiken: iwp – Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln
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| Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren – Gründe, Folgen und Lösungsansätze
Executive Summary
▶ D
ie Politik hat sich zum Ziel gesetzt, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Wie gut dies gelingen wird, hängt unter anderem davon
ab, ob Baugenehmigungsverfahren effizient abgewickelt werden. Die vorliegende Studie zeigt, dass es potentielle Maßnahmen gibt,
die Verzögerungen reduzieren können.
▶ E
ine quantitative Erhebung bei den Mitgliedern des Landesverbands Nordrhein-Westfalen des Bundesverbands Freier Immobilienund Wohnungsunternehmen (BFW NRW) zeigt, dass die Dauer von Baugenehmigungsverfahren von der Einreichung eines Antrags bis
zur Erteilung einer Baugenehmigung im Jahr 2015 in 80 Prozent der erhobenen Fälle bei mehr als sechs Wochen lag. Damit wurde
in sehr vielen Fällen die in der Landesbauordnung vorgesehene Frist im vereinfachten Verfahren bei Vorliegen eines qualifizierten
Bebauungsplans überschritten. Jedes zweite befragte Unternehmen hält Kostensteigerungen von mehr als drei Prozent aufgrund von
Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren für realistisch.
▶ S
owohl die Vertreter der gewerblichen Immobilienwirtschaft als auch die der Bauaufsichtsbehörden betonen die Bedeutung persönlicher und telefonischer Gespräche für den zügigen und erfolgreichen Abschluss von Baugenehmigungsverfahren.
▶ Hinsichtlich
der Bearbeitungsprozesse selbst kritisieren die Vertreter der Immobilienwirtschaft fehlende Vollständigkeitsprüfungen
der Anträge zu Beginn der Verfahren und unübersichtliche Verfahrensabläufe, wenn andere Dienststellen beteiligt werden müssen. Es
könnte deshalb sinnvoll sein, Koordinationsfunktionen zu schaffen und diese mit ausreichenden Kompetenzen auszustatten.
▶ D
ie Vertreter beider Seiten sind sich weitgehend einig, dass Verfahren durch eine Digitalisierung der Prozesse transparenter und
schneller gestaltet werden können. Entsprechende Strategien werden in vielen Bauaufsichtsbehörden bereits umgesetzt, aber es
fehlt an einheitlichen, flächendeckenden Lösungen.
▶ In Baugenehmigungsverfahren können sich bedeutende rechtliche Spielräume ergeben. Über deren Nutzung sind sich die Vertreter
der Immobilienwirtschaft und der Bauaufsichtsbehörden nicht einig. Abhilfe könnten eine Vereinfachung der Vorschriften und eine
Stärkung der Fehlerkultur in Bauaufsichtsbehörden schaffen.
▶ O
hne die Rückendeckung der Politik scheint es schwer, in Bauaufsichtsbehörden Veränderungen voranzutreiben. Die Befragten beider Seiten betonen die Bedeutung einer ausreichenden Priorisierung des Wohnungsbaus und einer entsprechenden Mittelausstattung der Kommunen.
▶ D
ie Erwartungen an die Novellierung der Landesbauordnung sind unterschiedlich. Während die Vertreter der Immobilienwirtschaft
erwarten, dass neue Vorschriften mit zusätzlichem Aufwand verbunden sind, sind die Vertreter der Bauaufsichtsbehörden geteilter
Ansicht: Einerseits wird ein erhöhter Prüfaufwand befürchtet, anderseits besteht jedoch auch Hoffnung, dass Prozesse vereinfacht
werden können.
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Einleitung
Die Dauer von Baugenehmigungsverfahren führt immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen der gewerblichen Immobilienwirtschaft
und der öffentlichen Verwaltung. Während die Immobilienwirtschaft intransparente, langwierige und mit Kostenrisiken behaftete
­Prozesse beklagt, weisen die zuständigen Behörden auf die hohe Anzahl unvollständiger oder fehlerhafter Bauanträge hin.
Unnötige Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren sind nicht nur für die unmittelbar Betroffenen ärgerlich, sondern auch darüber hinaus kritisch zu betrachten. In Nordrhein-Westfalen bleibt die Bautätigkeit, wie in anderen Bundesländern auch, weit hinter dem
geschätzten Bedarf zurück und das, obwohl in der Politik bereits in der Vergangenheit immer wieder das Ziel ausgerufen wurde, möglichst zeitnah ausreichenden und kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren erschweren
die Erreichung dieses Ziel maßgeblich.
Um die Debatte zu versachlichen und mit
Daten zu unterfüttern, hat das Institut
für Wirtschaftspolitik an der Universität
Vertreter der Immobilienwirtschaft klagen immer wieder über unverständlich langzu Köln (iwp) gemeinsam mit dem Lansame und undurchsichtige Baugenehmigungs­verfahren. So berichtete ein Befragter
desverband Nordrhein-Westfalen des
von einem Fall, in dem bereits die Beantragung eines Vorbescheides schon über ein
Bundesverbands Freier Immobilien- und
Jahr in Anspruch nimmt und trotz Umsetzung geforderter Überarbeitungen noch nicht
Wohnungsunternehmen (BFW NRW) eine
erteilt wurde.
Studie durchgeführt (siehe Abbildung
1). Nach einer Auftaktveranstaltung mit
Auf der anderen Seite berichten die Vertreter der Bauaufsichtsbehörden, dass sie
Experten aus der Immobilienwirtschaft zur
erstaunlich häufig unvollständig oder falsch ausgefüllte Anträge erhielten, die Grund
Präzisierung der Forschungsfrage wurden
geben würden, an der Qualifikation der Architekten zu zweifeln. Es habe sogar Fälle
im ersten Teil der Studie die Mitglieder des
gegeben, in denen sich jemand nach dem Stand eines Baugenehmigungsverfahrens
BFW NRW aufgefordert, in einer Onlineerkundigte, ohne dass zuvor ein Antrag eingereicht wurde.
Maske Daten zu den von Ihnen initiierten
Baugenehmigungsverfahren zur Verfügung
Diese Beispiele lassen sich nicht verallgemeinern. Sie verdeutlichen aber die Misszu stellen und Ihre Erfahrungen mit den
stimmung, die in Baugenehmigungsverfahren e
­ ntstehen kann.
zuständigen Behörden einzuschätzen.
