Regionalwirtschaft Niedersachsen Special 26. Oktober 2016 Konjunkturausblick Niedersachsen Wirtschaftsentwicklung Deutschland Konjunkturprognose Niedersachsen BIP-Entwicklung 2015 und Ausblick 2016 Entwicklung verarbeitendes Gewerbe Exporte Bauhauptgewerbe Dienstleistungsgewerbe Arbeitsmarkt Fazit Dr. Eberhard Brezski +49 511 361 2972 [email protected] Christian Lips +49 511 361 2980 [email protected] Niedersachsen: Solide Wirtschaftsentwicklung Die deutsche Wirtschaft hat den konjunkturellen Aufschwung fortgesetzt und ist mit einer höheren Dynamik ins Jahr 2016 gestartet. Im ersten Halbjahr lag das Wirtschaftswachstum deutlich über dem Potenzialpfad. Zur Jahresmitte trübte sich infolge des Brexit-Votums die Stimmung nur kurzzeitig etwas ein. Trotz der anhaltenden Unsicherheit über die Folgen war diese Entwicklung jedoch nicht nachhaltig. Vielmehr verbesserte sich das Unternehmensvertrauen im Herbst überraschend deutlich, weshalb nach einer moderaten Entwicklung im Sommer eine deutlich höhere Dynamik im Herbst erwartet wird. Für das Gesamtjahr ergibt sich vor diesem Hintergrund eine prognostizierte Expansion des realen Bruttoinlandsproduktes von 1,9%. Auch in der Eurozone sollte sich die solide Entwicklung des ersten Halbjahrs fortsetzen und das BIP in 2016 um 1,6% zulegen. Wesentliche Wachstumsstütze bleibt die Binnennachfrage und hier vor allem der private und öffentliche Konsum. Für Niedersachsen erwarten wir vor diesem Hintergrund in 2016 ein reales BIP-Wachstum von 1,7% erwarten. Für 2017 prognostizieren wir für die Eurozone und für Deutschland eine nur leicht geringere konjunkturelle Dynamik. Zwar bleibt die Geldpolitik auf längere Zeit noch sehr expansiv ausgerichtet und die Fiskalpolitik wird nicht restriktiver als in diesem Jahr erwartet. Die wirtschaftlichen und vor allem politischen Risikofaktoren (Terrorismus, geopolitische Konflikte, Aufstieg rechtspopulistischer und europafeindlicher Parteien, Krise der EU) dürften aber weiterhin die Investitionsbereitschaft dämpfen. Die Binnenwirtschaft wird zwar die wichtigste Stütze für die konjunkturelle Entwicklung bleiben, mit einer höheren Inflation wird sich der Anstieg der real verfügbaren Einkommen und damit der reale Konsum aber etwas verlangsamen. Vor diesem Hintergrund prognostizieren wir für die Eurozone ein BIP-Wachstum von kalenderbereinigt 1,5%. Für Deutschland ist ein negativer Arbeitstageeffekt zu berücksichtigen, der das Wachstum um 0,25 Prozentpunkte abwärts auf nicht-kalenderbereinigte 1,4% drückt. In Niedersachsen dürfte das Wachstum im Jahr 2017 mit 1,3% nur noch leicht unter dem bundesdeutschen Schnitt liegen. Wir bitten um Beachtung der besonderen Hinweise auf den letzten Seiten dieser Studie. Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Wirtschaftsentwicklung Deutschland Analyst: Christian Lips Beschleunigtes Wirtschaftswachstum zeichnet sich für 2016 ab Brexit-Votum erwischt Politik und Märkte kalt Der konjunkturelle Aufschwung hat sich in Deutschland in der ersten Jahreshälfte 2016 wie erwartet fortgesetzt. Mit Quartalswachstumsraten von saison- und kalenderbereinigt 0,7% bzw. 0,4% Q/Q expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt sehr kräftig, die Dynamik lag deutlich über dem Potenzialpfad. Verglichen mit dem gleichen Vorjahreszeitraum erhöhte sich das reale BIP im ersten Halbjahr um 2,3% Y/Y. In Deutschland ist nach einem fulminanten Start ins Jahr 2016 das Wachstum im Frühjahr etwas schwächer ausgefallen. Nach der durch den milden Winter nach oben verzerrten Entwicklung im ersten Quartal kam es zu einer Korrektur dieser Sondereffekte. Vor allem bei der Bauproduktion ist es im Frühjahr zu einer Gegenbewegung gekommen. Aber auch das Verarbeitende Gewerbe schaltete im zweiten Quartal einen Gang zurück. Besonders stark drosselten die Produzenten von Investitionsgütern ihre Erzeugung. Im Produzierenden Gewerbe dominierten demnach die negativen Vorzeichen im Frühjahr. Zusammengenommen ergab sich im zweiten Quartal dennoch dank eines hohen Wachstumsbeitrages vom Außenhandel ein solides Wirtschaftswachstum in Höhe von 0,4 Prozent gegenüber der Vorperiode. Die weltwirtschaftliche Dynamik blieb im ersten Halbjahr wie schon in den beiden Vorjahren mäßig. In den USA zeigt das Wirtschaftswachstum nun schon seit drei Quartalen in Folge eine nur schwache bis mäßige Entwicklung. Das preisund saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich in den Vereinigten Staaten im Frühjahr annualisiert nur um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wobei dies gegenüber den beiden Vorquartalen sogar schon eine Steigerung darstellte. Chinas Wirtschaft expandierte in den ersten drei Quartalen jeweils mit einer Jahreswachstumsrate von 6,7 Prozent und setzte somit den moderateren Wachstumskurs fort. Im zweiten Quartal reduzierte sich das Wirtschaftswachstum in der Eurozone auf 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal, nachdem Sondereffekte zu einem dynamischen Start ins Jahr 2016 beigetragen hatten. Vor allem die wirtschaftliche Entwicklung in Italien und Frankreich enttäuschte im zweiten Quartal. Mitte des Jahres reagierten die Finanzmärkte geschockt auf das Votum der britischen Bevölkerung, die sich in der Abstimmung über den Verbleib in der EU mehrheitlich für einen Austritt („Brexit“) entschieden hatten. Allerdings stabilisierten sich die Märkte nach einer ersten hochvolatilen Phase zügig, auch dank der durch mehrere Zentralbanken angekündigten Bereitschaft, bei Bedarf stabilisierend einzugreifen. Bei den meisten Frühindikatoren waren direkt im Nachgang mehr oder weniger ausgeprägte Einbrüche festzustellen. Zu einer besonders heftigen Eintrübung des Unternehmensstimmung und des Konsumentenvertrauens ist es naturgemäß in Großbritannien gekommen. Hier ist mit einem Konjunktureinbruch infolge der erheblichen Unsicherheit über den zukünftigen ökonomischen und rechtlichen Rahmen von Investitionen zu rechnen. Die markante Abwertung des britischen Pfunds – zum US-Dollar sackte es auf den tiefsten Stand seit über dreißig Jahren ab – mag leicht kompensierend wirken, wird die von uns erwartete Anpassungsrezession aber wohl nicht verhindern können. Auch die Bank of England hat mit einer erheblichen geldpolitischen Lockerung bereits dokumentiert, welch schwierigen konjunkturellen (und politischen) Zeiten das Vereinigte Königreich entgegen geht. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die übrigen Länder der EU und insbesondere Deutschland sind schwer zu prognostizieren, zumal viel von dem Verlauf des noch zu beginnenden Verhandlungsprozesses und dem zukünftigen Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien abhängen wird. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 2 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Welche Branchen sind potenziell vom Brexit-Risiko am stärksten betroffen? Die hohe Unsicherheit droht sich belastend auf die Investitionstätigkeit auch in Deutschland auszuwirken, insbesondere in den Branchen, die stark vom Handel mit Großbritannien abhängen. Großbritannien ist mit einem Anteil von 7,5% im Jahr 2015 immerhin der drittwichtigste Exportmarkt Deutschlands gewesen. Mit EUR 89,3 Mrd. waren die Ausfuhren ins Vereinigte Königreich mehr als doppelt so hoch wie die Importe. Die wichtigsten Exportgüter waren Fahrzeuge (EUR 29,1 Mrd.) sowie Maschinen (EUR 8,8 Mrd.). Vor allem der Fahrzeugbau könnte von dem Brexit-Votum und den Folgen (Pfundschwäche, Konjunktureinbruch UK) getroffen werden (siehe Chart). Der Fahrzeugbau ist wie kaum eine andere Branche von den Auslandsumsätzen abhängig (y-Achse). Zudem ist UK für Kraftwagen und -teile ein ganz besonderer Auslandsmarkt: So haben Fahrzeuge einen deutlich höheren Anteil an den Gesamtexporten nach Großbritannien als im Schnitt aller Länder (xAchse). Andere Branchen wie die Pharmazeutische Industrie sind ebenfalls einem stärkeren Risiko ausgesetzt, haben aber nicht die Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland wie der Fahrzeugbau (Größe der Kreise im Chart). Der langfristige Ausblick wird somit maßgeblich von dem Verhandlungsergebnis zwischen der EU und Großbritannien abhängen. Anteil Auslandsumsatz der Branche in % Brexit-Votum droht die Investitionen in verschiedenen Branchen zu dämpfen 80 70 Maschinenbau Pharmaind. 