Informationen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen und Bremerhaven November / Dezember 2016 Das Magazin der Arbeitnehmerkammer Bremen Ohne Grenzen Wenn sich das Privatleben mit dem Job vermischt Freiheit üben Unternehmenskultur Korrekte Klamotten Bremer Häftlinge arbeiten als Berufsfreigänger Schlechte Stimmung gefährdet die Gesundheit Wie Sie Kleidung fair einkaufen und entsorgen können BAM — November / Dezember 2016 Inhalt Galerie der Arbeitswelt Urlaub 2017 Korrekte Klamotten Seite 16 Seite 20 Seite 21 Inhalt SERVICE & BERATUNG 10 Arbeit & Gesundheit Bewegung und Licht – Tipps gegen den Winterblues THEMEN Schwerpunkt 6Ohne Grenzen Wenn sich das Privatleben mit dem Job vermischt 14 Freiheit üben Bremer Häftlinge als Berufsfreigänger 18 Unternehmenskultur 11 Fragen & Antworten Alle Jahre wieder – Weihnachten und Arbeit 22 Alles, was Recht ist Rechts- und Steuertipps / Rechtsirrtum: Online-Einkauf 23 Drei Fragen zur geplanten Reform der Leiharbeit Schlechte Stimmung macht krank IN JEDEM HEFT 20 Urlaub 2017 Was Beschäftigte wissen sollten 3Editorial 21 Korrekte Klamotten Alleinerziehende Kleidung fair einkaufen 4Die Bremer Arbeitswelt in Zahlen 5Kurz gemeldet 12 Medientipps 13 Veranstaltungskalender 16 Galerie der Arbeitswelt Der Pyrotechniker — 2 23 Leserfoto / Impressum 24 Beratungsangebote & Öffnungszeiten Editorial BAM — November / Dezember 2016 EDITORIAL #first7jobs Unter dem Twitter-Hashtag #first7jobs erfährt man endlich, wie Karrieren gestartet wurden. Kellner? Babysitter? Oder doch eher Marketing-Hase in der Fußgängerzone? Wir wollten wissen, wie prominente Bremerinnen und Bremer ihre Berufslaufbahn begonnen haben. Torben Otten, Sänger bei den „De Fofftig Penns“ wird auf der Bühne zum „plietschen Torbän“. Dort rappt, singt und schnackt er, gerne auch mal im Ostfriesennerz, ausschließlich auf Platt. Vor seiner Zeit bei „De Fofftig Penns“ hatte er eine deutliche Affinität zum Gärtnern. Zeitungsausträger Friedhofsgärtner Freier Mitarbeiter bei der Norddeutschen (Weser-Kurier) Eis- und Glühwein-Verkäufer im Weserstadion bei W erderSpielen Kindergärtner in Frankreich Landschaftsgärtner in Berlin Kokosnussverkäufer in Berlin Foto: Lars Kaempf Arbeitszeit muss verlässlich bleiben Peter Kruse Präsident der Arbeitnehmerkammer Bremen Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Smartphone, Tablet, Messenger und E-Mail machen es möglich: Wir können uns besser austauschen, vieles ortsunabhängig erledigen und schneller reagieren. Nur: Wir sind eben auch ständig erreichbar. Das kann nicht nur im Privaten manchmal anstrengend sein. Schwierig wird es dann, wenn wir auch beruflich permanent digital für die Firma greifbar sind und möglichst flexibel einsetzbar sein sollen. Dann kommt die viel beschworene „Work-Life-Balance“ ins Wanken. Fakt ist, dass immer weniger Beschäftigte noch feste Regelarbeitszeiten haben, selbst Kernarbeitszeiten sind nicht mehr angesagt. Das ist alles nicht ganz neu – richtig. Aber die Tendenz nimmt zu. Deshalb beschäftigen wir uns im Titelthema mit der wachsenden Entgrenzung von Arbeit, die sowohl Banker und Ingenieure als auch Beschäftigte im Einzelhandel oder der Logistik betreffen. Erstaunlich ist, dass sich die zunächst gefühlte Unabhängigkeit am Ende häufig rächt: Wer im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit Überstunden anhäuft, findet häufig kaum noch Gelegenheit, diese wieder abzubauen. Gerade Teilzeitarbeiter finden sich am Ende häufig ungewollt in Vollzeitverfügbarkeit wieder ohne einen Vollzeitjob zu haben. Psychische Überlastungen sind nicht selten die Folge dieser entgrenzten Arbeit, die bei jedem und jeder Einzelnen das schale Gefühl hinterlässt, nicht genug zu leisten und nicht gut genug zu sein. Und wer will schon zu den sogenannten Minderleistern zählen – ohnehin ein absolutes Unwort? Hier gilt es, gute politische Lösungen zu finden, damit die Arbeitszeit für die Beschäftigten planbar und familiengerecht gestaltet werden kann. Ihr Peter Kruse Kontakt: [email protected] — 3 BAM — November / Dezember 2016 DIE BREMER ARBEITSWELT IN ZAHLEN Alleinerziehend — Familien in besonderer Lebenslage In Bremen sind fast 30 Pro zent der Familien m it K alleinerzie indern hend. 92 Prozent d er Alleinerzie henden sind weiblic h. In Bremen leben knapp 17.000 alleinerziehende Mütter und Väter. Für sie ist das Leben oft kein Kinderspiel. Alleinerziehend ist die einzige Familienform, die weiter wächst Alleinerziehende: 27,7% Paare: 72,3% Wie viele Alleinerziehende arbeiten? 69,4% 71,1% 68,9% 58% 2010 Bremen 2014 2010 2014 Deutschland 71,3% 65,5% 61,4% 63,6% 2014 2010 Hamburg Alleinerziehende Arbeitslose ohne Berufsausbildung 2014 2010 Berlin Familien, die Grundsicherungsleistungen (Hartz IV, Kosten für Unterkunft und Heizung) beziehen, voll oder aufstockend Deutlich über die Hälfte der Alleinerziehenden sind auf Leistungen zur Existenzsicherung angewiesen. Bei zwei und mehr Kindern sind es fast 70 Prozent. Paare: 16,2% — 4 Alleinerziehende: 56,6% Bremen: 67,3% Deutschland: 53,7% Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Analytikreport der Statistik: „Analyse des Arbeitsmarktes für Alleinerziehende in Bremen 2014“ Familien mit Kindern unter 18 Jahren in Bremen BAM — November / Dezember 2016 Kurz gemeldet Neulich beim Sommerempfang … wisoak I: Aufstiegsfortbildung zur Kita-Leitung in Bremerhaven Erzieherinnen im Kindergarten wissen, wie anspruchsvoll und komplex die Arbeit mit Kindern ist. Die Wirtschafts-und Sozialakademie der Arbeitnehmerkammer bietet eine einjährige, berufsbegleitende und vom Magistrat finanzierte Aufstiegsfortbildung zur Kita-Leitung für staatlich anerkannte Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen an. An etwa zwölf Wochenenden werden Module wie das Management einer Einrichtung, Mitarbeiterführung, rechtliche Fragen, Finanzierung, Konflikt- und Qualitätsmanagement behandelt. Infos bei Birgit Spindler unter 0471.595-22 wisoak II: Die neuen Jahresprogramme 2017 sind da Soziale Ungleichheit ist das Jahresthema 2017 in der politischen Bildung der wisoak. Deutschland ist ein vergleichsweise reiches Land. Trotzdem leben heute fast 13 Millionen Menschen mit einem Armutsrisiko, darunter immer mehr Kinder und Jugendliche. An den Standorten der wisoak – Bremen, Bremerhaven und Bad Zwischenahn – kann in Bildungsurlauben und S eminaren kontrovers diskutiert werden: unter vielem anderen darüber, ob es „Wohlstand für alle“ geben kann, wie sich „Arm und Reich in Bremen“ darstellt und was unsere Stadtgesellschaft eigentlich zusammenhält. Der Abend war wie gemacht für den diesjähri gen Sommerempfang der Arbeitnehmerkammer: Rund 250 Gäste aus Politik und den Gewerkschaften, aus Betrieben, Wissenschaft und Kultur genossen den Spätsommerabend beim fröhlichen Netzwerken. Unter ihnen auch Bürgermeisterin Karoline Linnert, Bürger meister Carsten Sieling und Andrea Nahles. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales sprach über die Rente, lobte B remen für seinen Mindestlohn-Vorstoß und forderte verbindliche Tarifverträge: „Wer die Tarif bindung mit Füßen tritt, muss mit meinen Gesetzen leben.“ Sonderausstellung im Hafenmuseum: transfer Ausgangspunkt für die Künstler André Schweers aus Duisburg und Sabine S chellhorn aus Bremen sind die Hafenlandschaften b eider Städte. Schweers konzentriert sich in seinen Objekten auf die Umschichtung von Fracht gütern, S chellhorn vernetzt die Wasser- und Versorgungswege der Häfen von Weser, Rhein und Ruhr zu raumgreifenden, haptischen Zeichnungen. Vom 6. November 2016 bis 15. Januar 2017. Eröffnung am 6. November um 11 Uhr. www.hafenmuseum-speicherelf.de Die Programme „Berufliche Bildung“, „Gesellschaft, Politik, Gesundheit“ und „wisoak G – Kompetenzzentrum Gesundheit“ www.wisoak.de. finden Sie unter Aktuelle Veranstaltungen finden Sie in der Übersicht auf Seite 13 oder unter www.arbeitnehmerkammer.de/veranstaltungen Abbildungen: VG Bild-Kunst Bonn: Schweers, Pontwert III, 2013; Schellhorn, havencombi BHV, 2015 — 5 SCHWERPUNKT Ohne Grenzen — Wenn sich das Privatleben mit dem Job vermischt Die Trennlinie zwischen Arbeit und Privatem verwischt immer mehr. Das gilt für Hochqualifizierte genauso wie für Beschäftigte im Einzelhandel Text: Janet Binder – Fotos: Kay Michalak Schwerpunkt BAM — November / Dezember 2016 sogenannte kapazitätsorientierte variable Arbeitszeiten. Je nach Bedarf des Arbeitgebers wird weniger oder mehr gearbeitet. M arlene Weber weiß, wie sich ein schlechtes Gewissen anfühlt. Es nagt an ihr und führt regel mäßig dazu, alle privaten Pläne über Bord zu werfen. Dann nämlich, wenn ihr Vorgesetzter anruft und fragt, ob sie nicht sofort für eine kranke K ollegin einspringen kann. Die 48-Jährige ist Kassiererin bei einem Discounter, sie hat einen Vertrag über 25 Stunden pro Woche. Meistens arbeitet sie allerdings mehr, denn die Personaldecke ist dünn. „Wenn jemand ausfällt, gibt es keinen Puffer“, sagt sie. Und es fällt oft jemand aus. Weber, die ihren echten Namen nicht im Magazin lesen will, hilft dann aus, so wie es ja die anderen auch tun: Eine Kollegin bekam einmal abends einen Anruf vom Marktleiter, als sie auf einer Feier war. Zwei Mitarbeiterinnen hatten sich krankgemeldet. Sie sagte, sie könne nicht kommen, sie habe schon einiges getrunken. Dem Chef sei das egal gewesen. Er habe sie gedrängt, trotzdem zur Arbeit zu kommen. Und sie tat es. „Im Einzelhandel herrscht ein knallharter Verdrängungswettbewerb“, sagt die Soziologin Rena Fehre vom Impuls geber Zukunft. „Es wird gespart, wo es geht, vor allem beim Personal.