Sozialreferat

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Sozialreferat
Stadtjugendamt
S-II-KJF/J
Bericht über die Entwicklung der Fach- und
Anlaufstelle zur Verhinderung von Zwangsheirat in
München „Wüstenrose“
Bericht über die Arbeit der Fachstelle
Zwangsheirat
Antrag Nr. 14-20 / A 01476 der Stadtratsfraktion
Bündnis 90/DIE GRÜNEN/RL
vom 22.10.2015
Produkt 60 3.1.2 Jugendsozialarbeit
Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 06931
2 Anlagen
Beschluss des Kinder- und Jugendhilfeausschusses vom 25.10.2016 (SB)
Öffentliche Sitzung
I.
Vortrag der Referentin
Zusammenfassung
Im Kinder- und Jugendhilfeausschuss vom 09.10.2012 wurde das Konzept der „Fach- und
Anlaufstelle Zwangsheirat“ präsentiert sowie notwendige Maßnahmen zur Verhinderung
von Zwangsheirat in München vorgestellt. Der Stadtrat hat mit Beschluss der
Vollversammlung vom 24.10.2012, Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V 10065, die Schaffung
und Förderung einer Fach- und Anlaufstelle zur Verhinderung von Zwangsheirat bei IMMA
e.V. beschlossen. Die damalige Beschlussvorlage beinhaltete zudem, die Wirksamkeit der
Fach- und Anlaufstelle durch IMMA e.V. zu evaluieren.
Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN/RL stellte am 22.10.2015 den Antrag,
über die Arbeit der Fach- und Anlaufstelle seit ihres Bestehens zu berichten
(vgl. Anlage 1).
1.
Ausgangslage
Bei Zwangsheirat handelt es sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung. Sie ist
gegeben, wenn mindestens eine/einer der Eheleute durch die Ausübung oder die
Androhung von Gewalt zum Eingehen einer Ehe gezwungen wird und mit ihrer/seiner
Weigerung kein Gehör findet oder es nicht wagt, sich zu widersetzen. Bereits die
Androhung von Zwangsheirat ist Gewalt.
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Die Gewalt kann dabei viele Gesichter haben und von Eltern, Geschwistern, anderen
Verwandten oder nahestehenden Bezugspersonen ausgeübt oder angedroht werden.
Erscheinungsformen sind u.a.:
•
massive Beschimpfungen,
•
psychische Erpressungen und Misshandlungen durch Anschweigen,
Ignorieren zum Verstoß aus dem (Groß-)Familienverbund,
•
Einschränkungen im Alltag (Ausgehverbote, Kontaktverbote,
Schulbesuchsverbote, Ausbildungsverbote usw.),
•
persönliche Kontrolle und Überwachung bis zum Einsperren,
•
Androhungen, die Betroffenen ins Ausland zu schicken,
•
körperliche Misshandlungen (Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen
usw.),
•
Androhung zur Tötung im Namen der Ehre bis zu vollendeten
Tötungsdelikten.
Häufig geht die Zwangsheirat mit einem Abbruch der Schule oder der
Berufsausbildung einher sowie mit einem Abbruch von sozialen Beziehungen.
Bildungsmangel,
(finanzielle) Abhängigkeit und soziale Isolierung werden gefördert und bilden für den
weiteren Lebensweg der Betroffenen keine gute Perspektive. Das Erleben
körperlicher Gewalterfahrungen bis hin zu massiver Bedrohung von Leib und Leben
in Verbindung mit einer prekären sozialen Situation kann psychische und
psychosomatische Belastungserkrankungen wie Depressionen und
selbstverletzendes Verhalten entstehen lassen, die (unbehandelt) bis zum Suizid
führen können.
Es wird starker psychischer, sozialer und physischer Druck vor und nach einer
Zwangsheirat ausgeübt, so dass Zwangsehen dem gesamten Wohlergehen der
Betroffenen nachhaltig massiv schaden.
Zwangsheirat ist mithin ein massiver Verstoß gegen die hiesige Rechtsordnung. Am
01.07.2011 ist das „Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren
Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer Aufenthalts- und
asylrechtlicher Vorschriften“ in Kraft getreten. Die Strafbarkeit von Zwangsehen wurde
ausdrücklich im Strafgesetzbuch geregelt.
