Was Fragen fragen Was wäre, wenn wir nicht Bilder beschreiben oder vergleichen, sondern plötzlich Fragen zu Ideen von Bildern (er-)finden? Was unterscheidet Beschreibungen und Vergleiche von Fragen? Was lernen wir, indem wir neue Fragen wagen? Und wie formuliert man Fragen, die über die Grenzen ihres Autors oder ein aktuelles Format hinaus reichen? Fragen sind so etwas fragmentarische Zuspitzungen, eine Art tiefer gelegte Theorie. Nicht Beobachter fragen, was sie da gerade machen, sondern umgekehrt: Fragen zwingen Akteure, die sich nach Außen hin nicht in Frage stellen (lassen), ihr Handeln neu zu positionieren. Eine gezielte Frage braucht ebenso gezieltes wie auch genügend unbestimmtes Nachdenken. Sie unterstützt den Fragenden beim Lernen, hilft ihm eigene Querverbindungen und smarte Assoziationen zu finden und diese angemessen mitzuteilen. Wer stellt heute Probleme und Personen inklusive sich selbst nicht in Frage? Werden nicht gerade alle Werte und Überzeugungen im Inneren der Gesellschaft fragwürdig? Was geschieht mit der Gesellschaft, die sich gegen Veränderungen wehrt? Gerade die Fragen, die eine Gesellschaft zulässt oder eben nicht, sagt etwas aus über deren aktuellen Zustand. In der heute sogenannten postfaktischen Gesellschaft, in der kommunizierenden Leerstellen zwischen Affekten und Ideen, zwischen alten Begriffen und ihren veränderten Anwendungsformen immer weiter auseinanderklaffen, übernimmt die Fähigkeit, unliebsame Fragen an die nächste Gegenwart zu formulieren, plötzlich gesteigerte Orientierungsfunktionen. Verblüffen und bluffen Fragen signalisieren komplexe Kooperationsfähigkeiten ebenso wie Momente kreativer Umkehrung. Was wäre, wenn – eine Frage, die ich anderen stelle, mich selbst am meisten verblüfft? Eine Frage, die nur so tut als ob sie sich selbst und den Fragenden wichtig macht, ist nicht verblüffend, sondern einfach nur Bluff. Fragen, die klüger als andere formuliert sind, wirken dagegen manchmal wie Geistesblitze. Sie verwandeln das Grau einer Wirklichkeit in die Farbigkeit einer Evidenz, aus der Neues verändert und die Gegenwart verändernd hervorgeht. Wie sichert die Macht ihre Macht? Eine Frage wird dann relevant, wenn sie weder rhetorisch untertreibt noch exklusiv übertreibt. Eine Frage fokussiert ein Problem oder – tut so als ob. Sie kombiniert Risiko mit Reiz, ein Formulieren mit Fingieren. Fragen eröffnen Einblicke in Wirklichkeiten, die scheinbar oder real noch nicht gestellt werden konnten. Fragen (und eben diese in Frage) zu stellen ist keine Kunst, sondern pure Notwendigkeit. Was die Zunge für das Sprechen, ist die Frage für die Sprache. Rechenschaft ablegen Wie klingen Fragen, wenn die Antworten auf diese auf einmal wie Rechenschaften wirken? Am Ende einer Frage erwartet den Fragenden keine Antwort, sondern dessen Veränderung. Echte Fragen spitzen Sachverhalte zu, nehmen ein Problem ernst und verkehren die Wirklichkeit, insofern sie hier in Frage gestellt wird, in eine eigene Darstellung. Geschicktes Fragen eröffnet Spielräume ohne gleich in Antworten zu denken. Geschickte Antworten sind Sätze, die an nächste Fragen grenzen und diese zum Sprechen bringen. Als Bild ähnelt eine Frage einem losen Ende innerhalb einer Darstellung. Je transparenter sie wird, desto fokussierter wird der Blick, den eine Frage ihrem Publikum schenkt. Was wäre, wenn die Verwandlung, die Fragen bewirken können, in die Wirklichkeit zurück wirken? Fragen dauern, sie erzeugen eine Zeit des eigenen Nachdenkens. Antworten lösen Probleme, sie haben keine Zeit um möglichen Fragen Raum zu geben. Am Ende verwandeln Fragen die Wirklichkeit, die auch aus Möglichkeiten eines Was wäre wenn entsteht. Heute gibt es weniger letzte Fragen, sondern Fragen über Fragen, die Horizonte öffnen, schnelle Antworten überflüssig machen – Ideen, die das Subtile, das sich in und durch Fragen verkörpern kann, in eine nächste, neue und eigene Form übersetzen. © Michael Kröger
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