60 Chemie Fahrzeugbau 50 Elektronik Metalle 40 Gummi/Kunststoffe Metallerzeugnisse 30 Ernährung 20 10 Kokerei/Mineralöl 0 -10 -5 0 5 10 15 20 Abw. Exportanteile UK zum Durchschnitt (in %-Punkten) Die Größe der Kreise entspricht dem Verhältnis des Branchenumsatzes zum Gesamtumsatz des Verarbeitenden Gewerbes. Daten für 2015. Quelle: Destatis, Feri, NORD/LB Economics NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 3 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Drittes Quartal mit etwas ruhigerer Gangart Nach dem sehr hohen Wirtschaftswachstum in der ersten Jahreshälfte zeichnet sich für das dritte Quartal eine etwas ruhigere Gangart ab, allerdings sehen wir hier nur einen allenfalls geringen Einfluss des Brexit-Votums. Auf den ersten Blick fiel der Start ins dritte Quartal sogar überraschend schlecht aus, dies ist jedoch zu einem Gutteil auf statistische Verzerrungen infolge eines ausgeprägten Ferieneffekts zurückzuführen. Nach sehr schwachen Julizahlen sowohl bei der Produktion als auch bei den Exporten kam es daher im August zu einer kräftigen Gegenbewegung. Die Industrieproduktion erhöhte sich kräftig um 2,5% M/M, womit der Rückgang im Vormonat (-1,5% M/M) überkompensiert wurde. Besonders ausgeprägt fiel der Zuwachs im Verarbeitenden Gewerbe aus (+3,3% M/M). Die stärkste Ausweitung ihrer Erzeugung meldeten die Hersteller von Investitionsgütern (+4,7% M/M). Vor allem die starken Schwankungen der saisonbereinigten Reihe im Wirtschaftszweig Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen zwischen Juli und August sind ein Indiz, dass die veränderte Lage der Sommerferien deutlichen Einfluss auf die Produktion hatte, da derartige Besonderheiten nicht durch die verwendeten statistischen Verfahren zur Bereinigung von Saison- und Kalendereffekten erfasst werden. Und in der Tat gab es im Juli 2016 deutlich mehr Schulferientage als in den beiden Vorjahren: Gewichtet nach dem Umsatz des Verarbeitenden Gewerbes gab es bundesweit immerhin rund vier Ferientage mehr als in den beiden Vorjahren. Anekdotische Evidenz spricht zudem für eine Konzentration von Werksferien auf den Juli in diesem Jahr, wenngleich auch Sonderschichten gefahren wurden und allgemein die Bedeutung von Werksferien abnimmt. Die Bauproduktion ging im August nach starken Julizahlen wegen eines Rückpralls im Ausbaugewerbe zurück, bleibt tendenziell aber aufwärts gerichtet. Insbesondere der Wohnungsbau wird sich weiterhin dynamisch entwickeln. Hier setzt sich nach den witterungsbedingten Verzerrungen im ersten Halbjahr wieder stärker der positive Grundtrend durch: Seit Ende 2015 liegt die Jahresrate der Bauaufträge im zweistelligen Bereich, von Januar bis August ergibt sich ein arbeitstäglich- und preisbereinigter Zuwachs von 15,0% zum gleichen Vorjahreszeitraum. Gering fielen im Sommer die Wachstumsraten bei den Einzelhandelsumsätzen aus, im Quartalsvergleich deutet sich dennoch ein Plus in Höhe von gut 0,5% Q/Q an. Damit wird auch der private Konsum sicher eine höhere Dynamik als im Frühjahr erreichen. Frühindikatoren versprechen goldenen Herbst Der Anstieg der wichtigsten Frühindikatoren verspricht hingegen der deutschen Wirtschaft einen goldenen Herbst. Die ifo Geschäftserwartungen sind im Oktober nochmals deutlich auf 106,1 Punkte angestiegen. Auch die aktuelle Lage wird von den rund 7.000 befragten deutschen Unternehmenslenkern mit 115,0 Punkten noch etwas besser als im Vormonat beurteilt. Der aus beiden Komponenten als geometrisches Mittel berechnete Geschäftsklimaindex – der mit Sicherheit wichtigste und verlässlichste Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland – notiert mit 110,5 Punkten auf dem höchsten Stand seit Anfang 2014. Auch unter den Einkaufsmanagern in der Industrie und im Dienstleistungssektor nahm der Optimismus spürbar zu. Mit 55,1 Punkten wird für die Industrie im Oktober das stärkste Wachstum seit Januar 2014 signalisiert, zudem ist auch der Dienstleistungssektor nach einer kurzen Delle im Sommer wieder klar im Expansionsbereich. Die in den letzten Monaten vielfach beschworenen Risikofaktoren (z.B. Brexit, Trump) konnten die gute Stimmung in der deutschen Wirtschaft offensichtlich nicht trüben. Vieles von dem, was befürchtet wurde, ist bislang nicht eingetreten oder zumindest unwahrscheinlicher geworden. Der Brexit wirkt sich noch nicht unmittelbar negativ aus und in den USA glaubt Donald Trump nach seinen öffentlich bekannten Eskapaden wohl inzwischen selbst nicht mehr an einen Wahlerfolg. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 4 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Exportwachstum bis zur W.-Beitrag in %-P., 25 6MMA, Y/Y Jahresmitte deutlich rückläufig – Ausblick hellt sich auf 20 15 10 5 0 -5 -10 -15 -20 -25 2000 EMU China 2002 2004 2006 übrige EU Übriges Asien 2008 Non-EU Rest 2010 2012 NAFTA Gesamt 2014 2016 Übriges Amerika Quelle: Feri, NORD/LB Economics Export leidet unter geringer globaler Nachfrage – Ausblick hellt sich auf Auch beim Export kam es infolge des Ferieneffekts zu einer starken Verschiebung zwischen den Monaten Juli und August. Die Exporte legten im August nach einem schwachen Vormonat unter Ausschaltung saisonaler Effekte um kräftige 5,4% M/M zu. Die Jahresrate sprang von -10,0% Y/Y im Juli auf +9,9% Y/Y im August. Auch hier sollten die beiden Monatswerte aufgrund der statistischen Verzerrungen nicht isoliert betrachtet werden. Allerdings scheint sich allmählich ein Boden herauszubilden, im gleitenden 6-Monatsdurchschnitt deutet sich wieder ein leichter Anstieg im Vergleich zum selben Vormonatszeitraum an (vgl. Chart). Im Zeitraum von Januar bis August wurde deutlich weniger nach Südostasien, in den Mittleren Osten und nach Nord- und Lateinamerika exportiert als im gleichen Vorjahreszeitraum. Im Außenhandel mit den europäischen Partnerländern steht hingegen ein leichtes Plus zu Buche. Die relativ geringe Auftragsdynamik und zumindest bis August gedämpfte Exporterwartungen der Unternehmen lassen zumindest für das dritte Quartal keinen positiven Wachstumsbeitrag vom Außenhandel erwarten. Der kräftige Anstieg der Exporterwartungen der Unternehmen im September und Oktober macht hingegen begründet Hoffnung auf einen positiven Trend in den kommenden Monaten. Zudem wurde die Auftragslage von den Unternehmen nach einer Delle im Sommer zuletzt wieder positiver beurteilt. Auch in den harten Zahlen des Statistischen Bundesamts spiegelt sich die – wenn auch nur allmähliche – Besserung der Nachfragesituation wider. So wiesen die Auftragseingänge im Berichtsmonat August nach vier schwachen Monaten in Folge wieder deutlich aufwärts. Im Berichtsmonat August legten die Bestellungen um 1,0% zum Vormonat zu. Vor allem eine regere Bestelltätigkeit aus den Ländern der Eurozone (+4,1% M/M) sowie eine stärkere inländische Nachfrage (+2,6% M/M) haben dazu beigetragen, dass die Flaute zur Jahresmitte vorerst als ausgestanden erscheint. Schwach bleiben aber nach wie vor die Impulse aus dem übrigen Ausland, hierin spiegelt sich die noch immer geringe weltwirtschaftliche Dynamik wider. Angesichts der hohen Schwankungsanfälligkeit der Auftragseingänge ist es zwar noch zu früh, eine generelle Trendwende auszurufen. Allerdings waren die Augustzahlen nicht durch etwaige Großaufträge nach oben verzerrt, eher im Gegenteil: Unter Ausklammerung von Großaufträgen stand sogar ein etwas deutlicheres Plus (+1,6% M/M) zu Buche. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 5 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Positive Lohn- und Arbeitsmarktentwicklung stützen privaten Konsum Arbeitsmarkt bleibt robust – Die Arbeitsmarktdaten zeugten bis zuletzt von einer ungebrochen dynamischen Beschäftigungsentwicklung. Im Berichtsmonat September ist die Arbeitslosigkeit zwar saisonbereinigt erstmals seit gut einem Jahr wieder einmal marginal gestiegen. Die Erwerbstätigkeit und sozial-versicherungspflichtige Beschäftigung legten jedoch weiter zu. Zudem hat sich die Nachfrage nach Arbeitskräften noch einmal erhöht. Das ifo-Beschäftigungsbarometer kehrte im September fast auf den im Dezember markierten zyklischen Hochpunkt zurück (vgl. Chart). Es gibt somit keine Hinweise auf eine etwaige Zurückhaltung der Unternehmen im Nachgang des Brexit-Votums, eher im Gegenteil. Nur langsam wird der Stau bei den Asylverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgebaut. BamfLeiter Frank Jürgen Weise geht nach eigenen Aussagen davon aus, dass bis zu 250.000 Anträge erst im kommenden Jahr bearbeitet werden können. Entsprechend verzögert reagiert die Arbeitsmarktstatistik auf die deutlich gestiegene Zahl an Flüchtlingen. Dies ist bislang weitestgehend auf einen gesteigerten Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen wie Qualifizierungen und Integrationskurse für Flüchtlinge begrenzt. Im September legte daher auch die Unterbeschäftigung mit saisonbereinigt 10.000 Personen spürbarer zu als die Zahl der Arbeitslosen. Durchschnittlich werden in diesem Jahr nochmals rund 100.000 Personen weniger arbeitslos gemeldet sein als im Vorjahr, die Arbeitslosenquote sinkt entsprechend von 6,4% auf 6,1%. Zudem erreicht die Zahl der Erwerbstätigen zum Jahresende mit prognostizierten 43,7 Mio. Menschen den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung und wird im kommenden Jahr erstmals die 44-Millionen-Marke knacken. Da bis zuletzt das Verbraucherpreisniveau annähernd konstant blieb, setzt sich der spürbare Anstieg des real verfügbaren Einkommens fort. Insofern überrascht es nicht, dass der Konsum im Jahr 2016 die wichtigste Stütze des Wirtschaftswachstums bleibt. Mit real gut 1,7% fällt das Wachstum des realen Konsums ähnlich kräftig aus wie im Vorjahr und liegt damit in der Nähe des 15-Jahreshochs. Für den öffentlichen Konsum erwarten wir in diesem Jahr zudem noch einmal eine deutliche Beschleunigung auf 3,8%, womit der Staatsverbrauch allein rund 0,7 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum beiträgt. 116 Punkte Y/Y, in Tsd. 1.000 Unternehmen planen vermehrt Einstellungen 112 750 108 500 104 250 100 0 96 -250 92 -500 88 -750 1/02 1/04 1/06 1/08 Erwerbstätige, sa (gg. Vj., r. S.) 1/10 1/12 1/14 1/16 ifo Beschäftigungsbarometer Quelle: Bloomberg, ifo, NORD/LB Economics NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 6 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Wachstumsbeiträge durch Investitionen und Nettoexporte in diesem Jahr gering Schwach entwickelten sich hingegen zuletzt die Bruttoanlageinvestitionen. Nach einem guten Start ins Jahr gingen sowohl die Investitionen in Ausrüstungen als auch in Bauten im zweiten Quartal deutlich zurück. Bei den Bauinvestitionen ist dies vor allem auf ein witterungsbedingtes Vorziehen der Frühjahrsbelebung zurückzuführen. Hierfür spricht auch, dass sich die Bauproduktion inzwischen wieder normalisiert hat und zudem Auftragseingänge, Baugenehmigungen und Baubeginne für eine anhaltend gute Baukonjunktur sprechen. Die flüchtlingsbedingte Nachfragesteigerung, das niedrige Zinsniveau und der Mangel an renditeträchtigen Anlagealternativen stützen die Nachfrage mittelfristig. Bei den Ausrüstungen jedoch spiegelt sich eine Investitionszurückhaltung infolge zumindest vorübergehend erhöhter Unsicherheiten wider. Im zweiten Quartal wurden die Ausrüstungsinvestitionen erheblich gedrosselt (-2,4% Q/Q) und für das dritte Quartal ist nur mit einer leichten Belebung zu rechnen. Wie schon im vergangenen Jahr bleibt die Industriekonjunktur auch im Jahr 2016 schwach. Vom Außenhandel kommen nur geringe Impulse. Der zunächst positive Effekt der Abwertung des Euro ist weitgehend ausgelaufen, zwischenzeitlich machte der deutschen Exportwirtschaft die gedämpfte globale Nachfrage zu schaffen. In realer Rechnung steuerten die Nettoexporte zwar im zweiten Quartal 0,6 Prozentpunkte zum Quartalswachstum bei. Allerdings wird sich dies im dritten Quartal nicht wiederholen. Für das Sommerquartal erwarten wir einen bremsenden Effekt der Nettoexporte, so dass insgesamt der Wachstumsbeitrag des Außenhandels im Jahr 2016 erneut nur schwach positiv ausfällt. Konsum bleibt perspektivisch der zentrale Wachstumstreiber Wachstumsbeiträge der BIP-Komponenten 6 in %-Punkten 3,7 4 2 3,0 2,5 1,9 1,8 2,0 2,0 1,7 1,7 3,3 1,9 1,6 1,7 1,4 0,5 1,1 0,7 Prognose 3,7 0,5 0,0 0 -2 1,2 0,8 4,1 -0,7 -1,0 -4 -6 -5,6 -8 1992 1994 1996 1998 2000 Privater Konsum Vorratsveränderung 2002 2004 2006 2008 Konsumausgaben des Staates Außenbeitrag 2010 2012 2014 2016 Bruttoanlageinvestitionen BIP-Wachstum Quellen: Feri, NORD/LB Economics Konjunkturprognose: Für 2016 BIP-Wachstum von 1,9% erwartet Der Optimismus unter den deutschen Unternehmen hat im September und Oktober deutlich zugenommen. Wir sehen dies als Beleg dafür, dass vorerst die Unruhe durch das Brexit-Votum verdaut wurde und der Aufschwung sich nicht nur fortsetzt, sondern zum Jahresende noch einmal spürbar an Dynamik gewinnt. Für das Gesamtjahr 2016 erwarten wir ein BIP-Wachstum in Höhe von 1,9%. Damit würde sich unsere Prognose von vor einem Jahr in Höhe von 2,0% wieder als recht treffsicher erweisen, wenngleich wir zwischenzeitlich auch infolge des unerwarteten Brexit-Votums unsere Prognosen leicht zurückgeschraubt hatten. In diesem Jahr steht rechnerisch ein Arbeitstag mehr als im Vorjahr zur Verfügung, kalenderbereinigt beträgt das reale Wachstum 1,8%. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 7 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 EZB-Politik bleibt auch 2017 sehr expansiv Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bleibt noch für geraume Zeit sehr expansiv ausgerichtet. Der EZB-Rat hat auf seiner Oktobersitzung wie erwartet noch keine geldpolitischen Änderungen beschlossen. Die Notenbanker bestätigten aber die Forward Guidance, wonach von Ihnen für einen längeren Zeitraum und weit über die Laufzeit des Ankaufprogramms hinaus die Leitzinsen auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau erwartet werden. Vor dem Hintergrund unserer Prognose einer Fortsetzung der (Netto-)Ankäufe bis weit ins Jahr 2018 hinein wird es somit allein aus zeitlichen Gründen zunehmend fraglich, ob in der Amtszeit Mario Draghis überhaupt noch nennenswerte Zinserhöhungen stattfinden werden. Wir rechnen derzeit am ehesten mit einer Einleitung der Zinswende beim Einlagesatz und dies voraussichtlich erst ab dem Jahr 2019. Nach Aussagen Mario Draghis im Anschluss an die Oktobersitzung werde das Ankaufprogramm (EAPP) bis März 2017 oder ggf. darüber hinaus fortgesetzt, auf jeden Fall aber bis zu einer nachhaltigen Inflationsanpassung. Zu den Anfang Oktober aufgekommenen Spekulationen über eine möglicherweise