ÜBERSICHTSARTIKEL AIM 910 Update für die B asisversorgung Verbrennungen Martina Schneider, dipl. Ärztin; PD Dr. med. Jan Plock Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, UniversitätsSpital Zürich Verbrennungen sind häufige Verletzungen am Arbeitsplatz, im Haushalt oder in der Freizeit. Ein Grossteil der Verbrennungsverletzungen lässt sich in der Praxis behandeln. Wichtig dafür ist eine korrekte Einschätzung der Verbrennungstiefe und der Verbrennungsausdehnung. Bei tiefgradigen und grossflächigen Verletzungen ist eine Behandlung im Spital oder einem Zentrum für Brandverletzte zu evaluieren. Einführung Gemäss Unfallstatistik der Unfallversicherungen werden pro Jahr 11 000 Personen mit einer Verbrennung als Hauptdiagnose behandelt, davon sind etwas mehr als die Hälfte Berufsunfälle [1]. Ungefähr 1200 Personen werden pro Jahr mit einer Verbrennungsverletzung hospitalisiert und rund 140 Personen müssen aufgrund der Schwere der Verletzung auf einer Intensivstation für Schwerbrandverletzte behandelt werden. In der Schweiz gibt es zwei hoch spezialisierte Zentren für Erwachsene, in Lausanne und Zürich, sowie ein Zentrum für Kinder am Zürcher Kinderspital. Die meisten Verbrennungen werden durch thermische Einflüsse verursacht, das heisst durch Kontakt mit Flammen, heissen Flüssigkeiten / Dampf (Verbrühung) oder anderen heissen Materialien. Sie können jedoch auch im Rahmen von Elektroverletzungen, Explosionen oder Verpuffungen entstehen. Eine Sonderform sind chemische Verletzungen durch Säuren, Laugen, Lösungsmittel oder elementare Metalle, die meist spezifische Notfallbehandlungen – teilweise mit neutrali- Martina Schneider sierenden Substanzen – erfordern, bevor sie dann im den tieferen Schichten sind Haarfollikel, Schweiss- und Verlauf wie Verbrennungen behandelt werden. Wäh- Talgdrüsen eingebettet. Je nachdem ob nur oberfläch- rend bei den stationär behandelten Erwachsenen am liche oder auch tiefe Dermisschichten von der Ver- häufigsten eine Verbrennung mit Flammen ursächlich brennung betroffen sind, werden auch diese Struktu- ist, erleiden Kinder am häufigsten Verbrühungen. ren verletzt, was sich klinisch diagnostizieren lässt Durch die Hitzeeinwirkung kommt es zu einer Koagu- und therapeutische Konsequenz hat. Oberflächliche lation von Proteinen und in der Folge zum Zelltod. Die dermale Verbrennunge (IIa) heilen spontan und ohne Tiefe der Läsion ist in erster Linie von der Temperatur Narbenbildung ab, da die dermale Regenerations- und der Dauer der Einwirkung abhängig. Weiterhin schicht s owie die Hautanhangsgebilde erhalten sind. spielt die Hautdicke eine Rolle. Tiefergradige dermale Verbrennungen (IIb) benötigen Erstgradige Verbrennungen betreffen nur die Epider- hierzu viel länger und heilen nur unter Narbenbildung mis und manifestieren sich klinisch als Hautrötung. ab, da die Hautanhangsgebilde sowie die dermale Re- Zweitgradige Verbrennungen betreffen Epidermis und generationsschicht zerstört sind. Auch die Nerven Anteile der Dermis. Ihr klinisches Merkmal ist die Bla- enden sind teilweise betroffen, weshalb bereits ein ge- senbildung. In der Dermis verlaufen die Gefässe und ringeres Schmerzempfinden auffällt. Drittgradige Nerven, welche die Haut versorgen, oberflächlich. In Verbrennungen betreffen alle Hautschichten (Abb. 1). SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(43):910–915 