Architektur Aktuell - Architekturbüro ANTONIETTY ARCHITEKTEN AG

Immobilien
NZZ am Sonntag § 5. September 2010
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Intelli
Ein neue Heizung lässt sich
passen gleich gut zu den um
A
Ohne Stufen und
Wände – das
Bad öffnet sich
ANTONIETTY ARCHITEKTEN
Dächer bieten den nötigen Platz für das Einfangen der Wärme. Sonnenkollektoren gelten heute als wirtschaftlich lohnende Ergänzung konventioneller Heizsysteme.
uf 400 Kilowattstunden pro Jahr, entsprechend
40
Litern
Heizöl, veranschlagt
das Bundesamt für
Energie (BFE) den
Ertrag von 1 m2 Sonnenkollektoren. «Selbstverständlich ist
der Energiegewinn von der Lage abhängig, aber auch von der Güte der Anlage», gibt Pius Hüsser, Vizepräsident
von Swissolar, zu bedenken. Hüsser
meint damit neben der Neigung und
der Orientierung der Kollektoren die
Kombination mit der Basisheizung.
Nur wenn die Kollektoren zum Wärmeerzeuger für das Warmwasser und
allenfalls für die Raumheizung passen,
freut sich der Hausbesitzer, so die einhellige Meinung der Experten.
Besonders geeignet sind die Energiesammler als Ergänzung zu Öl- oder
Gasheizungen. Mit 5 m2 Kollektorfläche auf einem Einfamilienhaus lässt
sich gut die Hälfte der Energie für die
Wassererwärmung gewinnen, meint
Andreas Haller vom KollektorenHersteller Ernst Schweizer AG. «Für
Mehrfamilienhäuser rechnen wir mit
maximal 1 m2 pro Person.» Nach dieser
Faustformel ergibt sich auf einem
Zehnfamilienhaus eine Kollektorfläche
von etwa 30 m2. Deutlich grösser wird
Modernes Wohnen heisst: Die Küche
wird nicht mehr vom Rest der Wohnung abgeschottet. Und je länger, je
mehr öffnet sich auch das Bad zum
Wohnbereich hin. Aufsehen erregt hat
zum Beispiel das «Wohnbad» des Luzerner Architekten Carlos Antonietty.
Seine Eigenheit: Das grosszügige Bad
hat einen direkten Bezug zum Schlafraum und ist halbseitig verglast. Der
Raum wird vom Schlafbereich nur
durch zwei Schiebetüren und eine zentrale Schrankwand abgetrennt.
Dunkle Hölzer an Boden und Wänden prägen das gediegene Ambiente.
Und mittendrin – auch dies ein neuer
Trend in der Bäder-Architektur – steht
die Badewanne. Eine durchgehende
Fensterfront lässt den Blick nach aussen frei. «Für uns sind Bäder keine
Nasszellen, sondern Wohnräume»,
führt Carlos Antonietty aus. «Einziger
Unterschied ist, dass man darin badet
oder duscht.» Die Toilette ist aber weiterhin in einem angrenzenden separaten Raum untergebracht.
Das offene, luxuriöse Bad steht standesgemäss in einer neu erstellten Villa
hoch über dem Vierwaldstättersee. Als
«innovative und konzeptionell überzeugende» Variante wurde es kürzlich
zum «schönsten Schweizer Bad» des
letzten Jahres erkoren.
Bei Designern und Architekten stehen fliessende Übergänge zwischen
dem Bade- und dem Schlafzimmer
ebenso wie im Bad selber hoch im
Kurs. Die Ideen beruhen weniger auf
kreativer Spielerei, vielmehr sind sie
das Resultat einer zielgerichteten
Marktforschung: Wann immer Hersteller von Badmöbeln und Sanitäreinrichtungen die potenzielle Kundschaft zu
den möglichen Wünschen befragen,
wird ein nicht zu knappes Raumangebot als häufige Antwort gegeben.
Reduziertes Design
Entsprechend leiten sich daraus die
gestalterischen Versuche ab, das enge
Bad zu erweitern beziehungsweise den
Raum durch reduziertes Design zu öffnen. Die bisherigen Wände weichen
einer transparenten räumlichen Abtrennung, und anstelle der überladenen Möblierung wird die innere Gliederung neuerdings aufgehoben.
Wie das geht, demonstrierte der
Zürcher Architekt Gus Wüstenmann
am Umbau einer Stadtwohnung in
Luzern. Seine fliessende BadezimmerVariante ist nicht weniger spektakulär
BRUNO HELBLING
Mit fliessenden Übergängen zwischen
Nasszelle und Wohnbereich kommt
das Badezimmer immer mehr in die
Lebensmitte. Doch nicht alle Grenzen
verschwinden. Von Paul Knüsel
Fliessendes Bad von Gus Wüstemann.
ausgefallen als das Bad von Carlos
Antonietty. Wüstenmann hat für die
Öffnung der Übergänge das Prinzip
des multifunktionalen Raums genutzt.
Er zeigt, dass auch bei Umbauten ausreichend Platz für ein offenes Wohnbad zur Verfügung stehen kann. Die
Nasszelle ist im unteren Bereich einer
zweigeschossigen Dachmansarde untergebracht. Die offene Zone lässt sich
wahlweise zum Wohnraum oder zum
Schlafraum hin öffnen und schliessen.
Noch konsequenter zusammengebracht werden Bad und Schlafbereich
im Raumkonzept des italienischen
Architekten Antonio Citterio, welches
er für den Hersteller Hans Grohe entworfen hat. Waschtisch, Bett und
Dusche befinden sich im selben Raum,
die Dusche ist aber in eine Seitennische gestellt.
Im Durchschnittshaus fehlt oft der
Platz für derartige Raumlösungen,
oder es wird nach wie vor Wert auf
traditionelles Separieren gelegt. Doch
einige Details aus den Designer-Studien sind bereits auf dem Vormarsch,
und die Abtrennung des Badezimmers
dürfte vielerorts fliessender und sanfter geschehen: Immer häufiger wandert es im Grundriss nach aussen und
Grosszügiges Wohnbad mit direktem
Zugang zum Schlafraum, entworfen vom
Luzerner Architekten Carlos Antonietty.
erhält zusätzlich grosse Fenster. Zentrale Bäder können dagegen mit Glasbausteinen ergänzt werden, um sie von
innen zu belichten. Schiebetüren und
Glaswände sind ebenfalls zum beliebten Trennelement geworden.
Weiche Formen
Derweil wird im Innern aufgeräumt:
Die Duschkabine bleibt offen und ist
stufenlos begehbar. Und weiterer Stauraum wird in die Wände eingebaut.
Zum offenen Charakter gehören aber
auch die weichen Formen und abgerundeten Kanten, welche das Aussehen
der Badmöbel und der Sanitärinstallationen zunehmend prägen.
Der Wunsch nach grosszügigen
Raumverhältnissen sowie mehr Komfort und Bequemlichkeit kommt den
befragten potenziellen Kunden wie
auch den Vertretern der Generation 50
plus entgegen. Sie sind jetzt schon für
ein barrierefreies Wohnen sensibilisiert. Die neue Offenheit moderner Badezimmer richtet sich also auch an die
zeitlosen Bedürfnisse der Bewohner.