Berührungslose Hubhöhenmessung

HAFENTECHNIK UND -LOGISTIK
| Radartechnik
Berührungslose Hubhöhenmessung
Passivradar als neue Möglichkeit der Positionsbestimmung
In den letzten zehn Jahren hat sich Radar
als Mittel zur Positionsbestimmung von
Prozesskranen und Krankatzen in
vielen Industrien etabliert, u. a. auch in
Container terminals. Während die Lokalisierung von Containerumschlaggeräten
mit Aktivradar bereits seit vielen Jahren
genutzt wird, ist die Höhenmessung des
Spreaders mit Passivradar ein relativ
neuer Anwendungsbereich.
JWD sowie der JWD-eigene IT-Dienstleister
Dynamic IT Solutions DITS für die passive
Radarlösung, um die Höhe des Spreaders und
damit die Höhe des Containers kontaktlos zu
bestimmen (Bild ➊). Relevante Vorteile der
Passivradar-Lösung liegen in der einfachen
Nachrüstbarkeit mit nur einem Funksensor
und einem einfachen Metallspiegel, in der
berührungslosen, d. h. ohne Kabelverbindungen stattfindenden Funkmessung und in der
wartungsfreien Anwendung auch unter schwierigen Wetterbedingungen.
Da keine Elektronik oder Spannungsversorgung auf dem Spreader erforderlich ist, kann darüber hinaus das Problem
der Schockempfindlichkeit beim Abstellen des Containers am Boden umgangen
werden.
QUELLE: SYMEO
Vor allem bei hoher Belastung mit Staub,
Schmutz und Feuchtigkeit im Innenbereich und
unter Witterungseinflüssen wie Regen, Nebel
und Schnee bei (Hafen-)Außenanwendungen
ist die Unempfindlichkeit einer funkbasierten Radarmessung gegenüber Encoder- oder
Laser-Systemen ein wichtiges Merkmal. Die
JWD Group in Thailand, Spezialist für Logistik und Supply Chain Management, setzt aus
diesem Grund in ihrem Inlandterminal Laem
Chabang für Gefahrgüter seit Anfang 2016 auf
die neue Passivradar-Anwendung der Symeo
GmbH zur berührungslosen Höhenmessung des Spreaders bei vier Rubber-TiredGantry(RTG)-Kranen.
Nach der Anschaffung der Krane stellte sich
die Frage, wie die Geräte möglichst einfach
nachgerüstet werden können, um eine genaue,
zuverlässige und wartungsfreie Containerpositionierung zu gewährleisten. Nachdem
mehrere Reachstacker im Terminal bereits
seit fünf Jahren über die satellitenbasierten
GNSS-Lösungen von Symeo positioniert worden
waren, entschied sich der Terminalbetreiber
QUELLE: SYMEO
QUELLE: JWD GROUP
➋ Das LPR-1DHP-R erlaubt die Entfernungsmessung zu beliebigen Oberflächen. Für präzise
Ergebnisse wird häufig ein einfacher Tripelspiegel (mittleres Objekt) als Radarziel verwendet.
➊ Die Hubhöhenmessung des Spreaders im
JWD-Terminal erfolgt mit Hilfe eines
Passivradars.
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➌ Typisches Radarspektrum in einer Mehrzielumgebung. Das Passivradar lässt sich über das
eingebaute Webinterface vom Nutzer einfach parametrieren, um den Messbereich und die
Empfindlichkeit an die Anwendung anzupassen.
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Die Funktionsweise der aktiven
und der passiven Radarmessung
Grundsätzlich unterscheidet man in der Radartechnik zwischen Sekundärradar (aktive Radarmessung) und Primärradar (passive Radarmessung). Beide Radararten sind für unterschiedliche Positionierungsaufgaben im industriellen
Umfeld geeignet.
Bei der aktiven Radarmessung werden zwei
kooperierende Funksensoren verwendet, die
weit voneinander entfernt sein können. In diesem Fall kann Radar über sehr große Entfernungen eingesetzt werden, was bei besonders
langen Messstrecken und unebenen Kranschienen ein Vorteil ist (Sekundärradar).
Für geringe Reichweiten bietet sich aber auch
die Verwendung einer einzigen Einheit an, die
auf passive Oberflächen messen kann (Primärradar, passive Messung).
Das Funksystem von Symeo bietet sowohl in
einer Ausführung als Primärradar (LPR-1DHPR) als auch in einer Ausführung als Sekundärradar (LPR-1DHP) die Möglichkeit zur präzisen
Entfernungsmessung. Als Primärradar kann
dabei je nach Reflektorgröße eine Reichweite
bis 70 m erreicht werden, für lange Distanzen
sind beim Sekundärradar Strecken bis 500 m
möglich.
➍ Montage von Radar
und Reflektor zur
Hubhöhenmessung an
Krankatze bzw. Spreader
QUELLE: SYMEO
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➎ Montage von
QUELLE: APM TERMINALS & SYMEO
Radar und Reflektor
zur Hubhöhenmessung am
Containerstapler
Bei der passiven Entfernungsmessung sendet das Primärradar LPR-1DHP-R frequenzmodulierte Radarsignale im ISM-Frequenzband
von 61 GHz bis 61,5 GHz aus. Dieses Band darf
frei genutzt werden und ist bis auf wenige Länder weltweit verfügbar. Die ausgesendeten Signale werden an den Zielobjekten reflektiert und
wieder vom Radar empfangen. Der Unterschied
in den Signalfrequenzen von Sende- und Empfangssignal wird mit einer Frequenzanalyse
bestimmt. Aus den so gemessenen Frequenzen
ergeben sich unmittelbar die Entfernung und
die Geschwindigkeit der Radarziele. Mit dem
Gerät kann prinzipiell die Entfernung zu beliebigen Objekten bestimmt werden. Reichweite
und Signalqualität – und damit auch die erreichbare Genauigkeit – hängen dabei maßgeblich
von der Oberflächenbeschaffenheit der Radarziele ab. In vielen Anwendungen wird daher ein
Tripelspiegel als Reflektor verwendet (Bild ➋).