Im zweiten, qualitativen Teil der Studie
dienten zunächst Interviews mit ausgewählten Experten der Immobilienwirtschaft dazu, mehr über deren Einschätzung der Gründe für
Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren und deren Folgen zu erfahren. Im Anschluss kamen Vertreter der Bauaufsichtsbehörden
zu Wort: Leitende zuständige Mitarbeiter äußerten sich dazu, was die Prozesse aus ihrer Sicht verlangsamt und welche Anstrengungen
sie unternehmen, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.
KONFLIKTPOTENTIAL IN BAUGENEHMIGUNGSVERFAHREN
Ziel der Studie ist es, herauszuarbeiten, wie Baugenehmigungsverfahren effizienter gestaltet werden können. Dazu dienen Beispiele
für Maßnahmen, die in einigen Bauaufsichtsbehörden bereits heute helfen, Verzögerungen zu vermeiden, und weitere Empfehlungen,
die sich aus den Befragungen ableiten lassen. Die Immobilienwirtschaft und die Bauaufsichtsbehörden scheinen sich keineswegs unversöhnlich gegenüber zu stehen. Stattdessen scheint es Potenzial für Veränderungen zu geben, die beiden Seiten entgegenkommen
würden.
Die Vorschläge aus den Reihen der Immobilienwirtschaft und der Verwaltung kommen zum richtigen Zeitpunkt. Das Thema erfährt
momentan besonders große Aufmerksamkeit, da in Nordrhein-Westfalen die Novellierung der Landesbauordnung ansteht. Aus dem
aktuellen Gesetzesentwurf (Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 16/12119) geht unter anderem hervor, dass sich die Vorschriften
für Baugenehmigungsverfahren ändern sollen.
Abbildung 1:
Studienaufbau – Quantitative
und qualitative Erhebung
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| Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren – Gründe, Folgen und Lösungsansätze
Ergebnisse der quantitativen Befragung
Im ersten Teil der Studie wurden Unternehmen der gewerblichen Immobilienwirtschaft1 online befragt. Dazu wurden zwei Fragebögen
entwickelt. Der erste Fragebogen diente dazu, Charakteristika (z. B. Jahresumsätze) der teilnehmenden Unternehmen zu erfassen, um
Unterschiede zwischen den Antragstellern abbilden zu können. Zudem wurden allgemeine Einschätzungen zu den Ursachen und unternehmerischen Risiken verzögerter Baugenehmigungsverfahren eingeholt.
BAUGENEHMIGUNGSVERFAHREN IN NRW
Bei der Beantragung von Bauvorhaben sind verschiedene Vorschriften relevant. Dazu gehören unter anderem das Baugesetzbuch
und die Landesbauordnungen. Ersteres regelt viele grundsätzliche Fragen hinsichtlich des Ortes und der Art möglicher Bautätigkeiten. In den einzelnen Bundesländern regeln darüber hinaus die Landesbauordnungen Anforderungen an Bauvorhaben. Auf beide
gesetzliche Grundlagen stützen sich verschiedene Verordnungen, die ihre Umsetzung regeln.
Bauaufsichtsbehörden befassen sich mit der Umsetzung vieler dieser Regelungen, unter anderem mit der Erteilung von Baugenehmigungen.
Baugenehmigungen werden auf Antrag erteilt. Sie können für viele Bauvorhaben im Rahmen eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens gestellt werden. Gebäude, die beispielsweise aufgrund ihrer Größe oder Höhe zu den Sonderbauten zählen, sind von
diesem Verfahren ausgeschlossen.
Vor dem Einreichen eines Bauantrages kann eine Bauvoranfrage gestellt werden. Ein entsprechender Vorbescheid bescheinigt,
dass ein Bauvorhaben grundsätzlich realisierbar ist.
Bislang gab es die Möglichkeit, bei bestimmten Gebäuden auf die Beantragung einer Baugenehmigung zu verzichten und stattdessen
im Freistellungsverfahren zu bauen. Es ist geplant, diese Möglichkeit im Rahmen der Novellierung der Landesbauordnung NRW
abzuschaffen.
Mithilfe von einfachen oder qualifizierten Bebauungsplänen können Gemeinden festlegen, wo in welcher Form gebaut werden
kann. Liegt kein Bebauungsplan vor, regeln § 34 bzw. § 35 des Baugesetzbuchs die Bebaubarkeit von Flächen innerhalb bzw. außerhalb
zusammenhängender Ortsteile.
Mit dem zweiten Fragebogen konnten Daten zu einzelnen Baugenehmigungsverfahren erhoben werden. Die Teilnehmer wurden
gebeten, in chronologischer Reihenfolge Daten zu den ersten 20 (oder mehr) Anträgen auf Erteilung einer Baugenehmigung (im
Folgenden: Bauanträge) einzugeben, die sie 2015 gestellt hatten. Auf diese Weise sollte eine willkürliche Auswahl der Anträge und
damit eine ­mögliche Manipulation der Ergebnisse­vermieden werden. Die Daten der ­verschiedenen Fragebögen, die ein ­Unternehmen
ausgefüllt hatte, konnten in der Auswertung miteinander in Ver­bindung gebracht werden. Zwar blieben die Unternehmen durchgehend anonym, sie erhielten aber zufällig generierte PIN-Nummern, die eine Zuordnung der Fragebögen untereinander ermöglichten.
Abbildung 2:
Jahresumsätze der teilnehmenden
Unternehmen, N=25
1 D urch die Befragung der Mitglieder des BFW wurde nur ein bestimmter Teil der gewerblichen Immobilienwirtschaft einbezogen. Allerdings erstellen die Mitglieder des BFW nach Verbands­
angaben rund 50 Prozent der neugebauten Wohnungen im Bund und in einigen Rhein-Metropolen wie Köln und Düsseldorf sind es sogar gut 80 Prozent.
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Nach einem Test mit ausgewählten Unternehmensvertretern, die die Fragebögen auf ihre Praktikabilität und Nachvollziehbarkeit geprüft haben, erhielten alle Mitglieder des BFW NRW ihre PIN und die Einladung, online an der Befragung teilzunehmen. Nachdem die
erste Runde der Befragung abgeschlossen war, wurde in einer zweiten Runde ein vereinfachter Fragebogen bereitgestellt. Dieser diente
dazu, die Datenbasis zu stärken, um die aufschlussreichen Ergebnisse weiter zu stützen. Insgesamt nahmen rund 15 Prozent der rund
180 BFW NRW-Mitglieder teil. Es konnten die Daten zu 100 Bauanträgen ausgewertet werden. Wie Abbildung 2 zeigt, decken die Umsätze der Unternehmen, die teilgenommen haben, ein breites Spektrum ab. Es wurden also sowohl die Erfahrungswerte eher kleiner als
auch eher großer Unternehmen berücksichtigt. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Befragung präsentiert.