“ Das ist im Einzelhandel vor allem weiblich und arbeitet oft in Teilzeitverträgen, die nicht zum Leben ausreichen. „Die meisten würden gerne ihre Arbeitszeit aufstocken.“ Mit Teilzeitverträgen seien sie aber für den Arbeitgeber flexibler einsetzbar. In Zeiten, in denen viel los ist – etwa Anfang eines Monats – werden Überstunden angesetzt. Vor allem Discounter nutzen dieses System: Manche Beschäftigte haben Ständige Verfügbarkeit wird erwartet Rena Fehre hat im Auftrag der Arbeitnehmerkammer Bremen zusammen mit Kai Huter und Peter Mehlis von der Uni Bremen eine Studie zum Thema „Entgrenzung von Arbeit und ihre Aus wirkungen auf Familie und Gesundheit“ am Beispiel des Einzelhandels und des Ingenieurwesens erarbeitet. Dabei wurde klar: Die Grenzen zwischen Arbeit und Privat leben ver wischen vor allem im Lebensmitteleinzelhandel zuungunsten der Familie. „Teilzeit ist ja eigentlich prädestiniert für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, sagt Rena Fehre. Tatsächlich aber sei es im Einzelhandel – zumindest im Discounterbereich – wegen der langen Öffnungszeiten und der Samstag arbeit oftmals schwierig, Kinder und Job unter einen Hut zu bekommen. „Auch wenn jemand nur einen 20-Stunden-Vertrag hat, wird von ihm häufig erwartet, ständig verfügbar zu sein“, so die Soziologin. Feste Arbeitszeiten sind selten. Dienstpläne werden oft kurzfristig erstellt. „Es gibt Filialen, da wissen die Mitarbeiter erst am Freitag oder Samstag, wie sie in der Woche darauf arbeiten müssen“, sagt eine Betriebsrätin eines Discounters, die namentlich nicht genannt werden möchte. Und selbst die kurzfristigen Dienstpläne würden manchmal nicht eingehalten. „Wenn sich eine erwartete Lieferung um Stunden verzögert, werden Mitarbeiter schon mal früher nach Hause geschickt“, erzählt sie. „Sie sollen dann am nächsten M orgen wieder kommen, auch wenn das ihr freier Tag ist.“ Minijob nach der Elternzeit Auf Eltern mit kleinen Kindern wird kaum Rücksicht genommen. Nur wenigen gelinge es, feste Arbeitszeiten mit dem Vorgesetzten zu vereinbaren, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretärin Sandra Schmidt und die Discounter- Betriebsrätin erzählt, dass in ihrem Unternehmen die meisten Frauen nach der Elternzeit erst einmal befristet als Minijobberin zurückkehren. Denn mit der geringfügigen Beschäftigung sind wegen der geringen Stundenzahl meist feste Arbeitszeiten verbunden. „Manchen wird aber nach der Elternzeit auch ein so unattraktives Angebot gemacht, dass die Frauen ihren Arbeitsvertrag lieber auflösen“, weiß Sandra Schmidt. Betroffene klagen, ihnen werde das Gefühl gegeben, sie seien austauschbar. „Was mir fehlt, ist die Menschlichkeit“, sagt die Betriebsrätin. „Ich habe das Gefühl, wir sind nur noch Nummern.“ Wer sich krankmelde, werde schon mal gefragt, ob es denn wirklich so schlimm sei, dass man nicht zur Arbeit erscheinen könne. Wer in seiner Freizeit nicht ans Telefon gehe, wenn der Filialleiter anruft, müsse sich rechtfertigen. Dabei ist die Gesetzeslage klar: Wurde keine Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst vereinbart, muss ein Beschäftig ter auch nicht erreichbar sein, sagt der Rechtsberater der Arbeitnehmer kammer Bremen, Alireza Khostevan. „Auch wenn jemand nur einen 20-Stunden-Vertrag hat, wird von ihm häufig erwartet, ständig verfügbar zu sein.“ Rena Fehre Die Folgen sind fatal. In der Studie wird eine Discounter-Beschäftigte zitiert: „Mir ist aufgefallen, wenn das Telefon klingelt, dann entsteht bei mir sofort inner licher Stress (…). Auch wenn ich nicht rangehe. Nur d ieses Klingeln und wissen, da ist wieder jemand ausge fallen, ich muss gleich ran. Ich komme nicht zu wirklichen Erholungs phasen.“ Wie sich das auswirkt, weiß die Discounter-Betriebsrätin: „Das Ende vom Lied ist, dass man krank wird.“ In den beiden in der Studie untersuchten Betrieben stieg der Krankenstand in den vergangenen J ahren deutlich an. Angst vor Repressalien Die wenigsten Beschäftigten im Einzel handel wehren sich – aus Angst vor Repressalien. Für Rena Fehre ist deshalb klar: „Dreh- und Angelpunkt für die Situation im Einzelhandel ist der — 7 BAM — November / Dezember 2016 Alireza Khostevan, Rechtsberater bei der Arbeitnehmerkammer Bremen, beantwortet Fragen aus dem Arbeitsrecht. Schwerpunkt Feierabend, Anruf vom Chef: Die Kollegin ist krank – Ersatz Habe ich nach der Elternzeit das Recht, meine Arbeitszeit zu reduzieren und nur am Vormittag zu arbeiten? Nach der Elternzeit haben Väter und Mütter keine Sonderrechte, k önnen aber – wie jeder Beschäftigte – ihre Arbeitszeit reduzieren, wenn der Betrieb mindestens 15 Beschäftigte hat. Einzig aus betrieblichen Gründen kann das Unternehmen Teilzeit ablehnen. Das gilt auch für die gewünschte Arbeitszeitverteilung. Im Sinne seiner Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber aber angemessen Rücksicht auf die Kinderbetreuungszeiten der Eltern nehmen und die gewünschte Arbeitszeit möglichst arrangieren. Muss ich spontan an meinem freien Tag einspringen, wenn ein Kollege krank geworden ist? Wenn im Arbeitsvertrag die Arbeitstage – und damit auch die arbeitsfreien Tage – nicht festgelegt sind, kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit grundsätzlich flexibel verteilen. Der Arbeitgeber muss eine gewisse Vorlaufzeit aber einhalten. Wie die konkret aussieht, ist sehr einzel fallabhängig. Darf mein Chef mich im Homeoffice oder auf Dienstreisen überwachen? Prinzipiell ja, zum Beispiel, indem er kontrolliert, ob jemand in seinen Computer eingeloggt ist. Die Installation einer durchgängig geschalteten Über wachungskamera wäre aber nicht erlaubt. Bin ich verpflichtet, jeden Samstag zu arbeiten? Das hängt vom Arbeitsvertrag ab beziehungsweise von der Branche. Grundsätzlich geht das Arbeitszeitgesetz jedoch von einer Sechs-Tage-Woche aus. Der Samstag gilt also als normaler Werktag. Nur bei jugendlichen Beschäftigten müssen grundsätzlich Samstag und Sonntag frei bleiben – für einige Branchen gibt es aber auch hier Ausnahmen. In einigen Tarifverträgen wurde zugunsten der Beschäftigten der freie Samstag ausgehandelt. — 8 wird gebraucht. Und nun? Aufbau einer Interessenvertretung.“ Betriebsräte sind aber in der Branche eher selten, die Tarifbindung nimmt ab. Ein Problem sei auch, dass sich Beschäftigte oftmals selbst unter Druck setzten. Aus eigener Initiative gingen sie über die vereinbarte Arbeitszeit und ihre Kräfte hinaus. „Sie begründen das mit ihrer individuellen Verantwortung, dem Umsatzziel, den Zeitvorgaben oder der Rücksichtnahme auf Kollegen.“ Die Unternehmen nutzten das Verantwortungsgefühl aus. „Man gibt ihnen Ziele und erklärt ihnen, sie könnten diese erledigen, wie sie wollen“, hat die Soziologin erfahren. Doch meist seien die Vorgaben nicht in der vor gesehenen Zeit umsetzbar. „So werden die Beschäftigten perfide unter Druck gesetzt.“ Dass Beschäftigte ihre Arbeit selbst organisieren dürfen, ist ursprünglich ein Phänomen der hoch qualifizierten Projektarbeit. Die Beschäftigten be kommen Verantwortung und Gestal tungsspielraum übertragen. „Das empfinden die meisten als angenehm“, sagt Axel Weise, Referent für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. Im Ingenieurwesen – das auch für die Studie untersucht worden ist – sei es so möglich, den Freitagnachmittag für private Dinge freizunehmen – um dafür am Sonntagabend weiterzuarbeiten. Die Anwesenheit im Büro ist nicht immer zwingend notwendig; viele können sich auch zu Hause ins Firmennetzwerk einloggen. Ingenieure bei Atlas Elektronik haben diese Freiheit. Dort gibt es keine festen Arbeitszeiten, es gilt die Vertrauensarbeitszeit, die von jedem selbst erfasst wird. „Es gibt niemanden, der mich von der Arbeit abhält“, sagt Gesamtbetriebsratsvorsitzender Volker Bahrenburg. „Wenn ich Spaß an der Arbeit habe, ist es mir auch egal, ob ich eine Stunde oder sogar zwei länger bleibe.“ Morgens kann dafür das Kind als eines der letzten in die Kita gebracht werden. Gleitzeit verleitet zu Überstunden Flexible Arbeitszeiten haben in den vergangenen 25 Jahren in fast allen Wirt schaftsbereichen sprunghaft zugenommen, sagt Peter Mehlis vom Zentrum für Arbeit und Politik BAM — November / Dezember 2016 (zap) der Uni Bremen und Mitautor der Studie. Nach Angaben der HansBöckler- Stiftung haben nur noch 45 Prozent der Beschäftigten feste Arbeitszeiten. Weitere 20 Prozent haben wechselnde, vom Unternehmen vorgegebene Arbeitszeiten. 