Fachkräfte aus der Praxis der Sozialen Arbeit bestätigen, dass die Thematik
Zwangsheirat auch in München an Relevanz zunimmt. Mit Beschluss des Kinder- und
Jugendhilfeausschusses vom 08.06.2010 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V 04212)
wurde das Sozialreferat/Stadtjugendamt mit der Federführung beauftragt, ein Konzept
zur Verhinderung von Zwangsheirat in München zu entwickeln. Aufgrund der
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2.
langjährigen Erfahrung von IMMA e.V. zum Thema Zwangsheirat wurde IMMA e.V.
beauftragt, das Konzept in enger Zusammenarbeit mit dem
Sozialreferat/Stadtjugendamt zu erstellen.
Die Fach- und Anlaufstelle „Wüstenrose“
Die zentrale Fach- und Anlaufstelle ist seit 15.03.2013 beim Träger IMMA e.V.
eingerichtet und wendet sich an Mädchen und junge Frauen, Jungen und junge
Männer, die von Zwangsheirat oder Gewalt „im Namen der Ehre“ bedroht oder
betroffen sind. Sie berät Bezugspersonen sowie Fachkräfte und pflegt
feldübergreifend Kooperationen mit Institutionen in München, Bayern und auf
Bundesebene. Im Rahmen von Schulungen und Fortbildungen sensibilisiert sie
Fachkräfte und Einrichtungen, sie vermittelt Handlungswissen. Ferner klärt sie mittels
Öffentlichkeitsarbeit zu Zwangsheirat auf, enttabuisiert diese Thematik und arbeitet
sowohl präventiv als auch interventiv in Krisensituationen.
Zu Beginn waren Aufbau und Organisation von Arbeitsstrukturen des Teams zu
leisten. Den Zugang zur Fach- und Anlaufstelle hinsichtlich der erforderlichen
Sicherheitsmaßnahmen galt es ebenso zu klären, wie die Entwicklung von konkreten
Standards für die Beratungstätigkeit einschließlich Aktenführung, Dokumentation und
statistischer Erfassung der Arbeit auf der Basis des zugrundeliegenden Konzeptes.
Die Federführung des interdisziplinären Arbeitskreises „Zwangsheirat verhindern“
ging mit Gründung der Fach- und Anlaufstelle auf diese über.
Über Mailingaktionen, Flyer, Postkarten, Plakataktionen im öffentlichen Nahverkehr,
Materialversendung an Münchner Schulen und die Homepage von IMMA e.V. wurde
die Fach- und Anlaufstelle in der (Fach-)Öffentlichkeit bekanntgemacht, so dass
bereits im April 2013 erste Beratungsanfragen von Betroffenen sowie von Fachkräften
bearbeitet werden konnten. Die Mitarbeiterinnen stellten die Arbeit der Fach- und
Anlaufstelle zudem in vielen Organisationen, Behörden, Schulen, Arbeitskreisen und
Vernetzungsgremien vor. Sie erhöhten damit den Bekanntheitsgrad der Fach- und
Anlaufstelle bundesweit.
Ferner ergänzte die Fach- und Anlaufstelle ihr Angebot seit ihres Arbeitsbeginns
laufend: Ende 2013 wurde ein Konzept für Schulworkshops entwickelt und im Laufe
des Jahres 2014 starteten die sog. Mütterseminare.
Im Oktober 2015 änderte die Fach- und Anlaufstelle ihren Namen in den neutralen,
kulturübergreifenden Namen „Wüstenrose“. Die Wüstenrose gilt als ein Bild für
Hoffnung und Leben unter schwierigen Bedingungen. Gründe für die
Namensänderung waren zum einen, dass Betroffene erklärten, dass sie nicht nur als
Opfer von Zwangsheirat gesehen werden wollen. Sie wollen ganz konkret mit einer
Reihe von anderen Themen und Problemstellungen, die mit Gewalt „im Namen der
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Ehre“ verbunden sind, zur Wüstenrose kommen. Die Namensänderung wurde auch
unter Sicherheitsaspekten befürwortet. Im März 2016 wurde die Fach- und
Anlaufstelle mit dem Arbeitsbereich „FGM/Weibliche Genitalbeschneidung“ ergänzt.
