DIE MOBILE AKADEMIE BERLIN PRÄSENTIERT IN KOOPERATION MIT EUCREA E.V. UND KAMPNAGEL: S C H WA R Z M A R K T FÜR NÜTZLICHES WISSEN UND NICHT-WISSEN N R . 19 BEHINDERUNG, TECHNOKÖRPER UND DIE FRAGE DER AUTONOMIE 21. O K T O B E R 2 016 K AMPNAGEL, HAMBURG PRESSEMITTEILUNG Über 80 Expert*innen bieten in einer maschinisierten Arena, getaktet im Rhythmus administrierter Zeit, im Rausch der Simultanität und Kollektivität, ihr spezifisches Wissen an. Das Publikum kann die Expert*innen für 30-minütige Einzelsitzungen buchen oder sich per Kopfhörer über das Schwarzmarktradio einzelnen Gesprächen zuschalten. Nach über 10 Jahren und 14 Ländern mit Stationen in Paris, Riga, Warschau, Istanbul, Wien, Liverpool, São Paulo, Nowosibirsk und Tel Aviv kommt der Schwarzmarkt der Mobilen Akademie Berlin, die 2011 bereits für den Kongress „Die Untoten. Life Science and Pulp Fiction“ auf Kampnagel verantwortlich war, zum ersten Mal nach Hamburg. O RT: K A MPN AG E L , JA RRES T R AS S E 20, H A MBU RG Z E I T: F R E I TAG, 21. O K T O B E R 2 016 B E G I N N : 19. 3 0 U H R , C H E C K - I N G E Ö F F N E T A B 18 . 3 0 U H R DURCHGEHEND GEÖFFNET EINTRITT FREI! PRESSEMITTEILUNG SEITE 2 BEHINDERUNG, TECHNOKÖRPER UND DIE FRAGE DER AUTONOMIE Das, was wir ‚Behinderung’ nennen, hat das Potential, unser gewohntes Denken über Individualität, Normalität, Autonomie und Hilfe herauszufordern. Ungewöhnliche Gefüge von Körpern und Technologien, Kommunikationsformen außerhalb der Norm und gelebte Abhängigkeiten erweitern die Perspektive auf das, was wir ‚den Menschen’ nennen. Im Schwarzmarkt Nr. 19 stößt die Gegenwart von Menschen mit Behinderung auf die Körperbilder neuer Technologien und Fragen nach geteilter Autonomie und Handlungsfähigkeit. Zu bestimmen, wo der Körper endet und die Technik beginnt, war immer schon schwierig. Es lässt sich einfach keine klare Grenze festlegen zwischen Artifiziellem und Organischem, Innen und Außen, individuellen und kollektiven Akteuren. Gleichgültig, ob versehrt oder unversehrt, der Mensch benutzt Technologie und braucht die Unterstützung anderer, um an der Welt teilzuhaben. Oder wie Donna Haraway sagt: Wir sind immer mittendrin. Autonom sind wir jedenfalls nie gewesen. Die bedrohlichen Erzählungen vom Autonomieverlust des Indi viduums durch neue Technologien liefern zwar tolle Drehbücher für apokalyptische 3-D-Filme, unterschlagen aber, dass Autonomie gar kein Wesenszug des Individuums ist. Menschen mit Behinderung leben in enger Gemeinschaft mit technischen, sozialen und menschlichen Akteuren. Sie sind Teil eines Netzwerkes, in dem man Autonomie und Handlungsfähigkeit nicht so sehr besitzt, als dass man sie teilt. Der Blick durch die Brille von dis/ability ermöglicht scharfe und phantasievolle Perspektiven auf die Zusammenhänge von Prothesen und Körper, Vermögen und Unvermögen, Hilfe und Ethik. Die Lebenserfahrung von Menschen mit Behinderung korrespondiert dabei mit den philosophischen Spekulationen eines inklusiven Humanismus: Wie leben anderskörperliche, überindividuelle Wesen in der Zukunft zusammen? Wie könnte eine post-, trans- oder parahumane Gesellschaft aussehen, die den Ideen von Normalität und Natürlichkeit des Körpers eine Vielheit körperlicher und geistiger Zustände entgegensetzt? Der Literaturwissenschaftler und Experte im Schwarzmarkt Klaus Birnstiel weist darauf hin, dass nicht nur das Vermögen Teil der menschlichen Grundausstattung ist, sondern gerade auch das Unvermögen. Technische Optimierung hat es nicht vermocht, unsere Unvermögen grundsätzlich zu ‚reparieren’ – wir werden sterben. Allerdings hat sie den Menschen in ganz neue Er fahrungsräume gestoßen: Das Cochlea-Implantat, exoskeletale Prothetik, pharmakologische Interventionen, Neuro-Enhancement oder immersive Virtual-Reality-Applikationen kompensieren nicht einfach einen organisch bedingten Mangel. Sie stiften radikal neue Schnittstellen, Zustände und Erfahrungen. Der Schwarzmarkt versucht Bereiche zusammenzubringen, die in der öffentlichen