25 Prozent dürfen im Rahmen von Gleitzeit über Anfang und Ende ihres Arbeitstags bestimmen, zehn Prozent haben volle Autonomie über ihre Arbeitszeit, so wie bei Atlas Elektronik. Das P roblem: Gleitzeit und Autonomie verleiten die Beschäftigten regelmäßig zu Über stunden. Das kennt auch Betriebsrat Volker Bahrenburg. Die Überstunden werden in seinem Unternehmen auf einem Kurzzeitkonto gutgeschrieben und später – wenn nötig – auf einem Langzeitkonto. Viele schafften es aber nicht, die Überstunden abzubauen. „Das Einzige was wirklich klappt, ist Gleitzeit und Autonomie verleiten die Beschäftigten regelmäßig zu Überstunden die Übertragung der Überstunden vom Langzeitkonto auf das Lebenszeitkonto.“ Die Zeit auf diesem Konto erlaubt einem Beschäftigten, später einmal früher in Rente zu gehen. „So ist das Langzeitkonto erst mal leer – und wird wieder gefüllt. So war das aber nicht gedacht“, sagt Volker Bahrenburg. Manche schreiben ihre Überstunden gar nicht erst auf. „Vor allem wenn man von zu Hause noch schnell etwas erledigt, ist die Gefahr groß, dass Tätigkeiten nicht als Arbeitszeit dokumentiert werden“, so Mehlis. Die Möglichkeit des mobilen Arbeitens verleite zudem dazu, immer erreichbar zu sein. Es werden E-Mails noch spät abends, am Wochenende oder sogar im Urlaub gecheckt. „Für viele ist es ein hohes Gut, autonom arbeiten zu dürfen“, betont Bahrenburg. „Aber es kann auch zu einer Belastung für die ganze Familie werden.“ Und zu einer gesundheitlichen Belastung. „Die Gefahr der Erkrankung wächst“, sagt Bahrenburg. Das Problembewusstsein fehlt oft Für viele der für die Studie befragten Ingenieure stehe die Arbeit an höherer Stelle als familiäre Dinge, so Mehlis. In der Branche überwiege die Anzahl der Männer; für die Kinder seien eher die Partnerinnen zuständig. Das zeigt sich unter anderem bei Atlas Elektronik auch an der sehr niedrigen Teilzeitquote. „Teilzeit wird nicht häufig in Anspruch genommen“, sagt Betriebsrat Bahrenburg. Der Grund: Die komplexen Projekte seien in Teilzeit nicht zu bewerkstelligen. Dass sich durch große Spielräume bei der Gestaltung der Arbeitszeit auch Job und Privatleben besser vereinbaren lassen, konnte Mehlis in den zwei für die Studie untersuchten Betrieben nicht feststellen. Der Leistungs- und Termindruck hindere die Beschäftigten häufig daran, ihre Arbeitszeit unter Berücksichtigung ihrer privaten Bedürfnisse flexibel zu gestalten. „Die Beschäftigten beuten sich zunehmend selbst aus“, hat Mehlis festgestellt. Die Studie „Entgrenzung von Arbeit und ihre Auswirkungen auf Familie und Gesundheit“ ist in unseren Geschäftsstellen und online unter www.arbeitnehmerkammer.de/publikationen (unter: Arbeit und Soziales) erhältlich. Am 23. November wird die Studie in einem Workshop für Betriebs- und Personalräte vorgestellt. Mehr Infos dazu auf Seite 13. KOMMENTAR Axel Weise, Referent für Arbeitsmarktund Beschäftigungspolitik Foto: Stefan Schmidbauer Grenzen setzen! „Entgrenzung von Arbeit ist kein neues Phänomen. Traditionell waren Freiberufler und Selbstständige wie Anwälte, Architekten oder Kreative betroffen. In den 90er-Jahren kamen Ingenieure und IT-Mitarbeiter hinzu. Mittlerweile sind viele Berufstätige in unterschiedlichen Branchen wie der Gastronomie, der Logistik und dem Einzelhandel betroffen. Arbeitsintensität und psychische Belas tungen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Grundsätzlich müssen hier politische Initiativen zur Arbeitsqualität wie die Kampagne „Gute Arbeit“ ansetzen. Im Bereich der Ingenieure und der Wissens berufe bedarf es vor allem der Regulierung der sich immer weiter ausbreitenden Mobilarbeit. Hierzu gibt es bereits gute Beispiele für entsprechende Betriebsvereinbarungen etwa bei BMW, der Telekom, Mercedes und Bosch. Insbesondere im Einzelhandel ist der Gesetzgeber gefordert, der Zersplitterung des Arbeitstags in „bedarfsgerechte Zeit-Häppchen“ auf Abruf durch ent sprechende gesetzliche Regulierungen entgegenzuwirken: kein weiterer Ausbau der Sonntagsarbeit, Reduzierung der zum Teil extrem ausgeuferten Ladenöffnungszeiten am Abend auf 22 Uhr.“ Kammermitglieder können sich zum Arbeitsrecht kostenlos beraten lassen. Infos auf der Rückseite dieses Magazins. — 9 BAM — November / Dezember 2016 Arbeit & Gesundheit Bewegung und Licht — Tipps gegen den Winterblues Text: Janet Binder Keine Vitamin-D-Pillen D ie Tage sind kurz, der Himmel ist grau, die Laune mies und die Müdigkeit groß: Den Winterblues – auch saisonal abhängige Depression genannt – kennen viele Menschen. Angeblich soll jeder Vierte in Deutschland während der dunklen Jahreszeit darunter leiden. Doch Betroffene können etwas dagegen tun, dass ihre Stimmung ganz in den Keller sinkt. „Licht hat einen ganz starken Einfluss auf unsere Stimmung.“ Kathinka Reller, Ärztin Spazieren gehen Die Ursache für die Winterdepression ist der Mangel an Licht. „Licht hat einen starken Einfluss auf unsere Stimmung“, sagt Allgemeinmedizinerin Kathinka Reller. Denn das Licht lässt das Glückshormon Serotonin frei. Deshalb ist es auch im Herbst und Winter so wichtig, regelmäßig nach draußen zu gehen. Zwar ist jetzt die Lichtstrahlung nicht so stark wie im Frühling oder im Sommer. „Aber sie reicht aus“, sagt die Ärztin, „selbst bei bedecktem Himmel“. Allerdings sollte man sein Gesicht nicht halb mit einem Schal bedecken und keine Handschuhe anziehen, damit die UV-Strahlung auch an die Haut kommen kann. — 10 Licht ist auch notwendig für die körpereigene VitaminD-Produktion. Und die braucht man, um Erkältungen und Grippe, aber auch Knochenerkrankungen wie Osteoporose vorzubeugen. „Im Frühling und in Sommer reicht es für die Vitamin-D-Produktion, 10 bis 20 Minuten mit freien Unterarmen draußen zu sein“, sagt Kathinka Reller. Im Winter, wenn wir gegen die Kälte gut eingepackt sind, müssen wir doppelt so lang unterwegs sein. Die Ärztin rät davon ab, Vitamin D in Pillenform zu sich zu nehmen. „Es gibt keine verlässlichen Untersuchungen über eine positive Wirkung“, betont sie. Lichttherapie Wer auf Nummer sicher gehen will, genügend Licht zu bekommen, kann sich eine Kunstlichtlampe – auch Lichtdusche genannt – zulegen. Ganz billig sind sie mit 150 bis 300 Euro aber nicht. Manche Ärzte bieten in ihren Praxisräumen Lichttherapien an, die allerdings nicht von den Kranken kassen übernommen werden. Die Patienten sitzen vor einer Leuchte, die zwischen 2.500 und 10.000 Lux stark sein sollte. Normale Zimmerlampen leuchten nur wenige hundert Lux stark. Sport Sport kann bei jeder Form von Depression helfen, ob es nun Joggen im Park oder Gewichte heben im Fitnesscenter ist. Auch beim Sport werden Glückshormone freigesetzt. „Im Winter fällt es besonders schwer, sich zum Sport auf zuraffen“, sagt Kathinka Reller. Sie rät deshalb, sich regel mäßig fest mit jemandem zum Sport zu verabreden. Johanniskraut Das pflanzliche Arzneimittel Johanniskraut hat nachgewiesenermaßen eine antidepressive Wirkung – ab drei Wochen nach Beginn der Einnahme und bei ausreichend hoher Dosierung. Mit manchen Medikamenten wie der Antibabypille kann es aber zu Wechselwirkungen kommen. Johanniskraut verträgt sich zudem nicht mit intensiver Sonnenein strahlung, etwa bei einem winterlichen Strandurlaub in sonnigen Gefilden. „Es kann dann zu Hautreaktionen kommen“, so Reller. Fragen & Antworten BAM — November / Dezember 2016 Alle Jahre wieder — Weihnachten und Arbeit Dienst an den Weihnachtstagen, Job als Lebkuchenverkäufer, Anspruch auf Weihnachtsgeld – was Beschäftigte wissen sollten Text: Hanna Mollenhauer Foto: Kay Michalak 1. Habe ich Heiligabend und Silvester frei? Der 24. und der 31. Dezember sind keine Feiertage. Beschäftigte m üssen hier grundsätzlich arbeiten – es sei denn, es ist über Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag anders geregelt. 2. Worauf muss ich achten, wenn ich zum Beispiel als Verkäufer auf dem Weihnachtsmarkt arbeite? Im Online-Versandhandel, im Einzelhandel, aber auch im Hotel- und Gaststättengewerbe und der Logistik ist zur Advents- und Weihnachtszeit Hochkonjunktur für Saisonarbeiter. Diese werden in der Regel kurzfristig beschäftigt, das heißt, eine solche Beschäftigung ist versicherungs- und beitragsfrei, unabhängig von der Höhe des Gehalts. Der Arbeitgeber muss lediglich Umlagen in geringer Höhe zahlen. Im Laufe eines Kalenderjahres darf nicht mehr als drei Monate oder 70 Arbeitstage gearbeitet werden. Vorbeschäftigungen im laufenden Jahr werden eingerechnet. Eine kurzfristige Beschäftigung ist etwa für Schüler, Studenten, Auszubildende oder Voll- und Teilzeitbeschäftigte, die sich etwas hinzuverdienen wollen, optimal. Für Arbeit- oder Ausbildungs suchende oder Beschäftige in Elternzeit ist sie nicht attraktiv, da die Tätigkeit dann berufsmäßig ausgeübt würde, was zur Beitrags- und Versicherungspflicht führt. 