Übersichtsartikel AIM 911 Abbildung 1: Tiefe der Hautschädigung. Zur Beurteilung des Verbrennungsgrades bestimmt nur zweit- oder drittgradig verbrannte Areale berück- man Farbe, Konsistenz, Feuchtigkeitsgehalt, Rekapilla- sichtig, erstgradige Verbrennungen fliessen nicht in die risierung und Schmerzhaftigkeit des Wundgrundes so- Berechnung ein. wie das Haften der Haare in den Haarfollikeln (Tab. 1). Essentiell für die Behandlung ist die Unterscheidung zwischen zweitgradig oberflächlichen und zweitgradig Erstversorgung tiefen Verbrennungen, da erstere narbenfrei abheilen, Die Schwere einer Verbrennungsverletzung hängt von letztere hingegen nur schlecht und unter funktionell der betroffenen KOF, der Tiefe der Verbrennung sowie und ästhetisch störender Narbenbildung. Aus diesem Begleitverletzungen und vorbestehenden Komorbidi- Grund ist bei einer tiefen dermalen Verbrennung die täten ab. Bei einer am Unfallort geschätzten Ausdeh- Indikation zur chirurgischen Therapie gegeben. nung ab 10–20% ist in der Regel eine Hospitalisation Zum groben Abschätzen der Flächenausdehnung bei notwendig. Bei Kindern, älteren Personen und schwer- ausgedehnten Verbrennungen hat sich die Neuner wiegenden Komorbiditäten sollte die Indikation gross- regel nach Wallace (Abb. 2) bewährt, die den Körper in zügig gestellt werden. Die Kriterien für eine Verlegung Areale von 9% Körperoberfläche (KOF) aufteilt. Sie gilt in ein Verbrennungszentrum sind: jedoch nur für Erwachsene, da Kinder andere Körper- – Verbrennungsausdehnung >20% KOF, bei Kleinkin- proportionen aufweisen. Für kleinere oder landkartenartig verteilte Verbrennungen kann die Handfläche des Patienten als Hilfsmittel verwendet werden: diese beträgt ca. 1% der Körperoberfläche. Grundsätzlich werden zur Berechnung der betroffenen Körperoberfläche dern und älteren Patienten >10% KOF; – Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Immunsuppression bei >10% KOF; – zweit- und drittgradige Verbrennungen der Hände, des Gesichts, des Halses und der Genitalien; Tabelle 1: Klinische Präsentation der Verbrennungsgrade. Iº IIº oberflächlich IIº tief IIIº Rot Rot Rot, weisse Stellen Weiss (rot) Wegdrückbar Wegdrückbar Schlecht wegdrückbar Nicht wegdrückbar Trocken Feucht (Blase) Feucht oder trocken Trocken Weich Weich Weich/hart Hart Schmerzhaft Schmerzhaft Schmerzhaft/schmerzlos Schmerzlos Haare halten Haare halten Haare halten schlecht Haare halten nicht Heilung in 6 Tagen Heilung in 10 Tagen Heilung in 3–5 Wochen Keine Spontanheilung Narbenfrei Narbenfrei Narben Narben SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(43):910–915 Übersichtsartikel AIM 912 KOF muss gezielt eine Volumensubstitution erfolgen, da innert kurzer Zeit durch die Evaporation ein Defizit in der Flüssigkeitsbilanz entsteht. Die ideale Infusionslösung ist Ringerlactat, Kolloide hingegen sollten in der Frühphase vermieden werden. Über den Zugang kann auch eine adäquate Schmerztherapie erfolgen. Eine Intubation ist nur bei tiefgradigen Verbrennungen an Hals und Gesicht, Verdacht auf Rauchgasintoxikation oder ein Inhalationstrauma indiziert. Die Indikation sollte strikt und zurückhaltend gestellt werden, da eine Extubation beim Schwerbrandverletzten in den folgenden 72 Stunden aufgrund des generalisierten Verbrennungsödems nicht möglich ist. Zudem gehen