Wahrnehmung gemeinhin nicht zusammengehören: Die Wirklichkeit körperlicher und geistiger Be hinderung mit kritischen Zukunftsvisionen von Körper und Gesellschaft. Rollstuhlfahrer*innen, Gebärdensprachler*innen, Bio-Hacker*innen, Cyborgs, Post-, Trans- und Parahumanist*innen, Mediziner*innen, Prothetiker*innen, Ethiker*innen, Robotik-Expert*innen und Neurodiverse, Enhancementbefürworter*innen und -kritiker*innen erfinden gemeinsam mit den Besucher*innen eine Ethik für zeitgenössische Körper. W W W. E U C R E A . D E W W W. K A M P N A G E L . D E W W W. FA C E B O O K . C O M / S C H WA R Z M A R K T 19 PRESSEMITTEILUNG SEITE 3 DER SCHWARZMARKT FÜR NÜTZLICHES WISSEN UND NICHT-WISSEN UND DIE MOBILE AKADEMIE BERLIN Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 durch die Kuratorin, Kopistin und Künstlerin Hannah Hurtzig inszeniert die MOBILE AKADEMIE BERLIN Bühnenauftritte und Versammlungs stätten des Wissens. In den letzten Jahren entstanden verschiedene kollektive Lern- und Produktionsräume zur Wissensvermittlung sowie performative Installationen zur Rhetorik des Dialogs und der Kunst der Konversation. Ihre Installationen, Archive und Videos wurden u.a. gezeigt: manifesta 7, Italien; La Biennale di Venezia, UAE Pavillion 2009; Van Abbemuseum, Niederlande 2011; Taipeh Biennale 2012; Secession Wien, 2013; Bauhaus Dessau, 2013; Indira Ghandi Center Delhi, INSERT2014, Delhi; Musée de l`Homme, Paris 2015; Sesc Consolação, Sao Paulo, 2015. Mehr über die MOBILE AKADEMIE BERLIN unter: WWW.MOBILEACADEMY-BERLIN.COM Die Ton- und Filmaufzeichnungen der Projekte der MOBILEN AKADEMIE BERLIN sind in folgenden Archiven online einzusehen und anzuhören: WWW.BLACKMARKET-ARCHIVE.COM WWW.UNTOT.INFO WWW.CEREBROMATIK.UNI-FREIBURG.DE EUCREA ist ein Verband zur Förderung der Kunst behinderter Menschen im deutschsprachigen Raum. Die Menschen hinter EUCREA arbeiten an der Leitidee, innovative inklusive Formate mit Modellcharakter im Bereich der Kunst zu entwickeln, zu erproben und zu erforschen. Dazu zählen national und international ausgerichtete Kulturfestivals für Musik, Tanz und Theater, Ausstellungen der bildenden und angewandten Kunst sowie Wettbewerbe und Publikationen. Mehr über EUCREA unter: WWW.EUCREA.DE THE EXTRAORDINARY ORDINARY ist ein Projekt der MOBILEN AKADEMIE BERLIN, in Kooperation mit EUCREA e.V. und KAMPNAGEL, Hamburg. Kontakt Presse: EUCREA e.V. Jutta Schubert Donnerstr. 5 22763 Hamburg FON 040 39902212 [email protected] Team MOBILE AKADEMIE BERLIN: Hannah Hurtzig: Künstlerische Leitung Sarah Lewis: Kuratorin und Project Manager Marian Kaiser: Kurator Philipp Hochleichter: Company Management Cristina Navaro: Künstlerische Produktionsassistenz Team EUCREA, Hamburg: Jutta Schubert: Leitung, Produktion, Kuratorin Lea Dietschmann: Recherche Kyra Lanman: PR, Produktion Anke Böttcher: Produktion, Administration Grafik-Design: Eva-Maria Birkhoff Der SCHWARZMARKT FÜR NÜTZLICHES WISSEN UND NICHT-WISSEN versteht sich als interdisziplinäre Recherche über das Lernen und Verlernen, das Wissen und Nicht-Wissen. Mit dem SCHWARZMARKT installiert die Mobile Akademie einen temporären Schau- und Produktionsraum, in dem erzählerische Formate der Wissensvermittlung ausprobiert und präsentiert werden. An Einzeltischen sitzen Expert*innen des jeweiligen Themas, die eingeladen sind, einen Ausschnitt ihres Wissens anzubieten, der sich in 30 Minuten erzählen oder erlernen lässt. Das Publikum (eher ein Kunde an diesem Abend) hat die Möglichkeit, sich im gemeinsamen Dialog das Wissen oder Können des Anderen anzueignen. So entsteht ein gemeinsam halluzinierter Diskursraum, in dem Lernen und Verlernen, Wissen und Nicht-Wissen, Lebens- und Überlebensstrategien auf nichtinstitutionellem Weg ihren ‚Besitzer‘ wechseln. Der Wissenstransfer als kommunikativer und performativer Akt wird in dieser Nacht im Theater, dem ursprünglichen Ort öffentlichen Debattierens, zu einer kollektiv gewisperten Wissenserzählung.
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