top Markt Brief aus Amerika Warum mein Freund seine Farm aufgeben musste A nfang dieses Jahres hat mein langjähriger Freund (ich nenne ihn John) seine 26-jährige Karriere als Illinois Farmer beendet. Der Auktionator leitete die Betriebsauflösung durch einen harten Schlag mit dem Hammer ein. Anders als die meisten seiner 72 000 Berufskollegen, die seit 1993 in den USA aus der Landwirtschaft ausgestiegen sind bzw. dazu gezwungen waren, hat sich John noch rechtzeitig für die Betriebsaufgabe entschieden. Da die Maschinenversteigerung gut verlief, nahm John genug Geld ein, um die offenen Kredite zu begleichen. John hat diesen Tag schon seit Jahren kommen sehen – ehrlich gesagt: ich auch! Die Hauptgründe für Johns Ausstieg aus der Landwirtschaft waren seine Betriebsgröße und das „Freedom to Farm“ (Agrarprogramm der USA seit 1996). Mit rund 200 Hektar gepachtetem Land war die Farm zu klein, um genügend Gewinn zu erzielen. Nach Abzug der Pachtzahlungen, Produktionskosten und Ersatzinvestitionen im Bereich der Maschinen blieb nur noch eine kleiner Rest zum Leben für ihn und seine Familie. Und das, obwohl John von 1996 bis zum Jahr 2000 über 305 000 US-Dollar an Subventionen durch die amerikanische Agrarpolitik erhalten hat. Starker Rückgang der Deckungsbeiträge Hintergrund: Viele US-Getreideerzeuger haben mit einer ungünstigen Entwicklung von Ertrag und Aufwand zu kämpfen. Nach Berechnungen der Universität von Illinois lagen die durchschnittlichen Maiserträge im Jahr 1996 bei gut 101 dt /ha, im Jahr 2001 bei nur knapp 100 dt pro ha (- 1 %). Die variablen Produktionskosten (Saatgut, Dünger, Maschinen usw.) hingegen stiegen im gleichen Zeitraum von 408 $/ha auf 442 $ (+ 8 %). Verschärft wurde die Situation durch den Rückgang der Erzeugerpreise. 1996 erzielte Mais noch 13,10 $/dt, im vergangenen Jahr aber lediglich 7,70 $/dt. Das Ergebnis: Johns Deckungsbeiträge sanken bei Mais von 915 $/ha im Jahr 1996 auf rund 326 $ pro ha im Jahre 2001. 136 top agrar 4/2002 Alan Guebert nach Abzug der Pacht einen Gesamtdeckungsbeitrag von 36 000 $. Davon entfielen: ■ rund 16 300 $ auf Mais und ■ ca. 19 700 $ auf Sojabohnen. Davon musste er allerdings noch seine Steuern bezahlen. Der Einkommensteuersatz beträgt 25 %. Unterm Strich erwirtschafteten John und seiner Familie mit der Farm „zum Sterben zu viel, doch auch zu wenig zum Leben“. Subventionen helfen nicht wirklich Und davon müssen noch die Pachtzahlungen abgezogen werden. John hatte sein Land im Rahmen einer 50-prozentigen Überschussaufteilung (nach Abzug der variablen Kosten) gepachtet (crop sharing). Im Jahr 1996 erhielten die Verpächter also 457,5 $/ha – vereinzelt wurden diese Zahlungen mit Mais beglichen. 2001 mussten sich John und seine Verpächter 326 $/ha teilen, damit verblieben für beide Partien jeweils 163 $/ha. Bei Sojabohnen, seinem anderen Ackerbauschwerpunkt, sah es für ihn nicht besser aus. Die Erträge und die variablen Kosten blieben zwar von 1996 bis 2001 konstant. Die Erzeugerpreise fielen aber von 26 $ pro dt in 1996 auf 20 $/dt im Jahr 2001. Die Deckungsbeiträge pro ha gingen von 603 $ auf 418 $/ha zurück. Nach Abzug der Pacht blieben John im letzten Jahr nur noch 209 $/ha. Das entspricht einem Minus von über 30 % im Vergleich zu 1996. Zuletzt hat er zudem Probleme mit seinen Verpächtern bekommen. Von ihrem Erlösanteil müssen diese etwa 49,50 $/ha Grundsteuer bezahlen. Deshalb blieben ihnen im letzten Jahr bei Mais nur noch 113,50 $ pro ha als Nettorendite für ihr Land, das einen Wert von 7 410 $/ha aufweist. Das war eine Verzinsung von lächerlichen 1,5 % (bzw. knapp über 2 % bei Sojabohnen). Enttäuscht über diese schlechten Einnahmen und nicht zum Landverkauf bereit, suchten sie nach neuen Pächtern. Die Verträge mit John wurden legal gelöst – in der Hoffnung, höhere Erträge und Erlöse zu erzielen. Für John ging die Rechnung im letzten Jahr auch nicht besser auf. Er erzielte Aber was ist mit den Subventionen (durchschnittlich 60 000 $ pro Jahr), die John und seine Verpächter bekommen haben? Für die Landbesitzer war das wie ein warmer Regen. Doch wie viele andere Farmer, die mit dem Rücken zur Wand stehen, nutzte John den Löwenanteil davon, um das Saatgut für das Folgejahr zu finanzieren. So sparte er sich den Gang zur Bank. Der Rest wurde gebraucht, um seine sinkenden Einnahmen aufzubessern und die Lebenshaltung der Familie zu bezahlen. Nüchtern betrachtet, konnte Johns Familie von diesen Subventionen niemals wirklich profitieren. Ironischerweise war John – und ist es bis heute – ein großer Befürworter der Politik „Freedom to Farm“. Er unterstützte die meisten Verbände und Politiker, die damals die entsprechenden Gesetze forderten und es auch jetzt noch tun. Tatsache ist: Er konnte wegen der Subventionen zwar etwas länger wirtschaften. Doch sein finanzielles Leiden wurden eigentlich nur verlängert und der vorprogrammierte Ausstieg aus der Landwirtschaft verzögert. Das Versprechen, die US-Agrarpolitik würde zu steigenden Getreidepreise führen, wurde bis heute nicht eingelöst. Bei seiner für amerikanische Verhältnisse geringen Betriebsgröße und vier Jahren mit schlechten Preisen konnte er zum Schluss nicht länger auf bessere Marktverhältnisse hoffen. Am 23. Februar 2002 endete das Warten und damit auch die 125-jährige Farmer-Geschichte seiner Familie, die in den Prärien von Illinois Ackerbau betrieben hat.
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