Abbildung 3:
Art der Bauvorhaben, N=100
Um miteinander vergleichbare Verfahren betrachten zu können, wurde die Auswertung auf solche Bauvorhaben beschränkt, für die ein
Antrag im Rahmen eines vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens mit qualifiziertem Bebauungsplan gestellt wurde. Anträge für Gebäude, die aufgrund ihrer Größe, Höhe oder anderen Merkmalen nach § 68 Absatz 1 BauO NRW zu den Sonderbauten zählen, wurden außer
Acht gelassen. Die verbleibenden Anträge bilden dennoch ein breites Spektrum an Bauvorhaben ab: Dies gilt sowohl hinsichtlich der Art der
Bauvorhaben, bei der von freistehenden Einfamilienhäusern über Reihenhäuser bis hin zu Mehrfamilien­häusern alles abgedeckt wird (siehe
Abbildung 3), als auch für die Anzahl der Wohneinheiten, die die Bauprojekte jeweils insgesamt umfassen (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4:
Anzahl der Wohneinheiten (WE)
auf Projektebene, N=100
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| Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren – Gründe, Folgen und Lösungsansätze
Die Landesbauordnung sieht für die hier betrachteten vereinfachten Genehmigungsverfahren mit qualifiziertem Bebauungsplan eine
Bearbeitungsdauer von 6 Wochen vor (§ 68 Absatz 8 BauO NRW). Über 80 Prozent der eingegebenen Daten zu Bauanträgen bezogen
sich auf vereinfachte Verfahren mit qualifizierten Bebauungsplänen und wurden zur weiteren Auswertung herangezogen. Für diese Verfahren kann die Soll-Vorschrift von 6 Wochen als Maßstab dienen. Diese kann gemäß der Landesbauordnung aus bestimmten Gründen
um weitere 6 Wochen verlängert werden, beispielsweise wenn andere Dienststellen beteiligt werden müssen. Abbildung 4 zeigt, dass
die Bearbeitungszeit in mehr als 80 Prozent der Fälle bei über 12 Wochen lag. Im Mittel lag sie bei 184 Tagen.
Abbildung 5:
Bearbeitungsdauer der vereinfachten
Verfahren mit qualifiziertem
Bebauungsplan, N=81
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass die angegebene Frist erst dann als Maßstab anzulegen ist, wenn die Antragsunterlagen
vollständig vorliegen. Bei den hier betrachteten Verfahren machte es allerdings keinen Unterschied, ob Nachforderungen im Verfahren
gestellt wurden oder nicht. In den knapp 40 Prozent der Fälle, in denen die Unternehmen angaben, Nachforderungen erhalten zu haben,
lag die Bearbeitungsdauer sogar leicht unter dem Durchschnitt. Die Zufriedenheit der befragten Unternehmen mit den Bearbeitungsdauern ist gering. Insgesamt gaben 58 Prozent der teilnehmenden Unternehmen an, mit der Bearbeitungsdauer von Bauanträgen „sehr
unzufrieden“ oder „unzufrieden“ zu sein (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6:
Zufriedenheit der befragten
­Unternehmen mit der Bearbeitungsdauer
von Bauanträgen, N=25
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Um mehr über die Tragweite der Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren zu erfahren, wurden die Unternehmen darüber hinaus
zu den damit verbundenen Kosten befragt. Mögliche Kostenfaktoren, so bestätigten es auch die Vertreter der Immobilienwirtschaft in
den späteren qualitativen Interviews, ergeben sich zum einen aus der Notwendigkeit, die Finanzierung des Baugrundstücks aufrecht
zu erhalten. Zum anderen resultieren sie aus Planungsunsicherheiten hinsichtlich Personal, Liquidität und der Annahme von weiteren
Aufträgen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Zinsen zum heutigen Zeitpunkt niedrig und die Preiszuwächse auf dem Immobilienmarkt
hoch sind. Sobald die Niedrigzinsphase endet, wird die Aufrechterhaltung der Finanzierung für die Unternehmen eine noch stärkere
Belastung darstellen. Zum jetzigen Zeitpunkt schätzen die Unternehmen die Kosten, die durch die Verzögerungen entstehen, sehr unterschiedlich ein. Abbildung 7 zeigt, dass die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen die zusätzlichen Kosten aufgrund von Verzögerungen
bei der Genehmigung von Bauanträgen auf mehr als 3 Prozent schätzen, von denen wiederum knapp 20 Prozent diese Kosten bei mehr
als 10 Prozent ansiedeln. Die großen Unterschiede sind sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass viele der Kostenfaktoren aufgrund
der hohen Unsicherheiten schwer quantifizierbar sind.
Abbildung 7: Steigerung der
­Projektkosten durch verzögerte
­Bauanträge, N=25
Die Bestandaufnahme bei den teilnehmenden Unternehmen der Immobilienwirtschaft zeigt, dass die Dauer von Baugenehmigungsverfahren die gesetzlich vorgesehenen Fristen im vergangenen Jahr häufig deutlich überschritten haben, was für die Unternehmen mit
Kosten verbunden ist. Um mehr über die Gründe für die Verzögerungen zu erfahren, folgte auf den quantitativen Teil der Befragung ein
qualitativer Teil, in dem sowohl Vertreter der Immobilienwirtschaft als auch Vertreter der Bauaufsichtsbehörden ihre Einschätzungen
äußerten.
Ergebnisse der qualitativen Befragungen
Im zweiten Teil der Studie wurden zunächst qualitative Interviews mit fünf ausgewählten Mitgliedern des BFW NRW durchgeführt. Die
Interviews fanden überwiegend telefonisch statt und folgten einem Leitfragebogen, der den Teilnehmern vorab zur Verfügung gestellt
wurde. In die Entwicklung des Leitfragebogens flossen unter anderem die Erkenntnisse aus der quantitativen Befragung ein.
