Security-Insight-Artikel-Ausgabe-3-2016

Hintergrund
Hintergrund
Wenn politische Kontakte zum
moralischen Risiko werden
Pre-Employment Screening auf dem afrikanischen Kontinent
Foto: Aleksandar Mijatovic - Fotolia.com
Von Eva Nolle und Sven Leidel
Afrika ist die am schnellsten wirtschaftlich wachsende Region der Welt. Stabilere
politische und soziale Rahmenbedingungen machen den Kontinent immer attraktiver
für Unternehmen aus aller Welt. Ausländische Firmen, auch aus Deutschland,
greifen auf den lokalen Arbeitsmarkt zu. Mit gut 1,1 Milliarden Einwohnern, von denen
die Hälfte jünger als 25 Jahre alt ist, ist Afrika einer der größten Arbeitsmärkte weltweit. Derzeit haben jedoch nur rund 28 Prozent der Bevölkerung eine feste Anstellung.
Qualifizierte Afrikaner suchen daher immer häufiger nach Jobs bei ausländischen
Firmen oder jenseits des Kontinents. Und das nicht immer mit fairen Mitteln: Rund 40
Prozent aller Lebensläufe enthalten „angepasste“ Passagen. Mehr und mehr Menschen versuchen, sich durch „Optimierung“ ihres Lebenslaufs Vorteile gegenüber der
Konkurrenz zu verschaffen. Daher ist „Pre-Employment Screening“ (PES) wichtiger
denn je. Das Überprüfungsverfahren soll vor allem diese Frage beantworten: Wie lässt
sich sicherstellen, dass der Lebenslauf des Bewerbers der Wahrheit entspricht?
Persönliche Daten
Bei PES auf dem afrikanischen Kontinent ist
es wichtig, so viele persönliche Informationen wie möglich zu bekommen. Durch die
Größe der Familien sind Familiennamen weit
verbeitet, Vornamen werden von Generation
zu Generation „vererbt“. Oft haben Kandidaten neben ihrem „westlichen“ auch einen afrikanische Namen, unter dem sie bei ihren früheren Kollegen und Freunden bekannt sind. In
Südafrika wird für die meisten Datenbankeinträge die National Identity Number (NIN) verwendet, in Kenia die Passnummer und Stammesherkunft, und in Nigeria wird der aktuelle
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Arbeitgeber eingetragen, um Personen voneinander zu unterscheiden. Je mehr persönliche
Daten bekannt sind, desto besser können die
wenigen verhandenen Datenbanken durchsucht werden.
Familiärer Hintergrund
In den meisten afrikanischen Ländern gibt es
eine Oberschicht, deren Kinder zur Ausbildung ins Ausland geschickt werden. In Luanda
(Angola), der teuersten Stadt der Welt, leben
90 Prozent der Bevölkerung in Slums, während
die Elite vom Ölaufkommen gut leben kann. Die
Mitglieder solcher Eliten sind politisch gut ver-
netzt und bekleiden (oder bekleideten) politische Ämter. Korruption ist weit verbreitet.
In Afrika genießt die Familie einen hohen Stellenwert und wird großzügig interpretiert: Eine
entfernte Cousine gilt als Schwester, die Tante
als Mutter, der Nachbarsjunge aus Kindheitstagen als Bruder. Mitglieder des gleichen Stammes sind eine Familie. Freunden und Familienmitgliedern wird auch ohne die erforderliche
Qualifikation geholfen, bestimmte Positionen
zu besetzen. Andere Familien besitzen Wirtschaftsimperien, die einen Großteil der Landeswirtschaft beeinflussen können.
Auf einem Kontinent, dessen Geschichte und
Gegenwart von Militärputschen, Revolutionen
und jüngst immer mehr von terroristischen
Bewegungen geprägt ist, können sowohl derzeitige als auch frührere politische Verbindungen von großer Bedeutung sein, aber auch
moral hazards darstellen. PES sollte sich daher
nicht nur auf den Kandidaten selbst konzentrieren, sondern familiäre Hintergründe einschließen. Hierfür gibt es leider keine Datenbanken. Man muss lokale Quellen nutzen.
drücken) des Kandidaten, Auszüge aus dem
Vorstrafenregister zu bekommen. Meist sind
die Einträge jedoch lückenhaft. Die Praxis
zeigt, dass in Südafrika bis zu zehn Prozent
aller überprüften Kandidaten Einträge im Vorstrafenregister haben – mal mehr, mal weniger gravierende.
