Unternehmen

Datum: 25.10.2016
Was bedeutet die Revision für die
Unternehmen ?
Eine Regulierungsfolgenabschätzung zeigt, dass die Revision des Datenschutzgesetzes die
Rechte der betroffenen Personen stärken kann. Wie hoch der Umsetzungsaufwand sein wird
und ob es für Schweizer Unternehmen zu Wettbewerbsnachteilen im Ausland kommt, hängt
stark von der künftigen Ausgestaltung ab. Susanne Hofmann, Michael Adrian Meyer
Der Bundesrat hat das Eidgenössische als Datenbearbeiter gegenüber den beJustiz- und Polizeidepartement (EJPD) troffenen Personen, Regelungen zur Datenbeauftragt, ihm bis Ende August 2016 herrschaft und zur unternehmensinternen
einen Vorentwurf für eine Revision des Datenschutzorganisation sowie den grenzBundesgesetzes über den Datenschutz überschreitenden Datenverkehr. Auch die
(DSG) zu unterbreiten. Dieser soll auch die
Normkonzept zur Revision des Datenschutzgesetzes,
Bericht der Begleitgruppe Revision DSG vom
Datenschutzreformen beim Europarat und
29. Oktober 2014. Der vollständige Bericht ist online
verfügbar auf Ejpd.admin.ch.
der Europäischen Union berücksichtigen.
Um die Auswirkungen der Revision abRegeln zur «guten Praxis», die alternative
schätzen zu können, hat das Beratungs-
Streitbeilegung, die Datenschutzaufsichtsbehörde, die kollektive Rechtsdurchsetzung
in Zusammenarbeit mit B,S,S. Volkswirtund den Geltungsbereich des Datenschutzschaftliche Beratung für das EJPD und das
gesetzes hat die RFA untersucht.
Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine
Die mit der Revision beabsichtigten
vertiefte Regulierungsfolgenabschätzung
Änderungen betreffen sämtliche in der
(RFA) vorgenommen. Es wurden eine AnaSchweiz tätigen Unternehmen. Denn wer
lyse der relevanten Literatur, eine BeDaten bearbeitet, untersteht dem DatenUnternehmen
verschiedener
fragung
schutzgesetz. Die Unternehmen standen
und Gespräche mit Fachpersonen durchdaher im Vordergrund dieser RFA. Wie
geführt.
intensiv sie allerdings betroffen sind, hängt
von diversen Faktoren ab, insbesondere
Kosten von der Ausgestaltung
unternehmen
PricewaterhouseCoopers
von der Art und der Menge der ge-
abhängig
sammelten Daten und in welcher Weise sie
Für die RFA wurde die geplante Neu- Daten bearbeiten. Für die RFA wurden die
regelung mit dem gegenwärtigen Daten- schweizerischen Unternehmen daher nach
schutzgesetz verglichen. Für die Neu- ihrer datenschutzrechtlichen Exponierung
regelung stützte man sich auf einen segmentiert und durch die Branche und
Bericht der Begleitgruppe Revision Datendie Grösse operationalisiert.
schutzgesetz von Oktober 2014 («NormRund 335 000 oder 55,1 Prozent der
konzept»)' Dieser stellt die wesentlichen
relevanten Unternehmen' sind kleine, vorZiele der Revision dar, enthält aber noch
wiegend lokal tätige Firmen, ohne Auskeine konkret ausformulierten Gesetzesartikel, so wie sie im zu erwartenden
Gesetzesentwurf enthalten sein werden.
Die untersuchten Massnahmen betreffen
die Informationspflichten der Unternehmen
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Die Summe dieser Unternehmen entspricht nicht der
Zahl aller Unternehmen in der Schweiz, da bei der
Segmentierung gewisse Ausschlüsse gemacht wurden
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landsbezug, die keine anderen Daten bearbeiten als Kunden-, Lieferanten- und
Mitarbeiterdaten. Beispiele sind die lokale
Metzgerei oder Schreinerei (Segment A).