schon bald bevorstehende Reduktion der monatlichen Ankaufsumme („Tapering“) äußerte sich Mario Draghi ausweichend. Weder ein Tapering noch eine Ausweitung seien diskutiert worden. Allerdings sei ein abruptes Ende der Ankäufe unwahrscheinlich, ebenso wie eine ewige Fortsetzung. Offensichtlich wollte Mario Draghi der Dezembersitzung des Rates nicht vorgreifen. Die Tapering-Spekulationen basierten ohnehin auf einer offensichtlichen Über- und Fehlinterpretation eines Berichts von Bloomberg, wonach sich ein „Konsens im Rat über ein Tapering“ herausgebildet habe. Die Rentenmärkte hatten hierauf zunächst mit deutlich steigenden Renditen reagiert – ein Zeichen für deren Nervosität und ein Fingerzeig, dass der Exit ein schwieriger Balanceakt wird. Inzwischen wird die Meldung offenbar als reiner Testballon gesehen. Jedenfalls sind die Bundrenditen wieder deutlich zurückgekommen. Die Diskussion über ein Tapering kommt zu früh. Trotz der zu erwartenden Rückkehr der Inflationsrate über die Marke von 1,0% im nächsten Jahr – was kaum die vom Rat geforderte nachhaltige Verbesserung des Inflationsumfelds darstellen dürfte – bleibt vor allem der binnenwirtschaftliche Preisdruck mäßig. In diesem Zusammenhang haben auch die jüngsten Daten des Survey of Professional Forecasters wertvolle neue Informationen geliefert. Demnach wurden die Inflations- und Wachstumsprognosen nochmals leicht gesenkt. Dies hat Gründe: Die Konjunkturerholung ist zwar solide, das Tempo ist aber nur moderat, so dass sich die Outputlücke nur langsam schließt. Die Lohnentwicklung ist angesichts hoher Arbeitslosigkeit sehr gedämpft und auch die Kreditvergabe kommt trotz der monetären Impulse nur schleppend in Gang. Zudem betonte Mario Draghi erneut die Abwärtsrisiken der Prognose. Der Patient Eurozone befindet sich in einer stabilen Seitenlage, nicht mehr und nicht weniger. Was ist für den Dezember zu erwarten? Von einer nochmaligen Senkung des Einlagesatzes dürfte die EZB – bei Ausbleiben eines Konjunkturunfalls – Abstand nehmen wollen. Technische Änderungen des EAPP sind hingegen so gut wie sicher, da die ansonsten drohende Knappheit in einigen Teilmärkten die Glaubwürdigkeit des Programms untergraben könnte. Je nach gewählter Anpassung der technischen Ankaufbedingungen des EAPP ergibt sich ein mehr oder weniger großer Spielraum für eine Verlängerung über März 2017 hinaus sowie unterschiedliche Wirkungen auf die Zinsstruktur. Eine Aufweichung der ISIN-Limite sowie der Mindestrenditeerfordernis halten wir für wahrscheinlicher als eine Abkehr vom PSPPVerteilungsschlüssel, was jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Auch eine Verlängerung der Ankäufe über März 2017 hinaus erscheint nach Mario Draghis Aussagen als sehr wahrscheinlich, zunächst durchaus mit gleichem Tempo. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 8 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Alternativ könnte eine einmalige Reduktion des Tempos auf die ursprünglichen EUR 60 Mrd. je Monat erfolgen – für ein kontinuierliches Tapering ist es dagegen sicher noch zu früh. Daher bleiben wir auf Basis unserer Makroeinschätzung bei der Prognose nur langsam steigender Kapitalmarktrenditen (vgl. Chart). Die Bundrenditen werden im gesamten Laufzeitenspektrum wegen der sehr expansiven Geldpolitik der EZB auf einem extrem niedrigen Niveau verharren. Für Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit erwarten wir im nächsten Jahr im Zuge der schrittweisen Normalisierung der Inflation, solider Wachstumszahlen und leicht anziehender Renditen in den USA zumindest eine Rückkehr der Rendite in den positiven Bereich. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die EZB bis Ende 2017 absehbar das Ausmaß ihrer quantitativen Lockerung zurückfährt. Bei den Leitzinsen erwarten wir weit darüber hinaus keine Zinserhöhung. Eine Geldpolitik der Steuerung der Zinsstrukturkurve mit expliziten Renditezielen wie vor kurzem durch die Bank of Japan implementiert, halten wir für die EZB dagegen für schwer vorstellbar. Die EZB müsste dann explizite Ziele für jedes Mitgliedsland benennen, mit der Implikation, dass sich hieraus auch Ziel-Renditespreads zwischen den Mitgliedsstaaten ableiten ließen. Dies würde die EZB unter starken politischen Druck setzen. Ihr würde dann sicher vorgeworfen, sie maße sich ein Urteil über die Bonitätsunterschiede an, das sie dann auch noch am Markt durchzusetzen versuche. Implizite Ziele halten wir für keine gute Idee, da dies die Märkte zum Austesten der Interventionsschwellen verleiten würde. Zudem würden auch implizite, nicht veröffentlichte Renditeziele aus den bereits genannten Gründen den gleichen politischen Gegenwind herausfordern. EZB Zinsprognose NORD/LB: Vorerst nur wenig Auftrieb bei Bundrenditen PrognoseZeitraum Tendersatz Geldmarktsätze EONIA 3 Monate Bunds 1 Jahr 2 Jahre 5 Jahre 10 Jahre 30 Jahre 19.09.2016 0,00 -0,35 -0,30 -0,61 -0,65 -0,50 0,02 0,64 21.10.2016 0,00 -0,35 -0,31 -0,67 -0,66 -0,50 0,01 0,62 30.12.2016 0,00 -0,35 -0,30 -0,70 -0,70 -0,60 0,00 0,60 31.03.2017 0,00 -0,35 -0,30 -0,70 -0,70 -0,60 0,00 0,60 30.06.2017 0,00 -0,35 -0,30 -0,65 -0,65 -0,55 0,10 0,70 30.09.2017 0,00 -0,35 -0,30 -0,65 -0,65 -0,55 0,20 0,80 30.12.2017 0,00 -0,35 -0,30 -0,60 -0,60 -0,50 0,20 0,80 Prognose-Stand : 20. Oktober 2016 Quellen: Bloomberg, NORD/LB Economics NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 9 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Inflationsrate steigt 2016 moderat – öffentliche Finanzen profitieren von Niedrigzinsen Die Inflationsrate wird zum Jahreswechsel deutlich steigen und die Marke von 1,0% Y/Y wieder überspringen. Dies geht jedoch vor allem auf Basiseffekte zurück, die Kernrate ist nach wie vor sowohl in Deutschland als auch in der gesamten Eurozone relativ niedrig. Im Jahresmittel ist daher nur eine Preissteigerungsrate zwischen 1,0% und 1,5% Y/Y zu erwarten. Vor allem der niedrige Ölpreis dämpft weiterhin den Verbraucherpreisanstieg. In diesem und im kommenden Jahr ist trotz deutlich höherer Ausgaben für Flüchtlinge auf gesamtwirtschaftlicher Ebene erneut ein positiver Finanzierungssaldo (Maastricht) zu erwarten. Die Staatsschuldenquote sinkt deutlich unter 70% und nähert sich damit in den kommenden Jahren dem Vorkrisenniveau und der Maastrichtgrenze von 60% vom BIP. Die öffentlichen Finanzen profitieren weiter massiv von dem anhaltend niedrigen Zinsniveau. Ausblick: Aufschwung setzt sich fort – geringere Dynamik und Arbeitstageeffekt dämpfen Dynamik 2017 auf 1,4% Für das Jahr 2017 erwarten wir eine nur leicht geringere konjunkturelle Dynamik. Hierfür spricht eine ganze Reihe von Faktoren. So scheint sich die Stimmungslage wieder deutlich zu verbessern, die Unternehmen signalisieren derzeit zumindest nicht, dass das Brexit-Votum einen unmittelbaren Effekt auf die Wirtschaftstätigkeit hat. Der ifo-Geschäftsklimaindex notiert auf hohem Niveau, vor allem die Einschätzungen für die nahe Zukunft fallen wieder deutlich optimistischer aus. Der anhaltend niedrige Ölpreis – wir rechnen nicht mit einer nachhaltigen Preissteigerung infolge von mäßigen Mengenbeschränkungen im Rahmen des OPEC-Kartells – und die sehr expansivere Geldpolitik der EZB bieten gute Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Aufschwungs. Zudem bleibt das Zinsniveau vorerst noch niedrig. Die Aussichten für den privaten Konsum bleiben grundsätzlich positiv, der Wachstumsbeitrag wird sich aber verringern. So wird die Inflation wegen des sehr niedrigen Ölpreises auf rund 1% Y/Y im Jahresmittel steigen und damit die Realeinkommensentwicklung auf einen etwas flacheren Pfad einschwenken. Mit der