Juristische Ausbildung 2015(9): 922–925 Grundstudium ZR Professor Dr. Anne Röthel Der Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB): Eine Einführung DOI 10.1515/jura-2015-0185 Erfahrungsgemäß dauert es nicht lange, bis Studierende das erste Mal davon hören, dass sich ein Bereicherungsschuldner »auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann« und dass darin eine Besonderheit des Bereicherungsrechts liegt. Der folgende Beitrag versteht sich als erste Einführung und erläutert Anliegen (unten I.), Hintergründe (unten II.), Wirkungsweise (unten III.) und Anwendungsfälle (unten IV.) des Entreicherungseinwands. Die Besonderheiten der Bereicherungshaftung bei gegenseitigen Verträgen (sog. Saldotheorie) werden in einem folgenden Beitrag ausgeführt. I. Modelle der Rückgewährhaftung nicht ausnahmsweise die Verpflichtung zum Wertersatz ausgeschlossen ist (§ 346 Abs. 3 BGB)2. Gemeinsam ist bei diesen beiden Modellen der Rückgewährhaftung, dass nicht danach gefragt wird, wie sich die Verpflichtung zu Schadensersatz bzw. zu Wertersatz auf das Vermögen des Schuldners auswirkt. Wer nach §§ 989, 990 BGB Schadensersatz schuldet und wer nach § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet, kann nicht einwenden, dass er zur Erfüllung dieser Verpflichtungen sein »sonstiges« Vermögen angreifen muss. Dies ist anders bei dem dritten Modell der Rückgewährhaftung im BGB: der bereicherungsrechtlichen Rückgewährhaftung (§§ 818–820 BGB). Wer Rückgewähr eines Vorteils nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung schuldet, ist zwar auch zum Wertersatz verpflichtet, wenn die Herausgabe des Erlangten nicht möglich ist, z. B. weil die erlangten Äpfel gegessen oder das erlangte Fahrzeug veräußert wurde (§ 818 Abs. 2 BGB). Die Besonderheit liegt aber darin, dass der Empfänger nun einwenden kann, dass in seinem Vermögen nichts mehr von dem Erlangten vorhanden ist: »Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist« (§ 818 Abs. 3 BGB). Dem redlichen und unverklagten Bereicherungsschuldner steht der Einwand zu, dass die Bereicherung inzwischen weggefallen ist3. In diesem »Wegfall der Bereicherung« wird das »sinngebende Element des Bereicherungsrechts« gesehen4. Charakteristisch für die Bereicherungshaftung ist also eine Entlastung: Wer »nur« bereicherungsrechtlich haftet, haftet »leichter« als derjenige, der nach § 346 BGB oder nach §§ 989, 990 BGB haftet. Oder wie es der BGH schon mehrfach formulierte: Es sei Wer Herausgabe eines Gegenstands schuldet und diesen nicht mehr herausgeben kann, weil das Erlangte verbraucht, verschlechtert, veräußert oder verloren ist, kann hierfür in unterschiedlich starker Form haften. Das BGB kennt im Wesentlichen drei »Modelle« für eine solche Rückgewährhaftung. Ein Modell ist das Modell des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses: Wer Herausgabe einer Sache gemäß § 985 BGB schuldet und diese nun nicht mehr herausgeben kann, schuldet hierfür Schadensersatz (§§ 989, 990 BGB), wenn die Sache durch das Verschulden des Besitzers untergegangen oder verschlechtert ist und der Besitzer bösgläubig oder verklagt war1. Ein anderes Modell der Rückgewährhaftung ist das Modell des Rücktrittsrechts (§§ 346 ff. BGB). Wer eine empfangene Leistung nicht zurückgewähren kann, z. B. weil die Herausgabe des Empfangenen nach der Natur des Erlangten unmöglich ist (z. B. Gebrauchsvorteile) oder weil der empfangene Gegenstand verbraucht oder veräußert worden ist, hat hierfür Wertersatz zu leisten (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1–3 BGB), soweit 2 Siehe auch schon Röthel, Herausgabe des Erlangten, JURA 2012, S. 844 ff. 3 Anders für den unredlichen bzw. verklagten Bereicherungsschuldner: Er haftet gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB »verschärft«, d. h. nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 291 ff., 987 ff. BGB). Daraus folgt indirekt, dass es für die Haftung des unredlichen/verklagten Bereicherungsschuldners gleichgültig ist, ob das Erlangte noch in seinem Vermögen vorhanden ist. § 818 Abs. 3 BGB kommt auf ihn »von vornherein nicht zur Anwendung; siehe BGHZ 57, 137, 150. 