Rund 265000 oder 43,5 Prozent machen
Unternehmen aus, die innerhalb der
der elektronisch durchgeführten Unternehmensbefragung
quantitativ
und
qualitativ unzureichend waren; auf eine
gesamtwirtschaftliche Hochrechnung der
Auswirkungen auf Unternehmen musste
daher verzichtet werden. Die Gründe des
Schweiz und auch international mittels unzureichenden Datenrücklaufs liegen
Einsatz von Web-IT-Technologien oder zunächst in der Komplexität des zu
Cloud-Dienstleistungen die Kundendaten revidierenden Datenschutzgesetzes. Zuetwa für Marketing oder Marktanalysen dem scheint die Sensibilität der Mehrheit
bearbeiten. In diese Gruppe fallen einer- der schweizerischen Unternehmen beseits alle kleinen und mittleren Unter- treffend Datenschutz eher gering zu sein.
nehmen, welche ihre Kundenkontakte Dies gilt nicht nur bezüglich der Revision,
primär über elektronische Kanäle voll- sondern auch hinsichtlich der heute
ziehen. Andererseits gehören auch alle bereits geltenden Rechtslage.
grossen Unternehmen dazu und Unter-
Kosten bei Informationspflichten
nehmen, die mit vielen sensitiven
und Datenherrschaft
Personendaten arbeiten. Beispiele sind
Internetversandhändler, Banken, Arzt- Die Unternehmen des Segments A werden
praxen, Anwälte und grosse Detailhändler nur von wenigen Handlungspflichten
(Segment B). Vergleichsweise gering ist
der Anteil der Unternehmen, deren Kerngeschäft die Datenbearbeitung ist und
die ihr Geld im Wesentlichen mit Daten
verdienen, wie beispielsweise Big-Data-
tangiert. Deshalb werden sie durch die
Revision
auch
vergleichsweise
gering
belastet. Allerdings haben einige Fachpersonen im Rahmen der Fachgespräche
vorgebracht, dass kleinere und mittlere
und Cloud-Dienstleister, Profiler oder Unternehmen (KMU) bei gleicher DatenWeb-2.o-Firmen (Segment C). Dies trifft bearbeitungstätigkeit stärker von den
auf rund 8000 kleine bis grosse Unter- datenschutzrechtlichen Verpflichtungen
betroffen sind als grosse Unternehmen.
nehmen zu (1,4%).
Für jedes Unternehmen ist das bislang Denn ihnen fehle heute tendenziell die noterreichte datenschutzrechtliche Niveau wendige Compliance-Infrastruktur, welche
ausschlaggebend dafür, welche Aus- im Verhältnis zu grossen Unternehmen
wirkungen die Datenschutzrevision mit zudem teurer sei. Eine wesentliche Besich bringen wird. Unternehmen, die dem lastung für das Segment A wird aufgrund
Thema Datenschutz bereits heute ent- der erweiterten Informationspflichten ersprechende Aufmerksamkeit widmen und wartet. Die Unternehmen müssen dabei
entsprechende Standards erreicht haben, die betroffenen Personen aktiv darüber
werden die geplanten Massnahmen mit informieren, dass sie Personendaten beverhältnismässig geringerem Aufwand schaffen und was der Zweck davon ist. Wie
umsetzen können. Vor dem Hintergrund, sie dies tun müssen, ist noch offen. Auch
dass mit der Revision die Durchsetzung eine generelle Form mittels allgemeiner
datenschutzrechtlicher Vorgaben gestärkt Geschäftsbedingungen wird diskutiert.
wird, ist es möglich, dass Unternehmen Mehrheitlich wird diese Handlungspflicht
mit geringerem Datenschutzniveau dem von den Fachpersonen als nicht besonders
Thema nun mehr Relevanz beimessen.
kostenintensiv erachtet, vorausgesetzt, die
Anzumerken ist, dass die Daten aus Unternehmen können mittels genereller
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Erklärung auf ihrer Website oder mit AGB richtigen oder löschen, zu exorbitanten
informieren. Die Kosten werden allerdings Kosten führen.
beträchtlich, wenn jede Person einzeln Mehr Rechte bedeuten weniger
informiert werden muss.