Weitere Interviews wurden anschließend mit vier ausgewählten Bauaufsichtsbehörden geführt. Die ausgewählten Behörden wurden
in einer entsprechenden Frage der quantitativen Erhebung bzw. in den qualitativen Interviews mit Mitgliedern des BFW NRW besonders positiv erwähnt. Die Interviews wurden auf Leitungsebene durchgeführt. Die Interviews fanden teilweise persönlich und teilweise
schriftlich statt und folgten einem Leitfragebogen, der den Teilnehmern vorab zur Verfügung gestellt wurde. In die Entwicklung des
Leitfragebogens flossen unter anderem die Erkenntnisse aus der quantitativen Befragung und aus der qualitativen Befragung der
Mitglieder des BFW NRW ein.
Die Vertreter der Immobilienwirtschaft und der Bauaufsichtsbehörden wurden dazu befragt, was einer zügigen Bearbeitung von Bauanträgen im Weg steht, wie Baugenehmigungsverfahren zügig und erfolgreich abgeschlossen werden können und welche Maßnahmen
dafür bereits umgesetzt werden. Die Befragten wurden zudem gebeten, ihre Einschätzung zu den geplanten Änderungen der Landesbauordnung zu äußern.
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| Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren – Gründe, Folgen und Lösungsansätze
Wichtige Aspekte effizienter Baugenehmigungsverfahren
Auf Grundlage der quantitativen und vor allem der qualitativen Erhebung konnten vier Bereiche identifiziert werden, die für eine
­effiziente Bearbeitung von Bauanträgen ausschlaggebend sind:
1.
2.
3.
4.
Kommunikation zwischen Bauaufsichtsbehörden und Antragsstellern
Gestaltung des Bearbeitungsprozesses innerhalb der Bauaufsichtsbehörden
Entscheidungsbefugnisse und Auslegung gesetzlicher Spielräume
Politische Rückendeckung
Im Folgenden werden diese Punkte einzeln betrachtet. Es wird zum einen die Meinung der Vertreter der Immobilienwirtschaft und zum
anderen die Einschätzung der Vertreter der Bauaufsichtsbehörden wiedergegeben. In einem kurzen Fazit werden Unterschiede und
Gemeinsamkeiten der Positionen verdeutlicht und die Kernthesen zusammengefasst.
MASSNAHMEN, DIE IN EINIGEN BAUAUFSICHTSBEHÖRDEN ERFOLGREICH UMGESETZT WURDEN
▶ U
mfangreiche Informationen online bereitstellen
▶ Ö
ffnungszeiten für persönliche Gespräche ausdehnen
▶ T
reffen zu Beginn der Verfahren initiieren
▶ P
rozesse digitalisieren und online einsehbar machen
▶ E
indeutige Ansprechpartner bestimmen
▶ Konstruktive Hinweise zur Nachbesserung eines Antrags geben
Kommunikation
Die Kommunikation zwischen Bauaufsichtsbehörden und Antragstellern ist ein wichtiger Faktor bei der Bearbeitung von Bauanträgen.
Von der (idealerweise stattfindenden) Vorbesprechung bis zur Erteilung einer Baugenehmigung können auf beiden Seiten Fragen aufkommen. Insbesondere wenn Unterlagen ergänzt oder geändert werden müssen, ist eine eindeutige Kommunikation wichtig.
Immobilienwirtschaft
▶Alle interviewten Vertreter der Immobilienwirtschaft kritisierten, dass die Kommunikation mit den Bauaufsichtsbehörden
­unzureichend sei. Sie bemängelten insbesondere, dass es häufig keinen festen Ansprechpartner gebe, der für die gesamte Dauer
des Verfahrens für das Projekt zuständig ist.
▶Wenn es zuständige Ansprechpartner gibt, seien diese häufig schwer erreichbar. Dies wird zum einen auf Arbeitsformen wie
Home-Office-Modelle zurückgeführt. Zum anderen fehle in Krankheits- oder Urlaubsphasen häufig eine Übergabe an Kollegen
und eine entsprechende Information an die Antragsteller.
▶Auch die Art der Kommunikation wird bemängelt. Insbesondere der Kontakt via E-Mail würde häufig Probleme bereiten
und zu längeren Bearbeitungszeiten führen. Die Antragsteller schätzen die Möglichkeit, offene Fragen im persönlichen Gespräch
oder per Telefon zu klären.
▶Die Befragten wünschen sich grundsätzlich eine stärkere Zusammenarbeit mit den Bauaufsichtsbehörden. Insbesondere bei
Nachfragen oder der vorläufigen Ablehnung eines Antrags könne es hilfreich sein, gemeinsam mit den Bauaufsichtsbehörden
­konstruktive Veränderungsvorschläge zu erarbeiten.
Bauaufsichtsbehörden
▶Auch die Vertreter der Bauaufsichtsbehörden hoben die Bedeutung persönlicher und telefonischer Gespräche und einer
guten Erreichbarkeit beider Seiten hervor. Die Kommunikation per E-Mail führe auch ihrer Einschätzung nach eher zu
­Missverständnissen und Interpretationsfehlern, weshalb auch ihrer Erfahrung nach Home-Office-Modelle mit der Bearbeitung
von Bauanträgen schwer vereinbar seien.
▶Mehrere Bauaufsichtsleiter wiesen darauf hin, dass eine Vertretungsregelung in Krankheits- oder Urlaubsphasen grundsätzlich
eingerichtet sei. Allerdings könne sie sich aufgrund der knapp bemessenen Personaldecke und der Komplexität der Sachverhalte
nur auf sehr dringende Fälle beziehen, weil in diesen Phasen häufig nur 50 Prozent der Mitarbeiter anwesend seien.
▶Einige Bauaufsichtsbehörden haben durchaus feste Ansprechpartner für die gesamte Bearbeitungsdauer benannt,
zum Beispiel in Form von Bezirkssachbearbeitern.
▶Darüber hinaus gibt es in einigen Fällen ausgedehnte Öffnungszeiten für persönliche Gespräche oder die Möglichkeit,
zusätzliche Termine zu vereinbaren. Mit diesen Konzepten seien gute Erfahrungen gemacht worden.
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▶Einige Befragte gaben zudem an, dem Wunsch nach konstruktiven Hinweisen im Falle einer Ablehnung bereits
­entgegenzukommen.
Offensichtlich liegen die Interessen und Vorstellungen der Vertreter beider Seiten gar nicht so weit voneinander entfernt. Sowohl die
Vertreter der Immobilienwirtschaft als auch die der Bauaufsichtsbehörden betonten insbesondere die Bedeutung eindeutiger Ansprechpartner und persönlicher bzw. telefonischer Gespräche.