4 Mot. II, S. 1173 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 576 f. 1 Dazu schon BGH NJW 2014, 2790 ff. = Röthel, JK 3/15, BGB § 819/2. Anne Röthel: Die Autorin ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Europäisches und Internationales Privatrecht der Bucerius Law School, Hamburg, und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift. - 10.1515/jura-2015-0185 Downloaded from De Gruyter Online at 09/11/2016 05:06:51PM by [email protected] via Christoph Werkmeister Grundstudium ZR – Anne Röthel: Der Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB): Eine Einführung 923 »allgemein anerkannter oberster Grundsatz des Bereicherungsrechts«, dass »die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus führen darf.«5 geführt, dass § 818 Abs. 3 BGB unter der Geltung des BGB in der Tendenz einschränkend ausgelegt wird. Für die Rückabwicklung von gegenseitigen Verträgen ist § 818 Abs. 3 BGB fast vollständig verdrängt worden (»Saldotheorie«; dazu demnächst noch gesondert)8. II. Erklärungsversuche III. Einwendung Hinter dieser Abstufung zwischen einer »schärferen« Rücktrittshaftung und einer »leichteren« Bereicherungshaftung stand die Vorstellung, dass die Herausgabepflicht des Bereicherungsschuldners nicht mit einem »Unwerturteil« über den Bereicherungsvorgang verbunden ist. Wenn nach erfolgreicher Anfechtung eines Kaufvertrags gemäß § 119 Abs. 2 BGB die beiderseitigen Leistungen zurück zu gewähren sind, dann ist die Rückgewährverpflichtung eine Folge der mit § 119 BGB eröffneten Anfechtung und nicht einer Anmaßung fremder Rechte. In Fällen, in denen die Verpflichtung zur Rückgewähr auf einer Billigkeitsentscheidung beruhe, sei es »auch billig, dass diese Verpflichtung nur so lange dauere, wie die Bereicherung selbst«, lautete das zentrale Argument von Windscheid, das schließlich zur Regelung des BGB in § 818 Abs. 3 BGB führte6. Damit ist zugleich die »Achillesferse« des § 818 Abs. 3 BGB benannt: Ist es wirklich so, dass in allen Fällen, in denen jemand Rückgewähr »nur« gemäß § 812 BGB schuldet, diese Rückgewährverpflichtung auch »nur« auf Billigkeit beruht? Gilt dies auch, wenn jemand Vorteile nicht durch Leistung, sondern durch Eingriff erzielt hat (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB)? Und sind die Unterschiede zwischen den Gründen, die zum Rücktritt berechtigen (z. B. §§ 323, 437 Nr. 2 BGB), und den Gründen, die die Entstehung eines Vertrags hindern (z. B. §§ 142 I, 125 BGB), wirklich so groß, dass der Empfänger im ersten Fall grundsätzlich Wertersatz schuldet (§ 346 Abs. 2 BGB), soweit seine Verpflichtung zum Wertersatz nicht ausnahmsweise entfällt (§ 346 Abs. 3 BGB), während der Empfänger im zweiten Fall grundsätzlich keinen Ersatz schuldet, soweit er nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB), es sei denn dass er verschärft haftet (§ 818 Abs. 4 BGB)? Heute wird der »Wegfall der Bereicherung« und die damit verbundene Besserstellung des Bereicherungsschuldners gegenüber dem Rücktrittsschuldner von vielen als problematisch angesehen7. Dies hat dazu Der Wegfall der Bereicherung wirkt als Einwendung. Der Bereicherungsanspruch ist »ausgeschlossen« (lies § 818 Abs. 3 BGB), ohne dass sich der Bereicherungsschuldner darauf berufen oder den Wegfall geltend machen müsste. Der Bereicherungsschuldner wird automatisch von seiner Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten i. S. des § 812 Abs. 1 BGB bzw. zum Ersatz des Wertes (§ 818 Abs. 2 BGB) frei, wenn und soweit er »nicht mehr bereichert ist« (§ 818 Abs. 3 BGB). Wer einen Gegenstand erlangt hat, z. B. einen Sack Äpfel, ein Fahrrad oder ein Hausgrundstück, schuldet zunächst Herausgabe des Erlangten (§ 812 Abs. 1 BGB). Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, schuldet er anstatt dessen Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB). Dass das Erlangte nicht mehr in Natur vorhanden ist, entlastet den Bereicherungsschuldner also nicht. Der Anspruch ist nur ausgeschlos- 5 BGHZ 55, 129, 131 – Flugreise; siehe schon BGHZ 1, 75, 81; RGZ 118, 185, 187. 6 Windscheid Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl. 1906, § 424 Fn. 3, S. 888. 7 Siehe nur Flume, FS Niedermeyer, 1953, S. 103 ff.; Canaris, FS Lorenz, 1991, S. 19 ff.; v. Caemmerer, FS Rabel, 1954, 333 ff.; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung im BGB, 2000; Büdenbender, AcP 200 (2000), 627 ff.; Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, 2004. 8 Zum Meinungsstand und der älteren Entwicklung siehe nur Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 576 ff. IV. Fälle der Entreicherung Der naheliegendste Grund, warum ein Empfänger »nicht mehr bereichert« ist, besteht darin, dass dasjenige, was der Empfänger herauszugeben hat, nicht mehr im Vermögen vorhanden ist (unten 1.). Eine Entreicherung wird aber auch darin gesehen, dass der Empfänger im Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang Aufwendungen vorgenommen hat (unten 2.). Zweifelhaft ist, ob auch Schäden, die der Bereicherungsschuldner im Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang erlitten hat, als Entreicherung abzugsfähig sind (unten 3.). 1. Das Erlangte ist nicht mehr im Vermögen vorhanden - 10.1515/jura-2015-0185 Downloaded from De Gruyter Online at 09/11/2016 05:06:51PM by [email protected] via Christoph Werkmeister 924 Grundstudium ZR – Anne Röthel: Der Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB): Eine Einführung Beispiel: V schenkt einen Sack Äpfel im Wert von 25 € an S. S verkauft die Äpfel für 20 € an einen Nachbarn. Was kann V von S verlangen, wenn der Schenkungsvertrag später angefochten wird? S schuldet Herausgabe des Erlangten (hier: Eigentum und Besitz an dem Sack Äpfel). Weil er zur Herausgabe in Natur außerstande ist, schuldet er Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB). Ist der Anspruch auf Wertersatz nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen? Nur teilweise, denn das Vermögen des S ist noch um 20 € gemehrt. Insoweit ist er immer noch bereichert. Es fehlt allerdings an einer Bereicherung i.H. von 5 €. sen, wenn das Erlangte infolge der Unmöglichkeit der Herausgabe auch nicht mehr als Vermögensmehrung vorhanden ist. Beispiel: V schenkt S einen Sack mit Äpfeln. Später ficht V den Schenkungsvertrag an und verlangt von S Herausgabe der Äpfel. a) S tauscht die Äpfel bei seinem Nachbarn gegen einen Sack mit Birnen ein. b) S lässt die Äpfel vergammeln und entsorg sie schließlich als Biomüll. In beiden Fällen ist das Erlangte – die Äpfel – nicht mehr in Natur bei S vorhanden. S ist zur Herausgabe des Erlangten außerstande und schuldet daher grundsätzlich Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB). Der Unterschied zwischen den eingetauschten Äpfeln (a) und den vergammelten Äpfeln (b) liegt aber darin, dass im Fall a) das Vermögen des S immer noch gemehrt ist: Das Vermögen des S ist um die eingetauschten Birnen gemehrt. Es bleibt daher bei § 818 Abs. 2 BGB: S schuldet dem V Wertersatz. Anders im Fall b): Hier ist das Vermögen des S nicht mehr gemehrt. Die Verpflichtung zum Ersatz ist ausgeschlossen (§ 818 Abs. 3 BGB). Gleiches gilt im Hinblick auf die Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen9 und Surrogaten i. S. des § 818 Abs. 1 BGB. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob die Nutzung in Natur herausgegeben werden kann (wenn nicht: Verpflichtung zum Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB), und der Frage, ob die Nutzung noch im Vermögen des Empfängers als Bereicherung vorhanden ist (wenn nicht: Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB). Beispiel: V schenkt S ein Grundstück, auf dem mehrere Apfelbäume stehen. S bringt die Apfelernte ein und stellt aus den Äpfeln Apfelsaft her. Weil der Saft durch unsachgemäße Behandlung von Schimmel befallen ist, muss er alles wegschütten. Später ficht V den Schenkungsvertrag an und verlangt von S Herausgabe des Erlangten. »Erlangt« i. S. des § 812 Abs. 1 BGB sind Eigentum und Besitz an dem Grundstück. Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich aber auch auf die gezogenen Nutzungen (§ 818 Abs. 1 BGB), hier also die geernteten Früchte (§§ 100, 99 Abs. 1 BGB). Allerdings ist S zur Herausgabe der Früchte außerstande; er schuldet dafür Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB). Die Verpflichtung zum Ersatz wiederum ist ausgeschlossen, weil das Vermögen des S nicht mehr um die Äpfel bereichert ist. 2. Entreicherung durch Aufwendungen Ob das Vermögen des Empfängers noch bereichert ist, wird nicht nur gegenständlich im Hinblick auf das Erlangte verstanden. Entreicherung und Bereicherung können auch auf Aufwendungen des Empfängers beruhen: Erstens besteht auch dann eine herausgabepflichtige Bereicherung, wenn das Erlangte zwar nicht mehr fassbar ist, der Bereicherungsschuldner sich aber Aufwendungen erspart hat. Und zweitens kann eine Entreicherung auch darin liegen, dass der Bereicherungsschuldner im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs Aufwendungen getätigt hat, die sein Vermögen mindern. Beides ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 818 Abs. 3 BGB. Der historische Gesetzgeber überließ die Einzelfragen bewusst »Wissenschaft und Praxis«, ging aber davon aus, dass »der Empfänger den Wegfall der Bereicherung dann und soweit geltend machen [kann], als durch das Geleistete, im Kausalzusammenhange mit dem Empfange und Haben des Geleisteten, sein Vermögen gemindert wurde.«10 Die Einbeziehung von Aufwendungen in § 818 Abs. 3 BGB entspricht inzwischen st. Rspr.11. Als Vermögensminderung abzugsfähig sind indes nur solche Aufwendungen, die in »innerem Zusammenhang« mit dem Bereicherungsvorgang stehen. Dazu zählt der BGH insbesondere Aufwendungen, die für den Erwerb (Finanzierungskosten)12 oder für die Ziehung von Nutzungen und Früchten angefallen sind13. Beispiel: V schenkt S einen Sack Äpfel im Wert von 25 €. a) S bittet seinen Apfelfreund F gegen Zahlung von 10 €, ihm aus den Äpfeln Saft zu pressen, den er noch am selben Tag auf einer Feier anbietet, für die er sonst noch Saft hätte einkaufen müssen. b) S entschließt sich dazu, eine Saftpresse zum Preis von 50 € zu erwerben, um die Äpfel zu Saft zu verarbeiten. Abermals wird der Saft auf der Feier ausgeschenkt. Hat der Empfänger das Erlangte weiterveräußert und schuldet daher Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB), ist er nur dann nicht mehr bereichert, wenn auch der Veräußerungserlös nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist und er sich auch keine Aufwendungen erspart hat (dazu sogleich 2.). 9 Zur Bereicherungsherausgabe von Nutzungen BGHZ 196, 285, 288 f. = Röthel, JK 10/13, BGB § 812/44 und Röthel JURA 2013, 1110 f. 10 11 12 13 Mot. II, S. 838. RGZ 97, 310, 312; BGHZ 20, 345, 355; 55, 123, 134; 118, 383, 386. BGHZ 55, 128, 134. BGH NJW 1983, 1905 ff. - 10.1515/jura-2015-0185 Downloaded from De Gruyter Online at 09/11/2016 05:06:51PM by [email protected] via Christoph Werkmeister Grundstudium ZR – Anne Röthel: Der Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB): Eine Einführung Wenn V später den Schenkungsvertrag anficht, schuldet S Ersatz für die Äpfel gemäß § 818 Abs. 2 BGB. Der Anspruch auf Ersatz für die Äpfel ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Äpfel nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sind. Denn S hat den Apfelsaft auf seiner Feier angeboten und sich dadurch Aufwendungen für den Erwerb von Saft erspart. Sein Vermögen ist also noch bereichert i. S. des § 818 Abs. 