3. Wann kriege ich Weihnachtsgeld? Ein gesetzlicher Anspruch auf Weihnachtsgeld besteht nicht. Wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung die Zahlung des Weihnachtsgeldes ebenfalls nicht geregelt ist, können Beschäftigte dennoch einen Anspruch hierauf haben: Zahlt der Arbeitgeber seit mindestens drei Jahren vorbehaltlos ein Weihnachtsgeld in gleicher Höhe, ist eine sogenannte betriebliche Übung entstanden. Dann können Arbeitnehmer auch in diesem Jahr Weihnachtsgeld verlangen. 4. Kann mein Chef verlangen, dass ich an den Weihnachts feiertagen und Neujahr arbeite? An den Weihnachtsfeiertagen (25. und 26. Dezember) und Neujahr gilt das gesetzliche Verbot der Sonn- und Feier tagsbeschäftigung. Ausnahmen sind zum Beispiel Krankenhäuser oder die Polizei. Wer an diesen Tagen arbeiten muss, dem muss der Arbeitgeber einen Ersatzruhetag gewähren. Außerdem haben Beschäftigte ein Recht auf mindestens 15 freie Sonntage im Jahr. Auch darf der Arbeitgeber eine Urlaubssperre für die Festtage und die Zeit zwischen den Jahren verhängen, allerdings müssen dringende betrieb liche Gründe vorliegen. Personal mangel zählt nicht dazu. 5. Kann ich Weihnachten gekündigt werden? Ja. Viele Unternehmen planen zum Jahresanfang Umstrukturierungen. Daher gehen Ende eines Jahres viele Kündigungen raus, oft kurz vor Weihnachten. Für betroffene Beschäftigte kann das in der Folge hektisch werden. Denn wenn sie sich gegen die Ent lassung wehren wollen, müssen sie innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage einreichen. Kammermitglieder können sich in Fragen des Arbeitsrechts kostenlos beraten lassen. Weitere Infos auf der Rückseite dieses Magazins. — 11 BAM — November / Dezember 2016 Medientipps Medientipps BUCH-TIPP Geht alles gar nicht Ginge es nach den Sprüchen von Familienpoliti kern, bedarf es nur guter Organisation, um Familienleben, Vollzeitberufstätigkeit beider Partner und Auszeiten unter einen Hut zu be kommen. „Geht alles gar nicht“, widersprechen Marc Brost und Heinrich Wefing, beide „Zeit“- Autoren und Väter. Sie wehren sich gegen die „Vereinbarkeitslüge“, die die Defizite in Familien politik und Arbeitswelt verschleiern soll. Dafür haben sie zehn Väter und eine Mutter interviewt, die Gleichberechtigung zu leben versuchen und den kräftezehrenden Spagat zwischen Beruf und Kindern auf sich nehmen – auf Kosten der Paar beziehung. Marc Brost, Heinrich Wefing Geht alles gar nicht Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können Rowohlt, 2015, 240 Seiten globale° – Festival für grenzüberschreitende Literatur 25. Oktober bis 15. November 2016 Das Programm der zehnten globale° ist so üppig, dass die Auswahl schwerfällt: Lesungen mit Autorinnen und Autoren aus Europa und der Welt, Vorträge, Diskussionen, Workshops, Performances, Vernissagen. Cees Nooteboom und Gila Lustiger werden aus ihren Werken lesen, unter der Regie der gebürtigen Bremerin Katharina Schmitt spielt das tschechische Studio Hrdinů „Das Fest und die Gäste“ und Slampoeten, Dichter und Theaterleute aus Groningen und Bremen widmen sich dem „Grenzprozess“. www.globale-literaturfestival.de TV-TIPP Berufsrisiko Tod – Wenn Arbeit das Leben kosten kann Samstag, 5. November 2016, 16:30 Uhr im Ersten Dieses Buch können Sie in der Stadtbibliothek ausleihen. KammerCard-Inhaber erhalten auf die BIBCARD der Stadtbibliothek zehn Prozent Ermäßigung! www.arbeitnehmerkammer.de/kammercard Es gibt Berufe, die lebensgefährlich sind und gleichzeitig Leben retten. Die Reportage begleitet eine Bombenentschärferin, den Leiter einer Höhlenrettung und einen Bodyguard in ihrem Arbeitsalltag. Was treibt sie an, welche Gedanken gehen ihnen durch den Kopf und wie kommen ihre Angehörigen mit dem Berufsrisiko ihrer Partner zurecht? www.ard.de Bombenentschärferin Tanya APP-TIPP Beimel auf Zeiterfassung dem Weg zum Bergungsort einer Weltkriegsbombe Wieder mal den Überblick über die Überstunden verloren? Mit der App „einfach erfasst“ vom Bun desministerium für Arbeit und Soziales lassen sich Arbeitszeiten und Pausen unkompliziert erfassen. Als kostenloser Download in allen gängigen App- Stores erhältlich. — 12 in Münster Foto: Radio Bremen Veranstaltungskalender BAM — November / Dezember 2016 Veranstaltungen BREMEN & BREMEN NORD 29. November 18 – 19.30 Uhr Infoveranstaltungen für Beschäftigte Leiharbeit – was Sie beachten müssen Geschäftsstelle Bremen-Nord, Lindenstraße 8, Bremen-Vegesack Minijob = Minirechte? Arbeitnehmerkammer, Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 10. November 1. Dezember je 15 – 18 Uhr Alles im Blick – Reihe für neu gewählte Personalräte Arbeitsrecht für Personalräte Mitbestimmung beim Datenschutz Arbeitnehmerkammer, Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 16. November 17.30 – 19.30 Uhr Gute Pflege – gute Arbeit? Verdienste und Teilzeit in der Bremer Pflege Arbeitnehmerkammer, Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 18. November 13 – 17.30 Uhr Gute Beschäftigung an Bremens Hochschulen?! Arbeitnehmerkammer, Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 8. November 18 – 19.30 Uhr 17. Dezember Blumenthaler Leuchtfeuer – Konzerte und Projektionen Die Winterreise – Konzert mit Fotoprojektionen Nocturnes / Ewige Augenblicke – Konzert mit DaguerreotypieFotoprojektionen Blumenthaler Fundstücke – Konzert Jazz Smells / Meereslandschaften – Zeitgenössischer Jazz mit Bildern des Helgoländer Fotografen Franz Schensky Cello-Loops – Konzert mit Projektionen 23. November 16.30 – 19 Uhr Entgrenzte Verhältnisse im Einzelhandel Arbeitnehmerkammer, Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen 19. November 3. Dezember 7. Dezember 10. Dezember BREMERHAVEN Ausstellung „DARW-IN“ Malerei von Martin Verlíšek 8. Nov. – 30. Dez. Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven Foto: Keke Keukelaar Lesung: Ernest van der Kwast – Die Eismacher 1. November 29. November je 18 – 19.30 Uhr Infoveranstaltungen für Beschäftigte Leiharbeit – was Sie beachten müssen Minijob = Minirechte? Barkhausenstraße 16, Bremerhaven 16. November 7. Dezember je 15 – 18 Uhr Alles im Blick – Reihe für neu gewählte Personalräte Arbeitsrecht für Personalräte Mitbestimmung beim Datenschutz Barkhausenstraße 16, Bremerhaven 24. November 15 – 17 Uhr Beruf und Pflege vereinbaren – gesetzliche Perspektiven und rechtliche Möglichkeiten Barkhausenstraße 16, Bremerhaven 4. bis 25. November SATIRICA – Satirefest Bremerhaven Capitol, Hafenstraße 156, Bremerhaven 6. Dezember 18 – 19.30 Uhr Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren! Perspektiven für Bremerhaven durch öffentlich geförderte Beschäftigung Forum der Geschäftsstelle Bremerhaven, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven 2. Dezember 8. Dezember jeweils 20 Uhr = für alle Kultursaal der Arbeit nehmerkammer Bremen, Bürgerstraße 1, Bremen Foto: Jochen Manz Kabarett Roland Baisch, Daniel Helfrich & Lisa Eckhard – „Neues Kabarett im Dreierpack“ Benjamin Tomkins – „Der Puppenflüsterer“ Capitol, Hafenstraße 156, Bremerhaven Weitere Veranstaltungen und Informationen unter 9. Nov., 20 Uhr „Ich glaub’ es hackt!“ Kabarett mit Robert Griess aus Köln 26. Nov, 20 Uhr Kultursaal der Arbeit nehmerkammer Bremen, Bürgerstraße 1, Bremen www.arbeitnehmerkammer.de/veranstaltungen = für Politikinteressierte = für Betriebs- und Personalräte — 13 BAM — November / September / Dezember Oktober 2016 2016 Berufsfreigänger Rubrik Thema Artikelname Freiheit üben Arbeit zu haben ist elementar für das Leben nach einer Haftstrafe. Viele Häftlinge in Bremen arbeiten deshalb als Berufsfreigänger. In Oslebshausen haben wir einen von ihnen getroffen Text: Janina Weinhold – Foto: Kay Michalak A rno Nowak * fährt täglich pünktlich zur Arbeit. Mal hat er Spätschicht ab 13 Uhr, mal Frühschicht ab 6 Uhr. Nach der Arbeit unternimmt er jedoch nie etwas mit Kollegen, denn er ist einer von 67 Berufsfreigängern in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen. „Es ist schwierig, neue Freunde zu finden im Job. Wenn du neu anfängst, kennt dich keiner, aber die Kollegen, die ich mag, muss ich für einen Angelausflug auf Samstage vertrösten. Und ein Bier nach Feierabend ist nicht erlaubt“, erzählt Nowak. Für Berufsfreigänger der JVA gelten besondere Regeln im offenen Vollzug. Im Unterschied zum geschlossenen Vollzug dürfen die Häftlinge täglich das Anstaltsgelände verlassen, um zur Arbeit zu fahren. Zwei Stunden vor Schichtbeginn und zwei Stunden danach dürfen sie sich draußen bewegen, bis um 19:30 Uhr die Tore geschlossen werden. „Momentan arbeite ich bei einer Metallrecycling- Firma in der Sortierhalle am Band. Wir trennen Schwer metall von Leichtmetall für die Wiederaufbereitung. Die „Dass viele unserer Insassen über Leiharbeits firmen einen Arbeitsplatz finden, hat verschiedene Gründe. Eine Vorstrafe macht es natürlich schwerer, das Vertrauen eines Arbeitgebers zu erwerben.