Bearbeitungsprozess
Bei der Bearbeitung eines Bauantrags müssen Bauaufsichtsbehörden nach Prüfung auf Vollständigkeit häufig weitere Dienststellen
beteiligen. Das kann zum Teil auch längere Zeit in Anspruch nehmen. Vor allem die fortschreitende Digitalisierung bietet Möglichkeiten,
die Bearbeitungsprozesse zu kürzen, weil digitale Akten im Gegensatz zu Papierakten von mehreren Dienststellen gleichzeitig bearbeitet werden können. Zudem erlaubt die Digitalisierung, die Bearbeitungsschritte für Antragsteller transparent darzustellen.
Immobilienwirtschaft
▶Fast alle interviewten Vertreter der Immobilienwirtschaft kritisierten, dass bei Einreichung der Unterlagen keine systematische
Prüfung auf formale Vollständigkeit stattfindet. Nachfragen würden daher zum Teil sehr spät gestellt. Eine solche Prüfung könne
die Planungsunsicherheit deutlich verringern.
▶Schwierigkeiten und Verzögerungen träten vor allem dann auf, wenn unterschiedliche Dienststellen an einem Verfahren beteiligt
werden müssen. Problematisch sei dies insbesondere dann, wenn Verantwortlichkeiten nicht ausreichend geklärt sind. Die daraus
resultierenden intransparenten Verfahrensabläufe würden nicht nur zu Verzögerungen, sondern auch zu großen Unsicherheiten
über den Stand eines Verfahrens führen.
▶Es sei deshalb hilfreich, den Status des Verfahrens online einsehen zu können. Dies würde die Transparenz der Entscheidungs­
wege deutlich erhöhen.
▶In den Interviews wurden solche Bauaufsichtsbehörden positiv hervorgehoben, bei denen sich zu Beginn eines Verfahrens alle
zuständigen Beteiligten gemeinsam zusammensetzen, um die notwendigen Schritte zu besprechen.
▶Die interviewten BFW-Mitglieder gaben zum Teil an, dass Verzögerungen auch durch unvollständige oder fehlerhafte Bauanträge
entstehen könnten. Dies sei zum einen auf die sehr komplexen und sich ständig ändernden Regelungen und zum anderen auf die
unterschiedlich restriktive Auslegung der Vorschriften zurückzuführen.
Bauaufsichtsbehörden
▶Fast alle interviewten Bauaufsichtsbehörden bemängelten die häufige Einreichung fehlerhafter oder unvollständiger
­Antragsunterlagen. Diese kämen nicht nur von privaten Antragstellern, sondern würden auch von Antragstellern aus der
­Immobilienwirtschaft eingereicht.
▶Alle Befragten gaben an, Vorbesprechungstermine anzubieten, um sicherzustellen, dass die Anträge vollständig eingereicht
­werden. Dieses Angebot werde aber in vielen Fällen kaum wahrgenommen.
▶Alle Befragten gaben an, dass die Beteiligung anderer Dienststellen an Baugenehmigungsverfahren maßgeblich zu längeren
­Bearbeitungszeiten beitrage. Die Bauaufsicht könne allerdings auf die Verfahrensabläufe in den anderen Dienststellen keinen
direkten Einfluss nehmen. So dauere beispielsweise die Beteiligung des Kampfmittelräumdienstes in der Regel mindestens
14 Wochen.
▶Für die Beteiligung anderer Dienststellen an Baugenehmigungsverfahren gibt es unterschiedliche Ansätze. Teilweise können
­andere Dienststellen zeitgleich und auf digitalem Weg beteiligt werden. In anderen Fällen gibt es wöchentlich stattfindende
­Konferenzen mit allen beteiligen Dienststellen zur Abstimmung.
▶Digitalisierung ist bei allen interviewten Bauaufsichtsbehörden ein aktuelles Thema. Sie kann Prozesse deutlich beschleunigen,
wird allerdings nicht flächendeckend und in gleichem Tempo vorangetrieben. In einigen Bauaufsichtsbehörden ermöglicht ein
digitalisiertes Verfahren es den Antragstellern bereits heute, den Status ihres Antrags online zu verfolgen. Auch dieses Angebot
werde allerdings nicht von allen Antragstellern genutzt. In anderen Bauaufsichtsbehörden ist die Implementierung entsprechender Programme in Planung.
Wesentliche Kritikpunkte der Vertreter der Immobilienwirtschaft sind das Fehlen einer Prüfung der eingereichten Unterlagen
auf formale Vollständigkeit gleich zu Beginn der Verfahren und die anschließende Unübersichtlichkeit der Verfahrensabläufe. Die
­Antragsteller und die Bauaufsichtsbehörden sind sich weitgehend einig, dass Verfahren durch eine Digitalisierung der Bearbeitung
transparenter und schneller durchgeführt werden können. Sowohl bestehende digitale Angebote als auch Möglichkeiten, persönliche
Vorbesprechungstermine zu führen, scheinen allerdings teilweise nicht umfassend genutzt zu werden.
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| Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren – Gründe, Folgen und Lösungsansätze
Entscheidungsbefugnisse
Die Befugnis, über einen Bauantrag zu entscheiden, liegt bei der Bauaufsicht. Ob einzelne Sachbearbeiter selbst entscheiden dürfen
oder vorher die Bestätigung eines Vorgesetzten einholen müssen, hängt von der Organisationsstruktur der einzelnen Bauaufsichts­
behörde ab. Unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten der gesetzlichen Vorschriften schaffen gewisse Spielräume bei der Bearbeitung
von Bauanträgen.
Immobilienwirtschaft
▶In der Wahrnehmung der Interviewpartner aus der Immobilienwirtschaft werden bei den Bauaufsichtsbehörden aus Angst
vor falschen Entscheidungen bestehende Entscheidungsspielräume meist entweder zu Ungunsten des Antragsstellers ausgelegt
oder die Entscheidungen an Vorgesetzte abgegeben.
▶Nach Meinung der Befragten wäre daher eine Fehlerkultur in den Bauaufsichtsbehörden wünschenswert, die Mitarbeiter zu
eigenverantwortlichen und angemessenen Entscheidungen ermutigt.