Dieser Bereich arbeitet u.a. mit der Fachstelle „Frau und Gesundheit“ im Referat für
Gesundheit und Umwelt zusammen (siehe auch Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 05256
„Prävention gegen weibliche Beschneidung“ des Gesundheitsausschusses vom
14.04.2016).
3. Angebote der Fach- und Anlaufstelle
3.1 Beratung von Betroffenen
Ziel der Fachberatungsstelle ist es, Betroffene frühzeitig zu informieren, zu
unterstützen und so zu stärken, dass sie eine individuelle Möglichkeit finden, um nicht
zwangsverheiratet zu werden. Handlungsleitend ist dabei, das Vorgehen transparent
zu gestalten und die Betroffenen in alle Interventionsschritte einzubeziehen. Nur so
kann eine Entlastung in einer Krise und eine Stabilisierung durch geeignete Angebote
gewährleistet sein.
Die telefonische und persönliche Beratung wird von Mädchen, jungen Frauen, Jungen
und jungen Männern sowie deren Bezugspersonen in Anspruch genommen, die
Fragen zu den Themen Zwangsheirat und Gewalt „im Namen der Ehre“ haben. Die
Beratung findet in den Räumen der „Wüstenrose“ statt oder erfolgt aufsuchend.
Einzugsgebiet ist das gesamte Stadtgebiet sowie angebotsbezogen darüber hinaus.
Auf Wunsch wird die Anonymität gewahrt. Es findet immer eine auf den Einzelfall
abgestimmte Gefahrenanalyse statt, Sicherheitsbehörden werden im Bedarfsfall
einbezogen.
„Wüstenrose“ bietet je nach Beratungsanfrage und -inhalt flexibel und leicht
zugänglich umfassendes Expertenwissen:
•
Es besteht die Möglichkeit, das unverbindliche Erstgespräch zu vereinbaren. In
diesen Terminen steht das Kennenlernen der Einrichtung im Vordergrund sowie
die Information über mögliche Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten.
•
Andere Ratsuchende melden sich z.B. Wochen oder Monate vor der geplanten
Verheiratung. Dank des zeitlichen Vorlaufs können rechtzeitig
Schutzmöglichkeiten besprochen und auf die individuelle Situation abgestimmt
werden. In einer vertrauensvollen Atmosphäre nimmt die Thematisierung der
Ambivalenz der Ratsuchenden großen Raum ein: Der Wunsch nach einer
eigenen Lebensgestaltung, die den Preis des Verlassens der Familie mit sich
bringt und dem gleichzeitigen Wunsch, die Kontakte zur Herkunftsfamilie zu
behalten. Im Rahmen eines Beratungsverlaufs können so persönliche
Handlungs- und Problemlösestrategien erarbeitet werden.
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•
Akute Gefährdungslagen erfordern ein schnelles Handeln im Rahmen eines
Krisenmanagements. Meldet sich eine betroffenen Person in einer zugespitzten
Situation, z.B. der Flug in das Herkunftsland ist gebucht oder Gewalt- und/oder
Morddrohungen sind ausgesprochen, werden Gespräche vorrangig am selben
oder nächsten Werktag vergeben. Eine Vermittlung in stationäre Einrichtungen ist
in München, Bayern und bundesweit möglich.
Auch Bezugspersonen können sich an die Fach- und Anlaufstelle wenden, wenn sie
befürchten, dass ihnen bekannte junge Menschen gegen ihren Willen in eine
Eheschließung gedrängt werden. Bei Bedarf findet eine Vermittlung an andere Stellen
statt, ggf. wird eine Begleitung der Betroffenen zu diesen Stellen (z.B. Ämtern)
ermöglicht.
