Interne Veränderungskommunikation als Dialog zwischen direkt und indirekt Beteiligten - Ein deskriptives Modell zur internen Veränderungskommunikation Michaela Ebeling, Patrick Dörr, Lukas Pieper Abstract Einleitung Das Ziel des Artikels ist es, ein deskriptives Modell der internen Veränderungskommunikation zu entwickeln, welches auf literarischen Klassikern der Kommunikationswissenschaft, Unternehmenspsychologie, Soziologie sowie der Managementlehre basiert. Die Autoren des Artikels vertreten mit dem Modell die Meinung, dass nur durch den Einbezug des dialogorientierten Ansatzes eine erfolgversprechende Veränderungskommunikation gelingen kann. Der Dialog zwischen direkten und indirekten Beteiligten, also zwischen Veränderungsstrategen und der Unternehmenskommunikation auf der einen sowie der restlichen Mitarbeiter auf der anderen Seite, muss während der gesamten Veränderung geführt werden und das gestiegene Informationsbedürfnis aller Beteiligten befriedigen können. An oberster Stelle steht hierbei die kommunikative Vermittlung von Sinn und Erklärungen für die Veränderung. Hierfür bedarf es zwingend der Einteilung der indirekt Beteiligten in die Untergruppen: Vorantreiber, Unterstützer, Skeptiker und Gegenspieler, die allesamt in die Veränderungskommunikation einbezogen werden sollten. Der Artikel versteht Kommunikation als sozial konstruierten Prozess der Sinnesdeutung. Er richtet sich an forschende Akademiker und Mitarbeiter in Unternehmen, die zur Gruppe der „Direkt Beteiligten“ gehören und ein Verständnis dafür entwickeln möchten, wie eine effektive Kommunikation im Wandel erfolgen kann. „Je mehr die Geschwindigkeit der Veränderungen zunimmt, desto entscheidender werden der Wille und die Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln sowohl für den Karriereerfolg des Einzelnen als auch für den wirtschaftlichen Erfolg ganzer Unternehmen.“ (Kotter 1996, S. 151) Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks, dem sich Unternehmen in der heutigen Zeit stellen müssen, steigen die Anforderungen an Unternehmen, um mit einer effektiven und effizienten Kommunikationsarbeit Wettbewerbsvorteile am Markt generieren zu können und um sich auch zukünftig am konkurrierenden Markt profilieren zu können. Die Bedeutung der Unternehmenskommunikation hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Unternehmen müssen sich heute nicht nur deutlich am Markt positionieren, sondern auch gestiegene Informationsbedürfnisse und Anliegen ihrer Bezugsgruppen erfüllen (vgl. Allgäuer & Larisch 2014, S. 50). Die Wirtschaft ist globaler denn je, sodass die Logik früherer Prozesse heute keine zwingende Verbindlichkeit darstellt und die Neugestaltung sowie ständige Aktualisierung der Geschäftsprozesse zu den kontinuierliche n Führungsaufgaben zählen. Die Ursachen für die Umstrukturierungen der Unternehmung liegen meist in der Veränderung externer Rahmenbedingungen, welche folglich auch Auswirkungen auf interne Corporate Communications Journal Jahrgang 1, Nummer 2, SS 2016 Seite 6 Bezugsgruppen von Unternehmen mit sich führen (vgl. Buchholz & Knorre 2013, S. 124; Pfannenberg 2009, S. 12). Unsicherheiten und Wandlungsprozess Ängste im In einem Wandlungsprozess reicht die alltägliche Standardkommunikation nicht mehr aus, um die Arbeitsleistung, Identifikation und Motivation der Belegschaft zu erhalten und aus zubauen. Für viele Mitarbeiter bedeutet ein Wandel automatisch die Entwicklung von Ängsten, die sich bis zur Furcht um die eigene Sicherheit und Existenz ausweiten können. Aus diesem Grund ist das Verhalten der Mitarbeiter nicht mit den Handlungsweisen in normalen Situationen vergleichbar. (Vgl. Buchholz & Knorre 2013, S. 125). Organisationaler Wandel ist häufig ein sehr emotionales Thema, denn die Gefühle, Ängste und Zweifel der Menschen entscheiden darüber, wie Mitarbeiter ihre Umwelt einschätzen, bewerten und wie sie auf die Veränderungen reagieren (vgl. Mast 2013, S. 