Freisinger Übermacht

DONAUKURIER vom 18.10.2016
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23
Schrobenhausener Zeitung
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Von Andreas Beschorner und Martin Hellerbrand
Freisinger Übermacht
Unter den Kandidaten für die Bundestagswahl ist bislang nur einer aus dem Landkreis
Pfaffenhofen und keiner aus dem Schrobenhausener Land
Allershausen/Au/Schrobenhausen (SZ)
Thomas Neudert gegen Freising: Der
FDP-Mann ist unter den bislang nominierten Kandidaten für den Bundestagswahlkreis 214 der einzige aus dem
Landkreis Pfaffenhofen. Die Grüne Birgit Mooser-Niefanger, Andreas Mehltretter (SPD) und Mandatsinhaber Erich
Irlstorfer (CSU) kommen aus dem südöstlichen Nachbarkreis. Und das Schrobenhausener Land als Juniorpartner dieses neu zugeschnittenen Bundestagswahlkreises ist ja eh außen vor, was die
Kandidatenkür angeht.
Erich Irlstorfers Nominierung steht zwar
noch aus, gilt jedoch als Formsache.
Ganz offiziell haben dagegen die FDP
und die Grünen nun ihre Kandidaten ins
Rennen geschickt. 16 FDP-Mitglieder
nominierten in Au den 40-jährigen Thomas Neudert aus Wolnzach als ihren
Kandidaten für die Wahl im kommenden Jahr, die Grünen bestimmten in
Allershausen Birgit Mooser-Niefanger.
Neudert zeigte sich vor der Wahl kämpferisch, bezeichnete die AfD als „Sammelbecken von Angsthasen und Angstmachern“ und die Rente mit 63 als
„Geschenk der SPD an eine bestimmte
Gruppe“. Auch der derzeitige Wahlkreisabgeordnete Irlstorfer bekam sein Fett
weg: „Man sieht ihn nur auf Parteiveranstaltungen.“
Neudert wurde in Tirschenreuth geboren, seit 2007 ist der Diplom-Kaufmann
mit seiner Frau und den beiden Kindern
in Wolnzach zu Hause. Der ErasmusStudent hat an der Fernuni Hagen den
Bachelor in Jura hinzugefügt, seit 2002
ist der Oberstleutnant der Reserve nun
beim Rückversicherer Munich Re als
Controller tätig. Seine politische Heimat hatte er in der CSU. Dort habe er
sich engagiert, auch mehrere Ehrenämter bekleidet, 2011 trat er aber aus, seit
Wörter:
Ort:
2014 ist er bei der FDP. In seiner Rede
geißelte er die kontinuierliche Erhöhung der Strompreise und bezeichnete
die EEG-Umlage als hauptverantwortlich dafür. So steht er auch den geplanten drei Windrädern in Pfaffenhofen kritisch gegenüber. Zu Neuderts Bedauern
werde bei der Flüchtlingspolitik das
Engagement der ehrenamtlichen Helfer
zu wenig gewürdigt. Große Defizite
gebe es auch in der Steuerpolitik, wo die
Bürger von den enormen Haushaltsüberschüssen wenig hätten. Mehr Einfallsreichtum sei auch bei der Rente gefragt.
Als Idee erläuterte der Controller ein
Finanzierungsmodell, das den Baustein
Aktien verstärkt in die Rentenberechnung einbeziehe. Das Thema dritte
Startbahn im Erdinger Moos griff Neudert erst auf Nachfrage auf. Die Wichtigkeit des Flughafens für Bayern sei
unbestritten, weshalb er grundsätzlich
den Bau der dritten Startbahn unterstütze, schloss Neudert.
Die Werte grüner Politik will Birgit
Mooser-Niefanger (47) vertreten. Die
Grünen aus Freising, Pfaffenhofen und
Schrobenhausen wollen sie im Bundestag sehen und haben die 47-Jährige zu
ihrer Kandidatin gekürt. Von den 43
Wahlberechtigten bekam sie 39 Ja-Stimmen. Es war ein Soloauftritt für die
stellvertretende Landrätin und Stadträtin aus Freising, denn andere Bewerber
hatten sich nicht gemeldet. Und so skizzierte Mooser-Niefanger in einer 15minütigen Rede ihre Ziele, lobte die
Politik und die Strategien der Grünen,
kanzelte gleich zum Einstieg ihrer Rede
die CSU ab: Was die Bayerische Staatsregierung in Sachen Startbahn mit den
Menschen der Region mache, „das
stinkt von hinten bis vorne“. Da werde
erst Interesse für die Argumente geheuchelt, dann mache man aber doch alles
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Allershausen/Au/Schrobenhausen
so, wie man es schon immer vorgehabt
habe. Das sei „kein guter Stil – sogar ein
ganz und gar nicht guter Stil“. Dazu
noch das, was Söder und Scheuer „so im
Staccato rauspfeifen“ und „Zeugnis
eines wirklich unterirdischen Menschenbildes ist“ – da sei das Fazit klar: Wer
nicht wolle, dass so mit ihm umgegangen werde, der dürfe der CSU keine
Stimme geben.
Was man stattdessen in diesem Land
brauche, sei „ein echtes Ringen um richtige Lösungen, Konzepte, die auch über
die nächsten Wahlen hinaus Bestand
haben“. Eine der zentralen Forderungen
Mooser-Niefangers: „Es muss ein Maßnahmepaket her für junge Menschen mit
problematischer Perspektivlage.“ Nur so
könne man beispielsweise verhindern,
dass chancenlose Jugendliche für Radikalisierung empfänglich seien. Applaus
bekam Mooser-Niefanger auch für diesen Satz: „Es ist doch schon sehr irritierend, dass immer noch der Ausbau einer
Straße politisch leichter durchzubringen
ist als die Stelle für einen
Sozialarbeiter.“ Was die rechtsradikalen und rechtspopulistischen „Rattenfänger“ betreffe, ist Mooser-Niefangers
Einstellung klar: „Verschwenden wir
doch nicht unsere Zeit damit, uns mit
diesen Leuten auseinanderzusetzen –
etwa mit den Parteifunktionären einer
AfD.“ Mit den Menschen reden, deren
Ängste spüren, genau zuhören, nachdenken – das sei der Weg und das sei eine
Qualität, auf die sich die Grünen „gerne
besinnen dürfen“. Denn: „Die Alternative in Deutschland, liebe Freundinnen
und Freunde, des samma immer noch
mia!“, rief sie den Parteifreunden zu und
erntete wieder Applaus.
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