Bauaufsichtsbehörden
▶Auch einige Vertreter der Bauaufsichtsbehörden gaben an, dass die Angst bzw. das Risiko, Fehler zu machen, bei den Mitarbeitern
oft groß sei. In der Folge würden häufig mehr Dienststellen beteiligt, als unbedingt nötig sei, was Verfahren zum Teil verlängern
und gegebenenfalls sogar fehleranfälliger machen würde.
▶Die steigende Komplexität der Verfahren verschärfe dieses Problem, da sie die Anforderungen an die Mitarbeiter erhöhe. ­
Die Auslegung der gesetzlichen Spielräume und die Kenntnis und Anwendung von Präzedenzfällen sei für die Mitarbeiter, die
meist kein juristisches Studium absolviert hätten, keine einfache Aufgabe.
Beiden Seiten ist bewusst, dass sich in Baugenehmigungsverfahren rechtliche Spielräume ergeben. Allerdings haben die Mitarbeiter
der Bauaufsichtsbehörden Anreize, vorsichtig zu entscheiden, um Klagen zu vermeiden, während sich die Antragssteller möglichst
­großzügige Auslegungen wünschen.
EINARBEITUNGSBEDARF DER MITARBEITER
Ein befragter Bauaufsichtsleiter berichtete, dass es aufgrund der hohen Komplexität der Vorschriften circa drei Jahre dauere, bis
Mitarbeiter vollständig eingearbeitet sind. Sie müssten nicht nur die Gesetze und Verordnungen kennen, sondern insbesondere auch
deren Auslegung durch die Gerichte. Eine solche Einarbeitungszeit mache die flexible Reaktion auf kurzfristige Ausfälle oder erhöhten
Arbeitsaufwand nahezu unmöglich.
Politische Rückendeckung
Alle Beteiligten betonen die große Bedeutung der politischen „Wetterlage“. Das betrifft zum einen die Personalausstattung, für die die
Politik die entsprechenden Mittel bereitstellen muss. Zum anderen kann die Politik aber auch grundsätzlich die Möglichkeiten der Verwaltung erweitern, wenn klar ist, dass dem Wohnungsbau eine hohe politische Priorität zukommt.
Immobilienwirtschaft
▶Die Vertreter der Immobilienwirtschaft gaben zum Teil an, dass der Wohnungsbau in einigen Kommunen
keine ausreichende Priorität habe.
▶Eine Verbesserung der Abläufe in den Bauaufsichtsbehörden sei insbesondere in solchen Kommunen wahrzunehmen,
in denen der Wohnungsbau weit oben auf der Agenda steht.
Bauaufsichtsbehörden
▶In allen Bauaufsichtsbehörden wurde die Personalausstattung als gerade ausreichend beschrieben.
Puffer für kurzfristige Ausfälle oder erhöhten Arbeitsaufwand seien nicht vorhanden.
▶Für die Zukunft erwarten die meisten Befragten einen steigenden Personalbedarf.
Es sei nicht damit zu rechnen, dass die jetzigen Mittel dann noch ausreichen.
Ohne die Rückendeckung der Politik scheint es schwer zu sein, Veränderungen voranzutreiben. Die Befragten beider Seiten betonten die
Bedeutung einer ausreichenden Priorisierung des Wohnungsbaus und einer entsprechenden Mittelausstattung der Kommunen. Bei der
Personalgewinnung ist zudem der Mangel an einschlägigen Fachkräften zu bedenken. Die öffentliche Verwaltung konkurriert hier un­
mittelbar mit der privaten Immobilienwirtschaft um die besten Köpfe.
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Novellierung der Landesbauordnung
Zusätzlich zu den Fragen zu den bisherigen Erfahrungen in Baugenehmigungsverfahren wurden die Interviewpartner befragt, was sie
von der Novellierung der Landesbauordnung NRW erwarten und wie sich diese auf die Bearbeitungsdauer von Bauanträgen auswirken
könnte. Zu zentralen geplanten Änderungen gehören die Abschaffung des Freistellungsverfahrens und neue Regelungen im Bereich
Barrierefreiheit, rollstuhlgerechtes Wohnen und Brandschutz.
Immobilienwirtschaft
▶Alle interviewten Vertreter der Immobilienwirtschaft sehen die Novellierung der Landesbauordnung eher kritisch
und befürchten einen zunehmenden Aufwand.
▶Die Interviewpartner sehen teilweise einen Konflikt zwischen den neuen Regulierungen im Bereich der Barrierefreiheit
und rollstuhlgerechtes Wohnen und dem Ziel der günstigen Wohnraumschaffung.
▶Die Abschaffung des Freistellungsverfahrens wird eher kritisch betrachtet. Häufig genutzt worden sei das Verfahren jedoch nicht.
Bauaufsichtsbehörden
▶Einige Befragte erwarten aufgrund der Novellierung der Landesbauordnung einen erhöhten Arbeitsaufwand. Dabei erwarten
sie neben einem erhöhten Prüfaufwand besonders anfangs mehr Aufwand durch die Notwendigkeit, Mitarbeiter entsprechend
­einzuarbeiten und EDV-Systeme anzupassen. Zudem sei mit einem erhöhten Beratungsbedarf der Antragsteller zu rechnen.
▶Teilweise haben die Befragten auch positive Erwartungen an die Novellierung der Landesbauordnung. Sie erwarten eine bessere
Nachvollziehbarkeit und Umsetzbarkeit der Regelungen durch eine systematische Restrukturierung der Inhalte und eine bessere
Anpassung der Regelungen an aktuelle Rahmenbedingungen. Ein Abbau und eine deutliche Vereinfachung der Vorschriften seien
wünschenswert. Dies würde auch eine zügigere Einarbeitung neuer Mitarbeiter ermöglichen.
▶Keiner der Interviewpartner gab an, dass das Freistellungsverfahren bislang eine große praktische Bedeutung gehabt habe.
Das Verfahren sei wenig genutzt worden, insbesondere weil es den verantwortlichen Architekten wenig Rechtssicherheit bietet.
Wenn es mal genutzt werden sollte, seien die Verfahren häufig nachträglich doch als vereinfachte Genehmigungsverfahren durchgeführt worden. Dementsprechend erwarten sie von der Abschaffung des Verfahrens keinen nennenswerten Mehraufwand.
▶Bemängelt wurde außerdem, dass das Thema der Digitalisierung der Bauakten nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.