deutlichen Abnahme der in Deutschland ankommenden Zahl von Flüchtlingen wird der zusätzliche Konjunkturimpuls entsprechend geringer ausfallen. Für den öffentlichen Konsum erwarten wir annähernd eine Halbierung des Expansionstempos auf rund 2% Y/Y. Die Bauinvestitionen entwickeln sich hingegen anhaltend dynamisch mit knapp 3% Y/Y. Die steigende Kapazitätsauslastung und wieder etwas höhere Exporterwartungen der Unternehmen sollten bei den Ausrüstungen bald zumindest eine Bodenbildung und im Verlauf des Jahres sukzessive wieder steigende Investitionen bewirken. Die Finanzlage der Unternehmen und das Finanzierungsumfeld bieten überdies beste Voraussetzungen für höhere Investitionen. Das größte Investitionshemmnis stellt die hohe politische Unsicherheit dar. Von den Nettoexporten erwarten wir erneut nur einen moderaten Wachstumsbeitrag, da die anhaltend hohe Binnennachfrage eine entsprechende Steigerung der Importe nach sich ziehen wird. Auf der Basis unserer Prognose für das dritte und vierte Quartal, wonach die BIP-Expansionsrate insgesamt im Bereich des Potenzialwachstums oder sogar leicht darüber liegen sollte, ergibt sich ein statistischer Überhang in Höhe von gut 0,6 Prozentpunkten für das Jahr 2017. Für das kommende Jahr erwarten wir eine Expansion des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) in einer Größenordnung von 1,4%. Saison- und kalenderbereinigt liegt die Jahreswachstumsrate mit 1,7% deutlich darüber, was darauf zurückzuführen ist, dass im Jahr 2017 rechnerisch zwei Arbeitstage weniger zur Verfügung stehen als in diesem Jahr. Im Jahr 2018 ist aus unserer Sicht mit einer leichten Wachstumsbeschleunigung zu rechnen. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 10 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Konjunkturprognose Niedersachsen BIP-Entwicklung und Ausblick 2016 Analyst: Dr. Eberhard Brezski Deutschland Niedersachsen 5 4 3 2 BIP-Entwicklung zeigt 2015 Aufwärtstrend 1 3,7 1,7 0 5,0 3,0 1,3 4,4 1,8 1,0 2,1 0,2 -1 -1,1 -2 -5,1 -3 -4 -5 -6 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quellen: Destatis, NORD/LB Research 2015 war eine Fortsetzung Aus Sicht der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung war 2015 eine Fortsetzung des konjunkturellen Aufschwungs aus 2014. Das preisbereinigte BIPdes konjunkturellen Wachstum in Niedersachsen betrug 2,1% und lag damit über unserem für 2015 Aufschwungs aus 2014 prognostizierten Niveau. Der Wert lag zudem über dem bundesdeutschen Wert von 1,7%. Der im Spätsommer publik gewordene Abgasskandal bei VW hat damit in 2015 keinen bremsenden Effekt auf die Konjunktur gehabt. Zu dieser Entwicklung hat das Bauhauptgewerbe mit einem Plus von 1,2% stärker als in 2014 beigetragen. Träger des Umsatzwachstums war hierbei nahezu ausschließlich der Wohnungsbau, der vom aktuellen Zinsumfeld profitiert. Die niedersächsische Industrie konnte dagegen mit einem Plus von 3,8% ein deutlich stärkeres Umsatzwachstum erzielen. Dieses hatte seinen Ursprung in allen Quartalen und vor allem einem kräftigen Auslandsgeschäft, das ein Umsatzplus von 6,1% verzeichnete. Die Industrieumsätze stiegen gegenüber den jeweiligen Vorjahreszeiträumen im ersten Quartal des Jahres um 2,9%, im zweiten Quartal um 5,5%, im dritten Quartal um 4,5% und im vierten Quartal um 2,6%. Bei den Inlandsumsätzen waren die Veränderungsraten gegenüber den jeweiligen Vorjahresquartalen mit -2,7% im ersten Quartal, 2,9% im zweiten Quartal, 1,2% im dritten Quartal und 2,2% im vierten Quartal stabil aber vergleichsweise moderat. Die Auslandsumsätze zeigten sich dagegen mit einem Plus von 9,1%, 8,5%, 8,3% und 3,0% deutlich dynamischer. In der Summe hat die niedersächsische Industrie – und hier vor allem das Auslandsgeschäft – einen wichtigen Beitrag zur positiven konjunkturellen Entwicklung des Jahres 2015 beigetragen. Die Auftragseingänge und die Beschäftigungsentwicklung bestätigen die positive Entwicklung Dies spiegelt sich auch in den Auftragseingängen wider, die in 2015 um 3,5% höher ausfielen als in 2014. Strukturell stehen hinter dieser Zahl ein Plus von 2,0% bei der Inlandsnachfrage und eine Zunahme der Auslandsnachfrage um 4,9%. Auch die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe legten 2015 mit einem Plus von 8,9% deutlich zu. Diese positive Entwicklung dürfte maßgeblich zu dem Aufbau der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2015 in Niedersachsen um 2,6% (Deutschland 2,5%) oder absolut 72.235 geführt haben. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 11 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Im ersten Halbjahr 2016 zeigt sich eine leicht positive Entwicklung Diese positive Entwicklung hat sich aber nicht flächendeckend in den ersten Monaten des Jahres 2016 fortgesetzt. Das verarbeitende Gewerbe wies im ersten Quartal 2016 einen um 3,7% Y/Y niedrigeren Umsatz gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum aus. Der Inlandsumsatz lag um 1,5% niedriger und der Auslandsumsatz sogar um 6,0%. Dies hat sich im Verlauf des zweiten Quartals verbessert. Per Ende Juni ergab sich ein kumuliertes Umsatzplus von 0,5%. Positiv ist zudem, dass die Auftragseingänge im zweiten Quartal 2016 bezüglich der Inlandsnachfrage mit 4,5% und der Auslandsnachfrage mit 1,2% über dem Niveau des Vorjahreszeitraums lagen. Der Umsatz im Bauhauptgewerbe lag per Ende Juni um 5,3% über dem Vorjahresumsatz. Auch die Auftragseingänge lagen zum Ende des zweiten Quartals 2016 um 18,4% über dem gleichen Vorjahresquartal und haben sich gegenüber dem ersten Quartal noch einmal verbessert. In der Summe wird damit deutlich, dass Niedersachsens Wirtschaft vergleichsweise verhalten in das neue Jahr gestartet ist und dann aufgeholt hat. Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe Industrieumsätze (in Mio. EUR) Ende des 2. Quartals über Vorjahreswert Umsatz 50 prozentuale Veränderung gegenüber Vormonat 18.000.000 40 16.000.000 30 14.000.000 12.000.000 20 10.000.000 10 8.000.000 0 6.000.000 -10 4.000.000 -20 2.000.000 -30 0 Juni-16 Mai-16 Apr.-16 März-16 Febr.-16 Jan.-16 Dez.-15 Nov.-15 Okt.-15 Sept.-15 Aug.-15 Juli-15 Juni-15 Mai-15 Apr.-15 März-15 Febr.-15 Jan.-15 Dez.-14 Nov.-14 Okt.-14 Sept.-14 Aug.-14 Juli-14 Juni-14 Mai-14 Apr.-14 März-14 Febr.-14 Jan.-14 Quellen: Statistisches Landesamt Niedersachsen, NORD/LB Research Basis der aktuellen Entwicklung ist eine solide Inlandsnachfrage Das Verarbeitende Gewerbe in Niedersachsen hat im ersten Quartal 2016 im Vergleich zu 2015 ein – wie oben dargestellt – niedrigeres Umsatzniveau erreicht. Diese Entwicklung konnte im zweiten Quartal aber kompensiert werden, so dass per Ende Juni ein kumuliertes Plus von 0,5% stand. Diese Situation war auch in Deutschland zu beobachten, das am Ende des ersten Halbjahres kumuliert ein Umsatzplus von 0,7% verzeichnen konnte. Der Unterschied erklärt sich aus dem Auslandsgeschäft. In Niedersachsen war dieses mit -0,1% deutlich schwächer als in Deutschland mit 1,4%. Die Zuwächse im Inlandsgeschäft waren dagegen mit 1,0% in Niedersachsen höher als in Deutschland mit 0,1% in Deutschland. Das Auslandsgeschäft hat zwar im Juni wieder deutlich angezogen, doch konnte das schwache erste Quartal nicht vollständig ausgeglichen werden. Zu dieser Situation in Niedersachsen hat nicht zuletzt der im Auslandsgeschäft wichtige Fahrzeugbau beigetragen, dessen Umsatz per Juni 2016 0,7% niedriger war als in 2015. In Deutschland war diese Branche dagegen noch mit 3,6% im Plus. Das Inlandsgeschäft war dagegen in Niedersachsen mit 1,4% ausgesprochen robust und hat deutlich zur Trendumkehr im zweiten Quartal beigetragen. Daraus folgt, dass Niedersachsens Industrie im ersten Halbjahr 2016 von einer soliden Inlandsnachfrage gestützt wurde, wohingegen sich die Auslandsnachfrage im bundesdeutschen Vergleich schwächer präsentierte. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 12 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Auftragseingänge: Auslandsnachfrage war zuletzt volatil (Verarbeitendes Gewerbe, Veränderungen in % ggü. Vormonat) Inland 70 Ausland 60 50 40 30 20 10 0 -10 -20 -30 -40 Juni-16 Mai-16 Apr.-16 März-16 Febr.-16 Jan.-16 Dez.-15 Nov.-15 Okt.-15 Sept.-15 Aug.-15 Juli-15 Jun 15 Mai 15 Apr 15 Mrz 15 Feb 15 Jan 15 Dez 14 Nov 14 Okt 14 Sep 14 Aug 14 Jul 14 Jun 14 Mai 14 Apr 14 Mrz 14 Feb 14 Jan 14 Quellen: Statistisches Landesamt Niedersachsen, NORD/LB Research Entwicklung der Auftragseingänge bislang positiv, aber mit Risiken im weiteren Verlauf Die Auftragseingänge zeigen – jenseits ihrer Volatilität – in der Summe ein eher freundliches Bild. Die Auftragseingänge der niedersächsischen Unternehmen stiegen im ersten Quartal 2016 um 6,5% gegenüber dem Vorjahr, wobei sich die Auslandsorders mit 8,1% deutlich positiver zeigten als die Inlandsorders mit 4,7%. Diese Entwicklung hat sich im zweiten Quartal in abgeschwächter Form mit +4,5% bei den Inlandsorders und 1,2% bei den Auslandsorders fortgesetzt. Interessant ist hier ein etwas detaillierterer Blick auf die unterjährige Entwicklung. Im Januar stiegen die Auftragseingänge lediglich aufgrund der guten Auslandsnachfrage (+11,7%) noch um 0,4% gegenüber dem Vorjahresmonat. Ab Februar trat dann gegenüber dem Vorjahr eine Nachfragebelebung ein, die vor allem durch eine hohe, stabile Inlandsnachfrage verursacht wurde und bis Mai angehalten hat. Auch die Auslandsnachfrage lag in allen Monaten über den Werten in den jeweiligen Vorjahresmonaten. Im Juni ergab sich dann aber ein Minus in Höhe von 5,6%, welches ausschließlich durch gegenüber dem Vorjahr um 10,3% niedrigere Auslandsorder verursacht wurde. Bei einer Analyse von Quartal zu Vorquartal zeigt sich dagegen ein etwas anderes Bild. Bei dieser Betrachtung legten die Auftragseingänge im ersten Quartal um 1,5% (Inland: 7,5%, Ausland: -3,2%) zu. Im zweiten Quartal lagt mit einem Plus von 1,4 eine ähnliche Wachstumsrate vor, doch wurde dieser eher aus dem Ausland (+4,6%) als aus dem Inland (-2,1%) gespeist. Insgesamt gesehen zeigt sich die Auftragslage in Niedersachsen auf einem höheren Niveau (+4,5%) als in den ersten sechs Monaten des letzten Jahres. Allerdings hat sich dies bislang nicht vollständig in den Umsätzen niedergeschlagen. Überdies bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß sich das BrexitVotum im weiteren Verlauf des Jahres und im Jahr 2017 auswirkt. Beschäftigung ist analog zur Entwicklung verhalten gestiegen Die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes hat sich auch auf den Arbeitsmarkt in Niedersachsen ausgewirkt. Im Juni 2016 stieg die Beschäftigung insgesamt um 1,4% gegenüber dem Juni 2015 (D: 2,0%). Im Verarbeitenden Gewerbe betrug der Anstieg nur 0,3% (D: 0,7%), so dass der Anstieg in erster Linie durch das Plus im Dienstleistungssektor (+2,2%) geprägt wurde. Die gezahlten Entgelte zeigen sich demgegenüber wenig dynamisch. Die Gesamtsumme der gezahlten Entgelte stieg bis Juni 2016 in Deutschland um 2,4%, blieb aber in Niedersachsen konstant. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 13 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Exporte Im Vergleich zu Deutschland zeigt sich Niedersachsens Exportquote zuletzt leicht rückläufig 60 Niedersachen Deutschland 55 50 45 40 44,1 40,1 41,1 2005 2006 44,1 45,1 45,8 46,3 46,2 46,5 2010 2011 2012 2013 2014 47,5 47,7 2015 Juni-16 40,2 35 30 25 20 15 10 2007 2008 2009 Quellen: Destatis, NORD/LB Research; Basis: Verarbeitendes Gewerbe Niedersachsen gerät 2016 unter Druck 2015 exportierten niedersächsische Unternehmen (Spezialhandel) Waren im Wert von 83,0 Mrd. Euro, was 7,0% über dem Wert des Jahres 2014 lag. Die Einfuhren stiegen im gleichen Zeitraum um 5,6% auf 81,2 Mrd. Euro. In Deutschland stiegen die Exporte im gleichen Zeitraum um 6,4% und die Importe um 4,2%. Gegenüber 2014 ergibt sich damit für Niedersachsen ein positiveres Bild, welches sich aber – soweit es zumindest die Industrie betrifft – nicht in den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 fortgesetzt hat. Die Auslandsumsätze der Industrie waren kumuliert per Ende Juni um 0,1% niedriger als im Vorjahr. Bei Betrachtung der Industriebranchen zeigt sich per Juni 2016 ein gegenüber der Gesamtentwicklung differenziertes Bild. Allerdings haben einige wichtige Branchen Umsatzrückgänge mit dem Ausland zu verzeichnen gehabt. So müssen für den Fahrzeugbau (inkl. Automotive -0,7%), die Chemie (-2,8%) und die Metallerzeugung/-bearbeitung (-20,4%) mehr oder minder große Umsatzrückgänge gegenüber dem Vorjahr festgestellt werden. Diese konnten auch durch das Plus in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie (+2,6%) und Maschinenbau (+ 1,2%) nicht vollständig kompensiert werden. In der Summe zeigt sich damit gegenüber 2015 ein leichter Dämpfer. Auch in Deutschland haben wichtige Industriebranchen Umsatzrückgänge im Auslandsgeschäft realisieren müssen, doch zeigen sich insbesondere der Maschinenbau (+3,3%), die AutomotiveIndustrie (+1,9%) und der sonstige Fahrzeugbau (+12,1%) positiv, so dass in Summe noch ein Plus von 1,0% konstatiert werden kann. Im Hinblick auf die Entwicklung der Exporte nach den wichtigsten Handelspartnern können folgende Aussagen getroffen werden. Unter den fünf wichtigsten Handelspartnern gingen die Export in die Niederlande (-3,3%), Groß-Britannien (-5,6%) und Frankreich (-5,2%) zurück, wohingegen die USA (+12,5%) und Spanien (+7,8%) zulegten. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung in 2016 wird vor allem wichtig sein zu beobachten, wie sich der Brexit auf den Handel mit dem drittgrößten Handelspartner Groß-Britannien auswirken wird. Insgesamt gesehen lässt sich damit festhalten, dass nach einem deutlichen Ausbau des Exports in 2015 der Auslandsumsatz der Industrie im ersten Halbjahr des laufenden Jahres etwas unter Druck geraden ist. Vor diesem Hintergrund ist es daher nachvollziehbar, dass die Exportquote aktuell eher eine Seitwärtsbewegung vollzogen hat. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 14 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Bauhauptgewerbe Das Bauhauptgewerbe hat 2015 seine Umsätze in Mio. Euro gesteigert 4.213 Wohnungsbau 4.000 4.077 gewerblicher Bau 4.040 2.946 öffentlicher und Straßenbau 3.059 2015 2014 Quellen: Destatis, NORD/LB Research Umsatz des Bauhauptgewerbes ist 2015 um 1,2% gewachsen Das niedersächsische Bauhauptgewerbe hat 2015 seine Umsätze um 1,2% steigern können. Die Umsätze wuchsen von 11.099 Mio. Euro in 2014 auf 11.236 Mio. Euro. Zu diesem Wachstum hat vor allem der Wohnungsbau mit einem Plus von 5,3% beigetragen. Offensichtlich hat dieser noch von dem aktuellen Zinsumfeld profitiert. Der gewerbliche Bau verzeichnete lediglich einen minimalen Zuwachs (+0,9%) und der etwas kleinere „öffentliche und Straßenbau“ sogar rückläufige Umsätze (-3,7%). Erstere dürften unter der Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung nur wenig beigetragen haben. Letztere leiden mutmaßlich unter der Schuldenbremse. Im Gegensatz zu Niedersachsen war in Deutschland insgesamt der Umsatzzuwachs des Bauhauptgewerbes mit 1,6% etwas höher. Auch hier war der Wohnungsbau mit 2,9% der Wachstumstreiber. Der gewerbliche Bau (+0,6%) und der „öffentliche und Straßenbau“ (+1,0%) legten dagegen nur verhalten zu. Trotz dieser eher verhaltenen Umsatzentwicklung war sowohl in