auch wichtige Informationen für das Behandlungsteam verloren, da keine Anamnese mehr erhoben werden kann. Kühlen Das Kühlen von frischen Brandwunden gehörte lange zu den üblichen Erste-Hilfe-Massnahmen. Für kleine Brandwunden ist ein guter analgetischer Effekt nachgewiesen. Neue Leitlinien limitieren die Empfehlung zur Kühlung Abbildung 2: Neunerregel nach Wallace. Kopf 9%, Arme 2 × 9%, Stamm vorne 2 × 9%, Stamm hinten 2 × 9%, Beine vorne 2 × 9%, Beine hinten 2 × 9%, Genitale 9% → total 11 × 9% + 1% = 100%. mit Wasser auf maximal 5% KOF [2]. Bei grossflächigeren Brandwunden hingegen hat der systemische Wärmeerhalt Priorität. Da die Hypothermie in der Behandlung von Schwerbrandverletzten zu einer deutlich schlechteren Pro – Inhalationstrauma, unabhängig von der Verbrennungsausdehnung; – Starkstrom- oder Blitzschlagverletzungen, unabhängig von der Verbrennungsausdehnung; – wesentliche Begleitverletzungen, unabhängig von der Verbrennungsausdehnung. gnose führt, ist die Kühlung in diesen Fällen heute nicht mehr vertretbar [3]. Die ursprüngliche Vorstellung, dass durch Kühlung die Temperatur im Gewebe rascher normalisiert wird und somit ein fortschreitender Schaden vermieden werden kann, wurde in etlichen Studien widerlegt [4]. Der Verzicht auf die Kühlung mit Wasser und die konsequente Anwendung von ein- Bei geringem Verletzungsausmass wird die Kleidung fachen Massnahmen zum Wärmeerhalt stellt sicher entfernt und ein steriler Verband angelegt. Bei gross- einen der grössten Paradigmenwechsel in der Frühver- flächigen Verbrennungen werden Kleidung oder anhaf- sorgung von Brandverletzungen dar. Für den Outcome tende Materialien belassen. Frei liegende verbrannte von Schwerbrandverletzten sind diese grundsätzlichen Areale werden mit einem sterilen, nicht haftenden Ga- Massnahmen jedoch elementar. zeverband gedeckt. Das Auftragen von Externa wie etwa Salben und Puder oder das Anlegen gel- respektive ölhaltiger Verbände wird nicht empfohlen, da diese Ambulante Verbrennungsbehandlung unter anderem die Beurteilung der Verbrennungstiefe Um die Verbrennungstiefe adäquat zu beurteilen, muss erschweren. vorher ein Débridement mit Abtragung der Blasen Während des Transportes ins Spital müssen die Patien- durchgeführt werden. Dies sollte unter sterilen Bedin- ten vor einer Auskühlung geschützt werden. Hierzu gungen erfolgen, um das Risiko einer Superinfektion eignen sich in erster Linie metallisierte Rettungsfolien, möglichst gering zu halten. Das Abtragen der Blasen die einerseits kostengünstig sind und andererseits hilft ebenfalls, das Infektionsrisiko zu reduzieren, da wenig Stauraum beanspruchen. Bakterien nicht nur auf der Haut, sondern auch im Be- Bereits an der Unfallstelle soll ein intravenöser Zugang reich der Haarfollikel vorkommen. Im feuchten Milieu gelegt werden. Bei einer Ausdehnung von >20% der der Blase finden sie einen idealen Nährboden. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(43):910–915 Übersichtsartikel AIM 913 Abbildung 3: Zweitgradige Verbrennung. (A) vor Débridement, (B) nach Débridement, (C) 12 Tage posttraumatisch nach Entfernung des Mepitel® -Verbandes und (D) 6 Wochen posttraumatisch. Insbesondere oberflächliche Verbrennungen sind sehr angewendet werden. Nach ein bis zwei Tagen, wenn die schmerzhaft, da die Nervenendigungen noch intakt im Desquamation einsetzt, kann auf eine rückfettende Wundgrund liegen. Deshalb empfiehlt sich auch bei Hautpflege umgestellt werden. der ambulanten Verbrennungsbehandlung eine ausgebaute analgetische Therapie. Verbrennungen 2. Grades, oberflächlich Bei allen Verbrennungsverletzungen sollten eine Über- Zeigt sich nach Abtragen des Blasendaches ein rötli- prüfung des Tetanusschutzes und gegebenenfalls eine cher, feuchter und schmerzhafter Wundgrund mit fest Immunisierung erfolgen. Eine antibiotische Prophy- haftenden Haaren, also eine oberflächliche Wunde, ist laxe in systemischer oder topischer Form ist hingegen eine spontane Heilung innerhalb von 10–12 Tagen zu nicht indiziert. Antibiotika sollten nur gezielt bei Wund- erwarten (Abb. 3). Nach sterilem Débridement kann infektion und resistenzgerecht zum Einsatz kommen. sofort ein Verband mit einem nicht adhärenten, flüs- Gerade «Feuchtkeime» wie Pseudomonaden erschweren sigkeitstransportierenden Material, zum Beispiel mit sonst die Behandlung durch frühe und ausgedehnte Mepitel®, einem silikonbeschichteten, transparenten Resistenzbildung. und flexiblen Polyamidnetz, erfolgen. Darüber wird mit sterilen Kompressen ein Absorptionsverband an- Lokalbehandlung gelegt. Dieser semiokklusive Verband kann bis zu zehn Tage belassen werden. Klagt der Patient über Schmerzen, sollte ein frühzeitiger Verbandswechsel zum Aus- Verbrennung 1. Grades schluss eine Wundinfektion erfolgen. Alternativ kann Verbrennungen 1. Grades heilen innert weniger Tage ein Verband mit einer Silbersulfadiazin-haltigen Salbe spontan ab, wie zum Beispiel Sonnenbrand. Initial wer- erfolgen. Bei Kontakt mit Wundsekret dissoziiert Sil- den Pflegelotionen als schmerzlindernd empfunden. bersulfadiazin und das Silber wirkt an der Oberfläche, Zudem können auch entzündungshemmende Substan wohingegen das Sulfonamid in den Schorf penetriert. zen wie lokale Antihistaminika oder Hydrocortison Neben der antibakteriellen Wirkung hat dieser Ver- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(43):910–915 Übersichtsartikel AIM 914 band den Vorteil, dass er auf der frischen Wunde als Wundschorf. Darunter heilt die Verbrennungswunde kühlend und somit schmerzlindernd empfunden unbeeinträchtigt von mechanischen und infektiösen wird. Nachteilig zeigt sich, dass diese Verbände täglich Störungen. Nach wenigen Tagen fällt der Schorf über gewechselt werden müssen mit jeweils vollständiger der reepithelialisierten Haut ab. Bei trockenen Haut- Entfernung aller Salbenreste. Da dies schmerzhaft und und Wundverhältnissen kann früh mit einer rückfetten- relativ aufwendig ist, kann nach 24–48 Stunden auf ei- den Salbe oder Lotion nachbehandelt werden. nen Verband mit Mepitel® gewechselt werden. Bei Verbrühungen wird eine Reevaluation der Verbren- Eine weitere Wundauflage, die in den letzten Jahren zu- nungstiefe nach 24 Stunden empfohlen, da Verbrühun- nehmend zur Behandlung von Verbrennungswunden gen häufiger als andere Verbrennungen «nachtiefen». propagiert wird, ist Suprathel®. Dies ist ein alloplasti- Das Schädigungsausmass ist initial nicht vollumfäng- scher resorbierbarer Hautersatz auf Polymilchsäureba- lich erkennbar und erreicht erst im Verlauf ein sichtba- sis, der direkt auf die gereinigte und desinfizierte res Ausmass. Dies führt dazu, dass eine initial als ober- Wunde aufgelegt wird und dort verbleibt, bis