Während die Vertreter der Immobilienwirtschaft mit der Novellierung der Landesbauordnung einen zunehmenden Aufwand durch neue
Vorschriften hinsichtlich Barrierefreiheit, Brandschutz etc. befürchten, sind die Vertreter der Bauaufsichtsbehörden geteilter Ansicht:
­Einerseits befürchten sie, dass die Umsetzung neuer Vorschriften mit Aufwand verbunden sein wird, anderseits haben sie Hoffnung,
dass Prozesse vereinfacht werden können. Die Abschaffung des Freistellungsverfahrens wird von den Vertretern der Immobilienwirtschaft nicht befürwortet. Die Vertreter der Bauaufsichtsbehörden sehen darin keinen Grund für längere Antragsverfahren, weil das
Verfahren kaum genutzt worden sei.
Die Befragungen der Vertreter der Immobilienwirtschaft und der Bauaufsichtsbehörden helfen, die Gründe hinter den in dem
­quantitativen Teil der Studie festgestellten Verzögerungen in vielen Baugenehmigungsverfahren zu erkennen. Zum Teil sehen die
­Beteiligten die Ursachen bei der jeweils anderen Seite, zum Teil sind sie aber auch selbstkritisch und sehen teilweise sogar die
­gleichen Verbesserungspotentiale. Auf Grundlage ihrer Einschätzungen werden abschließend Empfehlungen formuliert, wie Bau­
genehmigungsverfahren effizienter gestaltet werden können.
Empfehlungen
Wie in den Befragungen deutlich geworden ist, sollten sich Empfehlungen, die auf eine zügigere Bearbeitung von Baugenehmigungs­
verfahren zielen, an die Bauaufsichtsbehörden, die Antragsteller und die Politik richten. Nur wenn alle Seiten zu besseren Prozessen
beitragen, können Verzögerungsgründe vermieden und die mit Verzögerungen verbundenen Kosten reduziert werden. Die zügige
­Bearbeitung von Bauanträgen ist letztlich die Voraussetzung für den Bau des dringend benötigten Wohnraums.
… an die Immobilienwirtschaft
Die Antragsteller sollten beachten, dass nur vollständige und korrekt ausgefüllte Antragsunterlagen zügig bearbeitet werden können.
Dort wo dies bislang an unklaren Regelungen scheitert, sollten die Antragsteller vorab Angebote der Bauaufsichtsbehörden wahr­
nehmen, wenn diese vorhanden sind. In persönlichen Gesprächen und telefonischen Beratungen können die offenen Fragen hinsichtlich
der Anforderungen an den Antrag für ein bestimmtes Bauvorhaben geklärt und so die Anzahl der unvollständig eingereichten Anträge
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| Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren – Gründe, Folgen und Lösungsansätze
reduziert werden. Im laufenden Verfahren bieten einige Bauaufsichtsbehörden Möglichkeiten, den Status des Verfahrens online ein­
zusehen, die ebenfalls wahrgenommen werden sollten, bevor Nachfragen bei den Behörden gestellt werden.
… an die Bauaufsichtsbehörden
Die Empfehlungen an die Bauaufsichtsbehörden zielen insbesondere darauf, die Kommunikation mit den Antragstellern zu verbessern,
den Bearbeitungsprozess transparenter und übersichtlicher zu gestalten und die Entscheidungsspielräume, die rechtlich bestehen,
sinnvoll zu nutzen.
Ganz wichtig scheint es, dass gleich zu Beginn des Verfahrens ein eindeutiger Ansprechpartner benannt wird, der über das gesamt Verfahren hinweg für einen Bauantrag zuständig ist bzw. in Ausnahmefällen das Verfahren an einen neuen Ansprechpartner übergibt und
dies eindeutig kommuniziert. Die Kommunikation sollte möglichst persönlich erfolgen, um Missverständnisse zu vermeiden, wie sie in
solch komplexen Verfahren im Austausch per E-Mail leicht entstehen können. Zu einer zielführenden Kommunikation gehört auch, dass
Anträge nicht nur abgelehnt bzw. Nachforderungen gestellt werden, sondern dass solche Entscheidungen jeweils kurz begründet und
um entsprechende Verbesserungsvorschläge ergänzt werden.
In den Bearbeitungsprozessen könnte viel Aufwand auf beiden Seiten vermieden werden, wenn die Unterlagen bei Einreichung eines
Bauantrags gleich systematisch geprüft würden. Auch zu Beginn initiierte Treffen mit den Antragsstellern können manche Probleme
ohne Verzögerung ausräumen. Die Prozesse würden zudem von der Erstellung eindeutiger Ablaufpläne profitieren. Dies würde nicht
nur die Verfahren verkürzen, sondern auch für eine bessere Planbarkeit der Bauvorhaben auf Seiten der Antragssteller sorgen und so
zu geringeren Kosten führen. Immer dann wenn mehrere Dienststellen an einem Baugenehmigungsverfahren beteiligt werden müssen,
sollten Verantwortungsbereiche eindeutig zugewiesen und die notwendigen Arbeitsschritte koordiniert werden. Diese Aufgabe könnten
dienststellenübergreifende „Wohnungsbaulotsen“ übernehmen, um sicherzustellen, dass zu jeder Zeit ein guter Überblick über die Verfahren gewährleistet ist. Voraussetzung dafür wäre, dass eine solche Rolle mit den entsprechenden Entscheidungsbefugnissen aus­
gestattet würde.
Auch digitale Strategien können die Bearbeitungsprozesse verbessern. Digital verwaltete Verfahren ermöglichen eine einfachere
Zusammenarbeit der verschiedenen Dienststellen und gewährleisten gleichzeitig eine höhere Transparenz der Verfahren für die Antragsteller. Dabei sollte das Ziel sein, keine Ansammlung unterschiedlicher, möglicherweise zwischen Dienststellen nicht kompatibler
Strategien zu entwickeln, sondern bewährte Strategien anderer Behörden zu übernehmen. Antragsteller sollten zudem nicht in jedem
Verfahren mit neuen Abläufen konfrontiert sein, da dies die Zusammenarbeit von vorneherein erschweren würde. Idealerweise ist ein
Standard für NRW anzustreben.