Zusätzlich soll neu
auch
darüber
Gratisdienstleistungen
informiert werden, wie die Daten be- Wie bereits das aktuelle sieht auch das
gegenDatenschutzgesetz
Person neu das Recht auf Auskunft, durch über den Personen, deren Daten bewelche Angaben und Mechanismen es zu arbeitet werden, keine Verpflichtungen,
einer gewissen Bonitätseinschätzung von sondern vielmehr eine Stärkung vor. Die
Banken oder Ratingagenturen gekommen befragten Fachpersonen gehen davon
ist. Wie hoch die Kosten sind, darüber sind aus, dass die geplanten Massnahmen gesich die Fachpersonen uneinig. Auch hier eignet sind, die betroffenen Personen zuhängen die Auswirkungen von der Aus- mindest formal dabei zu unterstützen,
gestaltung der Auskunftspflicht ab. Zu- ihre informationellen Selbstbestimmungsdem können die Unternehmen durch die rechte besser ausüben zu können. Dazu
Auskunftsrechte
verbesserte
Pflicht zur Berichtigung oder Löschung dienen
von Daten stark belastet werden (aufgrund gegenüber datenbearbeitenden Unterder sogenannten Datenherrschaft): Ver- nehmen, erhöhte Transparenz und Nachlangt eine Person von einem Unternehmen vollziehbarkeit beispielsweise in Bezug
die eigenen Daten zu berichtigen oder gar auf Methoden der Datenbearbeitung und
zu löschen, muss das Unternehmen dafür Datenauswertung, das neu vorgesehene
sorgen, dass die betroffenen Daten nicht Recht, die eigenen Daten von einem Ort
nur bei ihm, sondern auch bei allen anderen oder Dienst zu einem anderen zu beUnternehmen berichtigt werden, an die es wegen (Datenportabilität), sowie die ausdie Daten weitergegeben hat. Ein solcher gebauten Durchsetzungsmöglichkeiten
Prozess kann bei den Unternehmen aller datenschutzrechtlicher Ansprüche.
Inwieweit die betroffenen Personen
Segmente einen erheblichen Aufwand
bewirken. Betroffen sind allerdings nur künftig aus den Neuerungen konkret
Nutzen ziehen, wird vor allem davon abFirmen, die Daten an Dritte weitergeben.
Die Unternehmen der Segmente B und hängen, welche Bedeutung die Individuen
C sind gegenüber den Unternehmen des dem Schutz der eigenen Daten beimessen.
Segments A vergleichsweise stark be- In diesem Zusammenhang können datenVoreinstellungen
troffen. Entscheidend wird auch hier sein, sch utzfreu ndl iche
wie der Gesetzgeber die im Normkonzept (Privacy by Default) zu einem wichtigen
arbeitet werden. Zum Beispiel hat eine revidierte
enthaltenen Absichten, welche Basis für
diese RFA waren, im Gesetzesentwurf
umsetzen wird. Stark betroffen werden
die datenexponierten Segmente B und C
von der oben beschriebenen Massnahme
zur Datenherrschaft sein. Die Erfüllung
Instrument des Datenschutzes werden.
Demgegenüber ist damit zu rechnen,
dass Unternehmen folglich weniger Daten
sammeln und bearbeiten können und
weniger unentgeltliche Dienstleistungen
wie beispielsweise Gratis-E-Mail-Dienste
dieser Pflicht innerhalb des Unternehmens mehr anbieten.
kann mit den heutigen Kosten verglichen Marktzugang
werden. Hingegen kann die Pflicht, sicher-
im Ausland be-
wahren
zustellen, dass auch sämtliche weiteren
Unternehmen die erhaltenen Daten be- Die Gespräche mit den Fachpersonen
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zu den Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft fokussierten vor allem auf das
Thema Wettbewerb. Auf internationaler
Ebene könnten für die Schweiz aus zwei
Gründen gravierende Wettbewerbsnachteile resultieren: einerseits, wenn die
Schweiz aus Sicht der EU den Status eines
Landes mit adäquatem Datenschutzniveau
verlieren würde, und andererseits, wenn
Datenschutzregelungen nur in der Schweiz
gelten würden oder restriktiver wären als
in der EU und so zu Mehrkosten führen
Susanne Hofmann
Leiterin Legal Compliance Switzerland,
PricewaterhouseCoopers, Zürich
würden.
Innerhalb der Schweiz werden die vorgesehenen Verpflichtungen mehrheitlich als wettbewerbsneutral eingestuft, da
alle Unternehmen des gleichen Segments
gleich betroffen sind. Demgegenüber
blieb in der RFA noch unklar, inwieweit
der gestärkte Datenschutz insgesamt zu
einem Wettbewerbsvorteil für ein einzelnes Unternehmen führen könnte. Einige
Fachpersonen vermuten denn auch, der
verbesserte Datenschutz könnte das Vertrauen der Privatpersonen erhöhen und
in der Folge zu einer gesteigerten Bereit-
Michael Adrian Meyer
Mitarbeiter Legal Compliance,
PricewaterhouseCoopers, Basel
schaft führen, Daten preiszugeben.
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