402). Die Bedeutung der internen Kommunikation im Rahmen der Veränderung ist nicht hoch genug einzuschätzen, da sie den Mitarbeitern einen Halt in Form von Orientierung zurückzugeben vermag. Neben der formalen und strukturellen Integration müssen insbesondere emotionale Verbindungen aufgebaut werden, um die Motivation der Mitarbeiter zu stärken und um Verständnis für den Wandlungsprozess zu erzeugen. Emotionen können nicht vermieden werden, desto bedeutungsvoller ist ein Abbildung 1: Deskriptives Modell zur Veränderungskommunikation Corporate Communications Journal Jahrgang 1, Nummer 2, SS 2016 Seite 7 sensibles Kommunikationsmanagement, welches den Mitarbeitern Unsicherheiten oder Ängste nehmen kann. Im folgenden Beitrag soll daher ein Kommunikationsmodell für die unternehmensinterne Veränderungskommunikation entwickelt werden, welches auf dialogorientierten Ansätzen aus der Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie basiert. Das deskriptive Modell (vgl. Abb. 1) stützt sich auf die Annahme, dass Kommunikation nicht als einseitig gerichtete Abwärtskommunikation (vgl. Pfannenberg 2009, S. 84) verstanden werden darf, sondern eine „Two-Way-Kommunikation“ zulässt, sodass ein Dialog zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeitern hinsichtlich der bevorstehenden Veränderungen entstehen kann. Direkt und Dialog indirekt Beteiligte im Angelehnt an das „Big Three Model of Change“ von Kanter et al. (vgl. 1992, S. 14ff.) sind zentraler Bestandteil des Modells zwei Kommunikationspartner: Zum einen die Personen, die direkt am Wandel beteiligt sind – zu ihnen gehören die Veränderungsstrategen (die Führungsebene) sowie die Veränderungsimplementierer (die Unternehmenskommunikation). Zum anderen stehen die indirekt Beteiligten des Wandels ihnen als Kommunikationspartner gegenüber. Diese Gruppe besteht aus den restlichen Mitarbeitern, welche sich wiederum in Vorantreiber, Unterstützer, Skeptiker und Gegenspieler gliedern. Dieser Teil der Belegschaft ist zwar von den Veränderungen betroffen, übt allerdings keinen direkten Einfluss auf strategische Entscheidungen oder die Implementierung der Veränderungen aus. Die Untergruppen der indirekt Beteiligten setzen sich unterschiedlich stark mit den anstehenden Veränderungen auseinander, tauschen sich aber auch gegenseitig aus, sodass sie sich gegenseitig beeinflussen. Die Stärke der Beeinflussung ist davon abhängig, wie sehr sie ihre Meinung öffentlich kundtun und sich somit mit anderen Mitarbeitern austauschen (vgl. Abb. 2). Abbildung 2: Veränderungstypen (Pfannenberg 2009, S. 77) Corporate Communications Journal Jahrgang 1, Nummer 2, SS 2016 Seite 8 Konträr zu der in der Praxis häufig vorherrschenden unidirektionalen top-down-Kommunikation sollen alle Mitarbeiter als aktive Kommunikationspartner betrachtet und in den Kommunikationsprozess einbezogen werden. Zwischen den Kommunikationspartnern kann man daher einen Kommunikationskreislauf erkennen, welcher die Wechselseitigkeit für eine erfolgreiche Veränderungskommunikation betont. Der Kreislauf besteht zum einen, kommend aus Richtung der direkt Beteiligten, aus der Kommunikationsqualität sowie der Möglichkeit zur Partizipation und zum anderen, kommend aus Richtung der indirekt Beteiligten, aus Kommunikation bzw. Partizipation. Wie das Modell veranschaulicht, üben die Faktoren „Häufigkeit“, „Inhalte“ sowie „Art“ Einfluss auf die Qualität der Kommunikation aus. Es wird angenommen, dass in einem Veränderungsprozess das Informationsbedürfnis der Mitarbeiter höher ist, als unter normalen Umständen (vgl. Mast 2006, S. 416f.), daher erhöht sich die Qualität der Veränderungskommunikation durch stetige Informationsverbreitung. Üblicherweise verfügen die direkt Beteiligten über einen Wissensvorsprung hinsichtlich des Veränderungsprozesses gegenüber den indirekt Beteiligten, sodass sie die Notwendigkeit des Wandels verschieden auffassen. Es ist daher sinnvoll, zentrale Aussagen