In den Jahren 2013 bis 2015 verdoppelte sich die Anzahl der persönlichen und
telefonischen Beratungen der Betroffenen von 95 auf 187 pro Jahr (vgl. Anlage 2). Die
Ratsuchenden benötigten längere Zeit die Unterstützung von „Wüstenrose“, so dass
die Anzahl der Kontakte um das knapp dreifache anstieg (von 511 auf 1878). Jungen
und junge Männer suchten in drei (2013) bzw. jeweils fünf Fällen (2014 und 2015)
Unterstützung. Das Alter der Ratsuchenden blieb über die drei Jahre stabil: 20 % der
Klientel ist minderjährig, 40 % sind zwischen 18 und 21 Jahre alt, 40 % sind älter als
22 Jahre. Sie kamen mehrheitlich gleichmäßig verteilt aus allen Stadtregionen
Münchens, manche stammten aus dem Landkreis, vereinzelt aus Bayern, dem
Bundesgebiet und Europa. Die Staatsangehörigkeit war zu 20 % deutsch, gefolgt von
Afghanistan, Irak, Türkei und den Balkanländern. Über 50 % der Ratsuchenden
suchten „Wüstenrose“ vor ihrer Verheiratung auf, 31 % wurden bereits verheiratet.
Die restlichen Personen nahmen wegen der Thematik Gewalt „im Namen der Ehre“
Kontakt zur Fachstelle auf.
Grundsätzlich sind die Ratsuchenden wie o.a. von mehrfachen Problemlagen
betroffen: Patriarchale Familienstrukturen (96 %), kulturbedingte Konflikte (96 %),
psychische Gewalterfahrungen (94 %), körperliche Gewalterfahrungen (66 %),
Ängste
(66 %) und psychosomatische Symptomatiken (36 %), Androhung von Ehrenmord
(46 %), Androhung von Verschleppung (31 %) und ungesicherter Aufenthaltsstatus
(28 %).
3.2 Beratung von Fachkräften
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Pädagogische und psychosoziale Fachkräfte wenden sich ebenfalls an die Fach- und
Anlaufstelle, wenn sie es mit einem Fall von (drohender) Zwangsverheiratung oder
Gewalt „im Namen der Ehre“ zu tun hatten. In der Fachberatung analysieren die
Mitarbeiterinnen zunächst telefonisch die Situation und informieren über rechtliche
Rahmenbedingungen und Möglichkeiten. Sie nehmen eine Gefährdungseinschätzung
vor und überlegen gemeinsam mit den anrufenden Fachkräften weitere mögliche
Handlungsschritte. Die Beratung, ob und wann die Bezirkssozialarbeit/das
Stadtjugendamt einzuschalten ist, gehört ebenso zur Beratung, wie auch die
Entscheidung, ob die Eltern oder andere Personen mit einbezogen werden sollen.
Persönliche Termine für die Betroffenen und den Fachkräften werden immer
angeboten.
Zusammengefasst erhalten die Fachkräfte auf den Einzelfall abgestimmte
Hilfestellungen. Da sie zum Großteil die Vermittlung der Betroffenen an die
Fachberatungsstelle übernehmen, ist es folglich entscheidend, mit ihnen gemeinsam
Zugangsschwellen abzubauen und den Ratsuchenden das geeignete
Unterstützungsangebot zukommen zu lassen.
Die Anzahl der Fachberatungen stieg von 2013 mit 50 Einzelfallberatungen auf 88 in
2015. Sie bildeten damit knapp die Hälfte der telefonischen Beratungsanfragen. Die
Bandbreite reichte von allgemeiner Unterstützung bis hin zur Beratung im Akutfall.
Insgesamt wurden im Berichtszeitraum 208 Fachkräfte beraten.
3.3 Fortbildungen und Informationsveranstaltungen
Die Fach- und Anlaufstelle bietet Fortbildungsveranstaltungen und
Inhouse-Schulungen für soziale Einrichtungen sowie für Behörden an. In allen
Veranstaltungen werden Grundinformationen über Zwangsverheiratung und Gewalt
„im Namen der Ehre“ gegeben. Kriterien für eine mögliche Gefährdungseinschätzung
werden vorgestellt und verschiedene Handlungsmöglichkeiten dargelegt. Je nach
Umfang und Rahmen der Veranstaltung arbeiten die Mitarbeiterinnen der Fachstelle
mit vielfältigen Methoden und zahlreichen Praxisbeispielen.
In 55 Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen in 2013 bis 2015 erreichte die
Fachstelle 860 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in sehr unterschiedlichen
Berufsgruppen und Arbeitsfeldern, z.B. Bezirks- und Schulsozialarbeiterinnen,
Bezirks- und Schulsozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer, Fachkräfte aus
verschiedenen sozialen Beratungsstellen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Sozialreferats, der Jugendhilfe, der Sozialpsychiatrie, Studierende der Sozialen
Arbeit, Erzieherinnen und Erzieher in Ausbildung usw.