er sich flächlich beurteilte Wunde im Verlauf die Kriterien durch die Epithelialisierung der Wunde selbstständig eine tiefgradigen Verletzung erfüllt und entsprechend ablöst beziehungsweise auflöst. Durch die freigesetz- behandelt werden muss. ten Stoffe bei der Degradation von Suprathel® wird die Die Unterscheidung zwischen zweitgradig oberfläch Wundheilung beschleunigt und es entfaltet zusätzlich lichen und tiefen Verbrennungen ist im klinischen All- eine bakterizide Wirkung. Ein mögliches Anwendungs- tag nicht immer eindeutig, häufig zeigt sich auch ein gebiet für Suprathel® sind gemischtgradige Verbren- Mischbild mit oberflächlichen und tiefen Anteilen. nungen, die nach einem operativen Débridement an- Hier kann durchaus primär eine konservative Therapie statt mit Spalthaut mit Suprathel® gedeckt werden, sei erfolgen. Zeigt die Wunde nach zehn Tagen nur eine es aus Mangel an Entnahmestellen oder bei Mischbil- unvollständige Heilungstendenz, sollte eine operative dern oberflächlicher und tiefer Verbrennungen. Die Therapie evaluiert werden. Die Verbrennungsbehand- Wundheilung dauert zwar länger, die frühe Narbenbil- lung ist expliziter Bestandteil der Weiterbildung zum dung ist jedoch vergleichbar, wenn nicht besser als mit plastisch-chirurgischen Facharzt. In Zweifelsfällen einem Spalthauttransplantat [5]. kann auch in den Verbrennungszentren Rat eingeholt Bei Verbrennungen im Gesicht hat sich die Anwendung werden. von Hexacorton® Spray bewährt. Der Schaum wird zweimal täglich auf alle nässenden Stellen aufgetragen. Nach mehrmaligem Anwenden bildet sich ein trockener Operative Therapie Verbrennungen 2. Grades, tief / Verbrennungen 3. Grades Tieferreichende Verbrennungen sind eine Indikation für eine operative Behandlung (Abb. 4.). Lediglich sehr kleine Wunden bis maximal 2 cm Durchmesser können unter Abwarten der sekundären Wundheilung konservativ behandelt werden. Die operative Therapie beinhaltet eine Nekrektomie mit anschliessender Defektdeckung. Meistens erfolgt eine tangentiale Exzision bis in die gesunde Dermis und anschliessend eine Spalthauttransplantation. Je nach Empfängerregion und Ausdehnung der Verbrennung wird das Hauttransplantat als Gitternetz «gemesht». Bei drittgradigen Verbrennungen liegt nach der Spalthauttransplantation aufgrund der fehlenden Dermis ein Mangel an Geschmeidigkeit, Widerstandsfähigkeit, Elastizität und Hitzeregulation vor. Bei kleineren Arealen beispielsweise im Gesicht wird darum alternativ auf Vollhauttransplantate zurückgegriffen. Alternativ können synthetische Dermisäquivalente Verwendung finden (z.B. Integra®, Matriderm®). Diese bestehen aus Abbildung 4: Drittgradige Verbrennung nach Débridement. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(43):910–915 einer Kollagenmatrix, die primär in die Wund einheilen Übersichtsartikel AIM Korrespondenz: Martina Eva Schneider, dipl. Ärztin UniversitätsSpital Zürich Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich Martina.Schneider[at]usz.ch 915 muss, bevor in einem zweiten Schritt körpereigenen Haut-, aber auch der Lymphgefässe wird durch die Be- Spalthaut zur Deckung appliziert wird. Auch Lappen- handlung ebenso unterstützt wie die Narbenreifung. plastiken können sinnvoll eingesetzt werden, um die Da diese Areale nach tieferer Verbrennung keine Talg- Weichteildeckung an heiklen