Eine besondere Bedeutung haben die Entscheidungsspielräume bei der Bearbeitung der Bauanträge. Wenn Vorschriften systematisch
restriktiver ausgelegt werden als es unbedingt nötig wäre, führt dies fast zwangsläufig dazu, dass die gestellten Bauanträge nicht mit
den Entscheidungen der Sachbearbeiter kompatibel sind. Empfehlenswert scheint eine Fehlerkultur in den Bauaufsichtsbehörden, die
Mitarbeiter zu angemessen eigenverantwortlichen Entscheidungen ermutigt. Mitarbeiter sollten ausreichend geschult werden, um in
der Lage zu sein, die bestehenden Entscheidungsspielräume eigenständig zu nutzen. Gegebenenfalls könnte auch eine Verstärkung der
Bauaufsichtsbehörden durch Juristen in Frage kommen. Eine grundsätzlichere Maßnahme wäre, die Entscheidungsspielräume, dort
wo sie ohnehin nicht genutzt werden, zu verringern, indem eindeutigere Entscheidungsregeln in den Behörden geschaffen werden.
Allerdings könnte dies angesichts sehr unterschiedlicher Bauvorhaben gegebenenfalls eine Vielzahl von Vorschriften erfordern, die
die Komplexität der Regelungen weiter erhöhen und somit eventuell auch die Fehleranfälligkeit der Entscheidungen steigern würde.
Hier gilt es also abzuwägen.
… an die Politik
Die Vertreter sowohl der Immobilienwirtschaft als auch der Bauaufsichtsbehörden betonen die besondere Bedeutung der politischen
Unterstützung für eine zügige Umsetzung von Bauvorhaben. Angesichts des Ziels, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, sollte diese
grundsätzlich selbstverständlich sein. Die Notwendigkeit einer besseren Mittelausstattung sollte jeweils geprüft und entsprechend in
Betracht gezogen werden. Nur Bauaufsichtsbehörden, die mit ausreichend Personal ausgestattet sind, können neue Mitarbeiter um­
fassend schulen und eine ausreichende Betreuung der Antragsteller gewährleisten. Auch darüber hinaus gibt es politische bzw. gesetzgeberische Möglichkeiten, zu effizienten Baugenehmigungsprozessen beizutragen:
Dort wo es den zuständigen Behörden schwer fällt, Prozesse zu vereinheitlichen und so für mehr Übersichtlichkeit zu sorgen, kann
die Politik eine Koordinationsfunktion übernehmen. Insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung könnte es sinnvoll sein, landesweit
auf der Ebene der kommunalen Spitzenverbände eine gemeinsame Lösung zu entwickeln. Dies könnte verhindern, dass miteinander
nicht kompatible Systeme eingeführt und Ressourcen bei der Entwicklung dieser Systeme verschwendet werden. Dabei ist jedoch
selbstverständlich wichtig, dass sich die Systeme zunächst in Einzelfällen bewähren. Anstatt feste Standards vorzugeben könnte
es hilfreich sein, Kataloge mit Best-Practice-Beispiel zu erstellen, an denen sich andere Behörden orientieren können. Dies gilt für
Digitalisierungsstrategien, aber auch für alle anderen besonders gut funktionierenden Abläufe.
November 2016 |
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Eine besonders wichtige Aufgabe der Politik ist der Abbau von Vorschriften und die Reduzierung ihrer Komplexität. Eine Vereinfachung
der Regelungen könnte viele Verzögerungen in Baugenehmigungsverfahren verhindern. Es sollte intensiv geprüft werden, wo solche
Vereinfachungen möglichen sind und inwiefern sie den Sachbearbeitern ihre Entscheidungen in den Verfahren tatsächlich erleichtern.
Es gilt dabei sicherzustellen, dass nicht an den falschen Stellen Entscheidungsspielräume entstehen, die die gegenteilige Wirkung haben, Verfahren also eher verzögern. Die anstehende Reform der Landesbauordnung NRW und die Überarbeitung der Musterbauordnung
durch den Bund drängen sich hier geradezu auf.
Die politische Rückendeckung kann auch darin bestehen, klare Zielvorgaben zu formulieren. Dies gilt zum einen grundsätzlich für den
Umfang der Neubautätigkeit. Um klare Verantwortungen zu schaffen, wären diesbezüglich Zielvorgaben auf Stadtbezirksebene wünschenswert. Darüber hinaus könnten auch klarere Zielvorgaben für die Bearbeitungsdauer von Bauaufträgen helfen. Wäre für alle
Beteiligten ersichtlich, an welchen Fristen sie tatsächlich gemessen werden, könnte dies die Motivation, Veränderungen umzusetzen,
gegebenenfalls zusätzlich stärken.
ZIELVORGABEN FÜR DIE BEARBEITUNGSDAUER VON BAUANTRÄGEN
Eine der Bauaufsichtsbehörden, deren Leiter befragt wurde, gibt das Serviceversprechen, dass 80% der Anträge innerhalb von
8 Wochen bearbeitet werden, sofern vorher eine Bauberatung stattgefunden hat. Dies sei von den Bürgermeistern des Kreises vor
ein paar Jahren ins Leben gerufen worden und habe tatsächlich dazu geführt, dass sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer
verkürzt habe.
Fazit
Die Immobilienwirtschaft wünscht sich schnellere und transparentere Baugenehmigungsverfahren. Teilweise könnte
dieses Ziel durch eine Verbesserung der Prozesse in Bauaufsichtsbehörden erreicht werden. Insbesondere eine bessere
Koordination der Abläufe, an denen viele Dienststellen beteiligt sein können, und eine intensivere Kommunikation mit
den Antragstellern könnten dazu beitragen, Verzögerungen zu vermeiden. Die Immobilienwirtschaft sollte entsprechende
­A ngebote dann auch nutzen, um möglichst fehlerfreie und vollständige Anträge einzureichen.
Sowohl die Bauaufsichtsbehörden als auch die Immobilienwirtschaft leiden allerdings unter der hohen Komplexität der
einschlägigen Regelungen. Die Politik sollte die baurechtlichen Vorschriften auf das notwendige Minimum beschränken.
Darüber hinaus sollte sie, wo nötig, eine Koordinationsfunktion übernehmen, damit aus guten Insellösungen ein landes­
weiter Standard wird. Dies gilt insbesondere für Digitalisierungsstrategien, die bislang teilweise nur zögerlich implementiert werden, aber das Potential haben, Prozesse deutlich zu vereinfachen.
Der politische Wille, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, ist erkennbar. Die Bedeutung von zügigen Baugenehmigungsverfahren für die Erreichung dieses Ziels sollte nicht unterschätzt werden.
BFW Landesverband
Nordrhein-Westfalen
Verband der mittelständischen
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
Oststraße 55, 40211 Düsseldorf