“ Axel Janzen, Leiter des offenen Vollzugs Arbeit ist körperlich anstrengend und in der Halle ist es sehr staubig. Deshalb habe ich meinen Betreuer bereits ge beten, mir nach Weihnachten etwas Neues zu suchen“, sagt Nowak. Er wolle arbeiten und Verantwortung für sich übernehmen, seine Pflicht erfüllen und ärgert sich trotzdem über die Staubbelastung und seine Bezahlung. Aktuell verdient er neun Euro die Stunde. Früher habe er 55 Euro die Stunde als selbstständiger Abbruchunternehmer verdient. Nowak hat seine aktuelle Beschäftigung über eine Leiharbeitsfirma gefunden. — 14 „Dass viele unserer Insassen über Leiharbeitsfirmen einen Arbeitsplatz finden, hat verschiedene Gründe. Eine Vorstrafe macht es natürlich schwerer, das Vertrauen eines Arbeit gebers zu erwerben. In erster Linie liegt es jedoch häufig an der fehlenden Qualifikation. Der Großteil der hier Inhaftierten hat keine qualifizierte Ausbildung und viele Unter nehmen beschäftigen ungelernte Kräfte vornehmlich auf Zeit“, erklärt Axel Janzen, Leiter des offenen Vollzugs in der JVA Oslebshausen. Der offene Vollzug in Bremen ist Teil des sogenannten „Übergangsmanagements“ zwischen geschlossenem Vollzug und der Entlassung von Häftlingen. Dabei spielt die Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungs verhältnis eine zentrale Rolle. Arbeiten schafft feste Tagesstrukturen, ermöglicht, ein Konto bei einer Bank zu eröffnen oder eine Wohnung zu finden und zählt daher zu einer der wichtigsten Reintegrationsfaktoren. Häftlinge müssen sich für den Übergang vom geschlossenen in den offenen Vollzug dazu verpflichten, arbeiten zu gehen, an Therapien oder sonstigen Unterstützungsmaßnahmen teilzunehmen und an der Reflexion ihrer Straftat aktiv mitzuwirken. Arno Nowak hat diese Bedingungen verstanden. „Wenn ich arbeiten geschickt werde, arbeite ich gewissenhaft und erfülle meine Pflicht. Ich will auf die Beine kommen und einen klaren Kopf bewahren, damit ich nicht wieder abrutsche“, sagt er. Gleichzeitig ärgere ihn manchmal, dass er unter seiner Qualifikation eingesetzt werde. Zwar hat Nowak nie eine Berufsausbildung abgeschlossen, jedoch früher im Straßenbau gearbeitet, eine Ausbildung zum Elektriker angefangen und zwei Jahre eine Ausbildung zum Schlosser gemacht. Er habe diese Ausbildung dann abgebrochen, um in die Abbruchfirma eines Kollegen einzusteigen. „Als Kunden nicht zahlten, sind wir insolvent gegangen. Ich stand mit mehreren Tausend Euro Schulden da, konnte meine Mit arbeiter nicht bezahlen. Als mein 21-jähriger Sohn bei einem Unfall gestorben ist, habe ich mich mit Alkohol und Drogen gehen lassen und mit den falschen Leuten krumme Geschäfte gedreht“, sagt er über den Zeitpunkt, ab dem er sein Leben nicht mehr im Griff hatte. All das wissen seine aktuellen Kollegen nicht, wohl aber sein zuständiger Arbeitsvermittler bei der Leiharbeitsfirma und eine Kontaktperson bei dem Metallrecycling- BAM — November / Dezember 2016 In der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen ist Arno Nowak einer von 67 Berufsfreigängern Unternehmen. „Bevor wir Häftlinge in Jobs vermitteln, prüfen wir intern, ob sich Häftlinge an Absprachen halten und Aufgaben vernünftig erledigen. Draußen bekommen sie auch unangekündigte Besuche von Vollzugs beamten und wir tauschen uns mit der Kontaktperson im Unternehmen aus“, erklärt Axel Janzen die Vereinbarung zwischen der JVA und Arbeitgebern. Diese Kontrollen dienen aber auch dem Schutz der Häftlinge. Die JVA pflegt feste Kontakte zu Leiharbeitsfirmen und überprüft neue Firmen gründlich. Beim Besuch am Arbeitsplatz prüfen Vollzugsbeamte auch, ob beim entleihenden Unternehmen beispielsweise alle Sicherheits bestimmungen und sonstige Arbeitnehmerschutzgesetze eingehalten werden. Gibt es vertrag liche Probleme, falsche Abrechnungen oder Arbeitsschutzverstöße, schaltet die JVA die zuständigen Behörden ein oder schickt die Häftlinge zur Rechtsberatung der Arbeitnehmerkammer. „Für Leiharbeiter gelten grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie für direkt angestellte Mitarbeiter. Zusätzlich bestimmen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und branchenspezifische Tarifverträge die Entlohnung, zulässige Arbeits- und Ruhezeiten oder den Urlaubsanspruch“, erklärt Rechtsberater Alireza Khostevan. Aus der Beratung kennt er die typischen Rechtsverstöße von Leiharbeitsfirmen. Beispielsweise dürfen diese ihre bei einem Kunden eingesetzten Arbeitskräfte nicht ohne Weiteres entlassen, wenn d ieser Kundenauftrag wegfällt. So müssen sie unter anderem eine Sozialauswahl unter allen vergleichbaren Leiharbeitern vornehmen, auch wenn diese bei anderen Kunden eingesetzt sind. Ebenso dürfen sie dem betroffenen Arbeiten schafft feste Tagesstrukturen, e rmöglicht, ein Konto bei einer Bank zu eröffnen oder eine Wohnung zu finden Mitarbeiter bei Nichteinsatz keine Minusstunden aufschreiben oder auf Urlaub bestehen. Sie sind zu Lohnfortzahlungen verpflichtet und müssen auch die Anreise- oder Übernachtungskosten für weiter entfernte Arbeitseinsätze bei Kunden zahlen. Generell rät Alireza Khostevan jedem Arbeitnehmer, den Arbeitsvertrag vor der Unterschrift prüfen zu lassen. „Wir beraten unter striktem Beratungsgeheimnis“, betont er. Bisher hat sich Arno Nowak lediglich einmal verbal mit seinem Ansprechpartner beim Leiharbeitsunternehmen an gelegt. Die Firma hatte ihn in die falsche Lohnsteuerklasse einsortiert. Vier verschiedene Arbeitseinsätze hat er hinter sich; eine weitere Stelle will er bis zum Ende seiner Haftstrafe im Februar noch annehmen, dann wünscht er sich „eine Frau, einen neuen Job und keinerlei Kontakt zu alten falschen Bekannten“. Er will Firmen auf Jobs ansprechen, die ihn aus seiner Selbstständigkeit kennen. „Die Leute kennen mich und wissen, dass sie auf meinen Einsatz zählen können“, sagt er. Er muss aber mit Auflagen oder Weisungen rechnen. Denn zum Übergangsmanagement im offenen Vollzug gehören auch ein Vollzugsplan und Fallkonferenzen. Für jeden Einzelfall entwickeln Bewährungshelfer, Sozialarbeiter anderer freier Träger für Sträflingshilfe sowie verschiedene Behördenvertreter auch die Entlassung nach Vollzugsplan. Sie werden ihn ins normale Leben begleiten und prüfen Auflagen wie etwa Drogenabstinenz, sein soziales Umfeld oder helfen bei Wohnungs- und Jobsuche, damit Arno Nowak nicht wieder rückfällig wird. * Name von der Redaktion geändert — 15 BAM — November / Dezember 2016 Spielfreude: Auf dem Abbrennplatz ist Heino Roos in seinem Element — 16 Galerie der Arbeitswelt BAM — November / Dezember 2016 GALERIE DER ARBEITSWELT Sicheres Spiel mit dem Feuer Seit Heino Roos das erste Mal Schwarzpulver gerochen hat, lassen ihn Chinaböller und Glitzersterne nicht mehr los. Als Pyrotechniker bei Comet Feuerwerk Bremerhaven lebt der 47-Jährige Kreativität und Sicherheitsbedürfnis gleichermaßen aus Text: Anette Melerski — Foto: Kay Michalak A ngefangen hat es mit dem Radlader beim Technischen Hilfswerk. Wie alle anderen 249 Freiwilligen in seinem Ortsverband wollte Heino Roos lieber räumen als sprengen. Erst nach der Drohung, dann komme der Radlader ganz weg, belegt er als Einziger Kurse zum Sprengen im Katastrophenschutz: „Da war es um mich geschehen: Benzinexplosionen, kontrollierte Sprengungen, Pyrotechnik. Ich wollte nichts anderes mehr machen“. Weitere Lehrgänge folgen, etwa zum Qualitäts management und zum Abbrennen von Großfeuerwerken. Seit Dezember 2011 arbeitet Heino Roos nun als Qualitätsmanager und technischer Leiter Pyrotechnik bei Comet. Regelmäßig reist Heino Roos mit neuen Ideen nach Liuyang, Sitz der chinesischen Schwesterfirma Shiu Fung: „Prinzipiell unterscheiden sich Raketen, Böller oder Batterien kaum. Es gibt aber einen Spielraum für das Quäntchen Besonderheit, in dem man seine Kreativität austoben kann.“ In China, wo „Kraftprotz“, „Beasty Bees“ und „Sleepless“ entwickelt und produziert werden, überprüft er nach den strengen Vorgaben der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, ob die Feuerwerke zum sicheren Abfeuern in der Silvesternacht taugen. Hunderte Großcontainer kommen jährlich in den fünf Comet-Lagerstandorten an und gehen in den Vertrieb. „Vorher müssen wir ran: Unsere Kollegen der Qualitätssicherung in China erstatten täglich Bericht, wir testen zusätzlich weitere Stichproben und erst dann darf die Ware raus“, erklärt Heino Roos. Im Delaborierraum zerlegen sie die Muster in Einzelteile. Hinter verleimtem Zwirn oder Pappe kommt das Innere zum Vorschein. Aus unscheinbaren Kügelchen werden nach dem Abfeuern bunte Sterne. Ton dämmt und sorgt durch den Widerstand für den Krach, Zündschnüre übernehmen das zeitverzögerte Abfeuern. Schwarzpulver ist die treibende Kraft und Salze bringen Farbe ins Feuerwerk. Auch den Transport simuliert das vierköpfige Team um Heino Roos: „Im Wärmeschrank muss das Muster zwei Tage lang unbeschadet Hitze bis 75 Grad aushalten. Auch 60 Minuten auf dem Rütteltisch dürfen eine Feuerwerksbatterie nicht aus der Fassung bringen.