3.4 Schulworkshops und Mütterseminare
Im präventiven Bereich veranstaltet „Wüstenrose“ Workshops in Schulen und in
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bestehenden Müttergruppen.
Schülerinnen und Schüler ab der achten Jahrgangsstufe haben die Möglichkeit, mit
den Mitarbeiterinnen der Fach- und Anlaufstelle und ohne die jeweilige Lehrkraft über
verschiedene Lebenskonzepte und Geschlechterrollen inkl. Wahl der Partnerin/des
Partners zu sprechen. Ziele sind die Reflexion der „eigenen Freiheit“, eine
Bewusstwerdung der Konsequenzen des eigenen Handelns sowie eine
Sensibilisierung zum Thema Zwangsverheiratung. Die Schülerinnen und Schüler
erfahren, wie sie in Notlagen Unterstützung erhalten und wie sie weitere
Handlungsschritte einleiten können.
Außerdem werden sie auf das Beratungsangebot von „Wüstenrose“ zu
Zwangsverheiratung und Gewalt „im Namen der Ehre“ hingewiesen. Bei gemischt
geschlechtlichen Klassen werden die Workshops in einem geschlechterparitätischen
Fachkräfteteam mit Hilfe von männlichen Honorarkräften durchgeführt.
Nach der Entwicklung des Konzepts wurden in 2014 und 2015 insgesamt 24
Schulworkshops durchgeführt, wobei 205 Schülerinnen und Schüler erreicht und
informiert wurden. In 2015 fanden davon 10 Workshops für Flüchtlingsklassen statt,
die über den Aktionsplan für Flüchtlingskinder und ihre Familien des Stadtjugendamts
finanziert wurden. Dieses Angebot wird in 2016 fortgeführt.
Ein weiteres präventives Angebot von „Wüstenrose“ sind seit 2014 die
Mütterseminare. Die bestehenden Müttergruppen werden über Organisationen
erreicht, die Müttergruppen anbieten, wie z.B. Treffam, AKA/Acilim, Opstapje usw. Die
Fachkräfte der Fach- und Anlaufstelle sprechen mit Müttern in den angebotenen
Gruppen über das „Mutter sein“, über unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung,
Wahl der Partnerin/des Partners, Familie usw. Dank der entstehenden Diskussionen
wird bei den Müttern eine Reflexion der eigenen Vorstellungen und Prägungen
angeregt. Die Mütter tragen ihre Erkenntnisse in ihre jeweilige Community weiter und
wirken als Multiplikatorinnen. In den vergangenen zwei Jahren fanden 13
Mütterseminare mit insgesamt 80 Teilnehmerinnen statt. Die Mütter stammten
überwiegend aus der Türkei, Irak, Afghanistan und den Balkanländern.
4. Fazit
Die Fach- und Anlaufstelle „Wüstenrose“ hat seit ihrem Bestehen mit viel Engagement
und Tatkraft bereits vorhandenes Wissen und bestehende Strukturen genutzt, um optimal
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unter Berücksichtigung der zur Verfügung gestellten Ressourcen auf die Bedarfslage in
München zu antworten. Die Mitarbeiterinnen haben Angebote für die betroffenen
Mädchen, jungen Frauen, Jungen und jungen Männer entwickelt, die sensibel, flexibel und
verbindlich auf die unterschiedliche Bandbreite der Bedürfnislage eingehen. „Wüstenrose“
hat es zudem geschafft, Beratungsstrukturen für pädagogische und psychosoziale
Fachkräfte zu entwickeln, die umfassende Informationen und auf den Einzelfall
abgestimmte Handlungsschritte bereithalten. Die Informations- und
Fortbildungsveranstaltungen erreichen darüber hinaus die (Fach-)Öffentlichkeit, so dass
die Thematik Zwangsheirat enttabuisiert und für diese sensibilisiert wird. Mit Hilfe der
Schulworkshops und der Mütterseminare sucht die Fach- und Anlaufstelle den Austausch
mit Schülerinnen, Schülern und Müttern. Sie wirkt dort aufklärend und präventiv. Die
Rückmeldungen der Klientinnen und Klienten sowie der Fachkräfte, die von „Wüstenrose“
am Ende der Beratung/der Veranstaltung erhoben werden, sind zusammenfassend sehr
positiv und zeigen große Zufriedenheit.
