Umwelt 45 ■ BAUERNBLATT | 15. Oktober 2016 Artenvielfalt in der Agrarlandschaft fördern – Teil 8 Biodiversität im Wald stärken Ohne den Einfluss des Menschen wäre der Wald die vorherrschende Vegetationsform in Deutschland. Daraus wird ersichtlich, wie wichtig die dem Menschen derzeit zur Verfügung stehenden Waldflächen sind, um den Ansprüchen, die an ihn und seine Bewirtschaftung gestellt werden, gerecht zu werden. Neben den Nutz- und Sozialfunktionen sind dabei auch die Schutzfunktionen gleichberechtigt einzubeziehen, die in Deutschland auf 11 % der Waldfläche durch Ausweisung als Nationalpark, Naturschutzgebiet oder Naturwald reservat vorrangig bedient werden. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder der Begriff „Biodiversität“ als Leitziel auf. Dieser beschreibt – vereinfacht formuliert – die Vielfalt der Ökosysteme und Arten sowie deren WechselBiodiversität und nachhaltige Forstwirtschaft stehen nicht zwangsläufig im Gegensatz zueinander. wirkungen untereinander. Rechtlich und politisch spiegeln sich die Forderungen nach der Erhöhung der Biodiversität unter anderem in den Landeswaldgesetzen, der „nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ oder auch dem europaweiten Schutzgebietsprogramm „Natura 2000“ wider. Ziel der nachhaltigen Forstwirtschaft muss es also sein, den Wald so differenziert zu gestalten oder zu erhalten, dass er möglichst vielen Arten als Lebensraum dienen kann. Dies geschieht idealerweise unter der Vorgabe, dass die genannten Waldfunktionen gleichrangig bedient und die rechtlichen sowie politischen Vorgaben eingehalten werden. Nachhaltigkeit praktisch umsetzen Doch wie lässt sich für den Praktiker die Forderung nach Erhöhung der Biodiversität erfüllen? Widersprechen sich Schutz und Nutzung? Sind für die Steigerung der Artenvielfalt in die Bewirtschaftung integrierte oder segregative Schutzkonzepte zu bevorzugen? Ein Blick in die einschlägige Literatur offenbart, dass sowohl nutzungs- als auch schutzorientierte Aspekte wesentlich für die Erhöhung der Artenvielfalt sein können. So sind beispielsweise für Wärme und Licht liebende Arten die aus historischen Waldnutzungsformen (Mittelwälder, Waldweiden) ent- bile Wälder gestalten zu können, standenen, ehemaligen „Kultur- die ein hohes Maß an für die Arwälder“ von entscheidender Be- tenvielfalt ebenfalls wichtiger Hadeutung. Andererseits sind biolo- bitatkontinuität bieten. gisch alte und überalterte Bestände für den Erhalt der Artenvielfalt Differenzierte Betrachtung wesentlich und somit schutzbeerforderlich dürftig. Aus den vorgenannten Aspekten Für die Forstwirtschaft bedeutet das, dass eine Abwägung zwischen wäre es also falsch zu behaupten, dem Erhalt von Bäumen bis hin zur dass die Biodiversität ausschließnatürlichen Zerfallsphase und einer an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Endnutzung am Ende der Reifephase erfolgen muss. In der Praxis geschieht dies mithilfe von in die Bewirtschaftung integrierten Konzepten, die die Menge, die Art, die Lagerung und die Verteilung von Alt- und Totholz über den Betrieb regeln. Hinzu kommen im Sinne der nationalen Biodiversitätsstrategie das Bestreben, natürliche Waldgesellschaften zu entwickeln, die weitestgehende Ausnutzung der natürlichen Dynamik sowie die Bevorzugung von Naturverjüngung. In diesem Zusammenhang sei auch das dafür notwendige, ausgeglichene Verhältnis zwischen Das Vorhandensein von stehendem Totholz ist Verjüngung und Wildbe- ein wichtiger Aspekt für die Artenvielfalt. stand erwähnt, um sta- Fotos: Henrik Schwedt lich mit dem Nutzungsverzicht oder der Gestaltung von Naturnähe korreliert. Dennoch ist neben den beschriebenen, integrativen Maßnahmen auch der flächige Verzicht auf Nutzung von Bedeutung. Es ist also notwendig, für den Erhalt der Biodiversität in Wäldern sowohl großflächige, segregative als auch kleinflächige, in die Bewirtschaftung integrierte Schutzkonzepte parallel anzuwenden. Dies hat einerseits zur Folge, dass Arten innerhalb ihres Verbreitungsgebiets erhalten werden, andererseits wird durch die Schaffung von Alt- und Totholz inseln, sogenannter Trittsteinbiotope, die Verbreitung auf der gesamten Waldfläche gefördert. Dem gegenüber stehen jedoch neuere Untersuchungen, die belegen, dass es hinsichtlich der Ausstattung mit gefährdeten und geschützten Arten keine Unterschiede zwischen regulär bewirtschaftetem Wald und stillgelegten Flächen gibt. Es ist also wichtig, in der Bewirtschaftung jeweils kleinflächig zu entscheiden, an welchen Stellen unter Einbeziehung aller sonstigen Waldfunktionen die Biodiversität am ehesten gefördert werden kann. Henrik Schwedt Landwirtschaftskammer Tel.: 0 45 51-95 98-14 [email protected]
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