Anfragen bei Gerichten oder Kreditinstituten können ebenfalls gestellt werden. Datenschutzgesetze sind in den meisten afrikanischen Ländern bei Weitem noch nicht auf
dem europäische Stand. Man muss also in
jedem Einzelfall erfragen, welche Information und Voraussetzungen im jeweiligen Land
vonnöten sind, um Informationen zu erhalten. Mit Einverständnis des Kandidaten ist es
beispielsweise durchaus möglich, rechtskonform Drogen- und Lügendetektortests durchzuführen. Für nachträgliche Tests kann unter
Umständen eine Klausel in den Arbeitsvertrag
gesetzt werden.
Bildung
Fehlende Ausbildung und gefälschte Zeugnisse stellen die größte Herausforderung
ans PES in Afrika dar. Lediglich 40 Prozent
aller Afrikaner besitzen einen Sekundar- oder
Hochschulabschluss; das Niveau der Ausbildung ist oft niedriger als im Rest der Welt. Es
kommt nicht selten vor, dass junge Leute ihre
Schulausbildung abbrechen, um Geld zu verdienen und damit die Familie zu unterstützen.
Dass sie keinen Abschluss haben, wird später im Lebenslauf nicht erwähnt. Zudem können falsche Abitur- und Universitätszeugnisse für wenig Geld auf dem Schwarzmarkt
erworben werden. Viele Bildungseinrichtungen haben ihre Datenbanken noch nicht digitalisiert, somit ist es im Zuge eines PES oft
eine Herausforderung, eine Universitätsbestätigung zu bekommen. Als eines der ersten
afrikanischen Länder hat Südafrika eine zentrale Datenbank zur Abfrage von Qualifizierungen eingeführt. Auch wenn diese oft noch
lückenhaft ist und nur von einigen Universitäten mit Daten gefüllt wird, ist dies ein guter
erster Ansatz.
Interessenkonflikte
In Südafrika ist es möglich, anhand der NIN
eine Datenbankabfrage durchzuführen, die
Führungspositionen oder Firmeneigentum im
Land bestätigt: So kann man einem potenziellen Interessenkonflikt des Kandidaten vorbeugen. In den meisten anderen afrikanischen
Ländern ist dies allerdings nicht möglich, sondern muss in anderer Richtung durchgeführt
werden: Bei Bedenken muss man vorab mögliche Firmen identifizieren und dann Auszüge aus dem Handelsregister abfragen, aus
denen zu entnehmen ist, ob und wie der Kandidat mit besagter verbunden ist oder war.
SI-Autorin Eva Nolle ist Senior Security
Consultant mit den Schwerpunkten Background Screenings, Due Diligence, Corporate Intelligence und Security Managment
auf dem afrikanische Kontinent. Sven
Leidel ist Partner der Privatimus GmbH,
die sich unter anderem auf weltweite
Background Checks, Pre-Employment
Screening, Business Partner Compliance
Checks und Open Source Risk Intelligence
spezialisiert hat.
Social Media
Quelle, um ein Gesamtbild des Kandidaten zu
erstellen.
Auch wenn weniger Menschen in Afrika
eine Internetverbindung haben als in New
York City und viele keinen Computer besitzen, drängt das Smartphone mit Internetverbindung immer weiter auch in die entlegensten Ecken. Social Media ist auch in Afrika ein
Renner und wird oft als Kommunikationsmedium genutzt, da es günstiger ist als Telefonate und SMS. LinkedIn wird vermehrt zum
Eigenmarketing genutzt und „Endorsements“
als positive Referenz nicht selten erkauft. Da
die Sensibiltät für Datenschutz nicht sehr
hoch ist, sind Profile oft ungeschützt und
öffentlich einsehbar. Sie sind daher eine gute
Die Globalisierung vereinfacht es vielfach,
Informationen aus anderen Ländern zu bekommen, aber Afrika ist technologisch noch nicht
auf dem neuesten Stand. Auf Grund lückenhafter oder ganz fehlender Datenbanken ist
es bei einem PES auf dem afrikanischen Kontinent von großer Bedeutung, lokale Quellen
und Experten zu nutzen. Diese kennen sich
mit den Gegebenheiten im Land aus und können somit, abgesehen von den Eckdaten, das
Profil des Kandidaten in einen größeren Kontext setzen.
Fazit
Vorstrafen und Zivilverfahren
In einigen Ländern ist es möglich, mit der Einverständniserklärung (und oftmals Fingerab-
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