Niedersachsen als auch in Deutschland ein Beschäftigungsaufbau in der Größenordnung von jeweils 2,0% zu verzeichnen. Bauhauptgewerbe hat sich bis Juni 2016 wieder positiv entwickelt Bis einschließlich Juni ist der Umsatz des Bauhauptgewerbes in Niedersachsen um 5,3% gegenüber dem Vorjahr gewachsen, wobei vor allem der „öffentliche und Straßenbau“ mit ein Plus von 12,5% auf 1.086 Mio. Euro ein Wachstumstreiber war. Der Wohnungsbau ist dagegen nur um 0,5% gewachsen, wohingegen der gewerbliche Bau (+3,2%) zulegte. Dies spricht dafür, dass im „öffentlichen und Straßenbau“ der vorhandene Investitionsstau aufgrund des guten Steueraufkommens angegangen wird. Auch bauliche Investitionen im Rahmen der Bewältigung der Unterbringung von Asylsuchenden dürften sich hier positiv bemerkbar gemacht haben. Im gewerblichen Bau hat sich die anfängliche Investitionszurückhaltung im zweiten Quartal ins Positive gedreht, während im Wohnungsbau vielleicht das erreichte Niveau bzw. die neue EU-Richtlinie für Immobilienkredite weitere Zuwächse schwieriger machen. Dennoch ging mit dieser Entwicklung noch ein Beschäftigungsaufbau von 1,4% (Deutschland 2,2%) einher. In Deutschland hat der Sektor „öffentlicher und Straßenbau“ (Mai) ebenfalls eine Umsatzsteigerung in der Größenordnung von summarisch 6,5% erfahren. Auch die beiden anderen Segmente des Bauhauptgewerbes wuchsen, so dass der Bauumsatz insgesamt um 7,0% gesteigert werden konnte. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 15 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Dienstleistungsgewerbe Der Einzelhandel zeigt sich verbessert, der Großhandel kommt unter Druck Für den Einzelhandel ergab sich 2015 ein freundliches Bild. Gegenüber dem Vorjahr wuchs der Einzelhandelsumsatz um 2,1%. Die Beschäftigung im Einzelhandel wuchs um 1,4% gegenüber 2014. Der Großhandel zeigte sich hingegen mit einem Umsatzrückgang von -1,0% schwach. Gleichwohl stieg die Anzahl der Beschäftigten um 1,2%. Diese Entwicklungen setzten sich in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres fort. Der Einzelhandel steigerte seinen Umsatz um 2,1% und erhöhte seine Beschäftigtenzahl um 0,8%. Der Großhandel büßte beim Umsatz -0,6% ein und stockte seine Beschäftigten um 0,6% auf. Deutlich überdurchschnittlich entwickelten sich 2016 die folgenden Handelsbereiche: Der Handel mit Metallwaren, Anstrichmittel, Bau- und Heimwerkerbedarf (8,2%), Computer (4,8%) und Unterhaltungselektronik (1,2%). Bereiche, die 2016 deutliche Umsatzrückgänge hinnehmen mussten, waren Schuhe und Lederwaren (-2,8%) und Foto- und optische Erzeugnisse mit -1,0%. Auffällig ist zudem der starke Anstieg des nicht Verkaufsraum gestützten Einzelhandel (Versandhandel, Internethandel etc.), der um 9,2% zulegte. Im Hinblick auf die Beschäftigung war zu beobachten, dass die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten im Einzelhandel per Mai 2016 gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,0% zurückging, wohingegen die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten ein Plus von 1,0% aufwies. Eine rückläufige Beschäftigtenzahl im Handel hatten vor allem Computer (-5,3%), Schuhe und Lederwaren (-4,1%), Bekleidung (-2,7%) sowie mit Foto- und optischen Erzeugnissen (-7,3%) zu verzeichnen. Die Entwicklung in diesen Bereichen ist zu einem Teil auf Konzentrationsprozesse und Strukturveränderungen zurückzuführen. Positiv bezüglich der Beschäftigung haben sich dagegen insbesondere die Super-/Verbrauchermärkte (2,0%), der Handel mit medizinischen, orthopädischen und kosmetischen Artikeln (+1,7%), mit Verlagsprodukten, Sportausrüstungen und Spielwaren (+1,2%) und mit Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und Einrichtungsbedarf (+1,7%) gezeigt. Auch wenn der Aufschwung etwas an Fahrt verloren hat, ist die konjunkturelle Situation – trotz aller Unsicherheiten – noch intakt. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich der Einzelhandel auch im Gesamtjahr 2016 stabil bezüglich Umsatz und Beschäftigung zeigen wird. Allerdings wir der Strukturwandel in Richtung der Digitalisierung (Online-Handel) weiter voranschreiten. Tourismus zeigte sich stabil, die Gastronomie volatil Das niedersächsische Gastgewerbe zeigte sich im Jahr 2015 umsatzseitig mit einem kumulierten Umsatzplus von 0,2%stabil. Hierzu hat das Beherbergungsgewerbe mit einem Plus von 1,8% den positiven Beitrag geliefert, wohingegen die Gastronomie ein Minus von -0,6% verzeichnete. Diese Umsatzentwicklung spiegelt sich in der Entwicklung der Beschäftigung. Diese nahm im gleichen Betrachtungszeitraum im Gastgewerbe um 1,4% zu. Im Bereich der Beherbergung stieg die Anzahl der Beschäftigten um 3,8% und im Bereich der Gastronomie um 0,6%. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres zeigte sich das Gastgewerbe mit einem Umsatzminus von 1,5% weiter verschlechtert. Das Beherbergungsgewerbe setzte seine positive Entwicklung mit +1,0 fort. Dies hat sich aber kaum in der Beschäftigung ausgewirkt. Das Beherbergungsgewerbe zeigte mit -0,8% einen minimalen Abbau und die Gastronomie baute Beschäftigte in einer Größenordnung von -1,8% ab. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 16 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Arbeitsmarkt Arbeitslosenquote unter Vorjahresniveau Deutschland 7,0 Niedersachsen 6,7 6,5 6,7 6,4 6,4 5,8 5,9 Nov.-15 Dez.-15 5,8 Juni-16 5,8 5,9 Mai-16 5,9 6,1 6,0 Apr.-16 6,2 6,2 Okt.-15 5,9 5,5 6,1 Sept.-15 6,0 Juni-15 6,2 Mai-15 6,0 6,4 5,0 4,5 4,0 Juli-16 März-16 Febr.-16 Jan.-16 Aug.-15 Juli-15 Apr.-15 März-15 Febr.-15 Jan.-15 Quellen: Bundesagentur für Arbeit, NORD/LB Research Niedersachsens Arbeitsmarkt weiterhin robust Der niedersächsische Arbeitsmarkt präsentiert sich ausgesprochen robust. In 2015, in welchem wir ein reales BIP-Wachstum von 2,1% hatten, lag die Arbeitslosenquote in praktisch allen Monaten unter dem Vorjahreswert. Dies hat sich auch in den ersten 6 Monaten des laufenden Jahres fortgesetzt. Im Juli 2016 erreichte aber die Arbeitslosenquote mit 6,1% den Wert des Vorjahresmonats. Es wird überdies deutlich, dass sich der bislang vorhandene Abstand zwischen dem bundesdeutschen Wert und dem niedersächsischen verringert und im Juli sogar umgedreht darstellt. Hierin kommt unseres Erachtens zum Ausdruck, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Niedersachsen zwar noch intakt ist, sich aber schwächer präsentiert als in Deutschland insgesamt. Strukturell gibt es keinen wesentlichen Unterschied bei den Arbeitslosenquoten für Männern und Frauen. Solche lassen sich aber in Bezug auf Ausländer feststellen. Deren Quote liegt mit 17,2% im Jahresdurchschnitt 2015 deutlich über dem Durchschnitt. Bei den Arbeitslosen unter 25 Jahren schwankt die Quote in allen Monaten zwischen 4,8% und 7,0% und zeigt sich damit im Zeitablauf relativ stabil. Die Reaktion der Unternehmen auf rückläufige bzw. steigende Umsätze zeigt sich nicht zuletzt in der Anzahl der gemeldeten freien Stellen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass diese im Jahresdurschnitt 2015 um 14,5% höher waren als in 2014. Auch im Juli 2016 lag die Zahl der gemeldeten Stellen um 11,6% höher als im Vorjahresmonat aber um 0,3% unter dem Vormonat. Dies ist ein Indikator für die nach wie vor vorhandene Zuversicht der niedersächsischen Wirtschaft hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Allerdings ist diese Quote auch relativ stabil, so dass sich hierin auch ein Stückweit die Problematik des Fachkräftemangels spiegelt. Dies zeigt sich auch bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese lag im Juli 2016 um 0,8% höher als im Vorjahr. Niedersachsens Industrie hat hierzu einen Beitrag in Höhe von -0,2 Prozentpunkten geleistet. Die Wachstumstreiber bei der Beschäftigung in diesem Jahr waren das Baugewerbe (+1,0%), das Gastgewerbe (+1,1%), der Verkehr und Lagerei (+1,9%), das Sozial- und Gesundheitswesen (+4,9% (Sozialwesen) bzw. +0,8% (Gesundheitswesen), die Arbeitnehmerüberlassung (+2,1%) und die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (+3,1%). Angesichts der Erwartung einer weiterhin stabilen Konjunktur dürften sich die Beschäftigung und die Arbeitslosigkeit auch im laufenden Jahr in Niedersachsen – wenngleich mit einem abflachenden Verlauf – positiv entwickeln. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 17 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Fazit: Niedersachsens Wirtschaft 2016 und 2017 robust BIP-Prognose für Niedersachsen in 2016: 1,7% Niedersachsen hat in 2015 mit 2,1% ein BIP-Wachstum erzielt, welches oberhalb des bundesdeutschen Niveaus von 1,7% lag und damit höher ausfiel, als es im Herbst letzten Jahren zu erwarten war. Für das Gesamtjahr 2016 gehen wir aufgrund der vorliegenden Zahlen von einem robusten, aber im Vorjahresvergleich etwas schwächeren Wirtschaftswachstum aus. Verantwortlich hierfür ist, dass sich das Inlandsgeschäft der niedersächsischen Industrie relativ stabil zeigte, wohingegen das Auslandsgeschäft im ersten Quartal stark nachgab und sich in den nächsten beiden Monaten langsam stabilisierte. Dagegen entwickelte sich das Baugewerbe positiv und ist zweifelsohne eine wichtige Komponente für den konjunkturellen Verlauf. Da sich zudem der Arbeitsmarkt in den ersten sechs Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahr bei einem etwas flacheren Verlauf verbessert zeigte, scheint die niedersächsische Wirtschaft die weitere konjunkturelle Entwicklung vorsichtig positiv zu werten. Diese Einschätzung wird auch durch bundesdeutsche Zahlen bestätigt. So hat sich der ifo-Geschäftsklimaindex im Juni 2016 nach einem etwas schwächeren ersten Quartal wieder sukzessive verbessert. Er gab zwar im August 2016 – nach der Brexit-Entscheidung – nach, was im Wesentlichen auf gedämpfte Geschäftserwartungen in der Industrie zurückzuführen war, hat sich aber im September und Oktober wieder deutlich verbessert. Bau und Einzelhandel blicken dagegen optimistischer in die Zukunft. Insoweit zeigt sich derzeit die Konjunktur bundesweit widerstandsfähig und intakt. Insgesamt rechnen wir für Deutschland mit einem BIP-Zuwachs in Höhe von 1,9% für 2016 und in Höhe von 1,4% für 2017. Da Niedersachsen im Wesentlichen der bundesdeutschen Entwicklung folgt, ist auch in 2016 von einem soliden Zuwachs beim realen BIP des Landes auszugehen. Da sich aber die für das Land wichtige Industrie aktuell schwächer präsentiert als in Deutschland insgesamt, wird sich Deutschland aus unserer Sicht insgesamt noch etwas besser entwickeln als Niedersachsen. Vor diesem Hintergrund gehen wir für Niedersachsen im laufenden Jahr von einem realen BIP-Wachstum von 1,7% und für 2017 von 1,3% aus. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die für Gesamtdeutschland geltenden Prognoserisiken sich auch auf Niedersachsen negativ auswirken würden. Darüber hinaus lassen sich insbesondere auch die weiteren Auswirkungen des VW-Abgasskandals auf die Investitionen noch nicht vollständig vorhersehen. NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 18 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Ansprechpartner in der NORD/LB Research Torsten Windels +49 (511) 361-2008 Leitung Research / Volkswirtschaft [email protected] Sector & Regional Research Dr. Martina Noß +49 (511) 361-8701 Leitung Sector & Regional Research / Luftfahrt [email protected] Dr. Eberhard Brezski +49 (511) 361-2972 Regionalwirtschaft [email protected] Natalja Kenkel +49 (511) 361-9315 Regionalwirtschaft [email protected] Torsten Windels +49 (511) 361-2008 Chefvolkswirt [email protected] Christian Lips +49 (511) 361-2980 Economics [email protected] Economics NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 19 von 20 Niedersachsen Report ♦ 26. Oktober 2016 Wichtige Hinweise Die vorstehende Studie ist erstellt worden von der NORDDEUTSCHEN LANDESBANK GIROZENTRALE („NORD/LB“). Die für die NORD/LB zuständigen Aufsichtsbehörden sind die Europäische Zentralbank, Kaiserstraße 29, D-60311 Frankfurt am Main, und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Graurheindorfer Str. 108, D-53117 Bonn und Marie-Curie-Str. 24-28, D60439 Frankfurt am Main. Diese Studie und die hierin enthaltenen Informationen wurden ausschließlich zu Informationszwecken erstellt und werden ausschließlich zu Informationszwecken bereitgestellt. Es ist nicht beabsichtigt, dass die Studie einen Anreiz für Investitionstätigkeiten darstellt. Sie wird für die persönliche Information des Empfängers mit dem ausdrücklichen, durch den Empfänger anerkannten Verständnis bereitgestellt, dass sie kein direktes oder indirektes Angebot, keine Empfehlung, keine Aufforderung zum Kauf, Halten oder Verkauf sowie keine Aufforderung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten und keine Maßnahme, durch die Finanzinstrumente angeboten oder verkauft werden könnten, darstellt. Alle hierin enthaltenen tatsächlichen Angaben, Informationen und getroffenen Aussagen sind Quellen entnommen, die von uns für zuverlässig erachtet wurden. Da insoweit allerdings keine neutrale Überprüfung dieser Quellen vorgenommen wird, können wir keine Gewähr oder Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der hierin enthaltenen Informationen übernehmen. Die aufgrund dieser Quellen in der vorstehenden Studie geäußerten Meinungen und Prognosen stellen unverbindliche Werturteile unserer Analysten dar. Veränderungen der Prämissen können einen erheblichen Einfluss auf die dargestellten Entwicklungen haben. Weder die NORD/LB, noch ihre die Organe oder Mitarbeiter können für die Richtigkeit, Angemessenheit und Vollständigkeit der Informationen oder für einen Renditeverlust, indirekte Schäden, Folge- oder sonstige Schäden, die Personen entstehen, die auf die Informationen, Aussagen oder Meinungen in dieser Studie vertrauen (unabhängig davon, ob diese Verluste durch Fahrlässigkeit dieser Personen oder auf andere Weise entstanden sind), die Gewähr, Verantwortung oder Haftung übernehmen Die vorstehenden Angaben beziehen sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erstellung dieser Unterlagen und können sich jederzeit ändern, ohne dass dies notwendig angekündigt oder publiziert wird. Eine Garantie für die fortgeltende Richtigkeit der Angaben wird nicht gegeben. Diese Studie stellt keine Anlage-, Rechts-, Bilanzierungs- oder Steuerberatung sowie keine Zusicherung dar, dass ein Investment oder eine Strategie für die individuellen Verhältnisse des Empfängers geeignet oder angemessen ist, und kein Teil dieser Studie stellt eine persönliche Empfehlung an einen Empfänger der Studie dar. Jeder Empfänger sollte, bevor er eine Anlageentscheidung trifft, im Hinblick auf die Angemessenheit von Investitionen in Finanzinstrumente oder Anlagestrategien, die Gegenstand dieser Studie sind, sowie für weitere und aktuellere Informationen im Hinblick auf bestimmte Anlagemöglichkeiten sowie für eine individuelle Anlageberatung einen unabhängigen Anlageberater konsultieren. Die Weitergabe dieser Studie an Dritte sowie die Erstellung von Kopien, ein Nachdruck oder sonstige Reproduktion des Inhalts oder von Teilen dieser Studie ist nur mit unserer vorherigen schriftlichen Genehmigung zulässig. Redaktionsschluss 26. Oktober 2016 NORD/LB Regionalwirtschaft Seite 20 von 20
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