“ Fast täglich, werktags von 10 bis 13 Uhr jagen sie auf dem Abbrennplatz ausgewählte Muster in den Bremerhavener Himmel, ausgerüstet mit Stoppuhr, Warnweste und Schutzbrille. Wichtig sind auch die Ohren schützer mit eingebautem Walkie-Talkie: Man kann miteinander s prechen, selbst wenn es kracht, heult und knallt. Die Sicherheitsanforderungen, aber auch die Angaben auf der Packung müssen stimmen: Bei den „Beasty Bees“ darf bei einer Effektdauer von etwa 55 Sekunden nicht schon viel eher Schluss sein. Wer unter die Pyrotechniker geht, sollte weder schreckhaft noch lärmempfindlich sein und technisches Grundverständnis ist ein Muss. Obwohl Comet ganzjährig auch Hexennasen, Glitterspray und Kostüme vertreibt, ist der Dezember der entscheidende Monat in der Branche. Schließlich müssen die Feuerwerkskörper pünktlich am 29. Dezember zum Verkauf bereitliegen. Der Pyrotechniker Berufsgenossenschaften, das THW oder private S chulen wie die Dresdner Sprengschule vermitteln in staatlich anerkannten Vollzeit-Lehrgängen das Wissen für zukünftige Pyrotechniker. Eine klassische Ausbildung gibt es nicht. Wer mindestens 21 Jahre alt ist und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung – gibt es bei den Gewerbeaufsichts ämtern – vorlegt, kann loslegen. Der Markt ist allerdings überschaubar: nur etwa ein Dutzend Unternehmen in Deutschland entwickeln und vertreiben Silvesterfeuerwerk. Produziert wird fast ausschließlich in China. — 17 Schlechte Stimmung macht krank Mitarbeiter, die gelobt werden, mitreden dürfen und sich unterstützt fühlen, werden seltener krank. Wir haben mit Bremer Experten über Unternehmenskultur und Gesundheit gesprochen Text: Janina Weinhold Fotos: Kay Michalak Rund 2.000 Arbeitnehmer zwischen 16 und 65 Jahren wurden vom wissen schaftlichen Institut der AOK (WIdO) gefragt, wie sie ihren Arbeitsalltag erleben. In ihrem aktuellen Fehlzeitenreport hat die AOK auch den Zusammenhang zwischen schlechter Unternehmenskultur und der Gesundheit der Mitarbeiter untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Arbeitnehmer wünschen sich einen Chef, der hinter ihnen steht (78 Prozent), Lob für gute Arbeit (69 Prozent) und Einfluss auf wichtige Entscheidungen (60,5 Prozent). Am Arbeitsplatz erleben sie diese Faktoren aber deutlich seltener. Nur die Hälfte aller Befragten fühlte sich vom Arbeitgeber geschätzt und unterstützt. — 18 Eine Frage der Unternehmenskultur Eine hohe Arbeitsverdichtung im Job führt oft zu Stress, wenn kollegiale Hilfe und Lob vom Chef auf der Strecke bleiben. Aber es ist eben oft auch eine Frage der Unternehmenskultur. Ist diese schlecht, steigt das Risiko krank zu werden und trotzdem zur Arbeit zu gehen, sagen die Forscher des WIdO. Den Arbeitswissenschaftler Guido Becke vom Institut für Arbeit und Wirtschaft (iaw) überraschen die Studienergebnisse nicht: „Eine Unternehmenskultur lässt sich als im Laufe der Zeit heraus geprägte gemeinsame Grundorientierung im Unternehmen ver stehen. Sie besteht also nicht nur aus dem Unternehmensleitbild oder dem Führungsverständnis. Im täglichen Miteinander entstehen ungeschriebene Gesetze, wie etwa ‚Jeder bekommt eine zweite Chance, wenn ein Fehler passiert‘.“ Der Zusammen hang von fehlender Anerkennung oder Lob und schlech- „Ein gesundes, engagiertes Einsatzlevel liegt eigentlich bei rund 80 Prozent der m aximalen Leistungsfähigkeit.“ Verena Hartig ter Stimmung hat auch das iaw bereits in Studien ermittelt: „Wenn Unternehmen etwa in Krisenzeiten Sozial leistungen reduzieren, diese nach der Unternehmenskultur Krise aber nicht zurücknehmen, fühlen die Beschäftigten sich für ihren Einsatz nicht wertgeschätzt“, sagt Becke. Generell sei gegenseitige Anerkennung ein entscheidender Faktor für das subjektive Empfinden und den Umgang mit Belastungen. Stimme das Verhältnis von Geben und Nehmen zwischen Leitung und Beschäftigten sowie die Kommunikation in Teams und im Unternehmen nicht, könnten zusätzliche belastende Arbeitsbe dingungen entstehen. Arbeitsplätze menschengerecht gestalten „Unabhängig von der Branche oder tatsächlichen Vorfällen wie Unfällen oder Burn-out-Diagnosen, ist jeder Arbeit geber dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung für sein Unternehmen zu ermitteln“, stellt Dennis Wernstedt klar. Er ist Referent für Arbeits- und Gesundheitsschutz mit dem Schwerpunkt psychische Be lastungen bei der Arbeitnehmerkammer. Nach dem Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber die Pflicht, Arbeitsplätze menschengerecht zu gestalten. Hierfür ist die Gefährdungsbeurteilung ein wichtiges Instrument. Seit 2013 schließt eine Novellierung explizit den Aspekt „psychischer Belastungen“ mit ein. „Diese Formulierung zur Psyche zielt hier ganz klar auf die Frage, wie Arbeit gestaltet ist und welche Einflüsse während und durch die Arbeit auf die Mitarbeiter zukommen“, erklärt Wernstedt. Der Arbeitgeber kann verschiedene Befragungsmethoden oder Analyse-Workshops nutzen. So entsteht ein Bild darüber, wie etwa die Abläufe im Betrieb sind, welche Handlungsspielräume oder Unterbrechungen es in jeder Abteilung gibt und wie das Verhältnis zwischen Kollegen oder einzelnen Mitarbeitern zum Chef aussieht. Wernstedt rät jedem Beschäftigten, sich selbst zu fragen, wo seine Belastungsgrenzen liegen und sich bei Bedarf an den Betriebs- oder Personalrat zu wenden. Es geht um Veränderungen der Arbeitsbedingungen, nicht um die persönliche Belastbarkeit. „Bei einer Gefährdungsbeurteilung ist es auch Sache der Betriebsräte, darauf zu achten, dass die Bestandsaufnahme der Arbeitsbedingungen im Vordergrund steht, statt das individuelle Leistungspotenzial der Mitarbeiter“, sagt der Kammerexperte. BAM — November / Dezember 2016 Die medizinische Sicht Betriebsärztin Verena Hartig betont, dass in vielen Branchen Beschäftige dauerhaft extrem viel leisten müssen: „Dabei liegt ein gesundes, engagiertes Einsatzlevel eigentlich bei rund 80 Prozent der maximalen Leistungsfähigkeit. Kurze Zielsprints mit 100 Prozent Auslastung sind nur mit anschließender Entspannungsphase kein Problem. Bei dauerhaft zu hohen Leistungs vorgaben kann sich der Mensch nicht regenerieren“, sagt sie. Gehe auch im Privaten noch etwas schief, sei potenziell jeder Mitarbeiter schnell gefährdet, wenn der Führungsstil ungesund ausfällt oder der Rückhalt im Team fehlt. Enge Zielvorgaben als Stressfaktor Eine Problembranche ist beispielsweise die mit den Folgen der Finanzkrise kämpfenden Banken und Versicherungen. „In Bremen und Nieder sachsen sind psychische Belastungsfaktoren derzeit nicht im Fokus der Verantwortlichen“, kritisiert Rainer Martens, „Bei einer Gefährdungs beurteilung geht es um Veränderungen der Arbeitsbedingungen, nicht um die persönliche Belastbarkeit.“ Dennis Wernstedt Vorsitzender der ver.di-Fachgruppe Banken. „Seit der Finanzkrise beobachten wir hauptsächlich Sparpolitik und Personalabbau. Außerdem definieren die Vorstände immer engere verbind liche Handlungsanweisungen bis hin zu Minutenvorgaben. Das schafft enorme Arbeitsverdichtung.“ Viele Beschäftigte litten unter der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. „Die engen Vor gaben sorgen für Leistungsdruck unter Kollegen, aber auch für Vergleich barkeit und damit weniger Gerechtig keitskonflikte“, beschreibt er das Arbeitsklima weiter. Platz für indivi duelle Problemlösungen bliebe den Verantwortlichen in den Filialen nur im Einzelfall. Gesundheitsförderung finde lediglich mit funktionalem Gesunde Arbeitsbedingungen schaffen „Wenn es darum geht, gesunde Arbeitsbedingungen zu gestalten, müssen Geschäftsführung und Personalverant wortliche beides in den Blick nehmen: das Verhalten der Mitarbeiter, aber auch die Verhältnisse und Rahmenbedingungen für ihre Arbeit. Beispielsweise lassen sich die konkreten Belastungen von Teams im Unternehmen überprüfen, wenn die Zielvorgaben mit dem Arbeitsaufwand und den Belastungsspitzen der Teams abgeglichen werden. So zeigt sich schnell, ob Teams unterbesetzt sind oder etwa die Bearbeitungszeit für Ziele zu gering angesetzt wurde. Vor allem Betriebsräte können solche Realitäts-Checks und offenes Nach denken über die täglichen Arbeitsweisen initiieren.