Stellen zu optimieren. drüsen aufweisen, ist eine regelmässige Pflege mit Bei sehr grossflächigen Verbrennungen, bei denen rückfettenden Salben unabdingbar. Ergänzend dazu nicht genug körpereigene Spalthaut zur Verfügung muss die Haut mit eine Lichtschutzcreme vor UV- steht, wird auf autolog kultivierte Keratinozyten zu- Strahlung geschützt werden. Bei Verbrennungen an rückgegriffen. Hierzu wird in den ersten Tagen post- funktionell heiklen Körperstellen wie im Bereich von traumatisch eine Biopsie entnommen und in einem Gelenken oder am Hals werden häufig sekundäre Nar- aufwendigen Laborverfahren ein autologer Epidermis benkorrekturen aufgrund von Kontrakturen oder in- ersatz gezüchtet. stabilen Narben notwendig. Hier existiert wiederum ein breites Spektrum an infrage kommenden thera- Nachbehandlung Für transplantierte Hautareale hat sich eine 12-monatige Kompressionstherapie mit massgeschneiderter Kompressionsbekleidung zur Reduktion von hypertropher Narbenbildung etabliert. Das Remodeling der peutischen Massnahmen. Ausblick Im Rahmen der Fortschritte im «tissue engineering» wird die künstliche Züchtung von komplexer Haut bestehend aus Ober- und Unterhaut angestrebt, was vor allem in der Behandlung Schwerbrandverletzter mit Das Wichtigste für die Praxis • Oberflächliche Verbrennungen bis zu 10% Körperoberfläche (KOF) bei gesunden Patienten ohne Begleitverletzungen können ambulant in einer Praxis behandelt werden. • Wichtig für eine korrekte initiale Beurteilung ist eine desinfizierende Wundreinigung und die sterile, vollständige Abtragung der Blasen. • Bei einem Mischbild mit mehrheitlich oberflächlicher Verbrennung kann ein konservativer Therapieversuch erfolgen. Bei unzureichender Heilungstendenz nach zehn Tagen ist jedoch die chirurgische Therapie zu evaluieren. • Bei kleinflächigen Verbrennungswunden (<5% KOF)) ist die Kühlung mit 15 °C Leitungswasser für 10–20 Minuten nach wie vor empfohlen. • Oberflächliche Verbrennungen sind sehr schmerzhaft und brauchen eine suffiziente Analgesie. • Der Tetanusimpfstatus muss aktualisiert werden. • Bei Kleinkindern und älteren Patienten sowie Patienten mit schwerwiegenden Komorbiditäten (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Immunsuppression) ist die Indikation zur Hospitalisation grosszügig zu stellen. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(43):910–915 knappen Hautreserven eine erhebliche Therapie erleichterung darstellen könnte. Disclosure statement Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. Bildnachweis Bild S. 910: © Konstantin Sutyagin | Dreamstime.com Literatur 1 Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung UVG (SSUV): Unfallstatistik UVG 2015. www.unfallstatistik.ch 2 Adams HA, Hartmann B, Lehnhardt M, Mailänder P, Menke H, Reichert B, et al. Erste Hilfe bei Brandverletzungen – eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV). 3 Lönnecker A, Schoder V. Hypothermie bei brandverletzten Patienten – Einflüsse der präklinischen Behandlung. Chirurg. 2001;72:164–7. 4 Wright EH, Harris AL, Furniss D. Cooling of burns: Mechanisms and models. Burns. 2015;41:882–9. 5 Keck M, Selig HF, Lumenta DB, Kamolz LP, Mittlböck M, Frey M. The use of Suprathel in deep dermal burns: First results of a prospective study. Burns. 2012;38:38–395.
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