explizierter und häufiger zu kommunizieren, als in Zeiten ohne Veränderungsmaßnahmen. Das Kommunikationsmodell setzt voraus, dass nicht nur formelle Kommunikation, sondern auch informelle Kommunikation wie beispielsweise Kantinengespräche, betrachtet werden. Ferner umfasst es auch die personale Kommunikation als auch mediale Kommunikation. Hierbei ist davon auszugehen, dass die Medien, welche die Möglichkeit zur Rückkopplung bieten, die Qualität der Kommunikation erhöhen. Das Ausmaß der Partizipationsmöglichkeiten sowie die Qualität der Kommunikation korrelieren positiv mit der wahrgenommenen Kontrolle (vgl. Abb. 3). Abbildung 3:Unsicherheiten während eines Veränderungsprozesses (Bordia et al. 2004, S. 517) Corporate Communications Journal Jahrgang 1, Nummer 2, SS 2016 Seite 9 So betonen Bordia et al. (2004, S. 517ff.), dass die wahrgenommene Kontrolle wesentlich dafür ist, wie stark die Mitarbeiter Unsicherheiten in Zeiten des Wandels empfinden. Diese Unsicherheiten können sowohl von kognitiver als auch von emotionaler Natur sein. Größere Unsicherheiten führen dazu, dass der Wandel deutlich negativer wahrgenommen wird, sodass die indirekt Beteiligten den Veränderungsprozessen mit Ablehnung gegenüberstehen. Die geforderte Unterstützung der Mitarbeiter könnte durch die Unsicherheiten nur mangelhaft ausfallen oder sogar als Widerstand aufgefasst werden. Wissen und Deutungsrahmen Erfahrung als Beide Kommunikationspartner werden durch bestimmte Rahmenbedingungen wie ihr Wissen, ihren Bildungsgrad, ihre Position im Unternehmen und ihren individuellen Eigenschaften geprägt. Diese individuellen Rahmenbedingungen haben jeweils Einfluss auf die Interpretation der derzeitigen Situation und Kommunikation. Wie Hermann (vgl. 1982, S. 11) beschreibt, beinhaltet der partnerorientierte Ansatz einen Sprecher und einen Partner, die die Umstände anhand ihres Wissens und ihrer Erfahrungen interpretieren. Der Sprecher (direkt Beteiligte) sollte innerhalb des Kommunikationsprozesses Informationen bereitstellen, sodass der Partner (indirekt Beteiligte) sich ausreichend informiert fühlt und Informationsdefizite eliminiert bzw. reduziert werden (vgl. ebd. S. 22). Allerdings wird davon ausgegangen, dass der Sprecher seine Äußerungen nicht nur dazu einsetzt, um den Partner zu informieren, sondern auch, um bestimmte Handlungsziele zu erreichen (vgl. ebd. S. 23). In dem eigens skizzierten Modell wird ebenfalls angenommen, dass der Sprecher ein spezielles Kommunikationsziel verfolgt, wie beispielsweise die Einstellungsänderung der Mitarbeiter. Überdies verfolgen aber auch die indirekt Beteiligten gewisse Ziele, da sie durch Partizipation ebenfalls den Change Prozess hinsichtlich ihrer Interessen beeinflussen wollen. Somit haben die Rahmenbedingungen sowie die eigene Intention Einfluss auf die Art der Kommunikation, aber auch auf die Wahrnehmung und Deutung der Kommunikation, welche sie wiederum nach ihren Erfahrungen bewerten. Gemäß Hermanns Ansatz decodiert der Kommunikationspartner auf der Empfängerseite die Äußerungen seines Gegenübers, indem er aus dem Gesagten rekonstruiert, was der Sprecher damit gemeint hat (vgl. ebd. S. 10). Je nach Interpretation und Wissensstand nimmt er eine Bewertung des Gesagten vor und reagiert entsprechend. Somit bestimmt diese Bewertung die Einstellung und das Verhalten des Mitarbeiters dem Wandel gegenüber. Hinsichtlich der Veränderungen ist zu betonen, dass die direkt Beteiligten diese anders interpretieren als die indirekt Beteiligten, da während eines Changes das Wissen und die Auffassungen dieser Gruppen divergieren. Unter Umständen verfügen die direkt Beteiligten über sensibles Wissen, welches nicht öffentlich kommuniziert werden kann oder darf. Über die Kommunikationskaskade nach unten entstehen Spekulationen auf Seiten der indirekt Beteiligten, sodass Corporate Communications Journal Jahrgang 1, Nummer 2, SS 2016 Seite 10 sie aus Äußerungen der direkt Beteiligten