“ Guido Becke Blick auf ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze statt. „Rückenkurse oder Entspannungstechniken mögen Stresssymptome ab mil dern, aber sie be kämpfen nicht die Ursachen von Fehlbelastungen. Beschäftige sind jedoch ein Leben lang – auch für die Erwerbsarbeit – auf ihre Gesundheit angewiesen und verdienen daher auch eine gesundheitsförder liche Arbeitsgestaltung“, macht Dennis Wernstedt deutlich. Er steht Betriebsund Personalräten bei der Mitbe stimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz zur Seite, um diese Themen im Unternehmen stärker zu verankern. Betriebs- und Personalräte können sich in der Arbeitnehmerkammer zum Thema Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung beraten lassen. Infos auf der Rückseite. — 19 BAM — November / Dezember 2016 Arbeit & Recht Urlaub 2017 — was Beschäftigte wissen sollten Viel frei für wenig Urlaub – die Brückentage 2017 April Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. Karfreitag (14. April) und Ostermontag (17. April) Mai Wer bestimmt eigentlich, wann und wie Urlaub gemacht wird? Solche und weitere Fragen aus dem Urlaubsrecht beant wortet hier die Rechtsberatung der Arbeitnehmerkammer Text: Hanna Mollenhauer – Foto: Kay Michalak Anzahl der Urlaubstage Beschäftigte haben Anspruch auf mindestens vier Wochen bezahlten Jahresurlaub (zum Beispiel 24 Werktage bei einer Sechs-Tage-Woche und 20 Tage bei einer Fünf-Tage-Woche). Weniger ist nicht erlaubt. Viele Arbeitnehmer haben allerdings einen höheren Urlaubsanspruch aus Tarifverträgen oder aus dem Arbeitsvertrag. Außerdem steht Schwerbehinderten und Jugendlichen zusätzlicher Urlaub zu. Wer neu im Betrieb ist, kann nach sechs Monaten den vollen Jahresurlaub beanspruchen. Krank im Urlaub Wer im Urlaub krank wird und ein ärztliches Attest vorlegt, dem werden die Urlaubstage vom Arbeitgeber gutgeschrieben. Will man diese nicht verbrauchten Urlaubstage im Anschluss an die Krankheit nehmen, muss man zuvor die Zustimmung des Arbeit gebers einholen. Der Zeitpunkt Legt der Arbeitgeber den Urlaub fest, hat er grundsätzlich die Wünsche seiner Mitarbeiter zu berücksichtigen. Dabei haben beispielsweise Arbeitnehmer Kammermitglieder können sich zum Arbeitsrecht kostenlos beraten lassen. Weitere Infos auf der Rückseite dieses Magazins. — 20 Vorrang, die an die Schulferien gebunden sind. Nur ausnahmsweise kann der Urlaub aus dringenden betrieblichen Gründen abgelehnt werden. Ist der Urlaub einmal genehmigt, kann er nur in Notfällen – zum Beispiel bei Existenzgefährdung des Betriebs – vor Urlaubsantritt geändert werden. Dann muss der Arbeitgeber aber etwaige Stornogebühren für eine Reise ersetzen. Die Dauer des Urlaubs Urlaub dient der Erholung. Deshalb müssen Arbeitnehmer mindestens zwölf zusammenhängende Werktage Urlaub im Jahr bekommen. Der Abkauf des Urlaubs – also das Auszahlen – durch den Arbeitgeber ist nicht erlaubt, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Rückholen aus dem Urlaub Beschäftigte haben ein Recht auf Urlaub. Wenn der Urlaub genehmigt ist, kann er grundsätzlich nicht wieder zurückgenommen werden. Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf die Arbeitskraft eines Mitarbeiters außerhalb dessen Arbeitszeit. Das gilt für Urlaub wie Feierabend. Anrufe und Nachrichten sind nur in absoluten Notfällen erlaubt. Das Diensthandy müssen Arbeitnehmer im Urlaub nicht angeschaltet haben. Die private Handynummer müssen Beschäftigte dem Unternehmen nicht geben. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Tag der Arbeit (1. Mai) und Christi Himmelfahrt (25. Mai) Juni Mo. Di. Mi. Do. 5. 6. 7. 12. 13. 14. 19. 20. 21. 26. 27. 28. Fr. Sa. So. 1. 2. 3. 4. 8. 9. 10. 11. 15. 16. 17. 18. 22. 23. 24. 25. 29. 30. Pfingstmontag (5. Juni) Oktober Mo. 2. 9. 16. 23. 30. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. 1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 31. 1. 2. 3. 4. 5. Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober) und einmalig Reformationstag (31. Oktober) Dezember Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Erster und zweiter Weihnachtsfeiertag (25. und 26. Dezember) Verbrauchertipp BAM — November / Dezember 2016 Korrekte Klamotten — Kleidung fair einkaufen Gertraud Gauer-Süß ist Expertin für faire Textilien. Sie erklärt, wie besser einkaufen schrittweise funktioniert Fragen: Janina Weinhold – Foto: Kay Michalak Was nehme ich in Kauf, wenn ich ein T-Shirt für fünf Euro kaufe? Ich kaufe ein Produkt ohne seinen wahren Preis zu bezahlen. Das T-Shirt geht auf Kosten menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen, Naturzerstörung oder enthaltener Schadstoffe über den Ladentisch. Der Blick auf den Preis allein hilft hier leider nicht weiter. Denn auch ein Luxus- Designer-Shirt wird eventuell in den gleichen Fabriken produziert. Muss ich unbedingt auf Fairtrade-Siegel achten, wenn ich vernünftiger einkaufen will? Nein. Jeder kann im Kleinen anfangen. Stellen Sie sich die Frage, ob sie das neue T-Shirt wirklich brauchen und lassen sie unnötige Käufe weg. Außerdem lohnt es sich, im Handel zu fragen, wie und wo ein T-Shirt produziert wurde. So können Verbraucher Veränderungsdruck auf den Handel ausüben. Macht ein Bio-Siegel schon einen Unterschied? Ja. Bei der herkömmlichen Baumwollproduktion wird mit sehr vielen Pestiziden gearbeitet. Wer Biobaumwolle kauft, schützt die Gesundheit der Baumwollbauern und ihre Lebensumwelt vor Giften. Bio-Siegel sagen aber nichts über die sozialen Bedingungen in der Weiterverarbeitung aus. Was halten Sie von eigens kreierten Nachhaltigkeits labeln großer Bekleidungsketten? Hier rate ich zur Vorsicht. Sofern Bekleidungsketten wirklich Fairness und Nachhaltigkeit anstreben, frage ich mich, warum sie nicht einfach die Prüfkriterien bestehender Siegel erfüllen. Es gibt eine Vielfalt von Siegeln. Welche können Sie bei Textilien empfehlen? Wir raten beispielsweise zum GOTS-Label (Global Organic Textil Standard). Dieses Siegel für ökologische Produktion fordert auch die Einhaltung der internationalen Mindeststandards für Arbeit in der Produktion. Die Fairtrade- Initiative „Transfair“ arbeitet außerdem an einem neuen Textilstandard. Diesen Textilstandard zur Ergänzung des klassischen „Fairtrade-Siegels“, dürfen Unternehmen an Produkte heften, wenn die gesamte Lieferkette geprüft wurde. Wo in Bremen finde ich Kleidung mit diesen Labeln? Es gibt über 30 Geschäfte mit komplett fairer Mode oder einem Segment mit fair und ökologisch hergestellter Kleidung. Sie alle stehen in der Broschüre „Konsum mit Köpfchen – Öko-faire Mode in Bremen“, die im November erscheint. Darin sind ausgewählte Siegel erklärt und alle Adressen zu finden. Jeder Deutsche kauft im Schnitt zwölf Kilogramm Kleidung pro Jahr und wirft elf Kilo weg. Auch die Altkleidersammlung hat einen zwielichtigen Ruf. Wie entsorge ich richtig? Noch tragbare Kleidung gehört in Secondhand-Läden oder in die Kleiderkammern von Kirchen und Sozialver bänden. Weniger gut Erhaltenes wird transparent über Container von „Entsorgung kommunal“ und dem Verein „FairWertung“ entsorgt. Unzureichende Kontaktangaben auf Containern und Handzetteln sind ein guter Hinweis auf un seriöse Altkleiderhändler. Gertraud Gauer-Süß Die Geschäftsführerin des Bremer Informationszentrums für Menschenrechte und Entwicklung (biz) koordiniert die Bremer Arbeitsgruppe der Kampagne für saubere Kleidung und ist Mit Foto: biz organisatorin der Fairen Woche in Bremen. Das Netzwerk K ampagne für saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign = CCC) ist ein Zusammenschluss von s ozialen und kirchlichen Trägern für weltweite Produktionsstandards in der Bekleidungsindustrie. Den kostenlosen Einkaufsführer „Konsum mit Köpfchen – Öko-faire Mode in Bremen“ sowie weitere Ratgeber für bewussten Konsum gibt es beim Bremer Informations zentrum für Menschenrechte und Entwicklung (biz), Bahnhofsatz 13 und online unter www.bizme.de — 21 BAM — November / Dezember 2016 Arbeit & Recht Alles, was Recht ist RECHTSTIPP Einsicht in Personalakte: Kopien erlaubt? Anwalt erlaubt? Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, seine Personalakte einzusehen. Ein Mitglied des Betriebsrats darf hinzugezogen werden, ein Rechtsanwalt jedoch nicht, wenn sich der Beschäftigte Kopien von den Schriftstücken in der Personal akte machen darf. Im vorliegenden Fall* hatte der als Lagerist beschäftigte Kläger eine Ermahnung erhalten. Unter Hinzuziehung seiner Rechtsanwältin wollte er Einsicht in seine Personal akte nehmen. Der Arbeitgeber lehnte dies unter Hinweis auf das Hausrecht ab, gestattete dem Beschäftigten allerdings, Schriftstücke aus seiner Personalakte zu kopieren. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Arbeitnehmer anhand der Kopien ausreichend Gelegenheit hat, den Inhalt seiner Personalakte mit seiner Rechtsanwältin zu erörtern. *12.07.2016 – 9 AZR 791/14 Daniel Staack, Berater M itbestimmung und Technologieberatung STEUERTIPP Kinderbetreuungszuschuss steuerfrei? Zuschüsse des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern – in der Regel unter sechs Jahren – sind steuerfrei, wenn der Arbeitgeber diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zahlt. Voraussetzung ist außerdem, dass das Kind regelmäßig in eine Einrichtung wie eine Krippe oder einen Kindergarten oder zu einer Tagesmutter geht. Nur für diesen Zweck darf der Kinderbetreuungszuschuss verwendet werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Kinderbetreuungskostenzuschuss auch von der Beitragspflicht zur Sozialversicherung befreit. Beatrice Linke, Beraterin Steuerrecht in Bremen Kammermitglieder können sich in F ragen des Arbeitsrechts kostenlos beraten lassen. Weitere Infos auf der Rückseite dieses Magazins. — 22 RECHTSIRRTUM „Wenn ich im Laden etwas kaufe, kann ich das innerhalb von zwei Wochen zurückgeben – das geht beim Online-Kauf ja auch.