Dieser reflektiert die vom Radar ausgesendeten Signale sauber zurück zum Gerät, so dass
hohe Genauigkeiten in der Entfernungsmessung
erreicht werden.
Die Ausrichtung von Reflektor und
Sensor ist entscheidend
In typischen Industrie- und Hafenumgebungen
befinden sich vor allem bei größeren Entfernungen meist mehrere Ziele im Erfassungsbereich des Radars. Bei der Hubhöhenmes-
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sung können sich beispielsweise Reflektionen
am montierten Reflektor, am Spreader selbst
und am Container ergeben. Bei der Frequenzanalyse der Signale ergeben sich dann mehrere
Maxima in den Signalspektren. Jedes Maximum, wie es in Bild ➌ dargestellt ist, entspricht
dabei einem Radarziel, z. B. Reflektor, Spreader
und Container. Das LPR-1DHP-R kann so konfiguriert werden, dass es entweder das erste
Ziel oder das stärkste Ziel in seinem Erfassungsbereich erkennt. Wichtig bei der Montage
und Ausrichtung des Reflektors ist daher, dass
dieser entweder immer das erste oder immer
das stärkste Ziel im Erfassungsbereich des
Radars ist und dass das Radar entsprechend
parametriert wird.
Der Erfassungsbereich des Radars wird
dabei komfortabel über ein Webinterface
direkt auf dem Gerät eingestellt. In Bild ➌ ist
der Erfassungsbereich für gültige Ziele grün
markiert. Er kann frei parametriert werden.
Die Zielsuche erfolgt zwischen einer minimalen
Entfernung (DMI) und einer maximalen Entfernung (DMA). Radarziele außerhalb dieses
Bereiches werden ausgeblendet.
Radarziele zwischen DMI und DMA werden
nur dann als gültige Ziele bewertet, wenn ihr
Pegel über der konfigurierbaren Pegelschwelle
liegt. Entfernungsabhängig können dabei drei
verschiedene Pegelstufen verwendet werden,
um den Suchbereich ideal an die Messumgebung anzupassen. Für Radarziele in einer Entfernung zwischen DMI und DL0 muss der Pegel
dabei mindestens ML0 betragen, damit ein gültiges Ziel erkannt wird. Zwischen den Entfernungen DL0 und DL1 beträgt der erforderliche
Signalpegel mindestens ML1. Zwischen den
Abständen DL1 und DMA ist mindestens ein
Signalpegel von ML2 erforderlich, damit ein
Radarziel als gültig erkannt wird. Alle benötigten Parameter werden im Webinterface des
Gerätes gesetzt.
Bei der Anwendung des Passivradars zur
berührungslosen Hubhöhenmessung im
Inland-Terminal der JWD Group wurde der
Reflektor, ein einfacher Metallspiegel, so am
Spreader angebracht, dass er aus Sicht des
Radars das erste Ziel im Erfassungsbereich
darstellt. Der Radarsensor LPR-1DHP-R selbst
wurde an einer passenden Stelle an der Krankatze montiert. Dabei muss das Radar mittig
über dem Reflektor montiert sein, wie es in
Bild ➍ gezeigt wird, um auch beim Schwingen
des Spreaders noch zuverlässige Distanzmessungen zu erhalten.
Über ein Webinterface kann das Radar
noch passend konfiguriert werden, indem die
Messung auf das erste Ziel im Suchbereich
aktiviert und der Suchbereich entsprechend
der zu messenden Hubhöhe eingestellt wird,
z. B. auf einen Bereich von 3 m (obere Position
des Spreaders) bis 25 m (untere Position des
Spreaders). Anschließend wird die Höhe des
Spreaders mit hoher Genauigkeit zuverlässig
und kontinuierlich gemessen.
Die Hubhöhenmessung ist auch
für Containerstapler geeignet
Eine ganz ähnliche Anwendung ist die
Hubhöhenmessung am Containerstapler. Dabei
werden Radar und Reflektor – wie in Bild ➎
gezeigt – am Fahrzeug angebracht. Aufgrund
der Anbaupositionen ist der Reflektor in dieser
Anordnung das stärkste Ziel im Sichtbereich.
Das Radar wird entsprechend konfiguriert und
die Hubhöhe des Containerstaplers mit hoher
Genauigkeit bestimmt.
Die Messdaten, beispielsweise Abstand und
Signalpegel, werden jeweils in einem kompakten Binärprotokoll über eine der möglichen
Schnittstellen des Gerätes ausgegeben. Als
Schnittstellen stehen standardmäßig Ethernet
und RS232 zur Verfügung. Optional kann das
Gerät um eine Profibus-/Profinet-Schnittstelle
erweitert werden.
Das Passivradar wird gegenwärtig in einer
Vielzahl weiterer Anwendungen eingesetzt,
beispielsweise auch zur Positionierung von
Kranbrücken und Fahrzeugen über kurze
Entfernungen und zur Erkennung von Hindernissen im Fahrweg. In einigen Anwendungen
ist es darüber hinaus – in Abhängigkeit von
den gemessenen Abständen zum Ziel – sinnvoll, Relais-Ausgänge zu schalten. Dazu
kann das LPR-1DHP-R um eine optionale
Relais-Schnittstelle mit vier Relais erweitert
werden, deren Schaltschwellen ebenfalls
über das Webinterface parametriert werden
können.
(ck)
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