Das Personal der Fach- und Anlaufstelle ist derzeit mit zwei Vollzeitstellen ausgestattet
und interkulturell kompetent besetzt, so dass trotz Tabuisierung, Stigmatisierung,
kultureller und sprachlicher Hürden der Zugang zu „Wüstenrose“ gewährleistet ist. Die
erarbeiteten Standards für Beratung, Fortbildung und die jungen Konzepte der
Schulworkshops sowie Mütterseminare werden laufend weiter entwickelt und aktualisiert.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind vernetzt und kooperieren feldübergreifend mit
Institutionen in München, Bayern und auf Bundesebene.
Angesichts der steigenden Nachfrage in allen Angebotsstrukturen in Verbindung mit einer
Zunahme an intensiveren und längerfristigen Beratungsfällen (z.B. Beratung von
Personen mit psychischen und geistigen Einschränkungen) war die Auslastung sehr hoch.
Bei gleichbleibenden Ressourcen und qualitativ hohem fachlichen Anspruch ist eine
Erhöhung der Angebotszahlen sowie eine Konzeptweiterentwicklung derzeit nicht möglich.
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Zuzug von (jungen) Menschen nach München
entwickelt. Ggf. ist eine Weiterentwicklung der bestehenden Angebote z.B. in Flüchtlingsund Übergangsklassen erforderlich. Auch eine Vertiefung der Workshops an Schulen
erscheint äußerst sinnvoll, ebenso eine Ausweitung der Mütterseminare auf die Zielgruppe
der Väter bzw. Eltern. Nach Bedarfslage wird eine entsprechende Beschlussvorlage dem
Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt.
Anhörung des Bezirksausschusses
In dieser Beratungsangelegenheit ist die Anhörung eines Bezirksausschusses nicht
vorgesehen (vgl. Anlage 1 der BA-Satzung).
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Abstimmung mit anderen Referaten und Stellen
Die Beschlussvorlage ist mit der Frauengleichstellungsstelle, dem Migrationsbeirat, dem
Referat für Gesundheit und Umwelt und dem Sozialreferat/Stelle für interkulturelle Arbeit
abgestimmt.
Dem Korreferenten, Herrn Stadtrat Müller, der Verwaltungsbeirätin, Frau Stadträtin Koller,
der Stadtkämmerei, dem Migrationsbeirat, der Frauengleichstellungsstelle, dem Referat
für Gesundheit und Umwelt und dem Sozialreferat/Stelle für interkulturelle Arbeit ist ein
Abdruck der Sitzungsvorlage zugeleitet worden.
II.
Antrag der Referentin
1. Vom Bericht über die Arbeit und die Entwicklung der Fach- und Anlaufstelle zur
Verhinderung von Zwangsheirat in München Wüstenrose wird Kenntnis genommen.
2. Der Antrag Nr. 14-20 / A 01476 der Stadtratsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN/RL
vom 22.10.2015 ist geschäftsordnungsgemäß behandelt.
3. Dieser Beschluss unterliegt nicht der Beschlussvollzugskontrolle.
III. Beschluss
nach Antrag.
Der Stadtrat der Landeshauptstadt München
Kinder- und Jugendhilfeausschuss
Die Vorsitzende
Die Referentin
Christine Strobl
Bürgermeisterin
Dorothee Schiwy
Berufsm. Stadträtin
IV. Abdruck von I. mit III.
über D-II-V/SP
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an das Direktorium – Dokumentationsstelle
an die Stadtkämmerei
an das Revisionsamt
z.K.
V.
Wv. Sozialreferat
1. Die Übereinstimmung vorstehenden Abdrucks mit der beglaubigten Zweitschrift wird
bestätigt.
2. An das Sozialreferat, S-III-MI/IK
An die Frauengleichstellungsstelle
An das Referat für Gesundheit und Umwelt
An den Migrationsbeirat
z.K.
Am
I.A.