“ Das stimmt nur zur Hälfte. Beim Online-Kauf ist der Widerruf – also die Rückgabe – innerhalb von 14 Tagen gesetzlich vorgesehen. Ohne Angabe von Gründen kann ein Käufer die Ware zurück senden. Er muss per E-Mail, Post oder als Schreiben im Paket erklären, dass er den Kaufvertrag widerruft. Der Kaufpreis wird erstattet. Die Versandkosten liegen beim Käufer. Diverse Online-Händler bieten sogar einen kostenlosen Rückversand an. Im Geschäft ist es Kulanz des Händlers, wenn dieser Ware zurücknimmt. Es ist nicht vorgesehen, gekaufte, mangelfreie Ware gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzugeben. Wenn die Ware allerdings kaputt ist oder Fehler aufweist, handelt es sich um einen Fall von Gewährleistung (nicht: Garantie). Hier greift die gesetzliche Gewähr leistungsfrist von zwei Jahren. Der Kunde kann ent scheiden, ob er eine Reparatur oder neue Ware vorzieht. Wenn der Verkäufer diese Formen der Nacherfüllung verweigert oder sie fehlschlagen, kann der Kunde den Kaufpreis reduzieren oder die Ware zurückgeben und sein Geld zurückfordern. Übrigens: Hier ist der Händler zuständig, nicht der Hersteller. Der kommt erst bei Herstellergarantien ins Spiel, allerdings ist eine gegebene Garantie immer eine freiwillige Angelegenheit des Herstellers. Wer online im Ausland einkauft, sollte wissen, dass innerhalb der EU größtenteils die gleichen rechtlichen Bedingungen herrschen. Der Händler muss den Käufer aber auf eventuelle Zusatzkosten – zum Beispiel Steuern oder Versandkosten – hinweisen. Außerhalb der EU kommt es auf den Einzelfall an, welches Recht greift. Über Einfuhr umsatzsteuern, Einfuhrverbote und Zölle sollte sich der Käufer vor dem Kauf beim Zoll informieren. Text: Hanna Mollenhauer Juristische Beratung: Philipp Flunkert, Rechtsberater in Bremen-Nord Drei Fragen / Leserfoto / Impressum BAM — November / Dezember 2016 LESERFOTO Drei Fragen — zur geplanten Reform der Leiharbeit Auf dem Weg zur Arbeit Ab 1. Januar 2017 soll die Leiharbeitsreform gelten. Gleicher Lohn für alle – steht das im Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums? Nach neun Monaten sollen Leiharbeiter Anspruch auf gleichen Lohn haben wie Festangestellte. Allerdings sind in manchen Branchen in Tarifverträgen oft schon Zuschläge für Leiharbeiter vereinbart. Ein solcher Tarifvertrag muss vorsehen, dass Zuschläge spätestens nach sechs Wochen einsetzen. Nach 15 Monaten muss dann die Bezahlung komplett angeglichen sein. Wie lange soll die sogenannte Überlassung eines Leiharbeiters dauern dürfen? Nach der Reform dürfen Leiharbeiter maximal 18 Monate im selben Betrieb arbeiten. Danach müssen sie übernommen w erden. Aber auch hier können in Tarifverträgen oder hierauf gestützten Betriebsvereinbarungen andere Grenzen vereinbart werden. Welche weiteren Änderungen sind im Gesetzentwurf vor ge sehen? Interessenvertretungen wie Betriebsräte werden gestärkt, indem das Informationsrecht gesetzlich formuliert wird. Der Betriebsrat muss vor dem Einsatz eines Leiharbeiters umfassend über Art und Umfang der vergebenen Aufgaben und die Arbeitsverträge informiert werden. Auf Verlangen kann er unter anderem die Arbeitsverträge einsehen. Außerdem besteht eine Pflicht zur Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Art und Umfang eines Leiharbeitereinsatzes. Leiharbeiter dürfen nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden. Torsten Kleine arbeitet seit 2011 als Rechtsberater in der Geschäftsstelle Bremerhaven. Vorher war er jahrelang als Rechtsanwalt tätig. Er berät die Mitglieder insbesondere zu Fragen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts. Foto: Stefan Schmidbauer Infoveranstaltungen: Leiharbeit – was Sie beachten müssen 1. November 2016, 18 Uhr, Geschäftsstelle Bremerhaven, Barkhausenstraße 16, 27568 Bremerhaven, Anmeldung: 0471.92235-0 8. November 2016, 18 Uhr, Geschäftsstelle Bremen-Nord, Lindenstraße 8, 28755 Bremen, Anmeldung: 0421.66950-0 Probleme als Leiharbeiter? Als Mitglied der Arbeit nehmerkammer können Sie sich arbeitsrechtlich beraten lassen. Weitere Infos auf der Rückseite dieses Magazins. Marcus Wiedelmann: „Auf meinem Arbeitsweg in die Innenstadt findet mein Hobby – die Fotografie – immer seinen Platz. So auch an diesem Spätsommermorgen an der Weser. Das entspannt mich vor einem arbeitsreichen Tag.“ Liebe Leserinnen und Leser, was fällt Ihnen ins Auge auf dem Weg zur Arbeit – was finden Sie besonders schön oder bemerkenswert, lustig oder absurd? Schicken Sie uns Ihre Fotos. [email protected] IMPRESSUM Herausgeberin Arbeitnehmerkammer Bremen Bürgerstraße 1 28195 Bremen Telefon 0421.3 63 01-0 Telefax 0421.3 63 01-89 www.arbeitnehmerkammer.de E-Mail: [email protected] Autoren und Autorinnen Janet Binder, Beatrice Linke, Anette Melerski, Hanna Mollenhauer, Daniel Staack, Janina Weinhold Redaktion Nathalie Sander (V.i.S.d.P.), Hanna Mollenhauer Layout GfG / Gruppe für Gestaltung, Bremen Konzeptionelle Beratung textpr +, Bremen Druck Müller Ditzen AG, Bremerhaven Erscheint alle zwei Monate. Einzelverkaufspreis 2,50 Euro, Jahresabonnement 14 Euro, für Kammerzugehörige im Mitgliedsbeitrag enthalten. ISSN 1614-5747 Postvertriebs-Nummer H 43672 Lektorat Martina Kedenburg Fotos Kay Michalak (Titel, S. 2, 5, 6, 8, 11, 15, 16, 18, 20, 21) — 23 Arbeitnehmerkammer Bremen / Bürgerstraße 1 / 28195 Bremen Postvertriebsstück, DPAG, Entgelt bezahlt BERATUNGSANGEBOTE & ÖFFNUNGSZEITEN Wir sind für Sie da! Rechtsberatung Bremen-Stadt Bremen-Nord Bremerhaven Bürgerstraße 1 28195 Bremen 0421. 3 63 01- 0 Lindenstraße 8 28755 Bremen 0421 .6 69 50-0 Barkhausenstraße 16 27568 Bremerhaven 0471.9 22 35-0 Arbeits- und Sozialversicherungsrechtsberatung / Öffentliche Rechtsberatung * Persönliche Beratung (ohne Termine) Mo, Di, Do, Fr 9 – 12 Uhr Mo und Mi 14 –18 Uhr Telefonische Beratung Arbeitsund Sozialversicherungsrecht 0421. 3 63 01-11 Mo – Do 9 – 16 Uhr Fr 9 – 12.30 Uhr Arbeits- und Sozialversicherungsrechtsberatung / Öffentliche Rechtsberatung * Persönliche Beratung (ohne Termine) Mo, Di, Do, Fr 9 – 12 Uhr Mo und Do 14 –18 Uhr Telefonische Beratung Arbeitsund Sozialversicherungsrecht 0421. 3 63 01-11 Mo – Do 9 – 16 Uhr Fr 9 – 12.30 Uhr Arbeits- und Sozialversicherungsrechtsberatung / Öffentliche Rechtsberatung * Persönliche Beratung (ohne Termine) Mo, Di, Do, Fr 9 – 12 Uhr Mo und Mi 14 –18 Uhr Telefonische Beratung Arbeitsund Sozialversicherungsrecht 0471 .9 22 35-11 Mo – Do 9 – 16 Uhr Fr 9 – 12.30 Uhr Steuerrechtsberatung Terminvereinbarung 0421. 3 63 01 - 5 9 Telefonische Steuerrechtsberatung 0421. 3 63 01- 40 Mo – Fr 11 – 13 Uhr Steuerrechtsberatung Terminvereinbarung 0421.6 69 50-0 Telefonische Beratung 0421 . 3 63 01- 40 Mo – Fr 11 – 13 Uhr Steuerrechtsberatung Terminvereinbarung 0471.9 22 35-59 Telefonische Beratung 0471 .9 22 35-10 Mo – Fr 11 – 13 Uhr Arbeitslosenrechtsberatung Persönliche Beratung (ohne Termine) Mo, Di, Do 9 – 1 2 Uhr Mo 14 –18 Uhr Weitere Informationen 0421. 3 63 01- 23 KammerCard www.arbeitnehmerkammer.de KammerCard und BAM-Abonnement Wollen Sie das BAM bequem kostenlos nach Hause geliefert bekommen? Holen Sie sich die KammerCard und genießen Sie weitere Vorteile! www.arbeitnehmerkammer.de/ kammercard www.arbeitnehmerkammer.de * Wenn Sie im Land Bremen wohnen und Ihr Einkommen eine bestimmte Grenze nicht übersteigt, können Sie die öffentliche Rechtsberatung des Landes Bremen in der Arbeitnehmerkammer gegen zehn Euro Gebühr, die unter bestimmten Voraussetzungen erlassen werden kann, in Anspruch nehmen (z.B. zum Familienrecht, Kaufvertragsrecht, Mietrecht, Verbraucher insolvenz). Auch Kammermitglieder informieren wir in diesen Rechtsgebieten gegen zehn Euro Gebühr. Beratung für Betriebs- und Personalräte Bremen 0421.3 63 01- 962 Bremerhaven 0471.9 22 35 -24 oder -31 [email protected] Telefonische Beratung 0421.3 63 01- 960, Mo – Fr 10 – 12 Uhr Beratung zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse 0421.3 63 01-954 [email protected] Beratung zu Berufskrankheiten 0421 .6 69 50-36 [email protected] Weiterbildungsberatung 0421.3 63 01-432 [email protected] Beratung bei der Verbraucherzentrale Mitglieder der Arbeitnehmerkammer z ahlen für Beratungen etwa zur privaten Altersvorsorge, zu Riester-Verträgen oder zur Berufsunfähigkeitsversicherung nur die Hälfte für die erste Stunde. Bremen 0421.16 07 77 Bremerhaven 0471.2 61 94 www.verbraucherzentrale-bremen.de
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