ihre eigene soziale Wirklichkeit der Veränderungen konstruieren. Wie der Name „Veränderungsstrategen“ schon vermuten lässt, haben diese Personen direkten Einfluss auf Entscheidungen und strategische Vorgehensweisen, um den Wandel voranzutreiben. Von ihren Entscheidungen ist das Gelingen des Wandels abhängig. Durch Partizipationsmöglichkeiten, wie das Geben von Feedback, wird den restlichen Mitarbeitern die Gelegenheit geboten, indirekt an strategischen Entscheidungen teilzunehmen. Überdies ist der Erfolg der Veränderungen aber auch an die Einstellungs- und Verhaltensänderungen der Mitarbeiter gebunden. Nur durch eine ausreichende Motivation, den Wandel zu akzeptieren, zu unterstützen und die neuen Visionen anzunehmen, kann die Produktivität der Beschäftigten aufrechterhalten oder sogar gesteigert werden. Es ist daher Aufgabe der Unternehmenskommunikation, ihre Arbeitsmotivation aufrechtzuerhalten, um eine Lähmung des Unternehmens bzw. eine hohe Fluktuationsrate während des Change-Prozesses zu verhindern. Es muss versucht werden, den Mitarbeitern Orientierung zu bieten und ihnen ihre Ängste und Unsicherheiten zu nehmen, damit eine positive Einstellungs- und Verhaltensänderung erfolgen kann. diese die Veränderungskommunikation initiieren und die Rahmenbedingungen hierfür abstecken sowie neue Visionen vermitteln und die Motivation der restlichen Mitarbeiter fördern. Die indirekt Beteiligten sollen hingegen dazu angeregt werden, Feedback zu geben und ihre Zweifel zum Gegenstand der Kommunikation zu machen, sodass mittels einer intensiven Auseinandersetzung mit den Veränderungen der Change-Prozess gelingen kann. Das Modell versteht daher Kommunikation nicht nur als Instrument, um Unsicherheiten durch Informationen zu eliminieren, sondern primär als einen sozial konstruierten Prozess der Sinnesdeutung. Veränderungskommunikation wird als Dialog zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeitern verstanden, da nur durch die gegenseitige Unterstützung Veränderungen langfristig erfolgreich umgesetzt werden können. Fazit Das deskriptive Kommunikationsmodell soll veranschaulichen, dass der Kommunikationsprozess von den direkt Beteiligten gesteuert wird, da Corporate Communications Journal Jahrgang 1, Nummer 2, SS 2016 Seite 11 Literaturverzeichnis Allgäuer, J. E. & Larisch, M. (2014): Trends und Perspektiven in der Unternehmenskommunikation. In: Controlling & Management Review, Vol.58(8), S. 50-55. Buchholz, U. & Knorre, S. (2013): Grundlagen der internen Unternehmenskommunikation. 2., überarbeitete Auflage, Helios Media, Berlin. Bordia, P. & Hobman, E. & Jones, E. & Gallois, C. & Callan, V. J. (2004): Uncertainty during Organizational Change: Types, Consequences, and Management Strategies. In: Journal of Business and Psychology, Vol. 18(4), S. 507-532. Mast, C. (2006): Change Communication: Balancieren zwischen Emotionen und Kognitionen. In: Schmid, B. F.; Lyczek, B. (Hrsg.): Unternehmenskommunikation: Kommunikationsmanagement aus Sicht der Unternehmensführung. Gabler Verlag, Wiesbaden. Pfannenberg, J. (Hrsg.) (2009): Veränderungskommunikation: So unterstützen Sie den Change Prozess wirkungsvoll. Themen, Prozesse, Umsetzung. 2., komplett überarbeitete Neuauflage, Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main. Herrmann, T. (1982): Sprechen und Situation: Eine psychologische Konzeption zur situationsspezifischen Sprachproduktion. Springer Verlag, Berlin. Kanter, R. M. & Stein, B. A. & Jick, T. D. (1992): The Challenge of Organizational Change: How Companies Experience It and Leaders Guide It. The Free Press, New York. Kotter, J. P. (1996): Leading Change: Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern. Vahlen Verlag, München. Mast, C. (2013): Unternehmenskommunikation: Ein Leitfaden. 5., überarbeitete Auflage, UVK, Konstanz. Corporate Communications Journal Jahrgang 1, Nummer 2, SS 2016 Seite 12
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