3 BGB. Allerdings hat S Aufwendungen für die Herstellung des Apfelsafts getätigt. Solche Aufwendungen, die der Bereicherungsschuldner für die Ziehung von Früchten gezogen hat, sind grundsätzlich abzugsfähig. Soweit diese grundsätzlich ersatzfähigen Aufwendungen nicht mehr im Vermögen des S vorhanden sind, ist der Anspruch auf Ersatz ausgeschlossen. Im Fall a) ist das Vermögen des S um die für F aufgewendeten 10 € gemindert (§ 818 Abs. 3 BGB). Er schuldet dem V daher nur Herausgabe von 25 €. Anders im Fall b): Zwar hat S im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs Aufwendungen i.H. von 50 € getätigt. Doch ist die Aufwendung noch im Vermögen des S vorhanden, weil er die Saftpresse immer noch hat. Insoweit ist sein Vermögen also nicht gemindert. 3. Entreicherung durch Schäden Wenn schon Aufwendungen, also freiwillig erlittene Vermögensopfer, zu einem Wegfall der Bereicherung i. S. des § 818 Abs. 3 BGB führen, liegt es nahe, genauso für Schäden, also unfreiwillige Vermögensopfer zu entscheiden, wenn sie nur in innerem Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang stehen. Beispiel: V schenkt S einen Sack Äpfel im Wert von 25 €. Weil einige Äpfel vergammelt waren, verdirbt sich S an dem gepressten Saft den Magen. Er muss sich übergeben. Um die Flecken auf seinem Orientteppich zu beseitigen, muss S 20 € für die Reinigung aufwenden. 925 chen oder teilweisen Wegfall der Bereicherung in sich schließende Vermögensminderung vor und ist dem Empfänger jedenfalls nach den allgemeinen Vorschriften […] zur Zurückbehaltung der herauszugebenden Sache befugt.«14 Diese Frage ist jedoch weithin akademisch geblieben. Denn einerseits wird derjenige, der damit rechnen muss, dass der Schuldner im Zusammenhang mit dem Bereicherungsausgleich Schadensersatz geltend macht, in vielen Fällen ganz auf eine Geltendmachung seiner Rückgewähransprüche verzichten. Und andererseits ist dem geschädigten Bereicherungsschuldner mit einem Zurückbehaltungsrecht ohnehin nicht gedient. – Im Schrifttum ist die Abzugsfähigkeit von Schäden bis heute umstritten. Zum Teil wird eine Abzugsfähigkeit solcher Schäden bejaht, die adäquat-kausal auf dem Bereicherungsvorgang beruhen15. Zum Teil wird eine Abzugsfähigkeit von Schäden generell verneint, da Schäden nicht im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs erlitten würden, so dass sich ihre Ersatzfähigkeit nicht nach § 818 BGB, sondern nach den allgemeinen Vorschriften (§ 823 BGB) richte16. Andere differenzieren danach, ob der Bereicherungsschuldner aus Leistungskondiktion oder aus Nichtleistungskondiktion Rückgewähr schuldet: Während im Rahmen der Leistungskondiktion eine Abzugsfähigkeit für Schäden nicht gerechtfertigt sei, da die Schäden nicht im Vertrauen auf den Erwerb erlitten würden, wird ihre Berücksichtigung im Rahmen der Nichtleistungskondiktion für richtig gehalten17. 14 Mot. II, S. 837 f. 15 Giesen JURA 1995, 280, 283. 16 So etwa Staudinger/Lorenz, § 818 Rdn. 40: Vom Bereicherungsrecht könne »auch nicht die teilweise Regulierung von Schäden erwartet werden …«; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, 13. Aufl. 1994, § 73 I 2 g; Looschelders Schuldrecht BT, § 54 Rdn. 1115. 17 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 592 f. (zur Leistungskondiktion) sowie S. 624 ff. (zur Nichtleistungskondiktion). Nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers sollten Schäden durchaus abzugsfähig sein: »Es ist auch eine spezielle Vorschrift für die Frage entbehrlich, wie der Wegfall der Bereicherung durchzuführen ist, wenn eine in sich bestimmte Sache herauszugeben und durch diese Sache unmittelbar das Vermögen des Empfängers beschädigt worden ist. Zweifellos liegt solchenfalls eine den gänzli- - 10.1515/jura-2015-0185 Downloaded from De Gruyter Online at 09/11/2016 05:06:51PM by [email protected] via Christoph Werkmeister
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